In der Welt des internationalen Sports finden schon seit längerer Zeit und vor allem auch in diesen Tagen dramatische Veränderungen statt, die in ihrer Ausformung, in ihren
Auswirkungen und in ihrer Reichweite selbst von Experten¹ nur sehr schwer eingeschätzt werden können. Vier dieser Veränderungen sind meines Erachtens dabei besonders folgenreich und bedürfen einer genaueren Analyse und Beobachtung:
- Vor allem in den letzten Wochen wurde es offensichtlich, dass sich die Landkarte des Weltsports und der darin ausgewiesenen Machtzentren erheblich verändert hat. Gab es in der Vergangenheit im professionell betriebenen Hochleistungssport lediglich zwei Machtzentren, nämlich USA und Europa, so ist bereits seit längerer Zeit zunächst ein weiteres Machtzentrum mit den Staaten China, Südkorea und Japan hinzugekommen. In den beiden vergangenen Jahrzehnten wurde die Weltkarte des Sports und damit auch dessen Geopolitik noch einmal ganz radikal verändert, indem der gesamte arabische Raum, vor allem aber die Golfstaaten der arabischen Halbinsel, d.h. Saudi-Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Oman und Kuweit ein weiteres Machtzentrum ausgebildet haben. Diese Länder haben mit all den ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und ökonomischen Ressourcen die bestehende Balance zwischen den bereits vorhandenen mächtigen Sportnationen schon heute radikal verändert und werden dies noch weiter tun.
- Bei der Veränderung der Machtstrukturen lassen sich dabei zwei auf den ersten Blick konträre Prozesse erkennen, die für die bestehenden strukturellen Verhältnisse des internationalen Hochleistungssports gleichermaßen gefährlich sein können. Zum einen findet zunehmend eine Privatisierung des Hochleistungssports statt. Immer mehr Sportclubs gehen in Privatbesitz über. Private Investoren kaufen sich in bestehende Sportstrukturen ein, selbst Trainingszentren und Wettkampfstrukturen werden privatisiert. Zum anderen ist vermehrt ein Verstaatlichungsprozess zu beobachten, bei dem sich einige Staaten privatwirtschaftlicher Organisationsstrukturen bedienen, um die Machtverhältnisse im Weltsport in gravierender Weise zu ihren Gunsten zu verändern. Dies gilt vor allem für die staatspolitisch gesteuerte Vereinnahmung durch einige arabische Staaten, aber teilweise auch durch Staaten der ehemaligen Sowjetunion und durch asiatische Staaten von ausgewählten privatwirtschaftlichen Sportunternehmen. Auf der Strecke bleiben dabei die sog. Non-Governmental Organizations (NGOs), d.h. die freiwilligen Vereinigungen, die über mehr als 100 Jahre im Wesentlichen den Weltsport getragen haben.
- Die beiden hier erwähnten Veränderungsprozesse gehen einher mit einer in seinen Auswirkungen kaum übersehbaren Infragestellung aller bestehenden ethisch-moralischen moralischen Maximen des Olympischen Sports. Dabei werden die Grenzen dessen, was erlaubt ist und was zu verbieten ist, ständig zu Gunsten des Machbaren verschoben. Es gilt die übergeordnete Maxime “alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt“. Der Sport ist dabei zum Experimentierfeld der Naturwissenschaften geworden. „Enhancement“² ist das Gebot der Stunde. Die Regeln des Fair Play haben sich demnach überlebt und der Sport und der Hochleistungssportler werden zum „KI- Objekt“, wobei der Ausgang dieses Experiments völlig offen ist.
- Schon seit längerer Zeit kann beobachtet werden, dass all jene Länder, die aus ihrer Sicht bei der internationalen Sportentwicklung über mehr als ein Jahrhundert benachteiligt wurden, die berechtigte Forderung stellen, dass der Weltsport – als Hochleistungssport betrieben – zu jeder Zeit und an jedem Ort auf dieser Erde stattfinden kann und soll. USA und Europa haben sich bemüht, die Durchführung von internationalen Sport- Großveranstaltungen auf den nordamerikanischen und europäischen Kontinent zu beschränken. Sie haben dabei von den von ihnen beherrschten Massenmedien eine nachhaltige Unterstützung erfahren, was jedoch von vielen Nationen anderer Kontinente teilweise zu Recht als Neo- Kolonialismus und Rassismus verurteilt wurde und wird. Die Annahme, dass die in Nordeuropa und in den USA bestehenden vier Jahreszeiten den Kalender für die internationalen Sportveranstaltungen definieren, gehört deshalb immer eindeutiger der Vergangenheit an. Gleiches gilt für die Annahme, dass sich die internationalen Sportveranstaltungen immer an der mitteleuropäischen Zeit (MEZ) und damit an europäischen Unterhaltungswünschen auszurichten haben. Eine Fußballweltmeisterschaft kann heute und auch in der weiteren Zukunft in einem Land wie Katar mit einer Wüstenlandschaft und mit täglichen Durchschnittstemperaturen von über 30° durchgeführt werden. Im selben Land kann zukünftig aber auch eine Ski -Weltmeisterschaft stattfinden, bei der auf Kunstschnee in einer überdachten und klimatisierten künstlichen Winterlandschaft die Wettbewerbe ausgetragen werden. Europa muss lernen, dass dann, wenn in der Nordhälfte der Weltkugel Winter herrscht, sich die Südhälfte der Erde in den Sommermonaten befindet. So wie man früher erwartet hat, dass in der Hallensaison der europäischen Leichtathletik Athletinnen und Athleten aus Neuseeland, Australien und der Karibik an den Start gehen, obwohl in ihren eigenen Ländern Sommer herrscht, so wird nun von Europa erwartet, dass auch deren Athleten ganzjährig sich an Wettkämpfen beteiligen, ganz gleich unter welchen Klimabedingungen diese stattfinden.
