Helmut Digel
Die Commonwealth Games sind eine jener fragwürdigen internationalen Sportveranstaltungen, auf die man angesichts eines völlig überladenen internationalen Sportkalenders schon längst hätte verzichten können. Sie sind in ihrer Existenz nicht zuletzt einer noch immer existierenden kolonialen Nostalgie der einstigen Großmacht Großbritannien zu verdanken. Deren Macht beruhte vor allem auf der Ausbeutung von indigenen Völkern, Volksstämmen und ganzen Nationen. Von einem „allgemeinen Wohlstand“, von „Common Wealth“, konnte dabei zu keinem Zeitpunkt der britischen Kolonialgeschichte die Rede sein. Auch heute noch ist der Name dieses besonderen britischen Sportereignisses eher irreführend als aufklärend.
Die Spiele wurden als „British Empire Games“ 1928 in Hamilton in Kanada zum ersten Mal ausgetragen. Begründer der Spiele war der Kanadier M. M. Robinson. Seit 1978 findet der Name „Commonwealth Games“ Verwendung. Sie galten lange Zeit nach den Olympischen Spielen und den Asien-Spielen als drittgrößtes Sportereignis der Welt.
Aus Anlass der Spiele findet in Anlehnung an den Olympischen Staffellauf die „Queen`s/King`s Button Relay“ statt. In der Regel nehmen 72 Nationalmannschaften teil und es finden Wettkämpfe in 20 Sportarten statt.
Waren noch vor wenigen Jahrzehnten Commonwealth Games ein großes sportliches Ereignis, so hat sich dies in jüngster Zeit ganz offensichtlich verändert. Noch in Birmingham 2022 waren dabei Athletinnen und Athleten aus nahezu sämtlichen englischsprachigen Ländern der Welt am Start und bei den früheren Wettkämpfen wurden die größten Stadien und Sportarenen der Welt gefüllt. Doch schon seit einigen Jahren kann man nun beobachten, dass die Durchführung der Commonwealth Games immer schwieriger geworden ist und sie in Bezug auf die möglichen Ausrichter ein ähnliches Problem aufweisen, wie dies in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei der Planung zukünftiger Olympischer Spiele der Fall war.
Ein gewisser Höhepunkt dieser Abwärtsentwicklung wurde dadurch erreicht, dass erst jüngst der australische Staat Victoria die „Games“ zurückgegeben hat und die CGF, die Organisatoren dieser Spiele, in kürzester Zeit einen neuen Veranstalter finden mussten. Ganz im Sinne der britischen Commonwealth-Tradition sprang nun das Mutterland der Spiele ein. Glasgow, die Hauptstadt Schottlands, möchte nun die Commonwealth Games 2026 ausrichten. Die offizielle Verlautbarung erfolgte am 17.9.2024. Glasgow hatte 2014 bereits zum zweiten Mal die Spiele sehr erfolgreich ausgerichtet. Sie kann also durchaus als eine geeignete und kompetente Gastgeberstadtt für die Spiele bezeichnet werden.
Zuvor war bereits eine Vergabe der Spiele an Durban in Südafrika, die im Jahr 2015 erfolgte, zwei Jahre später gescheitert, und die CGF war genötigt, die entsprechende Zusage zu Gunsten von Südafrika zurückzunehmen. Im April 2022 hatte sich der Bundesstaat Victoria mit fünf Regionen erfolgreich um die Spiele beworben. Doch wurde der Vertrag mit der CGF von Victoria am 18. Juli 2023 mit der Begründung aufgekündigt, dass der Kostenanstieg von 2,6 Milliarden Australische Dollar auf 6 Milliarden Australische Dollar, der innerhalb des ersten Jahres nach der Bewerbung zu verzeichnen war, nicht zu vertreten sei.
Die Commonwealth Games nennen sich selbst „Friendly Games“, „Freundschaftsspiele“, doch in Glasgow hat es sich nun sehr schnell gezeigt, dass die Spiele doch keineswegs nur freundlich sein werden und sein können. Glasow hat die Absicht, die Spiele in einem „Klein- Format“ zu organisieren. Es sollen also „abgespeckte“ Spiele werden. Dies bedeutet, dass die einstmals 20 Sportarten nunmehr auf zehn Sportarten zu reduzieren sind und damit die Entscheidung bevorsteht, welche Sportarten den Zuschlag erhalten werden und welche außen vorgelassen werden.
Angesichts der Tatsache, dass alle internationalen Multisport-Veranstaltungen in den vergangenen Jahrzehnten zu „fett“ geworden sind und dringend einer „Abspeckung“, d.h. einer „Abnahmekur“ ohne „Abnahmespritze“ unterzogen werden müssen, kann das, was in diesen Tagen in Glasgow passiert, als besonders beispielhaft bezeichnet werden. Es könnte ein Modell entstehen, an dem sich andere internationale Multisport-Events zu orientieren hätten, wenn sie in der weiteren Entwicklung ihrer Sportereignisse dem Gebot der Vernunft, einer geringeren finanziellen Belastung der Steuerzahler, einer dringend erforderlichen ökologischen Einsicht und vor allem auch dem Schutz der Gesundheit ihrer Athletinnen und Athleten verpflichtet und gerecht sein möchten.
