Eine Reform der olympischen Verbände ist längst überfällig

Die letzte Mitgliederversammlung des DOSB hat einstimmig eine neue Leistungssportkonzeption verabschiedet, die sich vor allem dadurch auszeichnen soll, das vom Steuerzahler bereitgestellte Mittel in möglichst effizienter und transparenter Weise von den Verbänden verwendet werden, um bei zukünftigen Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften den Erfolg deutscher Athletinnen und Athleten zu sichern. Ganz gleich wie dabei das Merkmal „Erfolg“ definiert wird, eine Ausrichtung an anspruchsvollen Zielen ist für den Hochleistungssport dringend erforderlich. Eine verantwortbare Mittelverwendung ist mit Blick auf den Steuerzahler zwingend. Transparenz und Klarheit müssen für zukünftige Fördermaßnahmen die herausragenden Merkmale sein. Die Reaktionen der Verbände auf die verabschiedete Leistungssportkonzeption können Experten kaum überraschen. Die olympischen Verbände befinden sich in einem Verteilungswettbewerb untereinander und gegeneinander. Jeder Verband ist bemüht, von dem zu verteilenden Kuchen möglichst ein großes Stück zu erhalten.

… Verband ist nicht gleich Verband…

Olympische Verbände haben in ihrer oft mehr als 100-jährigen Geschichte kostenträchtige Führungs- und Verwaltungsstrukturen aufgebaut. Um den internationalen Anforderungen gerecht zu werden, musste immer mehr Fachpersonal eingestellt werden. Unter finanziellen Gesichtspunkten haben sich dabei die Risiken der olympischen Verbände erheblich erhöht. Partnerschaften mit der Wirtschaft wurden zwingend und dennoch sind nahezu sämtliche olympische Verbände vorrangig auf die staatliche Förderung angewiesen. Die Organisationsform, die die olympischen Verbände für die Durchführung ihres Auftrages gewählt haben, ist dabei allerdings – und das muss durchaus überraschen – über Jahrzehnte eher konstant geblieben. Olympische Verbände sind freiwillige Vereinigungen, ihre Mitglieder sind meist Landesverbände oder Sektionen. Nur im Ausnahmefall sind Vereine bzw. die Leistungssporttreibenden, die Athletinnen und Athleten selbst, Mitglieder der olympischen Verbände. Angesichts der Tatsache, dass die Bundesrepublik 16 Bundesländer aufweist, muss dabei der Sachverhalt überraschen, dass die Zahl der Mitglieder, d.h. die Anzahl der Landesverbände, in den einzelnen Spitzenverbänden stark variiert (vgl. Tabelle 1)[1]. Sie schwankt von neun bis 22. Diese Varianz macht deutlich, dass sich nicht einmal die politische Gliederung der Bundesrepublik in der Organisation der Verbände wiederspiegelt. Auf diese Weise ist auch die Stimmenverteilung bei den Mitgliederversammlungen sehr verschieden. Die Konstellation von Macht innerhalb der Verbände kann dadurch unterschiedliche Formen annehmen.

VerbandAnzahl der Mitglieder (Landesverbände)VerbandAnzahl der Mitglieder (Landesverbände)
Bob- und Schlittenverband für Deutschland9Deutscher Karate Verband e.V.16
Bund Deutscher Radfahrer17Deutscher Leichtathletik-Verband20
Bundesverband Deutscher Gewichtheber16Deutsche Reiterliche Vereinigung17
Deutscher Alpenverein11Deutscher Ringer-Bund18
Deutscher Badminton-Verband16Deutscher Ruderverband16
Deutscher Baseball und Softball Verband e.V.10Deutscher Rugby-Verband13
Deutscher Basketball Bund16Deutscher Schützenbund20
Deutscher Boxsport-Verband17Deutscher Schwimm-Verband18
Deutscher Curling Verbandk.A.Deutscher Segler-Verband16
Deutscher Eishockey-Bund16Deutscher Skiverband20
Deutsche Eislauf-Union14Deutsche Taekwondo Union17
Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft13Deutscher Tennis Bund18
Deutscher Fechter-Bund20Deutscher Tischtennis-Bund20
Deutscher Fußball-Bund21Deutsche Triathlon Union16
Deutscher Golf Verband12Deutscher Turner-Bund22
Deutscher Handballbund22Deutscher Verband für Modernen Fünfkampf12
Deutscher Hockey-Bund15Deutscher Volleyball-Verband17
Deutscher Judo-Bund18Deutscher Wellenreitverbandk.A.
Deutscher Kanu-Verband18Snowboard Verband Deutschland14

