Die letzte Mitgliederversammlung des DOSB hat einstimmig eine neue Leistungssportkonzeption verabschiedet, die sich vor allem dadurch auszeichnen soll, das vom Steuerzahler bereitgestellte Mittel in möglichst effizienter und transparenter Weise von den Verbänden verwendet werden, um bei zukünftigen Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften den Erfolg deutscher Athletinnen und Athleten zu sichern. Ganz gleich wie dabei das Merkmal „Erfolg“ definiert wird, eine Ausrichtung an anspruchsvollen Zielen ist für den Hochleistungssport dringend erforderlich. Eine verantwortbare Mittelverwendung ist mit Blick auf den Steuerzahler zwingend. Transparenz und Klarheit müssen für zukünftige Fördermaßnahmen die herausragenden Merkmale sein. Die Reaktionen der Verbände auf die verabschiedete Leistungssportkonzeption können Experten kaum überraschen. Die olympischen Verbände befinden sich in einem Verteilungswettbewerb untereinander und gegeneinander. Jeder Verband ist bemüht, von dem zu verteilenden Kuchen möglichst ein großes Stück zu erhalten.
… Verband ist nicht gleich Verband…
Olympische Verbände haben in ihrer oft mehr als 100-jährigen Geschichte kostenträchtige Führungs- und Verwaltungsstrukturen aufgebaut. Um den internationalen Anforderungen gerecht zu werden, musste immer mehr Fachpersonal eingestellt werden. Unter finanziellen Gesichtspunkten haben sich dabei die Risiken der olympischen Verbände erheblich erhöht. Partnerschaften mit der Wirtschaft wurden zwingend und dennoch sind nahezu sämtliche olympische Verbände vorrangig auf die staatliche Förderung angewiesen. Die Organisationsform, die die olympischen Verbände für die Durchführung ihres Auftrages gewählt haben, ist dabei allerdings – und das muss durchaus überraschen – über Jahrzehnte eher konstant geblieben. Olympische Verbände sind freiwillige Vereinigungen, ihre Mitglieder sind meist Landesverbände oder Sektionen. Nur im Ausnahmefall sind Vereine bzw. die Leistungssporttreibenden, die Athletinnen und Athleten selbst, Mitglieder der olympischen Verbände. Angesichts der Tatsache, dass die Bundesrepublik 16 Bundesländer aufweist, muss dabei der Sachverhalt überraschen, dass die Zahl der Mitglieder, d.h. die Anzahl der Landesverbände, in den einzelnen Spitzenverbänden stark variiert (vgl. Tabelle 1)[1]. Sie schwankt von neun bis 22. Diese Varianz macht deutlich, dass sich nicht einmal die politische Gliederung der Bundesrepublik in der Organisation der Verbände wiederspiegelt. Auf diese Weise ist auch die Stimmenverteilung bei den Mitgliederversammlungen sehr verschieden. Die Konstellation von Macht innerhalb der Verbände kann dadurch unterschiedliche Formen annehmen.
Verband | Anzahl der Mitglieder (Landesverbände) | Verband | Anzahl der Mitglieder (Landesverbände) |
---|---|---|---|
Bob- und Schlittenverband für Deutschland | 9 | Deutscher Karate Verband e.V. | 16 |
Bund Deutscher Radfahrer | 17 | Deutscher Leichtathletik-Verband | 20 |
Bundesverband Deutscher Gewichtheber | 16 | Deutsche Reiterliche Vereinigung | 17 |
Deutscher Alpenverein | 11 | Deutscher Ringer-Bund | 18 |
Deutscher Badminton-Verband | 16 | Deutscher Ruderverband | 16 |
Deutscher Baseball und Softball Verband e.V. | 10 | Deutscher Rugby-Verband | 13 |
Deutscher Basketball Bund | 16 | Deutscher Schützenbund | 20 |
Deutscher Boxsport-Verband | 17 | Deutscher Schwimm-Verband | 18 |
Deutscher Curling Verband | k.A. | Deutscher Segler-Verband | 16 |
Deutscher Eishockey-Bund | 16 | Deutscher Skiverband | 20 |
Deutsche Eislauf-Union | 14 | Deutsche Taekwondo Union | 17 |
Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft | 13 | Deutscher Tennis Bund | 18 |
Deutscher Fechter-Bund | 20 | Deutscher Tischtennis-Bund | 20 |
Deutscher Fußball-Bund | 21 | Deutsche Triathlon Union | 16 |
Deutscher Golf Verband | 12 | Deutscher Turner-Bund | 22 |
Deutscher Handballbund | 22 | Deutscher Verband für Modernen Fünfkampf | 12 |
Deutscher Hockey-Bund | 15 | Deutscher Volleyball-Verband | 17 |
Deutscher Judo-Bund | 18 | Deutscher Wellenreitverband | k.A. |
Deutscher Kanu-Verband | 18 | Snowboard Verband Deutschland | 14 |
Tabelle 1: Anzahl der Mitglieder (Landesverbände) in den einzelnen olympischen Spitzenverbänden.
