Sind die Grundwerte des Sports in Gefahr?

„36 Verletzte beim Oberligaspiel Zwickau gegen Aue“, „Briefumschläge voller Bargeld“, „Schiedsrichter manipuliert den Ausgang von NBA-Spielen“, „Polizei kassiert Prügel“, „Gewalt unter Fans im Fußball“, „Israelische Vereine finden sich in den Fängen der Unterwelt wieder“, „Zuschauergewalt richtet sich gegen Zuschauer“, „Match-fixing ist auf der Tagesordnung fast aller Profisportarten“ und „Der weltweite noch immer zunehmende Dopingbetrug“ lässt sich von keiner Schlagzeile in seiner Reichweite kennzeichnen.

Vorbemerkungen

Heute ist es dringender denn je, dass es Orte der Nachdenklichkeit, der Besinnung und Reflexion gibt. Nachzudenken ist dabei über jenes kulturelle Phänomen, das von seiner Anziehungskraft nicht zu übertreffen ist. Der Sport hat im vergangenen Jahrhundert einen Siegeszug aufzuweisen, der seinesgleichen sucht. Er wurde zu jenem globalen Phänomen, wie es zuletzt bei den Olympischen Spielen in London zu bewundern war. Die Versportlichung unserer Welt kann allerdings nicht nur als ein Siegeszug beschrieben werden. Wie jede Entwicklung, die nicht selten zu schnell, ungeplant und gedankenlos ist, zeigt auch die Sportentwicklung ihre Brüche. Gefahren werden sichtbar und Hindernisse tauchen auf, die nur mit Mühen zu überwinden sind. Manche erscheinen uns als unüberwindbar.

Angesichts einer derartigen Situation ist es angebracht, dass wir den Grundwerten des Sports eine Stimme geben und sie in Erinnerung rufen. Zu erinnern haben sich dabei die Sportler und Sportlerinnen, die Trainer und Trainerinnen, die Funktionäre, aber auch die Medien, die Wirtschaft und die Politiker, die den Sport zu verantworten haben. Doch nicht nur Erinnerungsarbeit soll mit den folgenden Ausführungen geleistet werden. Die olympischen Maximen der Fairness, des Respekts und der Toleranz sollen erörtert werden, um der Korruption im Sport zu begegnen, um Manipulationen vorzubeugen, um in der Welt des Sports Partei zu ergreifen für das Gute und in aller Entschiedenheit dem Bösen entgegenzutreten. Fünf Fragen könnten sich dabei als besonders bedeutungsvoll herausstellen und ich möchte mich im Folgenden mit diesen Fragen etwas genauer auseinandersetzen. Erstens möchte ich fragen, ob die olympischen Werte bedroht sind, um dann zu fragen worin heute die größten Gefahren liegen. Drittens stellt sich die Frage, ob der Sport in seiner Gesamtheit bedroht ist und wir dabei in einer besonderen Verantwortung stehen. Schließlich soll eine Antwort auf die Frage gefunden werden, was Sportler, Funktionäre und Politiker tun können.

Bevor ich dies tun werde, erscheint es mit notwendig, dass wir uns des Begriffes „Wert“ versichern, der im Zentrum der Problemstellung steht. Der Begriff  „Wert“ wird in den verschiedensten Wissenschaften auf eine sehr vielfältige Weise verwendet. Für das Anliegen, dass nun behandelt werden soll, scheint ein soziologischer Wertbegriff am ehesten geeignet zu sein. Man kann dabei den Begriff „Wert“ als einen Maßstab verstehen, an dem sich Bedürfnisse, Einstellungen und Gefühle ausrichten. Werte sind in gewissem Sinne Hintergrundkategorien, die unser Denken und Handeln begleiten. Über Werte wird unser Handeln in indirekter Weise gesteuert. In Bezug auf Werte treffen wir Entscheidungen und wählen unter verschiedenen Verhaltensweisen jene aus, die wir als besonders geeignet und wertvoll erachten. Die Werte, die unser Handeln prägen, entwickeln sich über einen Austausch zwischen unserem personalen System und jenem sozialen System, in das wir als Individuum eingebunden sind. Werte unterliegen einem ständigen Wandel, so wie auch gesellschaftlicher Wandel für den Erhalt von Gesellschaften bedeutsam und zwingend notwendig ist. Ein Wertewandel sollte daher nicht mit einem Werteverlust gleichgesetzt werden. Vielmehr können sich Werte in ihrer hierarchischen Anordnung verändern, neue Werte können hinzukommen, alte Werte können verloren gehen, es kann aber auch zu einer Wiederbesinnung auf alte Werte kommen. Mit dieser skizzenhaften Kennzeichnung des Wertebegriffs und des Phänomens des Wertewandels ist es nun möglich, Antworten auf die gestellten Fragen zu suchen.

