Essay

Olympische Sommerspiele 2028 in Los Angeles – Dürfen diese Spiele dort stattfinden?

Helmut Digel

1936 – 2028: Einige Parallelen sind offensichtlich

 1936 fanden in Berlin die XI. Olympischen Sommerspiele statt. Spätestens bei der Eröffnungsfeier wurde dabei klar, dass sie später als die „Spiele in Nazi- Deutschland“ bezeichnet werden müssen, dass es die Spiele waren, bei denen die in der Olympischen Charta ausgewiesenen Werte des „Modernen Olympismus“ mit Füßen getreten wurden. Es waren Propagandaspiele zu Gunsten eines Diktators, der schon drei Jahre nach diesen Spielen den bislang folgenreichsten und fürchterlichsten Weltkrieg zu verantworten hatte, und bei dem zig Millionen unschuldige Menschen zu Tode kamen und geopfert wurden.

Die Gefahren, die mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele in Nazi- Deutschland verbunden gewesen sind, wurden schon frühzeitig von kritischen Zeitzeugen benannt. Der Faschismus und der damit einhergehende Rassismus der NSDAP hatte sich bereits in der Weimarer Republik abgezeichnet. In den Vereinigten Staaten gab es deshalb schon Jahre zuvor durchaus lautstarken Widerstand gegen die Durchführung der Spiele in Berlin und eine machtvolle Boykottbewegung. 1933 hätte das IOC durchaus noch die Möglichkeit gehabt, Berlin und Garmisch-Partenkirchen die Olympischen Spiele zu entziehen. 1935 war dies wohl kaum noch möglich, obwohl die „Nürnberger Gesetze“ (das „Reichsflaggengesetz“ und insbesondere das „Reichsbürgergesetz“ und das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“) das durchaus gerechtfertigt hätten. Die Olympische Charta sah hierzu allerdings keine Regel vor.

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Gastbeitrag

75 Jahre Deutscher Sportbund

Gastbeitrag

75 Jahre Deutscher Sportbund

Michael Krüger

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Sportbund (DSB) gegründet, der Dachverband aller Vereine und Verbände des Sports in Deutschland – und zwar auf „freiwilliger Grundlage“, wie bei der Gründungsveranstaltung am 10. Dezember 1950 in Hannover betont wurde (Deutscher Sportbund, 1968, 1989/1990; Krüger, 2009). Der heutige Dachverband mit Namen Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) ging aus dem 2006 erfolgten Zusammenschluss des DSB mit dem NOK für Deutschland hervor, das bereits 1949, gegründet worden war. Um das Jahr 1950, als die Bundesrepublik Deutschland als Staat gegründet wurde, erfolgten zahlreiche weitere Neu- und/oder Wiedergründungen von Vereinen und Verbänden von Turnen und Sport, die auf zum Teil lange Traditionen zurückblicken konnten. Auch der Deutsche Turner-Bund, der älteste und nach dem Deutschen Fußball-Bund zweitgrößte Sportfachverband in Deutschland, könnte in diesem Jahr sein 75jähriges Jubiläum feiern.

Es scheint jedoch so zu sein, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund nicht in der Lage sieht, dieses 75jährige Jubiläen historisch-kritisch zu würdigen. Der DOSB hat es ebenfalls versäumt, im vergangenen Jahr 2024 an die Gründung des NOK für Deutschland noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland als Staat zu erinnern, sei es aus Kalkül oder Ignoranz (NOK für Deutschland, 1999). In jedem Fall handelt es sich um einen Fall von Entsorgung der eigenen Geschichte durch die Dachorganisation des deutschen Sports, in deren Vereinen rund ein Drittel der Bevölkerung organisiert sind.