… Präsidium ist nicht gleich Präsidium …
Befunde, die noch mehr überraschen, treten zu Tage, wenn man die 38 olympischen Verbände in Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Führungsorgane analysiert. Fragt man nach der Anzahl der Mitglieder der Präsidien, so reicht die Größe der Präsidien von drei bis 16 Mitgliedern (vgl. Tabelle 2), wobei die Größe der Präsidien ganz offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Zahl derjenigen korreliert, die die Sportart in der Bundesrepublik aktiv betreiben, bzw. mit der Mitgliederzahl wie sie jährlich in der DOSB-Statistik für die olympischen Verbände ausgewiesen wird. Gravierend ist auch die Diskrepanz, wenn man die Kadergrößen der Verbände mit der Größe ihrer Präsidien vergleicht (vgl. Tabelle 2).
Verband | Präsidiums- mitglieder | Gesamtmitglieder | Anzahl der Kaderathleten (A bis D/C/U19 & S) | Kaderathleten laut DOSB zum Stichtag 31.12.2015 |
---|---|---|---|---|
Bob- und Schlittenverband für Deutschland | 8 | 6.568 | 159 | 134 |
Bund Deutscher Radfahrer | 11 | 137.884 | 178 | 174 |
Bundesverband Deutscher Gewichtheber | 16 | 20.891 | 58 | 54 |
Deutscher Alpenverein | 7 | 1.095.889 | 34 | k.A. |
Deutscher Badminton-Verband | 5 | 188.380 | 61 | 45 |
Deutscher Baseball und Softball Verband e.V. | 7 | 22.840 | 152 | k.A. |
Deutscher Basketball Bund | 6 | 195.453 | 81 | 135 |
Deutscher Boxsport-Verband | 7 | 71.075 | k.A. | 94 |
Deutscher Curling Verband | 4 | 724 | k.A. | 29 |
Deutscher Eishockey-Bund | 4 | 24.740 | 73 | 177 |
Deutsche Eislauf-Union | 3 | 18.651 | 119 | 49 |
Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft | 4 | 1.405 | 80 | 71 |
Deutscher Fechter-Bund | 6 | 24.511 | 109 | 114 |
Deutscher Fußball-Bund | 15 | 6.969.464 | 163 | k.A. |
Deutscher Golf Verband | 11 | 640.181 | 69 | 40 |
Deutscher Handballbund | 10 | 756.987 | 121 | 168 |
Deutscher Hockey-Bund | 9 | 82.627 | 115 | 183 |
Deutscher Judo-Bund | 8 | 150.279 | k.A. | 116 |
Deutscher Kanu-Verband | 6 | 118.406 | 90 | 120 |
Deutscher Karate Verband e.V. | 4 | 157.426 | 77 | k.A. |
Deutscher Leichtathletik-Verband | 14 | 819.960 | 619 | 530 |
Deutsche Reiterliche Vereinigung | 15 | 690.995 | 149 | 172 |
Deutscher Ringer-Bund | 16 | 63.631 | 147 | 112 |
Deutscher Ruderverband | 11 | 83.830 | 255 | 259 |
Deutscher Rugby-Verband | 10 | 14.304 | 75 | 104 |
Deutscher Schützenbund | 9 | 1.342.915 | 162 | 168 |
Deutscher Schwimm-Verband | 7 | 559.958 | 171 | 262 |
Deutscher Segler-Verband | 6 | 187.610 | k.A. | 48 |
Deutscher Skiverband | 6 | 554.443 | 434 | 267 |
Deutsche Taekwondo Union | 5 | 55.009 | 104 | 90 |
Deutscher Tennis Bund | 7 | 1.400.940 | 117 | 59 |