Es kann wohl auch niemand überraschen, dass sich in Glasgow die Frage stellt, was denn nun der geeignete Zeitpunkt für diese Commonwealth Spiele sein könnte. Die Fußballweltmeisterschaft der Männer findet 2026 von Mitte Juni bis Mitte Juli in Nordamerika statt. Anfang August findet in Birmingham die Leichtathletik
Europameisterschaft statt. Der erste Termin wird die Aufmerksamkeit der Massenmedien dominieren. Der zweite wird den Terminkalender der britischen Athletinnen und Athleten in diesem Spitzensport betreffen, die man ja unbedingt bei diesen „Games“ dabeihaben möchte. 2026 findet aber auch der Hockey Weltcup und der 7er Rugby- World Cup in Belgien und in den Niederlanden statt. Wenn die Spiele mit den schottischen Schulferien zusammenfallen, muss man sie entweder in der Nähe zu den Osterferien organisieren oder man muss im Schatten des Fußballs leben oder die internationalen Leichtathletik Stars bitten, an zwei aufeinanderfolgenden Meisterschaften teilzunehmen. Im Moment sind sie für den Zeitraum 17.3.2026 bis 29.3.2026 geplant. Dieser Termin war für Australien passend, für Schottland stellt er jedoch ein Problem dar. Für alle Sportwettbewerbe, die unter freiem Himmel stattfinden sollen, wirft dieser frühe Zeitpunkt Fragen auf.
Leichtathletik und Schwimmen sind die beiden Sportarten, die für die Commonwealth Games gesetzt sind. Sie müssen vom Veranstalter verpflichtend ausgerichtet werden. Die Commonwealth Games Federation (CGF) lässt ansonsten in der Annahme, dass Flexibilität das Interesse potentieller Gastgeber maximieren könnte, den Gastgebern freie Hand bei der Auswahl der sportlichen Wettkämpfe. Da Glasgow sich jedoch entschieden hat, die Kosten zu minimieren, die Spiele auf vier Austragungsorte zu beschränken und deshalb nur zehn Sportarten zuzulassen, wird es bei diesen Spielen ganz offensichtlich um eine Auswahl aus bereits bisher durchgeführten Sportarten gehen. Eine Ergänzung durch neue Sportwettkämpfe wird vermutlich nicht stattfinden.
Man kann annehmen, dass die Veranstalter ihre Auswahl nach den Kriterien der jeweiligen Anziehungskraft („Appeal“), der Tradition („Heritage“) und dem kommerziellen Gewicht („Commercial Heft“) der einzelnen Sportarten treffen wird. Jedoch findet, wie bei solchen Ereignissen üblich, bereits hinter den Kulissen eine politische Einflussnahme verschiedenster Lobbyisten statt („The scenes political cloud“). Natürlich spielt bei der politischen Entscheidungsfindung auch die Frage eine zentrale Rolle, wie man schottische Medaillenchancen sichern kann.
Die Auswahl wird auch dadurch noch erschwert, das zu Recht in allen Sportarten Para-Athleten zu integrieren sind, bzw. ihnen in eigenständigen Wettkämpfen ein angemessenes Angebot unterbreitet werden muss.
Wie sieht es mit den Radsportdisziplinen außerhalb des Velodroms aus? Wohlwissend, dass Straßenrennen teure logistische Herausforderungen darstellen. Man darf also nicht überrascht sein, wenn sie gestrichen werden. Gleiches gilt für den Marathonlauf und für den Triathlon Wettbewerb.
Da man in Glasgow auch dem mittlerweile weltweit „modisch“ gewordenen Anspruch auf „Nachhaltigkeit“ des Sportereignisses gerecht werden möchte, sollen für die Games 2026 keine neuen Sportstätten gebaut werden. Man muss deshalb in Glasgow mit den dort bestehenden Sportstätten vorliebnehmen.
Doch das „Scottstoun Stadion“, in dem die Leichtathletik ausgetragen wird, hat eine Kapazität von weniger als 10.000 Zuschauer.
Das Schwimmstadion im „Toll Cross“ bietet Platz für rund 5000 Zuschauer auf temporären Sitzplätzen. Über den Ticketverkauf können also kaum hohe Umsätze getätigt werden.
Was könnten also die zehn Sportarten sein, die möglicherweise den Zuschlag erhalten: 3 × 3 Basketball, Leichtathletik, Turnen, Net Ball, Squash, Schwimmen, Tischtennis, Bahnfahren, Boxen, Badminton? Oder wird die längst sich überlebte Sportart Gewichtheben berücksichtigt werden? Was geschieht mit den typisch britischen Sportarten wie Squash, Cricket, Hockey, Net Ball, 7er Rugby, Wasserball?
Wenn Leichtathletik auf sechs Tage beschränkt wird, stellt sich die Frage, ob dann auch Mehrkampf Wettbewerbe durchzuführen sind. Wohl eher nein. Kann man auf den 10.000 m Lauf verzichten? Müssen alle Wurfdisziplinen stattfinden? Ähnliche Überlegungen muss man bezogen auf die vielen Entscheidungen im Schwimmen anstellen. Kann man Boxen überhaupt noch angesichts der Konflikte mit den beiden Weltorganisationen des Boxens vernünftig organisieren?
Hätten es nicht eher Judo oder Taekwondo verdient, in das „Sparprogramm“ der Spiele aufgenommen zu werden? Spiele ohne Kampfsport wären wohl kaum „britisch“.
Der Kampf der Lobbyisten hat in Glasgow längst begonnen.
Es ist durchaus machbar, innerhalb von 18-21 Monaten eine große Meisterschaft für eine einzelne Sportart zu organisieren. Eine internationale Meisterschaft mit zehn Sportarten am gleichen Ort zu organisieren ist jedoch sehr viel schwieriger. Will man dann noch diesem Ereignis eine eigene eigenständige Identität geben, so ist es eine schwierige und kaum zu leistende Herausforderung.
Man kann den Veranstaltern von Glasgow 2026 nur viel Glück wünschen. Den Fans dieses besonderen britischen Ereignisses ist zu empfehlen, dass sie möglichst frühzeitig ihre Tickets kaufen, denn die Kapazität der Sportstätten wird sich schnell als sehr begrenzt erweisen.
Letzte Bearbeitung: 4. Oktober 20 24