Tabelle 1: Anzahl der Mitglieder (Landesverbände) in den einzelnen olympischen Spitzenverbänden.

 

… Präsidium ist nicht gleich Präsidium …

Befunde, die noch mehr überraschen, treten zu Tage, wenn man die 38 olympischen Verbände in Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Führungsorgane analysiert. Fragt man nach der Anzahl der Mitglieder der Präsidien, so reicht die Größe der Präsidien von drei bis 16 Mitgliedern (vgl. Tabelle 2), wobei die Größe der Präsidien ganz offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Zahl derjenigen korreliert, die die Sportart in der Bundesrepublik aktiv betreiben, bzw. mit der Mitgliederzahl wie sie jährlich in der DOSB-Statistik für die olympischen Verbände ausgewiesen wird. Gravierend ist auch die Diskrepanz, wenn man die Kadergrößen der Verbände mit der Größe ihrer Präsidien vergleicht (vgl. Tabelle 2).

VerbandPräsidiums-
mitglieder
GesamtmitgliederAnzahl der Kaderathleten (A bis D/C/U19 & S)Kaderathleten laut DOSB zum Stichtag 31.12.2015
Bob- und Schlittenverband für Deutschland86.568159134
Bund Deutscher Radfahrer11137.884178174
Bundesverband Deutscher Gewichtheber1620.8915854
Deutscher Alpenverein71.095.88934k.A.
Deutscher Badminton-Verband5188.3806145
Deutscher Baseball und Softball Verband e.V.722.840152k.A.
Deutscher Basketball Bund6195.45381135
Deutscher Boxsport-Verband771.075k.A.94
Deutscher Curling Verband4724k.A.29
Deutscher Eishockey-Bund424.74073177
Deutsche Eislauf-Union318.65111949
Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft41.4058071
Deutscher Fechter-Bund624.511109114
Deutscher Fußball-Bund156.969.464163k.A.
Deutscher Golf Verband11640.1816940
Deutscher Handballbund10756.987121168
Deutscher Hockey-Bund982.627115183
Deutscher Judo-Bund8150.279k.A.116
Deutscher Kanu-Verband6118.40690120
Deutscher Karate Verband e.V.4157.42677k.A.
Deutscher Leichtathletik-Verband14819.960619530
Deutsche Reiterliche Vereinigung15690.995149172
Deutscher Ringer-Bund1663.631147112
Deutscher Ruderverband1183.830255259
Deutscher Rugby-Verband1014.30475104
Deutscher Schützenbund91.342.915162168
Deutscher Schwimm-Verband7559.958171262
Deutscher Segler-Verband6187.610k.A.48
Deutscher Skiverband6554.443434267
Deutsche Taekwondo Union555.00910490
Deutscher Tennis Bund71.400.94011759
Deutscher Tischtennis-Bund6560.6446540
Deutsche Triathlon Union755.2702124
Deutscher Turner-Bund104.963.25241146
Deutscher Verband für Modernen Fünfkampf10115.1104226
Deutscher Volleyball-Verband8430.098214180
Deutscher Wellenreitverband552825k.A.
Snowboard Verband Deutschland438.0154432

Tabelle 2: Anzahl der Präsidiumsmitglieder, Gesamtmitglieder und Kaderathleten in den einzelnen olympischen Spitzenverbänden in Deutschland. Die Zahlen des DOSB entsprechen dem Stand vom 31.12.2015 - unmittelbar vor einem olympischen Jahr.