Deutscher Tischtennis-Bund | 6 | 560.644 | 65 | 40 |
Deutsche Triathlon Union | 7 | 55.270 | 21 | 24 |
Deutscher Turner-Bund | 10 | 4.963.252 | 41 | 146 |
Deutscher Verband für Modernen Fünfkampf | 10 | 115.110 | 42 | 26 |
Deutscher Volleyball-Verband | 8 | 430.098 | 214 | 180 |
Deutscher Wellenreitverband | 5 | 528 | 25 | k.A. |
Snowboard Verband Deutschland | 4 | 38.015 | 44 | 32 |
Tabelle 2: Anzahl der Präsidiumsmitglieder, Gesamtmitglieder und Kaderathleten in den einzelnen olympischen Spitzenverbänden in Deutschland. Die Zahlen des DOSB entsprechen dem Stand vom 31.12.2015 - unmittelbar vor einem olympischen Jahr.
Ein genauerer Blick auf die Präsidien macht deutlich, dass ganz offensichtlich auch innerhalb der Führung des deutschen Spitzensports Unklarheit besteht, welche Aufgabengebiete in einem Präsidium eines olympischen Verbandes zur Führung der jeweiligen Sportart erforderlich sind. Auch ist nicht erkennbar, nach welchen Kriterien ein Ressort ein Präsidialressort ist, andere Ressorts hingegen in nachgeordneten Ausschüssen geführt werden.
Könnte man annehmen, dass in jedem Präsidium die Ressorts „Leistungssport“, „Breitensport“ und „Jugendsport“ unterschieden werden, so erfüllt sich diese Annahme bei genauerer Betrachtung jedoch nicht. Einige Präsidien setzen sich lediglich aus Präsident und Vizepräsidenten zusammen, wobei meist die Vizepräsidenten ein spezifisches Ressort betreuen. Es gibt aber auch Präsidien, in denen die Vizepräsidenten keine zugewiesenen Aufgaben aufweisen. Mancher Sitz in einem Verbandspräsidium kann mit dem ihm zugewiesenen Aufgabengebiet unter Führungsgesichtspunkten auch als etwas überraschend erscheinen. Im Bundesverband Deutscher Gewichtheber beispielsweise haben die beiden Ehrenpräsidenten ebenso Sitz und Stimme wie der Referent für IT-Wesen und der Sportdirektor ist gleichzeitig Referent für Wissenschaft und Lehre (vgl. Tabelle 3).
Bundesverband Deutscher Gewichtheber | Ressorts | ||
---|---|---|---|
1. Präsident | 2. Ehrenpräsident I | 3. Ehrenpräsident II | |
4. Vize-Präsident Sport | 5. Vizepräsident Finanzen / Verwaltung | 6. Referent Masterssport | |
7. Vertreter Landesverbände | 8. Referent Technik / Kampfrichterwesen | 9. Referent Fitness- und Leistungssport | |
10. Bundesjugendleiter | 11. Referentin Frauensport | 12. Referent für IT-Wesen | |
13. Sportdirektor / Referent für Wissenschaft und Lehre | 14. Geschäftsführer I | 15. Referent für Ausbildung Gewichtheben | |
16. Vertreter der Bundesligavereine |
Tabelle 3: Die Zusammensetzung des Präsidiums des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber nach Ressorts.