Sind die olympischen Werte bedroht?

Wollen wir auf diese Frage eine Antwort finden, so müssen wir uns jener Werte versichern, die wir als olympische Werte bezeichnen. In sportphilosophischen Untersuchungen ist es dabei üblich geworden die olympischen Werte unter dem sogenannten „Geist des Sports“ zu fassen (Spirit of Sports). Dabei werden zunächst mit den Begriffen Respect (Respekt vor sich selbst und den anderen), Excellence (Das Beste leisten) und Friendship (Freundschaft) die vom IOC in besonderer Weise in unsere Aufmerksamkeit gerückten „Olympic Values“ unterschieden. Danach werden mit dem Leistungs- und Wettkampsport eine ganze Reihe weiterer Werte assoziiert, die kaum weniger bedeutsam sind, als die vom IOC angebotene Auswahl. Dies gilt vor allem für das Fairplay-Ideal, das Gebot der Unversehrtheit der Athleten, für die Würde des Menschen und für die Gleichheitsmaxime vor dem Hintergrund der gegenseitig vereinbarten und zu achtenden Regeln. Ehrlichkeit, Toleranz, Selbstdisziplin, Siegeswille, Wetteifer, Offenheit gegenüber Andersartigkeit, Hingabe, Teamarbeit, Mut zu Neuem sind weitere Werte, die mit gelungenen sportlichen Leistungen im Einklang gesehen werden. Und schließlich ist es das Solidaritätsprinzip, das den modernen Sport prägen soll.

Beobachten wir die Realität des Sports in Bezug auf seine Werte, so können wir wohl zunächst feststellen, dass sie nach wie vor von vielen Athletinnen und Athleten in ihrer Bedeutsamkeit erkannt werden, dass sie für deren Handeln bestimmend sind und dass man in Bezug auf deren Realisierung von einer erfolgreichen Praxis sprechen kann. Gleichzeitig müssen wir aber auch erkennen, dass immer häufiger in der Praxis des Sports das Gegenteil der Fall ist: Athleten zeigen keinen Respekt gegenüber den Regeln, lügen wenn sie beim Betrug erwischt werden, sie bedienen sich unerlaubter Substanzen und Methoden, um einen Leistungsvorteil gegenüber den Gegnern zu erreichen. Im Training und im sportlichen Wettkampf werden Risiken eingegangen, die die Gesundheit gefährden, Schmerzen werden gedämpft, die natürlichen Warnsignale des Körpers werden bewusst außer Kraft gesetzt. Aggressive Handlungen stellen Spaß und Freude in Frage, anstelle von Teamwork ist Egoismus zu beobachten, Schiedsrichter werden beleidigt, Gegenspieler werden verbal und handgreiflich attackiert, Betrüger werden gedeckt, Feigheit verhindert die Wahrheit, rassistische und ethnische Ausgrenzung stellt den Wert der Freundschaft in Frage. Anstelle von Fair Play ist viel zu oft Betrug, Manipulation und Korruption zu beobachten, anstelle von Respekt gibt es die Missachtung des Gegners, Teamarbeit wird durch Egoismus konterkariert, Freude durch überzogene Ernsthaftigkeit, Selbstwertschätzung wird durch Selbstmissachtung gefährdet, Geduld wird von Ungeduld abgelöst, der Mut zu Neuem wird immer kleiner und die Solidarität untereinander scheint ein Fremdwort zu sein.