 

Ein genauerer Blick auf die Präsidien macht deutlich, dass ganz offensichtlich auch innerhalb der Führung des deutschen Spitzensports Unklarheit besteht, welche Aufgabengebiete in einem Präsidium eines olympischen Verbandes zur Führung der jeweiligen Sportart erforderlich sind. Auch ist nicht erkennbar, nach welchen Kriterien ein Ressort ein Präsidialressort ist, andere Ressorts hingegen in nachgeordneten Ausschüssen geführt werden.

Könnte man annehmen, dass in jedem Präsidium die Ressorts „Leistungssport“, „Breitensport“ und „Jugendsport“ unterschieden werden, so erfüllt sich diese Annahme bei genauerer Betrachtung jedoch nicht. Einige Präsidien setzen sich lediglich aus Präsident und Vizepräsidenten zusammen, wobei meist die Vizepräsidenten ein spezifisches Ressort betreuen. Es gibt aber auch Präsidien, in denen die Vizepräsidenten keine zugewiesenen Aufgaben aufweisen. Mancher Sitz in einem Verbandspräsidium kann mit dem ihm zugewiesenen Aufgabengebiet unter Führungsgesichtspunkten auch als etwas überraschend erscheinen. Im Bundesverband Deutscher Gewichtheber beispielsweise haben die beiden Ehrenpräsidenten ebenso Sitz und Stimme wie der Referent für IT-Wesen und der Sportdirektor ist gleichzeitig Referent für Wissenschaft und Lehre (vgl. Tabelle 3).

Bundesverband Deutscher GewichtheberRessorts
1. Präsident2. Ehrenpräsident I3. Ehrenpräsident II
4. Vize-Präsident Sport5. Vizepräsident Finanzen / Verwaltung6. Referent Masterssport
7. Vertreter Landesverbände8. Referent Technik / Kampfrichterwesen9. Referent Fitness- und Leistungssport
10. Bundesjugendleiter11. Referentin Frauensport12. Referent für IT-Wesen
13. Sportdirektor / Referent für Wissenschaft und Lehre14. Geschäftsführer I15. Referent für Ausbildung Gewichtheben
16. Vertreter der Bundesligavereine

Tabelle 3: Die Zusammensetzung des Präsidiums des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber nach Ressorts.

 

Der Deutsche Fußball-Bund kann sich sogar einen Vizepräsidenten für Sozial- und Gesellschaftspolitik leisten und im Deutschen Hockey-Bund gibt es mittlerweile drei Ehrenpräsidenten, die nur in beratender Funktion tätig sind. Im Deutschen Leichtathletik-Verband hat ein EAA-Vizepräsident Stimmrecht im vierzehnköpfigen Präsidium und bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung ist es der Interessenvertreter der Turnierveranstalter, dessen Position im Präsidium im Vergleich zu den anderen Verbandspräsidien überraschen kann. Der Deutsche Ringer-Bund und der Bundesverband Deutscher Gewichtheber weisen personell die größten Präsidien mit jeweils 16 Mitgliedern auf, wobei beim Deutschen Ringer-Bund neben den fünf Vizepräsidenten die Referenten für die Arbeitsgebiete „Medien“, „Kampfrichter“, „Breiten- und Schulsport“, „Frauenringen“, „Bundeswehr“, „Statistik“ und „Medizin“ ebenfalls Sitz und Stimme im Präsidium haben. Darüber hinaus gehören der Generalsekretär und der Sportdirektor diesem Präsidium an. Beratend sind die beiden Vorsitzenden der Bundesrechtsausschüsse, die Bundestrainer und die Sprecher der Aktiven sowie der Anti-Dopingbeauftragte Mitglieder dieses Präsidiums.