Der Deutsche Fußball-Bund kann sich sogar einen Vizepräsidenten für Sozial- und Gesellschaftspolitik leisten und im Deutschen Hockey-Bund gibt es mittlerweile drei Ehrenpräsidenten, die nur in beratender Funktion tätig sind. Im Deutschen Leichtathletik-Verband hat ein EAA-Vizepräsident Stimmrecht im vierzehnköpfigen Präsidium und bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung ist es der Interessenvertreter der Turnierveranstalter, dessen Position im Präsidium im Vergleich zu den anderen Verbandspräsidien überraschen kann. Der Deutsche Ringer-Bund und der Bundesverband Deutscher Gewichtheber weisen personell die größten Präsidien mit jeweils 16 Mitgliedern auf, wobei beim Deutschen Ringer-Bund neben den fünf Vizepräsidenten die Referenten für die Arbeitsgebiete „Medien“, „Kampfrichter“, „Breiten- und Schulsport“, „Frauenringen“, „Bundeswehr“, „Statistik“ und „Medizin“ ebenfalls Sitz und Stimme im Präsidium haben. Darüber hinaus gehören der Generalsekretär und der Sportdirektor diesem Präsidium an. Beratend sind die beiden Vorsitzenden der Bundesrechtsausschüsse, die Bundestrainer und die Sprecher der Aktiven sowie der Anti-Dopingbeauftragte Mitglieder dieses Präsidiums.
Eine strittige Frage scheint wohl zu sein, ob im Präsidium die Landesverbände mit Sitz und Stimme vertreten sein müssen. So ist in einigen Verbänden, so zum Beispiel im Deutschen Ruderverband der Vorsitzende des Länderrates Mitglied des Präsidiums. Ähnliche Lösungen haben eine ganze Reihe von Mitgliedsverbänden aufzuweisen (vgl. Tabelle 4).
Verband | Vertreter der Landesverbände |
---|---|
Bob- und Schlittenverband für Deutschland | Vertreter/in eines Landesfachverbands mit einer Kunsteisbahn Vertreter/in der Landesfachverbände ohne Kunsteisbahn Landrat BGL |
Bund Deutscher Radfahrer | Sprecher der Landesverbände |
Bundesverband Deutscher Gewichtheber | Vertreter Landesverbände |
Deutscher Handballbund | Vertreter der Regional- und Landesverbände im DHB-Präsidium |
Deutsche Reiterliche Vereinigung | Repräsentant der Ostverbände Interessenvertreter der AG Landesverbände |
Deutscher Ruderverband | Vorsitzender des Länderrats |
Deutsche Triathlon Union | Sprecher der Landesverbände |
Deutscher Turner-Bund | Sprecher der Landesturnverbände |
Tabelle 4: Olympische Spitzenverbände in Deutschland, in deren Präsidien Vertreter der Landesverbände mit Sitz und Stimme vertreten sind.
Interessant ist auch die Vizepräsidenten-Aufgabe im Deutschen Schützenbund zum Thema „Ethik, Toleranz, Wertevermittlung und Gleichstellung“. Diesem steht der Vizepräsident für „Schützentradition und Brauchtum“ gegenüber. Im Deutschen Skiverband gibt es bis heute noch einen Repräsentanten der Ostverbände als Mitglied des Präsidiums.
… Athleten mit Stimmrecht sind keine Selbstverständlichkeit …
Unklar für die deutschen olympischen Verbände scheint ganz offensichtlich zu sein, welche Rolle Athleten in den Präsidien spielen sollen. Als Athletensprecher haben die Athleten Sitz und Stimme lediglich im Deutschen Volleyball-Verband, im Verband für Modernen Fünfkampf, im Deutschen Leichtathletik-Verband und beim Deutschen Fechter-Bund. In allen übrigen olympischen Verbänden können die Athleten ihre Interessen nur auf indirekte Weise in die Präsidien hineintragen.
… Hauptamtliche Vorstände werden immer wahrscheinlicher …
Zu den schwierigsten Fragen der Organisation des deutschen Hochleistungssports gehört ganz offensichtlich die Frage nach der Relation zwischen Haupt- und Ehrenamt. Bezogen auf die Führung der Verbände stellt sich dabei die Frage, welche Verantwortung den Hauptamtlichen im Vergleich zu den Ehrenamtlichen zukommt, welche Rolle die Hauptamtlichen in den Entscheidungsgremien haben, inwiefern sie über Sitz und Stimme in den Präsidien verfügen. In dieser Hinsicht sind die olympischen Verbände exakt zweigeteilt. Bei 19 Verbänden sind die Mitglieder der Präsidien allesamt ehrenamtlich tätig, die anderen 19 Verbände weisen die traditionelle Regelung auf, dass z.B. Generalsekretär und Sportdirektor Sitz und Stimme im sonst ehrenamtlichen Präsidium haben (vgl. Tabelle 5).
