Strukturen des Sports in Deutschland III


Dies ist der dritte und letzte Beitrag über „Strukturen des Sports in Deutschland“. Im ersten Teil wurden Organisationsstrukturen behandelt. In diesem zweiten Teil folgten Sozial- und Personalstrukturen des Sports. Der dritte Teil widmet sich unter anderem Wettkampf- und Finanzstukturen, sowie dem Anti-Doping-Kampf

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4. Angebotsstrukturen

Die anzutreffende organisatorische Vielfalt des deutschen Sports geht mit einer Angebotsvielfalt einher. Der jeweils ausgewählte Sport kann auf sehr unterschiedlichen Leistungsniveaus ausgeübt werden und sehr verschiedene Motive können das sportliche Handeln prägen. So können z.B. Gesundheitssport, Wettkampfsport, Leistungs-, Hochleistungs- und Breitensport, Berufssport und der damit verbundene Zuschauersport unterschieden werden. Der Wandel der deutschen Gesellschaft hat in den vergangenen 50 Jahren zu einer erheblichen Vervielfältigung des Sportangebots geführt. Man kann dabei von einem „Versportlichungsprozess“ der deutschen Gesellschaft sprechen (vgl. Abb. 39).

Abb. 39: Vervielfältigung des Sportangebots

Der Sport findet nun nicht mehr nur in urbanen Zentren statt, sondern überall und zu jeder Zeit ist es möglich, dass Sport betrieben werden kann. Die Zahl der Sportarten hat sich vermehrt, viele andere Sportaktivitäten sind zu den regelgeleiteten Sportarten hinzugekommen.

Abb. 40: Amerikanisierung des Sportangebots

In der Entwicklung des deutschen Sports ist auch in gewissem Sinne eine Amerikanisierung des Angebots zu beobachten (vgl. Abb. 40). Die Vielzahl der Sportangebote aber auch die Art der Ausübung lässt sich an dem von Digel entwickelten Säulenmodell sehr gut darstellen (vgl. Abb. 41).

Abb. 41: Säulenmodell der Erscheinungsweisen des Sports – Folge funktionaler Ausdifferenzierung (Digel, 1986)

Angebote lassen sich in Angebote der freiwilligen Vereinigungen, staatliche Angebote und private Angebote unterteilen. Jede Angebotsstruktur weist dabei in den letzten Jahrzehnten bemerkenswerte Wachstumszahlen auf.

Allerdings weisen die Sportangebote erhebliche regionale Unterschiede auf. Dies gilt nicht nur für die Wintersportarten, die nur in wenigen Bundesländern angetroffen werden können. Auch innerhalb der eher traditionellen Sportarten gibt es auffällig große Verteilungsunterschiede. In manchen Flächenstaaten sind erhebliche Entfernungen in Kauf zu nehmen, will man von seinem Wohnort das jeweils interessierte Sportangebot aufsuchen.

5. Wettkampfstrukturen

Innerhalb der Angebotsvielfalt im deutschen Sport spielt der Wettkampfsport eine besondere Rolle. Hier stellt sich die Frage, durch welche Wettkampfstrukturen das deutsche Hochleistungssystem gesichert wird. Dabei kommt dem deutschen Sport seine einmalige Vereinsbasis entgegen. Selbst in einer noch relativ jungen Sportart wie dem Volleyball kann gezeigt werden, welche differenzierte, ganzjährige Hierarchie das Wettkampfsystem in Deutschland in Bezug auf die verschiedenen Wettkampfsportarten aufweist (vgl. Abb. 42).

Das Wettkampfsystem erfasst nicht nur alle Wettkampfeinheiten aus einer geographischen Perspektive, in das Wettkampfsystem sind auch die verschiedenen Altersgruppen eingebunden, und über ein Auf- und Abstiegssystems wird die Leistungskonkurrenz innerhalb der Sportart gesichert. Auf diese Weise haben die Anforderungen an sportliche Höchstleistungen im deutschen Sportsystem eine enorm hohe Intensität aufzuweisen. In manchen Sportarten hat dabei die Wettkampfdichte ein Ausmaß erreicht, dass bereits von einer Gefährdung der Leistungsfähigkeit der Athleten gesprochen werden muss.