Eine strittige Frage scheint wohl zu sein, ob im Präsidium die Landesverbände mit Sitz und Stimme vertreten sein müssen. So ist in einigen Verbänden, so zum Beispiel im Deutschen Ruderverband der Vorsitzende des Länderrates Mitglied des Präsidiums. Ähnliche Lösungen haben eine ganze Reihe von Mitgliedsverbänden aufzuweisen (vgl. Tabelle 4).

VerbandVertreter der Landesverbände
Bob- und Schlittenverband für DeutschlandVertreter/in eines Landesfachverbands mit einer Kunsteisbahn
Vertreter/in der Landesfachverbände ohne Kunsteisbahn
Landrat BGL
Bund Deutscher RadfahrerSprecher der Landesverbände
Bundesverband Deutscher GewichtheberVertreter Landesverbände
Deutscher HandballbundVertreter der Regional- und Landesverbände im DHB-Präsidium
Deutsche Reiterliche VereinigungRepräsentant der Ostverbände
Interessenvertreter der AG Landesverbände
Deutscher RuderverbandVorsitzender des Länderrats
Deutsche Triathlon UnionSprecher der Landesverbände
Deutscher Turner-BundSprecher der Landesturnverbände

Tabelle 4: Olympische Spitzenverbände in Deutschland, in deren Präsidien Vertreter der Landesverbände mit Sitz und Stimme vertreten sind.

 

Interessant ist auch die Vizepräsidenten-Aufgabe im Deutschen Schützenbund zum Thema „Ethik, Toleranz, Wertevermittlung und Gleichstellung“. Diesem steht der Vizepräsident für „Schützentradition und Brauchtum“ gegenüber. Im Deutschen Skiverband gibt es bis heute noch einen Repräsentanten der Ostverbände als Mitglied des Präsidiums.

… Athleten mit Stimmrecht sind keine Selbstverständlichkeit …

Unklar für die deutschen olympischen Verbände scheint ganz offensichtlich zu sein, welche Rolle Athleten in den Präsidien spielen sollen. Als Athletensprecher haben die Athleten Sitz und Stimme lediglich im Deutschen Volleyball-Verband, im Verband für Modernen Fünfkampf, im Deutschen Leichtathletik-Verband und beim Deutschen Fechter-Bund. In allen übrigen olympischen Verbänden können die Athleten ihre Interessen nur auf indirekte Weise in die Präsidien hineintragen.

… Hauptamtliche Vorstände werden immer wahrscheinlicher …

Zu den schwierigsten Fragen der Organisation des deutschen Hochleistungssports gehört ganz offensichtlich die Frage nach der Relation zwischen Haupt- und Ehrenamt. Bezogen auf die Führung der Verbände stellt sich dabei die Frage, welche Verantwortung den Hauptamtlichen im Vergleich zu den Ehrenamtlichen zukommt, welche Rolle die Hauptamtlichen in den Entscheidungsgremien haben, inwiefern sie über Sitz und Stimme in den Präsidien verfügen.  In dieser Hinsicht sind die olympischen Verbände exakt zweigeteilt.  Bei 19 Verbänden sind die Mitglieder der Präsidien allesamt ehrenamtlich tätig, die anderen 19 Verbände weisen die traditionelle Regelung auf, dass z.B. Generalsekretär und Sportdirektor Sitz und Stimme im sonst ehrenamtlichen Präsidium haben (vgl. Tabelle 5).

Es ist hinzuzufügen, dass im Deutschen Boxsport-Verband das gesamte Präsidium als „geschäftsführender Vorstand“ bezeichnet wird, wobei dieser laut Satzung „in der Regel“ ehrenamtlich tätig ist. Auch die Formulierungen in den Statuten des Deutschen Fußball-Bundes und des Deutschen Ringer-Bundes sind so ungenau gewählt, dass aus ihnen nicht ersichtlich wird, welche Präsidiumsmitglieder nun in welcher Form angestellt sind.