Es ist hinzuzufügen, dass im Deutschen Boxsport-Verband das gesamte Präsidium als „geschäftsführender Vorstand“ bezeichnet wird, wobei dieser laut Satzung „in der Regel“ ehrenamtlich tätig ist. Auch die Formulierungen in den Statuten des Deutschen Fußball-Bundes und des Deutschen Ringer-Bundes sind so ungenau gewählt, dass aus ihnen nicht ersichtlich wird, welche Präsidiumsmitglieder nun in welcher Form angestellt sind.
Verband | Hauptamtliche Präsidiumsmitglieder | Verband | Hauptamtliche Präsidiumsmitglieder |
---|---|---|---|
Bund Deutscher Radfahrer | Generalsekretär (ohne Stimmrecht) Leistungssportdirektor (ohne Stimmrecht) | Deutscher Ringer-Bund | Generalsekretär evtl. weitere |
Deutscher Badminton-Verband | Geschäftsführer | Deutscher Schwimm-Verband | Generalsekretär Direktor Leistungssport |
Deutscher Boxsport-Verband | Sportdirektor / Generalsekretär ( 1 Person) | Deutscher Skiverband | Generalsekretär |
Deutscher Eishockey-Bund | Generalsekretär (ohne Stimmrecht) | Deutsche Taekwondo Union | Generalsekretär (ohne Stimmrecht) |
Deutscher Fechter-Bund | Sportdirektor (ohne Stimmrecht) | Deutscher Tischtennis-Bund | Generalsekretär |
Deutscher Fußball-Bund | Generalsekretär Vertreter der Nationalmannschaft evtl. weitere | Deutsche Triathlon Union | Geschäftsführer/Generalsekretär |
Deutscher Golf Verband | drei Vorstände | Deutscher Turner-Bund | Generalsekretärin (ohne Stimmrecht) |
Deutscher Handballbund | Generalsekretär | Deutscher Volleyball-Verband | Generalsekretär |
Deutscher Judo-Bund | Geschäftsführer Sportdirektor | Snowboard Verband Deutschland | Geschäftsführer (ohne Stimmrecht) |
Deutscher Leichtathletik-Verband | Generaldirektor |
Tabelle 5: Olympische Spitzenverbände mit Präsidien, in denen neben ehrenamtlichen Mitgliedern auch hauptamtlich tätige Mitglieder vertreten sind.
Ob die letztgenannte Zusammensetzung des Präsidiums als Indiz für einen höheren Professionalisierungsgrad gegenüber rein ehrenamtlich geführten Präsidien gewertet werden kann, sei allerdings dahingestellt. Denn die deutschen Spitzenverbände verfügen über andere Gremien, die über diesen Aspekt deutlich mehr Aufschluss geben. So existieren in allen olympischen Verbänden sogenannte geschäftsführende Vorstände, die den Verband nach §26 des Bundesgesetzbuches gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hier ist eine außergewöhnliche Vielfalt an Konstellationen in den 38 olympischen Verbänden anzutreffen (vgl. Tabelle 6).
Präsidium als Vorstand | Teile des Präsidiums als Vorstand | Erweitertes Präsidium als Vorstand | Teile des Präsidiums und hauptamtlicher Vorstand als Vorstand | Hauptamtlicher Vorstand als Vorstand |
---|---|---|---|---|
10 | 22 | 2 | 2 | 2 |
Tabelle 6: Arten der Zusammensetzung des geschäftsführenden Vorstands im Sinne §26 des BGB in den 38 deutschen Spitzenverbänden.