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Themenzuordnung: Allgemein

Essay

Die Entwicklung des europäischen Sportmedienmarkts

Helmut Digel

Ausgewählte Merkmale der Entwicklung

Veranstaltungen des Sports haben die Kraft, Menschen in einer Nation zusammenzubringen und ein Gefühl der nationalen Identität, des Engagements und des Stolzes von Menschen zu beeinflussen, die unterschiedlicher Herkunft sind, in unterschiedlichen Umständen leben und von verschiedenen Interessen geprägt sind. Das Wissen um die Bedeutung des Sports hat in mehreren europäischen Ländern dazu geführt, das mit Mediengesetzen ein Regime der so genannten „gelisteten Events“ entstanden ist, deren Rolle es ist, gemeinsame kulturelle Momente für die jeweilige nationale   Gesellschaft zu schaffen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Abdeckung bestimmter Sportgroßereignisse für Zuschauer z.B. in ganz Großbritannien kostenlos verfügbar ist. Die neueren Mediengesetze gelten dabei nicht nur für alle linearen Fernsehkanäle. Sie gelten nun auch für alle digitalen Programme, die zur Vorführung von Live-Berichterstattung über die „aufgelisteten Veranstaltungen“ für ein Publikum in einer bestimmten Nation in öffentlichen Medien gezeigt werden. Sie schließen somit die Streamingdienste und das Internet mit ein.

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Essay

Wo steht Thomas Bach unter allen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees?

Gastbeitrag

Von Rich Perelman

Mit 71 Jahren, fünf Monaten und 26 Tagen ist Thomas Bach (GER) nun Ehrenpräsident des Internationalen Olympischen Komitees, nachdem er am 23. Juni 2025 seine 12-jährige Tätigkeit als Präsident der Olympischen Bewegung beendet hat.

Seine beiden Amtszeiten waren von vielen Kontroversen, Umwälzungen und Erfolgen geprägt, und obwohl sein Vermächtnis noch von zukünftigen Ereignissen geprägt sein wird, ist es nicht zu früh, darüber nachzudenken, was er erreicht hat und wo er unter den neun Präsidenten der Olympischen Bewegung steht, die es seit deren Gründung gegeben hat.

Bach kam in einer Zeit der Turbulenzen, aber auch mit IOC-Geld auf der Bank. Am Ende der Amtszeit von Jacques Rogge (BEL) im Jahr 2013 wies das IOC ein Vermögen von 3,448 Milliarden US-Dollar und 1,745 Milliarden US-Dollar an Reserven aus, die es der Organisation ermöglichen sollten, auch bei der Absage von Olympischen Spielen oder Winterspielen zu überleben.

Aber es gab Unzufriedenheit und Uneinigkeit, da Rogge ein ziemlich schwacher Präsident gewesen war, vor allem im Vergleich zu seinem Vorgänger, dem Spanier Juan Antonio Samaranch, der das IOC über 20 Jahre hinweg nach seinen Vorstellungen grundlegend modernisiert hatte, aber auch das Sagen hatte, als mehrere schwerwiegende Korruptionsfälle auf die Ausweitung der Olympischen Spiele folgte. Die Ausweitung kann als  eine wünschenswerte politische Errungenschaft gesehen werden.

Also versuchte Bach, die Dinge zu ändern. Und das tat er:

  • Auswahl der Gastgeberstadt

Die Reformen zur Bekämpfung von Korruption von 1999, die nach der Wahl von Salt Lake City zum Austragungsort der Winterspiele 2002 umgesetzt wurden, hatten das Problem nicht gelöst. Es wurden Fragen über die Nominierung von Rio de Janeiro (BRA) für die Olympischen Spiele 2016 im Jahr 2009 und möglicherweise von Tokio im Jahr 2013 für die Olympischen Spiele 2020 aufgeworfen.

Darüber hinaus waren die Anforderungen für ein Bewerbungsverfahren der Gastgebersstädte und Bewerberländer derart, dass diese Millionen Kosten hatten, immer aufwändigere Spektakel inszenieren mussten, um IOC-Mitglieder zu überzeugen und zu beeindrucken.

Bach beendete dies mit seiner Reform der „Olympischen Agenda 2020“, die im Dezember 2014 verabschiedet wurde. Die erste der 40 Empfehlungen betraf die Begrenzung und Vereinfachung des Verfahrens sowie die Frage, wo und wie die Kandidatenstädte Geld ausgeben könnten. Im Jahr 2019 wurde der öffentliche Wahlkampf im Wesentlichen mit der Schaffung von „Future Host Commissions“ für die Olympischen Spiele und Winterspiele beendet, mit denen Interessierte in einen „kontinuierlichen Dialog“ über mögliche Kandidaturen treten konnten.

Nach der Wahl des Austragungsortes für die Winterspiele 2022 bei der vier europäische Kandidaten zurückzogen und Peking (CHN) mit 44:40 gegen Almaty (KAZ) gewann, sah Bach das Interesse an einer Bewerbung um die Austragung der „Spiele“ auf einem historischen Tiefstand.