Wer Ohren hat zu hören, wer Augen hat zu sehen, für den ist es offensichtlich, dass die olympischen Werte nicht nur während der Olympischen Spiele, sondern in allen Erscheinungsformen des modernen Sports bedroht sind. Es stellt sich die Frage nach dem Ausmaß dieser Bedrohung. Es stellt sich die Frage, ob und wie sich dies in den letzten Jahren verändert hat. Zu fragen ist auch, welche Gruppen in den verschiedenen Sportverbänden von dieser Bedrohung besonders intensiv betroffen sind. Auch eine Unterscheidung nach Sportarten ist dabei notwendig. Auch die Frage nach der Unterscheidung der Geschlechter muss dabei gestellt werden. Betrachten wir die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesen Fragen, so kann man zusammenfassend resümieren: die olympischen Werte sind entschiedener und gravierender bedroht als dies je zuvor der Fall war. Die Suche nach den Ursachen ist zwingend erforderlich. Ein neues Engagement zugunsten von tragfähigen Problemlösungen ist dringend erwünscht.

Wo liegen heute die größten Gefahren?

Nicht alle Werte sind gleichermaßen bedroht. Die Werte des Sports lassen sich hierarchisch ordnen. Im System des Sports spielt dabei das Prinzip des Fair Play und die Unversehrtheit der Athletinnen und Athleten die wohl wichtigste Rolle. Beide sind heute am stärksten bedroht und die größte Gefahr ist darin zu sehen, wie verantwortungslos in der Welt des Sports mit diesen Prinzipien umgegangen wird. Der Idee des Fair Play wurde angesichts des Wettkampfbetruges schon seit längerer Zeit ein irreparabler Schaden zugefügt. Dies kommt u. a. darin zum Ausdruck, dass sportliche Höchstleistungen wohl begeistert wahrgenommen werden, dass sie nach wie vor einen hohen Unterhaltungswert haben und auf diese Weise die Medien und die Wirtschaft an den Sport gebunden werden. Gleichzeitig steht heute jedoch jede sportliche Spitzenleistung unter dem Verdacht des Betruges. Die Zweifel an Resultaten, Siegern und teilweise gegenüber ganzen Sportarten sind in einem Ausmaß angestiegen, wie dies noch nie zuvor in der Geschichte des modernen Sports der Fall war.

Dabei ist eine paradoxe Situation eingetreten. Die Zweifel der Zuschauer gegenüber sportlichen Höchstleistungen führen nur ganz selten zur Abwanderung von Zuschauern. Vielmehr, so scheint es, stellen die wachsenden Zweifel die Unterhaltungsfunktion des Sports nicht in Frage. Eher ist das Gegenteil der Fall: Die wachsenden Zweifel werden zu einem konstitutiven Teil des Sportsystems. Sie sind ein Teil der Unterhaltungsqualität des Sports geworden.

Beschädigt wird auf diese Weise lediglich der saubere Athlet, der nicht selten vor der Entscheidung steht, dem Vorbild des Betruges zu folgen, um weiter an den sportlichen Wettkämpfen teilzunehmen. Hält er an seiner Haltung des fairen Wettkampfes fest, so ist er chancenlos. Auf diese Weise ist der moderne Hochleistungssport längst zur Falle für alle Athleten geworden, die sich dem Prinzip des Fair Play verpflichtet haben. Nicht nur das Fair-Play-Prinzip wird dabei außer Kraft gesetzt, in Bezug auf die Unversehrtheit des Athleten wird in dieser neuen Logik des Hochleistungssports alles in Kauf genommen, was der spektakulären Leistung nützt. Schmerzen werden still gestellt, leistungssteigernde Substanzen werden eingenommen, auch dann wenn man weiß, dass sie mittel- und langfristig der Gesundheit schaden, selbst das Todesrisiko wird in Kauf genommen. Es ist eine Totalität der Siegesmentalität zu erkennen.

Ist der Sport an sich bedroht, stellt sich für ihn die Überlebensfrage?

Die Bedrohung des Sports durch Regelverstöße, Korruption, Manipulation und Lüge ist mehr als offensichtlich. Der Sport ist dadurch allerdings keineswegs im Sinne einer Überlebensfrage gefordert. Existenziell ist die Bedrohung für den Sport nach wie vor nicht.