Ein Großteil der Verbände setzt hierbei auf die Lösung, dass Teile des Präsidiums den geschäftsführenden Vorstand im Sinne §26 des BGB bilden. Dies sind in der Regel der Präsident und dessen Vizepräsidenten. Beispiele hierfür sind der Deutsche Handballbund, der Deutsche Ruderverband oder der Snowboard Verband Deutschland. Bei anderen Verbänden, wie zum Beispiel dem Deutschen Volleyball-Verband, dem Deutschen Tischtennis-Bund oder dem Bund Deutscher Radfahrer, sind ebenfalls die hauptamtlichen Präsidiumsmitglieder in den geschäftsführenden Vorstand eingebunden.
Eine weitere vorherrschende Konstellation ist die, dass das vollständige Präsidium – ob es nun rein ehrenamtlich oder gemischt ehrenamtlich und hauptamtlich geführt wird – zugleich als geschäftsführender Vorstand fungiert. Hier sind unter anderem der Deutsche Basketball Bund, der Deutsche Eishockey-Bund und der Deutsche Schützenbund zu nennen. Beim Deutschen Fußball-Bund und dem Deutschen Skiverband wird der geschäftsführende Vorstand durch ein erweitertes Präsidium geformt. Die vier übrigen Verbände befinden sich ganz offensichtlich in einem Transformationsprozess hin zur hauptamtlichen Führung. Der geschäftsführende Vorstand des Deutschen Golf Verbands und des Deutschen Hockey-Bundes besteht aus Teilen des Präsidiums sowie bis zu drei hauptamtlichen Vorständen. Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland und die Deutsche Reiterliche Vereinigung hingegen haben ihre jeweiligen geschäftsführenden Vorstände ausschließlich mit hauptamtlich bezahlten Vorständen besetzt, ohne Beteiligung des Präsidiums. Dieses hat dabei den Charakter eines Aufsichtsrates. Auch im Deutschen Handballbund wird derzeit ein hauptamtlicher Vorstand geplant, der von einem kleinen Aufsichtsrat geführt werden soll. Der hauptamtliche Vorstand weist drei BGV-Vorstandsmitglieder und drei Vorstandsmitglieder ohne BGV-Befugnis auf – sämtliche werden als Hauptamtliche bezahlt.
… Geschäftsstellen reichen vom „Einmannbetrieb“ bis zu mittelständischen Unternehmen …
Alle deutschen Spitzenverbände – der Deutsche Wellenreitverband ausgenommen – weisen außerdem eine Geschäftsstelle auf, die das Präsidium bei der Führung der Geschäfte des Verbandes unterstützen soll. Die Geschäftsstellen setzen sich aus ausschließlich hauptamtlichen Mitarbeitern zusammen, die in der Regel verschiedenen Ressorts innerhalb des Hauses zugeteilt sind. Die Anzahl dieser hauptamtlichen Angestellten variiert dabei je nach Verband stark. Der Deutsche Fußball-Bund beschäftigt in seiner „DFB-Zentrale“ über 200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Deutsche Reiterliche Vereinigung kommt auf 169 Angestellte. Es folgen der Deutsche Turner-Bund mit 60 sowie der Deutsche Handballbund und der Deutsche Leichtathletik-Verband mit jeweils 52 Beschäftigten. Die Schlusslichter bilden der Deutsche Baseball und Softball Verband e.V. sowie der Deutsche Ringer-Bund mit je drei und die Deutsche Taekwondo Union mit gar nur einem Angestellten. Gerade hier treten die Differenzen in der Professionalität der Geschäftsführung der olympischen Verbände deutlich zu Tage und es kommt die Frage auf, ob in dieser Hinsicht bei einigen Verbänden nicht ein dringender Handlungsbedarf besteht.
… In der Vermarktung gibt es Nachholbedarf …
Tabelle 7 weist auf weitere Merkmale hin, durch die sich einige deutsche Spitzenverbände hinsichtlich ihrer Strukturen und ihrer Handlungsfähigkeit deutlich von den anderen abheben. Sie verfügen über eine ausgegliederte Marketing GmbH, die für die Außendarstellung, die Vermarktung sowie ganz allgemein für eine höhere Attraktivität des Verbandes zuständig ist.