Abb. 42: Wettkampfstruktur am Beispiel Volleyball

Andererseits gibt es auch immer mehr Sportarten, in denen die Wettkampfstruktur brüchig wird. Regional weist die Dichte der Wettkampfstrukturen erhebliche Unterschiede auf. Fehlen für eine Sportart die geeigneten Wettkampfstätten, so ist die Zukunft dieser Sportart als Leistungssport kaum gesichert.

6. Sportstättenstrukturen

Die Entwicklung der Sportstätten in Deutschland erfolgt nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Grundlage eines sogenannten Goldenen Planes, der nach der Vereinigung mit der früheren DDR mit einem erneuten Goldenen Plan ergänzt wurde. Dies hat in jüngster Zeit zu einer schnellen Modernisierung der Sportstätten in Ostdeutschland geführt. Gleichzeitig ist aber auch ein erheblicher Sanierungsbedarf in Bezug auf die Sportanlagen der ehemaligen Bundesrepublik entstanden. Die Sportstättenstruktur Deutschlands war im vergangenen Jahrhundert ganz wesentlich von den vereinseigenen Sportanlagen geprägt gewesen. So gab es im Jahr 2013 insgesamt 231.441 Sportstätten in Deutschland. Diese Zahl beinhaltet sowohl Hallen als auch Schwimmbänder, Tennis-, Eis- und Schießsportstätten und ungedeckte Anlagen (vgl. Tab. 5).

Sportstätten im Jahr 2012Anzahl
Ungedeckte Anlagen66.462
Sporthallen35.438
Großsport- und Mehrzweckhallen408
Bäder7.499
Tennisanlagen13.040
Eishallen120
Schießsportanlagen15.000
Gesamt231.441

Tab. 5: Anzahl der Sportstätten in Deutschland (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2012)

 

Die vom DSB ausgewiesenen 1.491 Bäder beruhen auf einer Hochrechnung jener Daten, die die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen aktuell auf ihrer Homepage veröffentlicht. Hier werden insgesamt 5.476 kommunale Bäder ausgewiesen. Davon sind 2.275 Hallenbäder und 2.700 Freibäder sowie 501 Naturbäder. Diese Bäder werden durch private Bäder ergänzt (Deutsche Gesellschaft für das Badewesen, 2018).

Heute sind die Vereine mehr denn je auf die Nutzung kommunaler Sportanlagen angewiesen. Der Kostenfaktor für den Betrieb und den Unterhalt vereinseigener Anlagen stellt den zweitgrößten Ausgabenposten dar und so weichen viele der knapp 90.000 Vereine immer mehr auch oder ausschließlich auf externe Sportstätten zurück. Dabei sind auch Schulsportanlagen für die Vereine wichtige Einrichtungen. Knapp ein Drittel der Vereine muss Nutzungsgebühren für die ausgelagerten Sportstätten bezahlen (vgl. Tab. 6). Dabei stellt vor allem die zeitliche Verfügbarkeit der Sportstätten die größte Herausforderung für die Vereine dar (vgl. Breuer & Feiler, 2017).

Anteil an VereinenVereine Gesamt
Besitz vereinseigener Anlagen 46,3 %41.800
Nutzung kommunaler Sportanlagen 61,1 %55.200
davon Zahlung von Nutzungsgebühren 51,2 %28.300

Tab. 6: Übersicht der Vereine und ihre Sportstätten (Breuer & Feiler, 2017)

 