VerbandHauptamtliche PräsidiumsmitgliederVerbandHauptamtliche Präsidiumsmitglieder
Bund Deutscher RadfahrerGeneralsekretär (ohne Stimmrecht)
Leistungssportdirektor (ohne Stimmrecht)
Deutscher Ringer-BundGeneralsekretär
evtl. weitere
Deutscher Badminton-VerbandGeschäftsführerDeutscher Schwimm-VerbandGeneralsekretär
Direktor Leistungssport
Deutscher Boxsport-VerbandSportdirektor / Generalsekretär ( 1 Person)Deutscher SkiverbandGeneralsekretär
Deutscher Eishockey-BundGeneralsekretär (ohne Stimmrecht)Deutsche Taekwondo UnionGeneralsekretär (ohne Stimmrecht)
Deutscher Fechter-BundSportdirektor (ohne Stimmrecht)Deutscher Tischtennis-BundGeneralsekretär
Deutscher Fußball-BundGeneralsekretär
Vertreter der Nationalmannschaft
evtl. weitere
Deutsche Triathlon UnionGeschäftsführer/Generalsekretär
Deutscher Golf Verbanddrei VorständeDeutscher Turner-BundGeneralsekretärin (ohne Stimmrecht)
Deutscher HandballbundGeneralsekretärDeutscher Volleyball-VerbandGeneralsekretär
Deutscher Judo-BundGeschäftsführer
Sportdirektor
Snowboard Verband DeutschlandGeschäftsführer (ohne Stimmrecht)
Deutscher Leichtathletik-VerbandGeneraldirektor

Tabelle 5: Olympische Spitzenverbände mit Präsidien, in denen neben ehrenamtlichen Mitgliedern auch hauptamtlich tätige Mitglieder vertreten sind.

 

Ob die letztgenannte Zusammensetzung des Präsidiums als Indiz für einen höheren Professionalisierungsgrad gegenüber rein ehrenamtlich geführten Präsidien gewertet werden kann, sei allerdings dahingestellt. Denn die deutschen Spitzenverbände verfügen über andere Gremien, die über diesen Aspekt deutlich mehr Aufschluss geben. So existieren in allen olympischen Verbänden sogenannte geschäftsführende Vorstände, die den Verband nach §26 des Bundesgesetzbuches gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hier ist eine außergewöhnliche Vielfalt an Konstellationen in den 38 olympischen Verbänden anzutreffen (vgl. Tabelle 6).

Präsidium als VorstandTeile des Präsidiums als VorstandErweitertes Präsidium als VorstandTeile des Präsidiums und hauptamtlicher Vorstand als VorstandHauptamtlicher Vorstand als Vorstand
1022222

Tabelle 6: Arten der Zusammensetzung des geschäftsführenden Vorstands im Sinne §26 des BGB in den 38 deutschen Spitzenverbänden.

 

Ein Großteil der Verbände setzt hierbei auf die Lösung, dass Teile des Präsidiums den geschäftsführenden Vorstand im Sinne §26 des BGB bilden. Dies sind in der Regel der Präsident und dessen Vizepräsidenten. Beispiele hierfür sind der Deutsche Handballbund, der Deutsche Ruderverband oder der Snowboard Verband Deutschland. Bei anderen Verbänden, wie zum Beispiel dem Deutschen Volleyball-Verband, dem Deutschen Tischtennis-Bund oder dem Bund Deutscher Radfahrer, sind ebenfalls die hauptamtlichen Präsidiumsmitglieder in den geschäftsführenden Vorstand eingebunden.