Verband | Anzahl der Angestellten | Name |
---|---|---|
Deutscher Alpenverein | - | DAV Summit Club GmbH |
Deutscher Badminton-Verband | 1 | Vermarktungsgesellschaft VBD |
Deutscher Baseball und Softball Verband e.V. | - | DBV‐Baseball Event GmbH |
Deutscher Basketball Bund | 5 | BWA, Basketball Werbe Agentur GmbH |
Deutscher Fußball-Bund | 16 | DFB-Wirtschaftsdienste GmbH |
Deutscher Golf Verband | 9 | Deutsche Golf Sport GmbH |
Deutscher Handballbund | 5 | Handball Marketing GmbH |
Deutscher Kanu-Verband | 5 | Deutscher Kanu-Verband Wirtschafts- und Verlags GmbH |
Deutscher Leichtathletik-Verband | 10 | DLM Deutsche Leichtathletik Marketing GmbH |
Deutscher Rugby-Verband | - | Deutsche Rugby Marketing GmbH (geplant/angekündigt) |
Deutscher Schützenbund | 3 | SFG – Sportförderungsgesellschaft |
Deutscher Segler-Verband | - | DSV Segel-Marketing GmbH |
Deutscher Skiverband | 11 | DSV MARKETING GMBH |
Deutscher Tennis Bund | - | DTB Marketing und Stadion GmbH |
Deutscher Tischtennis-Bund | 7 | Tischtennis Marketing GmbH |
Deutscher Turner-Bund | 5 | DTB Service GmbH |
Deutscher Volleyball-Verband | 9 | Deutsche Volleyball Sport GmbH |
Tabelle 7: Deutsche Spitzenverbände, die über eine ausgegliederte Marketing GmbH verfügen sowie die Anzahl der Beschäftigten (sofern verfügbar).
… Transparenz ist das Gebot der Stunde…
Wie dringend notwendig eine Reform der olympischen Verbände ist, könnte auch mit einer vergleichenden Analyse ihrer Jahreshaushalte, ihrer Stellenpläne und Gehaltsstrukturen verdeutlicht werden. Vor dem Hintergrund der von allen Verbänden einstimmig beschlossenen Leistungssportstrukturreform und dem dabei artikulierten Gebot zur vollen Transparenz müsste ein solcher Vergleich eigentlich dringend erwünscht sein. Da fast alle olympischen Verbände vom Steuerzahler gefördert werden, müsste eine derartige Transparenz auch ihm gegenüber eine Selbstverständlichkeit sein. Das IOC gibt hierzu das geeignete Vorbild, indem dessen Haushalt über das Internet für Jeden zugänglich ist. Selbst die Tagegelder und die Kosten für den IOC-Präsidenten werden dabei offengelegt. Ähnlich vorbildlich ist die Offenlegung der DOSB-Jahresrechnung und die Veröffentlichung der personellen Strukturen der Hauptamtlichkeit. Betrachtet man hierzu die 38 olympischen Verbände, so sind diese von solch einer Offenheit weit entfernt. Über Haushalt und Stellenpläne der olympischen Verbände lassen sich im Internet so gut wie keine Informationen finden. Auf eine schriftliche Anfrage zur Mitarbeit bei einer vergleichenden wissenschaftlichen Studie über die Haushalte und Personalstrukturen der deutschen olympischen Verbände antworteten von den 38 Verbänden lediglich zwölf. Einen vorbildlichen Einblick in die erwünschten Unterlagen gewährten bisher die Deutsche Reiterliche Vereinigung, der Deutsche Leichtathletik-Verband, der Deutsche Schützenbund und der Deutsche Golf Verband. Ein Verband meint, sein Haushalt sei nicht öffentlich und darf deswegen nicht an Dritte weitergegeben werden. Schließlich meint ein Generalsekretär eines olympischen Verbandes, dass sein Verband erst in Tokio olympisch werde und er deshalb einen Einblick in seinen Haushalt im Jahr 2017 noch nicht zu gewähren habe. Mehrere Verbände erteilten der Anfrage nach Teilnahme an der Studie eine sofortige Absage, ohne nähere Gründe darzulegen. Die über diese Beispiele und Zahlen erkennbare Angst vor einer völligen Transparenz hat möglicherweise Gründe, die nachvollziehbar, aber ganz gewiss nicht akzeptabel sein können. Die mit Blick auf den Steuerzahler erwünschte völlige Transparenz der Haushalte und Stellenpläne hat durchaus eine besondere Brisanz. Hätte jeder olympische Verband Einblick in die Finanz- und Personalsituation seiner 37 Nachbarverbände, so könnte eine Diskussion über die unterschiedlichen Eigenleistungen der Verbände eröffnet werden. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge würde auf den Prüfstand gestellt, das Leistungssportpersonal könnte vergleichend betrachtet werden und eine betriebswirtschaftliche Qualitätssteigerung der olympischen Verbände könnte in Angriff genommen werden. Es besteht dabei die Gefahr einer Neiddiskussion, die in der Sache nicht weiterführen würde. Wird die Reform der olympischen Verbände jedoch konstruktiv geführt, eröffnen sich über die geforderte Transparenz derartige Formen des Qualitätsmanagements für die Verbände, wie sie bislang nicht stattgefunden haben, wie sie aber in der weiteren Zukunft dringend gefordert sind.