Auch in Bezug auf die Sportstätten in Deutschland muss von einer erheblichen Ungleichheit beim Vergleich der einzelnen Bundesländer gesprochen werden. Ein Sportatlas für Deutschland wäre längst eine dringende Notwendigkeit. Die blinden Flecken für die Anlagen für bestimmte Sportarten könnten damit sichtbar gemacht werden. Man würde dabei erkennen, dass die Anfahrtswege zur nächsten Sportanlage, in der ein bestimmtes Sportangebot unterbreitet werden kann, oft mehr als 50km lang sind und damit für die Sporttreibenden angesichts ihrer Arbeitszeiten nahezu unzumutbar geworden sind. Bislang werden fast alle Bemühungen einer Totalerhebung der bundesdeutschen Sportanlagen von den unterschiedlichsten politischen Gremien verhindert. Lediglich der Bäderatlas für Deutschland kann verlässliche Daten anbieten. Doch auch dessen Fortschreibung ist nicht gesichert. Der letzte Versuch einer Gesamterhebung der Sportanlagen liegt bereits 18 Jahre zurück. Dabei wären verlässliche Daten dringend erforderlich, sollte der immer dringender werdende Sanierungsbedarf genauer bestimmt werden.

7. Finanzstrukturen

Für die Verantwortlichen der verschiedenen Sportsysteme in der Welt ist die wohl wichtigste Frage in Bezug auf die Weiterentwicklung des Sports die Frage nach den Finanzstrukturen. Die Finanzierung des deutschen Sports beruht im Prinzip auf drei Säulen: den wichtigsten Beitrag erbringt der Steuerzahler. Mit dessen Geld werden die Voraussetzungen für jedes Sporttreiben finanziert. Der Hochleitungssport der olympischen Verbände wird im Wesentlichen durch den Bundesminister des Innern, über Steuereinnahmen finanziert. Pro Jahr stehen dem deutschen Hochleistungssport Bundesmittel zur Verfügung, von denen vor allem die Verbände, viele Sportveranstaltungen, aber auch sportwissenschaftliche Einrichtungen profitieren (vgl. Abb. 43).

Im Jahr 2018 fördert das BMI 33 olympische Bundesfachverbände (Sommer- und Wintersportarten), 22 nicht-olympische Bundesfachverbände, vier Leitungssportverbände für Menschen mit Behinderung, sechs Verbände mit besonderen Aufgaben, 19 Olympiastützpunkte, vier Bundesleistungszentren und vier sonstige Einrichtungen.

Abb. 43: Sporthaushalt des Bundesministerium des Inneren in Mio. Euro 2008-2016 (Bundesministerium des Innern, 2018)

Ein zweiter wichtiger Beitrag sind die Mitgliedsbeiträge und die Eigenleistungen, die vom Sport selbst erbracht werden. Unter dem Aspekt der ehrenamtlichen Arbeit in den deutschen Sportorganisationen ist dieser Beitrag zur Weiterentwicklung des deutschen Sportsystems von grundlegender Bedeutung. Der dritte Beitrag kommt über die Zusammenarbeit mit den Medien und der Wirtschaft. Durch den Verkauf von Rechten und Lizenzen sind in den vergangenen Jahren dem Sport ganz neuartige Finanzierungsmöglichkeiten gewachsen, die heute auch intensiv genutzt werden, jedoch vorrangig nur dem Berufssport zugutekommen.

Die Sportorganisationen selbst haben vielfältige Finanzierungsformen aufzuweisen, neben den erwähnten Mitgliedsbeiträgen erhalten sie Zuschüsse des Staates, sie profitieren von Toto-Lotto-Einnahmen, sie können Erlöse durch Sponsoring oder durch den Verkauf von Fernsehrechten erzielen, aber auch Strafgebühren können einen relevanten Einkommensfaktor darstellen, wenn man die Budgets der Sportspielverbände etwas genauer betrachtet. So verfügen Sportorganisationen über verschiedene Finanzierungsformen:

  1. Mitgliedsbeiträge
  2. Mittel der öffentlichen Hand
    1. Zuschüsse für Sportstätten
    2. Zuschüsse für Trainer und Übungsleiter
    3. Zuschüsse für Veranstaltungen etc.
  3. Einnahmen aus Lotterien
  4. Sponsoring
  5. Fernseherlöse
  6. Spielpässe
  7. Nenngebühren
  8. Lehrgangsgebühren
  9. Strafgebühren
  10. Pachteinnahmen
  11. Publikationen
  12. Turnierkalender Interneterlöse
  13. Genehmigungsgebühren
  14. Spenden
  15. Zuwendungen der internationalen Verbände