Da sowohl Paris (FRA) als auch Los Angeles (USA) an 2024 interessiert waren, arrangierte Bach eine doppelte Auslobung der nächsten Gastgeber[1] – das erste Mal seit einem Jahrhundert für das IOC – für 2024 und 2028. Dies gab ihm Zeit für weitere Reformen.

Die letzte Gastgeberwahl mit kompetitiver Abstimmung durch die IOC-Mitglieder fand 2019 statt, als Milan Cortina (ITA) Stockholm (SWE) mit 47:34 besiegte und nun die nächsten Winterspiele 2026 ausrichten wird, Die Gastgeber für die Winterspiele 2030 und 2034 wurden ebenfalls bereits festgelegt.

Jetzt betragen die Ausschreibungskosten nur noch einen geringen Bruchteil dessen, was sie vorher waren, und unterlegene Bieter werden nicht öffentlich gedemütigt, indem sie in einem Raum stehen und einer anderen Delegation einer Stadt/Region/eines anderen Landes beim Feiern zusehen müssen.

Die IOC-Mitglieder mögen es nicht, wenn ihnen die Entscheidung über zukünftige Spiele faktisch aus den Händen genommen wird, und es werden deshalb nun Änderungen diskutiert. Aber Bachs Vision erzeugte ein gesundes Interesse an der Ausrichtung der Spiele, was funktioniert, wenn auch mit viel weniger Drama.

  • Hosting der Spiele

Mit der Verabschiedung der „Olympischen Agenda 2020“ und einer Reihe kleinerer Reformen, die 2018 als „The New Norm“ verpackt wurden, änderte das IOC völlig seine Auffassung darüber, wie die zukünftigen Olympischen Spiele und Winterspiele ausgerichtet werden sollten.

Neue Stadien nur für die Spiele waren „out“ und die Nutzung bestehender Anlagen wurde plötzlich nicht nur bevorzugt, sondern – wo immer möglich – sogar gefordert. Der neue Ansatz des IOC wurde wie folgt zusammengefasst:

„Die Spiele sollten sich an den Gastgeber anpassen, nicht der Gastgeber an die Spiele.

Das Projekt muss mit den langfristigen sozioökonomischen Entwicklungsplänen der Region in Einklang gebracht werden. Bestehende Austragungsorte sollten so weit wie möglich genutzt werden, auch wenn sie außerhalb der Hauptaustragungsregion liegen. Neue Veranstaltungsorte sollten nur gebaut werden, wenn es ein solides Erbe und einen „Business Case“ gibt, der den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht.“

Stand keine bereits existierende Anlage zur Verfügung, wurde nun ein Provisorium bevorzugt, wodurch Milliardenausgaben für nicht wirklich benötigte Einrichtungen eingespart wurden. Darüber hinaus ermöglichte die neue Sichtweise des IOC potenziellen Gastgebern, die Veranstaltungsorte der Spiele zu streuen und die Vorteile regionaler Einrichtungen zu nutzen, nicht nur innerhalb einer olympischen Gastgeberstadt.

  • Russland und Doping

Eine Dokumentation der deutschen ARD-Sendung „Geheimes Doping – Wie Russland seine Gewinner macht“ vom Dezember 2014 enthüllte ein massives, staatlich gefördertes Dopingprogramm, das 2015 explodierte.

Ein im November 2015 veröffentlichter Untersuchungsbericht der Welt-Anti-Doping-Agentur unter der Leitung des hoch angesehenen IOC-Mitglieds Dick Pound (CAN) bestätigte das System. Dies führte zu einer Suspendierung der russischen Anti-Doping-Agentur.

Das IOC war zwischen den Fronten gefangen, die Spiele in Rio standen kurz bevor, und Bach kündigte schließlich an, dass die internationalen Verbände entscheiden könnten, ob und auf welchem Niveau russische Athleten teilnehmen könnten.  Waren es in London im Jahre 2012 noch 436 russische Athletinnen und Athleten, so waren es in Rio lediglich noch 282 und und nur eine in der Leichtathletik, die Weitspringerin Darya Klishina, die in den USA lebte und trainierte.