Eine weitere vorherrschende Konstellation ist die, dass das vollständige Präsidium – ob es nun rein ehrenamtlich oder gemischt ehrenamtlich und hauptamtlich geführt wird – zugleich als geschäftsführender Vorstand fungiert. Hier sind unter anderem der Deutsche Basketball Bund, der  Deutsche Eishockey-Bund und der Deutsche Schützenbund zu nennen. Beim Deutschen Fußball-Bund und dem Deutschen Skiverband wird der geschäftsführende Vorstand durch ein erweitertes Präsidium geformt. Die vier übrigen Verbände befinden sich ganz offensichtlich in einem Transformationsprozess hin zur hauptamtlichen Führung. Der geschäftsführende Vorstand des Deutschen Golf Verbands und des Deutschen Hockey-Bundes besteht aus Teilen des Präsidiums sowie bis zu drei hauptamtlichen Vorständen. Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland und die Deutsche Reiterliche Vereinigung hingegen haben ihre jeweiligen geschäftsführenden Vorstände ausschließlich mit hauptamtlich bezahlten Vorständen besetzt, ohne Beteiligung des Präsidiums. Dieses hat dabei den Charakter eines Aufsichtsrates. Auch im Deutschen Handballbund wird derzeit ein hauptamtlicher Vorstand geplant, der von einem kleinen Aufsichtsrat geführt werden soll. Der hauptamtliche Vorstand weist drei BGV-Vorstandsmitglieder und drei Vorstandsmitglieder ohne BGV-Befugnis auf – sämtliche werden als Hauptamtliche bezahlt.

… Geschäftsstellen reichen vom „Einmannbetrieb“ bis zu mittelständischen Unternehmen …

Alle deutschen Spitzenverbände – der Deutsche Wellenreitverband ausgenommen – weisen außerdem eine Geschäftsstelle auf, die das Präsidium bei der Führung der Geschäfte des Verbandes unterstützen soll. Die Geschäftsstellen setzen sich aus ausschließlich hauptamtlichen Mitarbeitern zusammen, die in der Regel verschiedenen Ressorts innerhalb des Hauses zugeteilt sind. Die Anzahl dieser hauptamtlichen Angestellten variiert dabei je nach Verband stark. Der Deutsche Fußball-Bund beschäftigt in seiner „DFB-Zentrale“ über 200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Deutsche Reiterliche Vereinigung kommt auf 169 Angestellte. Es folgen der Deutsche Turner-Bund mit 60 sowie der Deutsche Handballbund und der Deutsche Leichtathletik-Verband mit jeweils 52 Beschäftigten. Die Schlusslichter bilden der Deutsche Baseball und Softball Verband e.V. sowie der Deutsche Ringer-Bund mit je drei und die Deutsche Taekwondo Union mit gar nur einem Angestellten. Gerade hier treten die Differenzen in der Professionalität der Geschäftsführung der olympischen Verbände deutlich zu Tage und es kommt die Frage auf, ob in dieser Hinsicht bei einigen Verbänden nicht ein dringender Handlungsbedarf besteht.

… In der Vermarktung gibt es Nachholbedarf …

Tabelle 7 weist auf weitere Merkmale hin, durch die sich einige deutsche Spitzenverbände hinsichtlich ihrer Strukturen und ihrer Handlungsfähigkeit deutlich von den anderen abheben. Sie verfügen über eine ausgegliederte Marketing GmbH, die für die Außendarstellung, die Vermarktung sowie ganz allgemein für eine höhere Attraktivität des Verbandes zuständig ist.