… das ideale Organisationsmodell gibt es nicht …
Betrachtet man die olympischen Sportarten in ihrer praktischen Realität, in ihren Wettkampfstrukturen mittels ihrer Athletenschaft und der dabei anstehenden internationalen Herausforderungen, so muss die organisatorische Unsicherheit, die aus den verschiedenen Organisationskonzepten der olympischen Verbände abzulesen ist, überraschen. Eine Kommunikation der Verbände untereinander über das optimale Organisationskonzept scheint nur bedingt stattzufinden. Optimierungsangebote durch die Führungs- und Verwaltungsakademie des DOSB zur besseren Steuerung des Hochleistungssports in den olympischen Verbänden scheinen nur auf geringe Resonanz zu stoßen. Die Präsidien der olympischen Verbände, so scheint es, sind eher beratungsresistent. Dabei müsste eigentlich aus einem Eigeninteresse heraus erkannt werden, dass die meisten der derzeit anzutreffenden Organisationsstrukturen äußerst kostenintensiv und von den Zeitverläufen her auch entscheidungsschwach sind. Den Sportverbänden muss dabei jedoch auch zugestanden werden, dass die Frage nach der optimalen Organisationsform des Leistungssports in Verbänden keineswegs einfach zu beantworten ist. Vorschnell wird heute den Verbänden die hauptamtliche Vorstandslösung angeboten und als zukünftiges Organisationsmodell favorisiert. Für viele Verbände ist dieses Modell jedoch äußerst riskant und unter finanziellen Gesichtspunkten eher fragwürdig. Ein für alle Sportverbände passendes Modell wird es vermutlich nicht geben. Es lässt sich bei einer Verbandsberatung in vielen Verbänden eine Verkleinerung der Präsidien erreichen, ohne dass dabei das ehrenamtliche Führungsamt des Sports gefährdet wird. Unter dem Gesichtspunkt der Professionalisierung wäre wohl eine stärkere hauptamtliche Führung des deutschen Spitzensports wünschenswert, doch sollte beachtet werden, dass Professionalität auch über ehrenamtliche Strukturen erreichbar ist und Hauptamtlichkeit nicht notwendigerweise eine qualitativ anspruchsvollere Professionalität bedingt. Vor allem aber bedarf es auch einer Abstimmung mit den internationalen Führungsstrukturen der olympischen Sportarten, in denen längst auch ein schleichender Prozess hin zur Hauptamtlichkeit stattgefunden hat. Da der Hochleistungssport jedoch in fast allen olympischen Sportarten auf eine Basis des Sports angewiesen ist, die sich überwiegend in ehrenamtlich geführten freiwilligen Vereinigungen wiederspiegelt, bedarf das Zusammenspiel zwischen Haupt- und Ehrenamt einer gekonnten Balance.
[1] Die Daten dieses Beitrags sind den Eigendarstellungen der Verbände entnommen.
Verfasst: 21.08.2017
In einer früheren Version waren in Tabelle 2 die Zahlen des DOSB zu den Kaderathleten noch nicht enthalten. [Anm.d.Red.]