Das Russische Olympische Komitee wurde wegen des Dopingskandals Ende 2017 für drei Monate suspendiert. Für die Winterspiele 2018 in Südkorea wurden nur „neutrale“ Athletinnen und Athleten zugelassen. Bis Mitte 2018 hatte das IOC mitgeholfen, die unabhängige Internationale Testagentur zu gründen, um Dopingprogramme bei Großveranstaltungen tatsächlich durchzuführen, sodass keine Vorwürfe der Befangenheit erhoben werden konnten.

Eine IOC-Überprüfungskommission 2017 unter der Leitung von IOC-Mitglied Denis Oswald (Schweiz) disqualifizierte 43 russische Athleten von den Winterspielen 2014 in Sotschi, obwohl 30 Sperren vom Internationalen Sportgerichtshof aufgehoben wurden. Bach und Russland sollten von nun an zerstritten sein.

  • Russland und der Krieg

Russlands Platz bei den Olympischen Spielen war jahrelang durch den Dopingskandal beeinträchtigt und nur das „Russische Olympische Komitee“ durfte 2021 in Tokio 2020 antreten. Dann, kurz nach dem Ende der Winterspiele 2022 in Peking (CHN), marschierte Russland in die Ukraine ein und begann einen Eroberungskrieg, der bis heute andauert.

Das IOC führte die Gruppe jener Institutionen an, die diesen Krieg verurteilten und es empfahl, Athleten aus Russland und seinem Verbündeten Belarus von internationalen Wettkämpfen auszuschließen und auch alle Nationalteams dieser Länder zu suspendieren. Dem wurde fast sofort und vollständig entsprochen.

Als sich die russische Invasion hinzog und dank des ukrainischen Widerstands zu einer „Pattsituation“ führte, leitete Bach in aller Stille eine Bewegung, die es Athletinnen und Athleten aus Russland und Weißrussland, die den Krieg nicht unterstützt hatten, ermöglichte,  als „unabhängige, neutrale Athleten“ in Einzelwettbewerben anzutreten. Schließlich durften nur 17 belarussische und 15 russische Athleten bei den Spielen 2024 in Paris in 10 Sportarten antreten.

Als Reaktion auf die Übernahme regionaler Sportorganisationen durch die einmarschierenden Russen, die unter der Kontrolle des ukrainischen Nationalen Olympischen Komitees standen, suspendierte das IOC im Oktober 2023 das Russische Olympische Komitee. Dieses Verbot gilt immer noch.

  • Tokio 2020 und Covid

Die größte Herausforderung für Bach war die unerwartete Covid-19-Pandemie, die die erste Verschiebung der Olympischen Spiele von 2020 auf 2021 erzwang.

Es gab eine weit verbreitete Auffassung, dass diese Spiele in Tokio nie stattfinden würden. Aber sie taten es, ohne Zuschauer und unter unangenehmen, antiseptischen Bedingungen, die die Geduld aller Beteiligten strapazierte. Aber sie passierten, und die japanische Regierung gab nur 163 positive Testergebnisse bei 676.789 durchgeführten Corona-Tests (0,0002 %) bekannt.

Bei den Winterspielen 2022 in Peking wurde im Wesentlichen das gleiche Drehbuch verwendet, wobei 2.022.170 Tests  nur 172 positive Covid-Befinde zur Folge hatten (0,00008%).

Beide Spiele fanden statt, was bedeutete, dass Rogges finanzielle Reserven für schlechte Zeiten nicht getestet werden mussten, obwohl das IOC- Kredite an internationale Verbände vergab, die nicht bis 2021 auf die Ende 2020 erwartete Dividende aus den Fernseheinnahmen warten konnten.

Wenn das nach viel klingt, so sind dies nur die eindrucksvollsten Höhepunkte der „Bach-Ära“. Er war ein entschlossener Präsident, regte aber auch zu Diskussionen und Beratungen an, auch wenn er bereits eine Vorstellung davon hatte, was am Ende herauskommen würde.