VerbandAnzahl der AngestelltenName
Deutscher Alpenverein-DAV Summit Club GmbH
Deutscher Badminton-Verband1Vermarktungsgesellschaft VBD
Deutscher Baseball und Softball Verband e.V.-DBV‐Baseball Event GmbH
Deutscher Basketball Bund5BWA, Basketball Werbe Agentur GmbH
Deutscher Fußball-Bund16DFB-Wirtschaftsdienste GmbH
Deutscher Golf Verband9Deutsche Golf Sport GmbH
Deutscher Handballbund5Handball Marketing GmbH
Deutscher Kanu-Verband5Deutscher Kanu-Verband Wirtschafts- und Verlags GmbH
Deutscher Leichtathletik-Verband10DLM Deutsche Leichtathletik Marketing GmbH
Deutscher Rugby-Verband-Deutsche Rugby Marketing GmbH (geplant/angekündigt)
Deutscher Schützenbund3SFG – Sportförderungsgesellschaft
Deutscher Segler-Verband-DSV Segel-Marketing GmbH
Deutscher Skiverband11DSV MARKETING GMBH
Deutscher Tennis Bund-DTB Marketing und Stadion GmbH
Deutscher Tischtennis-Bund7Tischtennis Marketing GmbH
Deutscher Turner-Bund5DTB Service GmbH
Deutscher Volleyball-Verband9Deutsche Volleyball Sport GmbH

Tabelle 7: Deutsche Spitzenverbände, die über eine ausgegliederte Marketing GmbH verfügen sowie die Anzahl der Beschäftigten (sofern verfügbar).

 

… Transparenz ist das Gebot der Stunde…

Wie dringend notwendig eine Reform der olympischen Verbände ist, könnte auch mit einer vergleichenden Analyse ihrer Jahreshaushalte, ihrer Stellenpläne und Gehaltsstrukturen verdeutlicht werden. Vor dem Hintergrund der von allen Verbänden einstimmig beschlossenen Leistungssportstrukturreform und dem dabei artikulierten Gebot zur vollen Transparenz müsste ein solcher Vergleich eigentlich dringend erwünscht sein. Da fast alle olympischen Verbände vom Steuerzahler gefördert werden, müsste eine derartige Transparenz auch ihm gegenüber eine Selbstverständlichkeit sein. Das IOC gibt hierzu das geeignete Vorbild, indem dessen Haushalt über das Internet für Jeden zugänglich ist. Selbst die Tagegelder und die Kosten für den IOC-Präsidenten werden dabei offengelegt. Ähnlich vorbildlich ist die Offenlegung der DOSB-Jahresrechnung und die Veröffentlichung der personellen Strukturen der Hauptamtlichkeit. Betrachtet man hierzu die 38 olympischen Verbände, so sind diese von solch einer Offenheit weit entfernt. Über Haushalt und Stellenpläne der olympischen Verbände lassen sich im Internet so gut wie keine Informationen finden. Auf eine schriftliche Anfrage zur Mitarbeit bei einer vergleichenden wissenschaftlichen Studie über die Haushalte und Personalstrukturen der deutschen olympischen Verbände antworteten von den 38 Verbänden lediglich zwölf. Einen vorbildlichen Einblick in die erwünschten Unterlagen gewährten bisher die Deutsche Reiterliche Vereinigung, der Deutsche Leichtathletik-Verband, der Deutsche Schützenbund und der Deutsche Golf Verband. Ein Verband meint, sein Haushalt sei nicht öffentlich und darf deswegen nicht an Dritte weitergegeben werden. Schließlich meint ein Generalsekretär eines olympischen Verbandes, dass sein Verband erst in Tokio olympisch werde und er deshalb einen Einblick in seinen Haushalt im Jahr 2017 noch nicht zu gewähren habe. Mehrere Verbände erteilten der Anfrage nach Teilnahme an der Studie eine sofortige Absage, ohne nähere Gründe darzulegen. Die über diese Beispiele und Zahlen erkennbare Angst vor einer völligen Transparenz hat möglicherweise Gründe, die nachvollziehbar, aber ganz gewiss nicht akzeptabel sein können. Die mit Blick auf den Steuerzahler erwünschte völlige Transparenz der Haushalte und Stellenpläne hat durchaus eine besondere Brisanz. Hätte jeder olympische Verband Einblick in die Finanz- und Personalsituation seiner 37 Nachbarverbände, so könnte eine Diskussion über die unterschiedlichen Eigenleistungen der Verbände eröffnet werden. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge würde auf den Prüfstand gestellt, das Leistungssportpersonal könnte vergleichend betrachtet werden und eine betriebswirtschaftliche Qualitätssteigerung der olympischen Verbände könnte in Angriff genommen werden. Es besteht dabei die Gefahr einer Neiddiskussion, die in der Sache nicht weiterführen würde. Wird die Reform der olympischen Verbände jedoch konstruktiv geführt, eröffnen sich über die geforderte Transparenz derartige Formen des Qualitätsmanagements für die Verbände, wie sie bislang nicht stattgefunden haben, wie sie aber in der weiteren Zukunft dringend gefordert sind.