Im Gegenteil: dem Sport ist es gelungen seine Regelverletzungen gesellschaftsfähig zu machen. Dabei ist ein interessanter Prozess zu beobachten. Der moderne Sport hat sich über mehr als 200 Jahre über seinen Eigenweltcharakter als ein besonderes Kulturgut definiert, das sich durch eine bedeutsame pädagogische Qualität auszeichnet. Vor dem Hintergrund der vereinbarten und schriftlich niedergelegten Regeln, seiner konstitutiven Prinzipien und übergeordneten Maximen konnte der Sport als eine Sonderwelt  gedeutet werden, in der Vieles nicht erlaubt ist, was in der Gesellschaft üblich geworden ist. Seit mehreren Jahrzehnten befindet sich nunmehr der moderne Sport in einem Transformationsprozess in dem sich vor allem seine Identität verändert. Er wird immer häufiger zum Abbild der Gesellschaft. Seinen Sonderstatus gibt er dabei auf. Seine Anschlussfähigkeit für die Massenmedien, für die Wirtschaft, für den Staat und für andere gesellschaftliche Teilsysteme wird dadurch jedoch erhalten, teilweise sogar erhöht. Die von den Hütern des Fair Play beklagten Regel- und Werteverletzungen werden auf diese Weise folgenlos. Im Sport bleiben Korruptionsfälle, Manipulationen der sportlichen Leistung, Schmerzmanipulation, Wettbetrug und Lügen auf dieselbe Weise folgenlos wie dies auch in der Gesellschaft der Fall ist. Erst wenn in der Gesellschaft selbst ein Umdenken stattfinden würde und damit auch ein neues engagiertes Handeln gegen die Verletzung der Werte belohnt würde, könnte von einer Bedrohung des Sports die Rede sein. In der heutigen Situation kann der Sport von seinem umfassenden Regelverstoß eher profitieren, als dass er ihm schadet.

Wer steht in der Verantwortung?

Die Frage nach der Verantwortung ist somit nicht nur bezogen auf den Sport zu stellen, sie ist heute die wohl wichtigste gesellschaftliche Frage angesichts einer umgreifenden Verantwortungslosigkeit. Niemand möchte mehr Verantwortung für die Probleme in unserer Gesellschaft übernehmen. Wir können ein allgemeines Wegschauen beobachte –  man weiß wohl um die Probleme, aber man möchte sich nicht darum kümmern. Der kleine Mann beklagt dabei seine Hilflosigkeit und der große Mann spielt dabei das Schwarzer-Peter-Spiel. Verantwortung wird immer vom anderen erwartet und für die eigene Flucht aus der Verantwortung gibt es genügend gute Gründe.

Auf diese Weise können sich Funktionäre, die sich selbst bereichert haben, Entscheidungen manipuliert und der Lüge überführt sind, dennoch ihrer Wiederwahl sicher sein. In kriminellen Netzwerken können Milliardengewinne erwirtschaftet werden. Athleten können mit ihren Betreuern und ihrer Entourage das Dopingkontrollsystem unterlaufen, Spiele können auch weiterhin manipuliert werden, Wettbetrug wird zum Kavaliersdelikt und niemand nimmt Anstoß daran, wenn des Dopings überführte Athleten als Vorbild für die Jugend auftreten. Eine Folge dieser Situation ist, dass der Betrug sich mit Ausnahme der sauberen Athleten für alle übrigen Beteiligten lohnt.

Dabei ist die Frage wer in der Verantwortung steht relativ einfach zu beantworten, gefordert sind die Athleten selbst, die bis heute nichts zum Schutz ihrer eigenen Sache tun, gefordert sind die Trainer, für die es eine Beleidigung sein müsste, wenn die Athleten ihre Leistung mit Medikamenten manipulieren, gefordert sind die Funktionäre, die darüber zu wachen haben, dass die vereinbarten Regeln eingehalten werden. Gefordert sind auch die Medien und die Wirtschaft. Nicht zuletzt ist die Politik gefordert. All jene, die sich an den sportliche Leistungen erfreuen, stehen somit mit in der Verantwortung. Dies gilt auch für die Zuschauer und für die Öffentlichkeit.

Was können Sportler, Funktionäre, Journalisten, Manager, Sponsoren und Politiker tun?