Und er hatte noch eine Menge anderer Dinge zu tun:

  • Unter Bachs Führung trat 2016 das erste IOC-Flüchtlingsteam in Rio auf und das Projekt wächst weiter.
  • Bach ging zum ersten Mal eine Verbindung mit der elektronischen „Gaming-Community“ ein, die schließlich zu einer Vereinbarung führte, die ersten Olympischen E-Sport-Spiele in Saudi-Arabien ins Leben zu rufen. Ursprünglich für 2025 geplant, wird die erste Ausgabe nun voraussichtlich im Jahr 2027 stattfinden.
  • Angesichts seiner finanziellen Ressourcen und der dadurch möglichen Aufstockung des professionellen Personals auf inzwischen mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter baute das IOC ein neues Olympisches Haus in Lausanne, um seine gesamte Belegschaft unterzubringen und ein architektonisches Statement über die Größe und Kraft der Olympischen Bewegung zu setzen. Die kreative Handschrift des IOC Präsidenten Bach ist dabei unverkennbar und das neue Gebäude gilt bis heute als architektonisches und ökologisches Vorzeigemodell.

Bach setzte sich auch für viel engere Beziehungen zu internationalen Organisationen ein, insbesondere zu denen, die mit den Vereinten Nationen und anderen Nichtregierungsorganisationen weltweit verbunden sind.

Bach beaufsichtigte auch den kontinuierlichen Ausbau der Finanzkraft des IOC, mit zunehmenden Erträgen aus dem Verkauf der Übertragungsrechte und der erfolgreichen Fortsetzung des „Olympic Partner Programs“ (TOP), für das sich 15 Weltunternehmen für den vierjährigen olympischen Zyklus 2021-2024 angemeldet hatten, der mit den Spielen in Paris endete.

So übergab Bach die Fackel an die neue IOC-Präsidentin Kirsty Coventry (ZIM) mit einem Gesamtvermögen von 6,120 Milliarden Dollar und Reserven von 4,880 Milliarden Dollar.

Wo ist Bach also unter den neun IOC-Chefs einzuordnen? Die TSX hat sich bereits im Jahr 2020 mit der Frage nach der Rangliste befasst und gefragt, ob Samaranch der größte IOC-Präsident aller Zeiten war.

Meine Antwort war damals nein, obwohl Samaranch das IOC in seiner Zeit „vom Kohlepapier zum Computer“ führte. Er kommt meines Erachtens jedoch an zweiter Stelle, nach dem französischen Gründer Pierre de Coubertin, der sich durch Inspiration auszeichnete und die treibenden Kraft gewesen ist, die die Spiele aus der historischen Erinnerung in die Realität zurückgeholt hat.

Samaranch schuf das moderne IOC. Bach gestaltete es um, um den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Die Werte der Olympischen Charta waren dabei die Richtschnur. Doch auch die Interessen der Wirtschaft mussten dabei berücksichtigt werden. Er erinnerte bei seinen Reden die Zuhörer unermüdlich daran, dass die heutigen Olympischen Spiele „vollständig mit den Reformen unserer Olympischen Agenda in Einklang stehen; Spiele, die jünger, urbaner, inklusiver und nachhaltiger sind.“

Für mich steht Bach also an dritter Stelle und weit vor den anderen sechs:

(4) Sigfrid Edstrom (SWE: 1942-52)
(5) Jacques Rogge (BEL: 2001-2013)
(6) Henri de Baillet-Latour (BEL: 1925-42)
(7) Demetrios Vikelas (GRE: 1894-96)
(8) Avery Brundage (USA: 1952-72)
(9) Lord Killanin (IRL: 1972-80)

Und was ist mit Coventry? Mit 41 Jahren ist sie die bisher jüngste Führungskraft an der Spitze des IOC, die erste Frau, die erste Afrikanerin und mit sieben olympischen Medaillen eine hoch dekorierte Athletin.

Sie erbt ein immens mächtiges IOC, das die gesamte olympische Bewegung (selbst Fußball und FIFA “ordnen sich ein”, sind Mitglied der Olympischen “Familie”) dominiert, aber immer noch Probleme mit Russland hat. Sie ist mit dem Wunsch der Spitzensportler und Spitzensportlerinnen konfrontiert, mehr Geld aus den Einnahmen des Olympischen Sports zu erhalten. Es wird ein weit größeres Mitspracherecht gefordert als jenes, das ihnen bereits in der Ära Bach eröffnet wurde.

Letzte Bearbeitung: 28. Juni 2025

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird gelegentlich auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.

