Transparenz ist ein kennzeichnendes Merkmal für demokratische Gesellschaften. Je offener eine Gesellschaft, desto transparenter sind ihre Strukturen. Allenfalls lässt sich der Bereich der Privatheit dem Gebot der Transparenz entziehen. Öffentlichkeit ist hingegen der Bereich unseres gesellschaftlichen Lebens, in dem Menschen zusammenkommen, ihre Interessen artikulieren, Vereinbarungen treffen und Probleme besprechen, die in politischen Prozessen gelöst werden sollen. Für eine demokratische Öffentlichkeit muss der Zugang zu allen Informationsquellen und Medien frei sein und sämtliche Informationen müssen frei diskutiert werden können. Im frei öffentlich zugänglichen Raum muss die Bildung einer Mehrheitsmeinung möglich sein. Zensur und andere die Meinungsbildung verhindernden Barrieren verbieten sich in diesem Raum. Die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit haben sich wohl in den letzten Jahrzehnten relativ schnell verändert. Die digitale mobile Kommunikation hat dabei die Bedeutung der Privatheit relativiert. Alles was den öffentlichen Raum kennzeichnet ist davon jedoch nahezu unberührt.
Der organisierte Sport ist ohne Zweifel ein interessantes Phänomen des öffentlichen Raumes und die freiwilligen Vereinigungen, die der Sport organisatorisch aufzuweisen hat, können als basisdemokratische Organisationen einer offenen und demokratischen Gesellschaft gedeutet werden. Die Frage, die sich dabei stellt, ist auf das Gebot der Transparenz ausgerichtet, das nicht zuletzt und vor allem für freiwillige Vereinigungen in einer demokratischen Gesellschaft zu gelten hat. Die Forderung nach vermehrter Transparenz hat sich dabei im System des Sports zu einem Diskussionsthema entwickelt, das in diesen Tagen die gesamte sportpolitische Rhetorik prägt. Gemeint sind damit allerdings nicht die freiwilligen Vereinigungen, die Turn- und Sportvereine, wie sie in Deutschland in jeder Kommune angetroffen werden können. Der Vorwurf der Intransparenz gilt nahezu ausschließlich den internationalen Sportorganisationen – allen voran dem IOC und der FIFA. Versucht man jedoch aus journalistischem Interesse, mit wissenschaftlicher Absicht oder mit einem sportpolitischen Veränderungswillen genauere Informationen über die deutschen Sportverbände zu erhalten, so muss man sehr schnell erkennen, dass auch hier dem demokratischen Gebot der Transparenz nur ganz selten entsprochen wird. Immer mehr Verbände glauben hingegen, ihr Handeln habe privaten Charakter und müsse deshalb gegenüber der Öffentlichkeit nicht offengelegt werden. Dies muss umso mehr überraschen, als die freiwilligen Vereinigungen des Sports sich in einer subsidiären Beziehung zum Staat befinden und nicht nur in finanzieller Hinsicht erhebliche Abhängigkeiten aufweisen. Alleine die Tatsache, dass mit den Mitteln des Steuerzahlers das Bundesinnenministerium einen Haushalt zugunsten des Leistungssports in Deutschland finanziert, müsste eigentlich die Einsicht nahelegen, dass sämtliche Sportorganisationen ihre Haushalte offenzulegen haben und ihr Ein- und Ausgabeverhalten für jedermann und jede Frau nachvollziehbar sein muss. Man könnte annehmen, dass auf der Homepage eines Spitzensportverbandes in einer speziellen Rubrik sämtliche Dateien bereitgestellt werden, in denen alle relevanten Informationen zu den Strukturen des jeweiligen Verbandes zu entnehmen sind. Eine vergleichende Analyse der Webseiten der olympischen Spitzenverbände zeigt jedoch, dass diese Qualität nur von ganz wenigen Verbänden erreicht werden kann. Fragt man die Verantwortlichen in den Sportverbänden nach der Personalstruktur ihres olympischen Verbandes und möchte man Stellenpläne einsehen, so wird dies mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit dieser Daten häufig verweigert. Mit dem gleichen Argument wird verhindert, dass die Ein- und Ausgaben der Verbände offengelegt werden und einen genaueren Einblick in die Entwicklung der Mitgliederzahlen wird ebenfalls des Öfteren verhindert. In Zahlen ausgedrückt haben sich – auf zwei unterschiedliche E-Mail-Anfragen – von den insgesamt 38 deutschen Spitzenverbänden lediglich 15 überhaupt zurückgemeldet, Mal mit mehr und Mal mit weniger Willen zur Informationsweitergabe. Bei gerade einmal 10 Verbänden lässt sich tatsächlich von einer aktiven und bereitwilligen Weitergabe von Daten und Fakten bezüglich Stellen- und Haushaltsplänen sprechen, 2 Verbände verweigerten gar geradezu empört jegliche Information. Dabei ist es durchaus möglich, dass einige der Verbände differenzierte Analysen ihrer Mitgliederentwicklung nicht vornehmen und auf diese Weise auch den Bestand ihrer Mitgliedschaft nur sehr unzureichend kennen. Selbst ein genauerer Einblick in die Kaderstruktur der olympischen Verbände ist für Außenstehende so gut wie nicht möglich. Entsprechende Anfragen werden größtenteils nicht beantwortet oder es wird darauf hingewiesen, dass eine neue Kaderstruktur geplant ist und es sich deshalb nicht mehr lohnt, über die alte zu berichten. Über die in einem olympischen Verband tätigen Trainer, deren Gehaltsstruktur und Arbeitsbedingungen lassen sich ebenfalls nur sehr unzureichende Informationen einholen.
Der Vorwurf der Intransparenz gilt dabei weniger der Dachorganisation, dem DOSB, als den einzelnen Mitgliedsverbänden innerhalb des DOSB. Der DOSB selbst legt seine ehrenamtliche und hauptamtliche Führungsstruktur detailliert offen, auch sein Haushalt ist für jedermann einsehbar. Mit einer gewissen Sachkenntnis lassen sich die differenzierten Angaben zu den Ein- und Ausgaben nachvollziehen und begründen. Gleiches gilt im Übrigen auch für die am häufigsten kritisierte internationale Organisation, für das IOC. Unter Führung von IOC-Präsident Bach wurden für das IOC völlig neue Transparenzmaßstäbe gesetzt, die in jeder Hinsicht beispielhaft für alle Organisationen des Sports sein sollten. Für den Präsidenten selbst werden dabei die Aufwandsentschädigungen ebenso wie die Regeln der Reisekostenerstattung offengelegt. Sitzungs- und Tagegelder sind transparent ausgewiesen. Die hauptamtlichen Stellenpläne und Arbeitsplatzbeschreibungen legitimieren die anzutreffende Verwaltungsstruktur. Die über Jahrzehnte andauernde massenmediale Kritik an den undurchsichtigen Strukturen der internationalen Verbände hat zumindest bei einigen dieser Verbände bewirkt, dass sogenannte Governance-Reformen eingeleitet wurden, mit denen sehr viel entschiedener dem Gebot der Transparenz entsprochen wird, als dies früher der Fall war. Auf nationaler Ebene hat es diese massenmediale Kritik nur ganz selten gegeben, was leider zur Folge hatte, dass entsprechende Governance-Bemühungen in den nationalen Organisationen des Sports erst in wenigen Vereinen, Landessportbünden und Spitzenverbänden beachtet werden. Transparenz, Berichtspflichten, Kooperationsanforderungen, Anforderungen an Information und Kommunikation sind dabei Merkmale, die vom Vereins- und Verbandsmanagement erst in jüngster Zeit beachtet werden. Die große Mehrheit der Vereine und Verbände auf nationaler Ebene versteckt sich vielmehr hinter einem angeblichen Gebot der Privatheit und Vertraulichkeit, ohne zu begreifen, dass es gerade die Vereine und Verbände sind, die ein bedeutsames intermediäres Glied zwischen dem Individuum und dem Staat darstellen und deshalb in besonderem Maße dem Gebot der Öffentlichkeit und der Transparenz zu entsprechen haben.
Verfasst: 16.05.2018