… das ideale Organisationsmodell gibt es nicht …

Betrachtet man die olympischen Sportarten in ihrer praktischen Realität, in ihren Wettkampfstrukturen mittels ihrer Athletenschaft und der dabei anstehenden internationalen Herausforderungen, so muss die organisatorische Unsicherheit, die aus den verschiedenen Organisationskonzepten der olympischen Verbände abzulesen ist, überraschen. Eine Kommunikation der Verbände untereinander über das optimale Organisationskonzept scheint nur bedingt stattzufinden. Optimierungsangebote durch die Führungs- und Verwaltungsakademie des DOSB zur besseren Steuerung des Hochleistungssports in den olympischen Verbänden scheinen nur auf geringe Resonanz zu stoßen. Die Präsidien der olympischen Verbände, so scheint es, sind eher beratungsresistent. Dabei müsste eigentlich aus einem Eigeninteresse heraus erkannt werden, dass die meisten der derzeit anzutreffenden Organisationsstrukturen äußerst kostenintensiv und von den Zeitverläufen her auch entscheidungsschwach sind. Den Sportverbänden muss dabei jedoch auch zugestanden werden, dass die Frage nach der optimalen Organisationsform des Leistungssports in Verbänden keineswegs einfach zu beantworten ist. Vorschnell wird heute den Verbänden die hauptamtliche Vorstandslösung angeboten und als zukünftiges Organisationsmodell favorisiert. Für viele Verbände ist dieses Modell jedoch äußerst riskant und unter finanziellen Gesichtspunkten eher fragwürdig. Ein für alle Sportverbände passendes Modell wird es vermutlich nicht geben. Es lässt sich bei einer Verbandsberatung in vielen Verbänden eine Verkleinerung der Präsidien erreichen, ohne dass dabei das ehrenamtliche Führungsamt des Sports gefährdet wird. Unter dem Gesichtspunkt der Professionalisierung wäre wohl eine stärkere hauptamtliche Führung des deutschen Spitzensports wünschenswert, doch sollte beachtet werden, dass Professionalität auch über ehrenamtliche Strukturen erreichbar ist und Hauptamtlichkeit nicht notwendigerweise eine qualitativ anspruchsvollere Professionalität bedingt. Vor allem aber bedarf es auch einer Abstimmung mit den internationalen Führungsstrukturen der olympischen Sportarten, in denen längst auch ein schleichender Prozess hin zur Hauptamtlichkeit stattgefunden hat. Da der Hochleistungssport jedoch in fast allen olympischen Sportarten auf eine Basis des Sports angewiesen ist, die sich überwiegend in ehrenamtlich geführten freiwilligen Vereinigungen wiederspiegelt, bedarf das Zusammenspiel zwischen Haupt- und Ehrenamt einer gekonnten Balance.

[1] Die Daten dieses Beitrags sind den Eigendarstellungen der Verbände entnommen.

Verfasst: 21.08.2017

In einer früheren Version waren in Tabelle 2 die Zahlen des DOSB zu den Kaderathleten noch nicht enthalten. [Anm.d.Red.]