 

 

 

 

 

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Essay

IOC-Präsident Dr. Thomas Bach – Würdigung eines Lebenswerkes

Helmut Digel

In diesen Tagen geht eine bemerkenswerte Amtszeit eines außergewöhnlichen Sportpolitikers zu Ende. Seine Karriere in der Welt des Sports hat in einem Verein begonnen, der sich heute leider eher unbedeutend auf der Weltkarte des Sports darstellt. Als Thomas Bach als Schüler eines Gymnasiums in Tauberbischofsheim den Weg in den dortigen Fechtclub Tauberbischofsheim fand, war dieser Verein, und damit ganz Tauberbischofsheim, die Kaderschmiede des Olympischen Fechtsports für Athletinnen und Athleten dieser besonderen olympischen Sportart weit über Deutschland hinaus. Es kann eigentlich kaum überraschen, dass sich der junge Thomas Bach bei vielfältigen sonstigen sportlichen Talenten ausgerechnet diese historische olympische Sportart ausgewählt hat, um in und mit dieser Sportart eine Karriere einzuschlagen, die ihn bis in das höchste Amt des Olympischen Sports führte.
Die Etappen diese Karriere sind hinlänglich oft beschrieben worden und sollen hier nicht wiederholt werden. Was er jedoch als Präsident des IOC auf den Weg gebracht hat, welche Leistungen seine Amtszeit als Präsident des wichtigsten internationalen Gremiums des Sports auszeichnen, dies alles scheint mir wert zu sein, dass man sie noch einmal zum Ende seiner Amtszeit in Erinnerung ruft und sie damit auch zu würdigen versucht.
Im jüngsten „Olympique Review Magazin“¹ des IOC werden zehn „Catching Highlights“ herausgestellt, die seine weitreichende Olympische Agenda während dieser Amtszeit geprägt haben:

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Kunst aus unserer Galerie

Beitrag zur Sportentwicklung

Zum Zusammenhang zwischen Sport, Religion, gesellschaftlicher Kultur und ethnischer Herkunft

Helmut Digel

 

Zum Zusammenhang zwischen Sport, Religion, gesellschaftlicher Kultur und ethnischer Herkunft

Der Zusammenhang zwischen Sport, Religion, Ethnie und Kultur ist vielschichtig und in mancher Hinsicht auch faszinierend. Im Folgenden sollen ausgewählte Aspekte dieser Beziehung und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Individuum beleuchtet werden.

Sport und Religion

Sport ist in der modernen Erlebniskultur einer der emotional am stärksten besetzten Lebensbereiche. Er verspricht Aktiven wie Zuschauern[1] Lebensvollzüge höchster Intensität. Dabei trägt der Sport nicht selten Attribute des Religiösen an sich. In den Erlebnisvollzügen breiter Massen sind die Stadien zu „Kathedralen“ und die Sieger zu „Heiligen“ geworden. Sport besitzt als Phänomen der Neuzeit eine gesellschaftlich wie individuell überaus bedeutsame Prägekraft. Er stellt Erfahrungsräume zur Verfügung, die das Lebensgefühl von Menschen prägen können und er kommuniziert orientierende Gewissheiten. Das Phänomen Sport ist damit in demselben Funktionsbereich der Gesellschaft wirksam wie Religionen und Weltanschauungen und bedarf deshalb einer Einordnung in bestehende Wertesysteme und kulturelle Deutungszusammenhänge.Es gibt Struktur- und Funktionsparallelen zwischen religiösen und sportlichen Ritualen. Beide beinhalten oft kollektive Symbole, Gesänge und ritualisierte Handlungen.

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Beitrag zur Sportentwicklung