Angesichts des beschriebenen Transformationsprozesses, angesichts der äußerst erfolgreichen Entwicklung des modernen Sports, angesichts der ökonomischen Gewinne, die mit dem Hochleistungssport zu erzielen sind, sind Veränderungen, die darauf ausgerichtet sind den Sport neu zu justieren, ihn hinzuführen zu jener ethischen und moralischen Qualität, die unter pädagogischen Gesichtspunkten erwünscht wäre, mit großen Schwierigkeiten verbunden. Jeder der Beteiligten steht dabei vor einer schwierigen Weichenstellung. Entscheidet sich der Sportler für die saubere Leistung, so hat er damit zu rechnen, dass die Nachteile zunächst überwiegen werden. Entscheidet sich der Funktionär für ein Engagement zugunsten der sauberen Athleten besteht die Gefahr, dass unter ökonomischen Gesichtspunkten Verluste eintreten werden. Setzen sich Journalisten für den fairen Sport ein, so kann dies zu Lasten des Spektakels gehen. Manager, die sich einem sauberen Sport verpflichten, werden vermutlich Einkommensverluste hinnehmen müssen. Gleiches gilt für Sponsoren, denen die spektakulären Höchstleistungen möglicherweise vorenthalten werden. Schließlich wird die Politik sich nur noch bedingt mittels sportlicher Spitzenereignisse national repräsentieren können. Ein Sowohl-als-auch wird es bei dieser Weichenstellung nicht geben. Ja oder nein lautet die Frage und jeder Einzelne ist dabei gefordert. Verantwortung lässt sich in solchen existenziellen Fragen nicht übertragen. Jeder Einzelne von uns ist in seinem Verantwortungsbereich gefordert und es wäre wünschenswert wenn jeder von uns sein Handeln im Sport zu legitimieren hätte. In der Kommunikation über die Legitimationen wird deshalb die wohl wichtigste Chance für die Weiterentwicklung des Sports liegen. Entscheidend wird aber auch sein, dass sich jeder von uns in seinem Verantwortungsbereich den gefährlichen Herausforderungen stellt.

Korruption, Bestechung, Wettbetrug, Geldwäsche, Doping, Spielmanipulation, Ergebnisabsprachen, Gewalt und Aggression, ungleiche Bezahlung, Wahlmanipulation, Stimmenkauf, Manipulation bei der Vergabe von internationalen Meisterschaften, Erpressung, Nötigung, ungleiche Sportgeräte, Altersmanipulation, Geschlechtsmanipulation, Spionage, finanzielle Unregelmäßigkeiten, unerlaubte Technologien und Transfer jugendlicher Athleten bedrohen dabei die Integrität des Sports. (Vgl. Abb. 1)

Schaubild - Die Bedrohung der Integrität des Sports

Abb.1: Die Bedrohung der Integrität des Sports

Aber auch die zunehmende Inklusion in einzelnen Sportarten, die nahezu schrankenlose Kommerzialisierung, die kritiklose Medaillen-Zählerei, der wachsende Nationalismus, das Siegen um jeden Preis, die wachsende Ungleichheit zwischen den teilnehmenden Nationen und nicht zuletzt die Gefährdung des Olympischen Friedens (Truce) sind Herausforderungen, denen man sich nicht mehr entziehen kann. Ähnlich wie in Fragen der politischen Verantwortung für politisches Unrecht ist die Übernahme konkreter Verantwortung für den Hochleistungssport eine besondere Herausforderung.

Wir neigen dabei zu der Haltung Verantwortung individualistisch zu denken. Der Einzelne trägt demnach Verantwortung für das, was ihm eindeutig zugerechnet werden kann, nicht für das was andere tun. Die Bedrohungen des Sports haben jedoch ein Ausmaß und eine Form, dass auch von einer Kollektivverantwortung gesprochen werden muss. Was leider aber zur Folge hat, dass sich niemand verantwortlich fühlte und auch niemand zur Verantwortung gezogen werden kann. Ich vertrete dabei die Ansicht, dass wir wohl das Kollektiv als Handlungssubjekt ernst zu nehmen haben, das Individuum aber dennoch in Fragen der Verantwortung zentral gefordert ist. Verantwortung im Sport ist nicht delegierbar. Jeder von uns ist in seinem Verantwortungsbereich gefordert.

Verfasst: 11.10.2012

Erstveröffentlichung: in „Verlorener Kampf“ – 2013