Insgesamt betrachtet kann die Finanzierung des deutschen Sportsystems als gesichert bezeichnet werden, da sie im Wesentlichen auf indirekte Weise durch den Steuerzahler erfolgt. Damit lässt sich die Zukunft der Organisationen verlässlich planen. Ein Blick auf die Haushalte der nationalen und regionalen deutschen Sportorganisation lässt erhebliche quantitative und qualitative Unterschiede erkennen. Der Haushalt des DFB weist beispielsweise ein Gesamtvolumen von ca. 585,1 Mio. Euro (Finanzbericht DFB, 2016) auf. Der DLV erreicht immerhin eine Höhe von ca. 32,5 Mio. Euro (Jahresabschluss DLV, 2017), während der Deutsche Ringerbund nur eine Summe von ca. 1,23 Mio. Euro (Haushaltsplan DRB, 2017) erreicht. Auch die finanziellen Ausgaben variieren erheblich.

7.1. Finanzielle Gesamtsituation der Vereine

In den Jahren zwischen 2012 bis 2014 war die Anzahl der Vereine mit einer positiven Jahresbilanz stabil. Rund 76% der Vereine hatten dabei eine ausgeglichene Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. Die drei größten Bereiche der Ausgaben von Vereinen sind die Kosten für Trainer, Übungsleiter und Sportlehrer; der Unterhalt und Betrieb von eigenen Anlagen und Ausgaben für Sportgeräte und Sportkleidung (vgl. Tab. 7)

Ausgaben fürMittelwert (in €)Anteil an Vereinen, die Ausgaben haben (in %)
Trainer, Übungsleiter, Sportlehrer 7.52858,6 %
Unterhaltung und Betrieb eigener Anlagen 4.63346,1 %
Sportgeräte und Sportkleidung 2.35467,2 %
Mieten und Kostenerstattung für die Benutzung von nicht vereinseigenen Sportanlagen/-einrichtungen 1.87945,9 %
Durchführung eigener sportlicher Veranstaltungen 1.72252,6 %
Verwaltungspersonal 1.45710,1 %
Wartungspersonal, Platzwart etc. 1.25618,9 %
Kapitaldienst (Zinsen, Tilgungen) 1.25314,8 %
Reisekosten für Übungs- & Wettkampfbetrieb 1.18637,5 %
Allgemeine Verwaltungskosten 1.17057,8 %
Außersportliche Veranstaltungen (z.B. Feste) 1.15154,3 %
Abgaben an Sportorganisationen:
Fachverbände
1.10074,2 %
Abgaben an Sportorganisationen:
LSB, KSB, SSB, etc.
1.03576,5 %
Versicherungen 93873,2 %
Zahlungen an Sportler 7865,2 %
Steuern aller Art 69427,5 %
Rückstellungen 58413,0 %
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notar, Vereinsregistereintragungen 30331,0 %
Gema-Gebühren 10828,1 %
Sonstiges 1.35712,9 %

Tab. 7: Ausgaben der Sportvereine im Jahr 2014 (Breuer & Feiler, 2017)

 

Den Ausgaben gegenüber stehen die Einnahmen der Vereine. Hier nehmen den größten Teil die Mitgliedsbeiträge ein. Gefolgt von Spenden und Einnahmen aus Sportveranstaltungen. Auch Die Zuschüsse aus der Sportförderung des Kreises, der Stadt und/oder der Gemeinde sind von großer Bedeutung für Sportvereine (vgl. Tab. 8).