Sportjournalismus in Deutschland – mittelmäßig und selbstgerecht

 Helmut Digel

Im deutschen Sportjournalismus lässt sich derzeit ein Problem beobachten, das für dieses Berufsfeld wohl schon immer gegolten hat, das jedoch in diesen Tagen deutlicher denn je zum Ausdruck kommt. Er zeichnet sich durch eine ausgeprägte Mittelmäßigkeit aus, die auch durch die wenigen herausragenden Sportjournalisten[1], die es auch heute noch gibt, kaum verdeckt werden kann. Ich bin dankbar, dass ich in meinem Berufsleben und während meiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Sportfunktionär Sportjournalisten begegnet bin, die sich durch die für diesen Beruf notwendige berufliche Neugierde und das wichtige Wissensbedürfnis ebenso ausgezeichnet haben wie durch ihre überdurchschnittlich gute Bildung, ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber jenen über die sie berichtet und geschrieben haben und durch eine ethisch begründete Berufsauffassung. Namen wie Rudi Michel, Hajo Friedrich, Harry Valerien, Volker Kottkamp, Friedrich Bohnenkamp, Hans Reinhard Scheu, Günther Wölbert, Werner Rabe fallen mir dabei aus dem Bereich der TV-Medien ein. Aus dem Bereich der Presse erinnere ich mich an die Namen von Journalisten wie Hans Blickensdörfer, Steffen Hafner, Michael Gernandt, Hans-Joachim Waldbröl, Hans Saile, Wolfgang Uhrig, Bruno Bienzle, Oskar Beck, Willy Ph. Knecht. Gewiss müsste noch eine ganze Reihe von DDR-Sportjournalisten erwähnt werden, allen voran Jochen Mayer und Volker Kluge, von denen ich noch bis heute sehr viel über die Geschichte des DDR-Sports und über den modernen Olympismus lernen darf. Sie alle können bei mir eine positive Erinnerung wachrufen. Wurde man von ihnen zu einem Gespräch oder zu einem Interview eingeladen, konnte man erkennen, dass sie sich sorgfältig vorbereitet hatten, dass sie sich des Gegenstands sicher sind, über den sie schreiben und berichten wollen und dass sie sich auch an die Vertraulichkeitsregeln halten werden, die zwischen dem schreibenden und berichtenden Journalisten und der betroffenen Person vereinbart wurden. Ihr Beruf war ihre „Profession“ und ihre „Leidenschaft“. Sie wussten Relevantes von Irrelevantem zu unterscheiden und sie waren bemüht, die komplexe Struktur des modernen Sports zwischen Privatheit und Staat, zwischen Freiwilligkeit und Auftrag, zwischen Ehrenamt und Beruf, zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit zu unterscheiden. Sie haben meist auch begriffen, dass die „Politik im und durch den Sport“, verantwortet durch freiwillige Vereinigungen ein ganz anderes Politikphänomen ist als die staatliche Politik, die Politik der Parteien und der staatlichen Parlamente. Sie wussten das Gebot der Autonomie des Sports gegenüber dem Staat zu würdigen und die für Sportorganisationen dringend gebotene parteipolitische Neutralität gebührend einzuordnen.

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Beitrag zur Sportentwicklung

Entwicklungszusammenarbeit im Sport – Ungleichzeitigkeit als Herausforderung

von Helmut Digel

  1. Vorbemerkungen

Das Thema dieses Essays ist faszinierend und schwierig zugleich. Schwierig ist es, weil man bei der Behandlung des Themas auf nur wenige Vorarbeiten zurückgreifen kann, man also in gewisser Weise Neuland betritt. Faszinierend ist das Thema vor allem deshalb, weil das Phänomen der Ungleichzeitigkeit unter kulturwissenschaftlichen und soziologischen Gesichtspunkten ohne Zweifel eine besondere Faszination ausübt. Würde sich alles zur gleichen Zeit ereignen, so wären unsere Kulturen und unsere Gesellschaften uniforme und konforme Entitäten. Unsere Welt, in der wir leben wäre langweilig und eintönig. Ungleichzeitigkeit ist deshalb vermutlich die Bedingung, dass wir jene Vielfalt erfahren können, durch die sich menschliche Kulturen auszeichnen.
Es scheint deshalb eine besondere Paradoxie zu sein, dass man sich mittels politischer Maßnahmen von der Ungleichzeitigkeit verabschieden möchte und einen Zustand der Gleichzeitigkeit anstrebt, der jedoch nicht nur unter anthropologischen Gesichtspunkten niemals erreicht werden kann. Er erscheint auch aus einer normativen Perspektive kaum als wünschenswert. Wer wie ich sich nunmehr über mehr als 40 Jahre im Feld der Entwicklungszusammenarbeit des Sports bewegt hat, für den hat das Phänomen der Ungleichzeitigkeit den Charakter einer alltäglichen Realität. Ungleichzeitigkeit wird dabei im Alltag der Entwicklungszusammenarbeit meist als störend empfunden, ohne dass erkannt wird, dass im Phänomen der Ungleichzeitigkeit möglicherweise die entscheidende Chance für eine wünschenswerte Entwicklungszusammenarbeit liegen könnte. Damit wir dies verstehen, ist es notwendig, dass wir uns etwas genauer mit dem Phänomen der Zeit auseinandersetzen.

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