Einnahmen ausMittelwert (in €)Anteil an Vereinen, die Einnahmen haben
Mitgliedsbeiträgen 17.168100 %
Spenden 3.51674,3 %
Sportveranstaltungen (Zuschauereinnahmen etc.) 1.56035,9 %
Zuschüssen aus der Sportförderung des Kreises, der Stadt, der Gemeinde1.50248,6 %
Selbstbetriebener Gaststätte 1.39115,0 %
Geselligen Veranstaltungen (z.B. Vereinsball, Karnevalsveranstaltung) 1.20035,3 %
Kursgebühren1.19317,4 %
Zuschüssen der Sportorganisationen: LSB, KSB, SSB, etc.1.10347,2 %
Leistungen für Mitglieder gegen Entgelt (Platz-, Hallenmieten o.ä.)96511,7 %
Werbeverträgen aus dem Bereich Bande 84620,8 %
Leistungen aus Vermietung/Verpachtung vereinseigener Anlagen 76414,3 %
Werbeverträgen aus dem Bereich Trikot, Ausrüstung 55012,1 %
Werbeverträgen aus dem Bereich Anzeigen 43113,7 %
Leistungen für Nicht-Mitglieder gegen Entgelt (Platz-, Hallenmieten o.ä.) 43111,8 %
Kreditaufnahme 4192,0 %
Zuschüssen aus der Sportförderung des Landes 41217,9 %
Eigener Wirtschaftsgesellschaft 3283,3 %
Zuschüssen des Fördervereins 3246,1 %
Vermögensverwaltung (z.B. Zinseinnahmen) 29423,1 %
Zuschüssen der Sportorganisationen: Fachverbände26215,6 %
Aufnahmegebühren 25626,9 %
Leistungen für Kooperationspartner gegen Entgelt 1183,9 %
Zuschüssen sonstiger Förderprogramme (z.B. Arbeitsamt) 712,7 %
Werbeverträgen aus dem Bereich Übertragungsrechte 34 0,2 %
Zuschüssen aus europäischen Fördermitteln (z.B. EU-Strukturfonds, SOCRATES, LEONARDO, JUGEND) 12 0,3 %
Sonstiges 1.698 13,2 %

Tab. 8: Einnahmen der Sportvereine im Jahr 2014 (Breuer & Feiler, 2017)

 

Vergleicht man diese Zahlen mit denen aus dem vorherigen Erhebungszeitraum aus der Studie von Breuer & Feiler zur finanziellen Situation von Sportvereinen so wird deutlich, dass die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen in den letzten Jahren gestiegen sind. Zwischen 2012 und 2014 waren dies mehr als fünf Prozent (Breuer & Feiler, 2017).

7.2. Allgemeine und existenzielle Probleme von Vereinen

Trotz ihrer Wichtigkeit in der Gesellschaft haben Sportvereine mit vielen, teilweise existenzbedrohenden, Problemen zu kämpfen. So zeigt sich deutlich, dass vor allem die Gewinnung von Personen, die bereit sind ehrenamtlich Aufgaben zu übernehmen, problematisch ist. Darüber hinaus fällt es immer schwerer Nachwuchssportler an sich zu binden und sie in den Leistungssport zu integrieren. Dem gegenüber steht die Schwierigkeit Trainer und Übungsleiter zu finden, die sich um jene Sportler und Mannschaften kümmern, die in den Vereinen trainieren. Die vielen verschiedenen Ursachen und weitere Probleme sind in Abb. 44 gelistet.

Abb. 44: Probleme der Sportvereine (nach Größe sortiert; mit Entwicklungstendenz (1=kein Problem, 5=ein sehr großes Problem) (Breuer & Feiler, 2017)

 

8. Strukturen des Anti-Doping-Kampfes

Als letztes Strukturmerkmal ist der Anti-Doping-Kampf zu erwähnen. Wie in allen Hochleistungssportsystemen hat der umfassende Dopingbetrug im Hochleistungssport mittlerweile auch den Freizeit- und Breitensport erreicht. Dieser Betrug gefährdet zunehmend alle bestehenden Sportstrukturen. Deshalb war und ist es naheliegend, dass entsprechende Anti-Doping-Strukturen zu Gunsten der Weiterentwicklung des Sportsystems etabliert werden.

In Deutschland begann der Anti-Doping-Kampf in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Er führte zunächst zur Einführung von Wettkampfkontrollen, später wurden Trainingskontrollen hinzugefügt. Neben dem Urin wurde schon sehr früh das Blut in die Kontrollen und in die Analyse der Kontrollen einbezogen. Die Sportverbände hatten zunächst eigenständige Anti-Doping-Strukturen aufgebaut. Mit der Ausweitung des Anti-Doping-Kampfes auf die internationale Ebene, im Wesentlichen geprägt durch die Initiativen des IOC, kam es zur Gründung der World Anti-Doping Agency (WADA), die eine Veränderung der bestehenden Strukturen in Deutschland zur Folge hatte. Mittlerweile liegt der Anti-Doping-Kampf in den Händen der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA), die vor allem für die Trainingskontrollen und für die Dopingprävention verantwortlich zeichnet. Sie folgt dabei den Vorgaben der WADA (vgl. Abb. 45).

Abb. 45: Organigramm der NADA (Stand Mai 2018) (NADA, 2018)

Die NADA hat die Rechtsform einer gemeinnützigen Stiftung und handelt in völliger Unabhängigkeit zum Staat und zu den Sportorganisationen selbst. Sie setzt sich seit ihrer Gründung 2002 für Fairness und Chancengleichheit im deutschen Sport ein und ist die Schnittstelle zur WADA. Neben Dopingkontrollen und Maßnahmen zur Dopingprävention ist die NADA auch verantwortlich für die  Beratung im medizinischen und juristischen Bereich sowie für die internationale Zusammenarbeit. Zum Ende des Jahres 2017 beschäftigte die NADA insgesamt 29 Vollzeitangestellte und weitere sieben Teilzeitmitarbeiter. Darüber hinaus wird die Geschäftsstelle durch vier geringfügig Beschäftigte unterstützt (vgl. NADA, 2018).

Die NADA arbeitet bei der Auswertung der Dopingproben mit zwei WADA-akkreditierten Laboren zusammen – das Institut für Biochemie in Köln und das Institut für Dopinganalytik und Sportbiochemie Dresden in Kreischa. Im Jahr 2017 wurden dabei insgesamt 12.709 Dopingkontrollen (Urin und Blut) durchgeführt und 16.351 Proben entnommen (vgl. Tab. 9). . Dies entspricht einem jährlichen Durchschnitt von 45 Proben pro Tag. Zum Vergleich – die WADA entnahm und untersuchte im vorherigen Olympiajahr 328.086 Proben weltweit. Im gesamten Jahr 2017 registrierte die NADA dabei 82 mögliche Verstöße – davon 68 mögliche Verstöße im Zusammenhang mit Wettkampfkontrollen und 12 mögliche Verstöße im Zusammenhang mit Trainingskontrollen. Bei einem möglichen Verstoß geht es um den Nachweis einer verbotenen Substanz, den Gebrauch oder versuchten Gebrauch einer verbotenen Substanz oder Methode, das Umgehen/ Verweigern einer Probeentnahme und/ oder eine unzulässige Einflussnahme (vgl. NADA, 2018).

Übersicht der Kontroll- und Probenanzahl der NADA im Jahr 2017
Anzahl der Kontrollen insgesamt 201712.709
Anzahl der Dopingproben 201716.351
Anzahl der Trainingskontrollen 20177.015
Anzahl der Proben bei Trainingskontrollen 20179.955
Anzahl der Wettkampfkontrollen 20175.694
Anzahl der Proben bei Wettkampfkontrollen 20176.396
Anzahl der Kontrollen deutscher Athletinnen und Athleten im Ausland 2017480
Anzahl der Proben bei Kontrollen deutscher Athletinnen und Athleten im Ausland 2017728
Anzahl der kontrollierten Wettkämpfe 2017908

Tab. 9: Das Kontrollsystem der NADA in Zahlen im Jahr 2017 (NADA, 2018)

 

Im Jahr 2017 verfügte die NADA über ein Gesamtvolumen von ca. 9,4 Millionen Euro. Darin enthalten sind rund 2,15 Millionen Euro staatliche Zuwendung vom Bund, die für Forschungs- und Analysezwecke bereitgestellt werden. Der größte Kostenfaktor der Stiftung liegt in den Ausgaben für die Dopingkontrollen selbst, gefolgt vom Bereich der Analytik und Forschung und den Personalkosten (vgl. Tab. 10).

EinnahmenBetrag in EuroAusgabenBetrag in Euro
Zuwendungen des Bundes3.605.790Dopingkontrollen3.282.886
Zuwendungen des Bundes (Analytik und Forschung)2.148.600Analytik & Forschung2.148.600
Anteilige Erstattungen Kontrollkosten (Sportverbände)2.043.570Personalkosten2.067.658
Zuwendungen Sport877.000Präventionsprojekte731.796
Zuwendungen Länder465.231Sachausgaben513.273
Zuwendungen Wirtschaft0Zuführung in Rücklagen163.183
Erträge Stiftungskapital113.135Sonstiges256.686
Sonstiges117.854Ergebnismanagement133.444
Kommunikation & Marketing73.654
Gesamt9.371.180Gesamt9.371.180

Tab. 10: Übersicht der Einnahmen und Ausgaben der NADA im Jahr 2017 (NADA, 2018)

 

Speziell im Olympiajahr 2016 wurden 1.106 Kontrollen (mit 1.511 Proben) bei 422 deutschen Olympiateilnehmerinnen und -teilnehmern und 93 Kontrollen bei 156 Paralympic-Teilnehmerinnen und -teilnehmern durchgeführt (vgl. NADA, 2017).

9. Ausblick

Abschließend ist es angebracht, die Organisation des deutschen Sports aus der Perspektive eines teilnehmenden Beobachters zu kennzeichnen. Im internationalen Vergleich zeichnet sich der deutsche Sport durch eine hoch komplexe Organisation aus, wobei sich die vorwiegend föderale und die nur sehr begrenzt mögliche zentrale Steuerung des Sportsystems einerseits als Glücksfall, andererseits aber auch als ein Dauerproblem erweist, dessen Lösung heute nicht in Sicht ist. Eine plurale Interessensvielfalt begünstigt eine umfassende Einbindung nahezu der gesamten Bevölkerung. Sie verhindert jedoch gleichzeitig auch schnelle problembezogene Eingriffe in das System, das sich selbst angesichts wachsender Gefährdungen und Problemstellungen zunehmend als kritisch darstellt. Das Sportsystem, insbesondere das der freiwilligen Vereinigungen, hat sich in den vergangenen Jahren als wandlungsfähig erwiesen. Es war in der Lage, sich den jeweiligen gesellschaftlichen Herausforderungen anzupassen. Insofern wäre es wohl wenig sinnvoll, es in grundsätzlicher Weise in Frage zu stellen. Gleichzeitig zeigt sich jedoch immer häufiger, dass in einigen Bereichen des Sports die Qualitätsfrage zu stellen ist. Dies gilt für den Schulsport, der nur unzureichend seinen erzieherischen und präventiven Ansprüchen genügen kann. Dies gilt auch für den Vereinssport, der in Bezug auf seine Integrationskraft einen Sättigungsgrad erreicht hat. Die Entwicklung hin zu Großvereinen kann dabei durchaus als eine eigenständige Gefahr betrachtet werden. Besonders gilt dies aber für den Hochleistungssport, der sich angesichts des umfassenden Dopingproblems in einer Legitimationskrise befindet. Hinzu kommt, dass die Legitimation des Hochleistungssports über Gesundheitsargumente nicht mehr gelingen kann. Diese hier nur skizzenhaft vorgetragenen Befunde sind für den deutschen Sport in seiner weiteren Entwicklung zentrale Herausforderungen. Zur Lösung dieser Probleme bedarf es auch der internationalen Kooperation.

 


Literatur

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