Ökologisch ist diese Entwicklung mehr als bedenklich. Doch angesichts der Geldgier, die den gesamten Weltsport schon seit längerer Zeit erfasst hat, sind ökologische Belange von nachgeordneter Bedeutung, bzw. werden sie erst gar nicht in Erwägung gezogen. Der Weltsport – das ist ein weiterer gefährlicher Aspekt seiner fortschreitenden Globalisierung – erhöht nahezu jährlich seinen CO2 „Fußabdruck“. Sein Verkehrsaufkommen wächst ungebremst und die Anzahl der Teilnehmer bei internationalen Multi- Sport- Events, die mit Flugzeugen oder privaten Transportmitteln zu diesen Veranstaltungen anreisen, ist bis ins Unermessliche angestiegen. Entgegen aller Vernunft kommen immer wieder neue internationale Sportveranstaltungen hinzu. Gegenseitige Rücksichtnahme oder gar Enthaltsamkeit sind dabei unbekannte Fremdwörter. Die CO2 Emissionen, die bei der eben zu Ende gegangenen Tour de France durch die aus Frankreich und aus ganz Europa angereisten Zuschauer entlang der Straßen und durch den Begleittross der Veranstalter und der über die Tour berichtenden Fernsehanstalten und Massenmedien verursacht wird, kann auf beispielhafte Weise zeigen, wie fragwürdig derartige Großveranstaltungen vor dem Hintergrund des von allen Seiten beklagten Klimawandels sind. Hinzu kommt, dass jede dieser großen, meist mehrwöchigen Sportveranstaltungen einen enormen Aufwand an Vorbereitung und Nachbereitung aufweisen, die ebenfalls ein beachtliches Flugaufkommen notwendig machen. Der Weltsport mit seinen klimaschädlichen Auswirkungen gehört deshalb meines Erachtens schon längst öffentlich an den Pranger gestellt und jedes weitere Wachstum, d.h. jede neue Veranstaltung müsste verboten werden. Ob die Verantwortlichen in den Weltsportorganisationen allerdings lernen, dass angesichts der Klimakrise „weniger auch mehr sein kann“, erscheint angesichts ihrer Geldgier höchst fraglich zu sein.
Die in diesen Tagen zu beobachtende eigenartige und gleichzeitig stattfindende Vermischung zwischen Verstaatlichung und einer „Pseudo-Privatisierung“, wie sie vor allem von den Golfstaaten vorangetrieben wird, erscheint mir dabei besonders einflussreich und gefährlich zu sein. Die staatliche Übernahme des Weltsports wird dabei durch vorgeschaltete Gesellschaften und Fonds und pseudo-private Unternehmen getarnt, bei denen aber entweder das Königshaus in Saudi-Arabien oder die herrschende Emirfamilie des jeweiligen Emirats das „Sagen“ haben. Katar war das erste Land am Persischen Golf, das erfolgreich seinen Weg in den Weltsport finden konnte. Es investierte in den Tennissport, die Formel 1, in den internationalen Handballverband, in die Leichtathletik, in Asienspiele und in Weltmeisterschaften in beinahe jeder Olympischen Sportart. 2014 begann es mit den Welttitelkämpfen im Schwimmen, 2015 wurden die Box WM und die Handball WM in Katar ausgetragen, 2016 fanden die Straßenrad-Weltmeisterschaften statt, 2018 und 2019 folgten Kunstturnen und Leichtathletik. Den Höhepunkt bildete die Fußballweltmeisterschaft 2022. Die Fußball WM 2022 war dabei Katars größter Erfolg im Weltsport. Dieses Land ist mittlerweile nahezu in allen entscheidenden Sportgremien der Welt mit Sitz und Stimme vertreten.
Fast alle arabischen Staaten folgten diesem Weg und so wird heute die Tour de France gleich von zwei Teams aus der Golfregion dominiert und die Reihe der Sportarten, deren verantwortliche Sportfunktionäre den Herrschern aus den Golfstaaten ihre Sportwettbewerbe zum Kauf angeboten haben, wird immer länger. Am auffälligsten ist in diesen Tagen die Rolle Saudi-Arabiens, das mit einem einmaligen Aufholprogramm den einst geschmähten Nachbarstaat Katar gerade überholt und seinen Anspruch auf eine Führungsrolle im Weltsport äußerst selbst bewusst zur Schau stellen. Dies geschieht auch in Regionen der Welt, die sich darüber ganz und gar nicht freuen können. Hinzukommt, dass Saudi-Arabien nun sogar mit seinen ehemaligen Erzfeinden Iran und Katar in Fragen des Weltsports Kooperationen eingeht. In der Saudi-Arabischen Fußball- Liga spielen nun Benzema und Ronaldo und weitere 20 Weltstars. Es ist eine Liga von Legionären, in der jeder fünfte ein Brasilianer ist. Saudi- Arabien hat eine eigene „Golf Tour“ aufgebaut, die so genannte LIV- Tour. Im Namen wird mit Hilfe römischer Ziffern (L-I-V) die Zahl „54“ herausgestellt. Sie weist damit auf drei Runden Golf à 18 Löcher hin. Auf diese Weise grenzte man sich von der amerikanischen PGA- Tour ab, die nun aber in das eigene „Lizenzrechte Portfolio“ integriert wurde und für einen höheren US $ -Milliardenbetrag den US-amerikanischen Besitzern abgekauft werden konnte. Neben dem Rechteerwerb der Rallye Dakar richtet man mittlerweile jährlich Formel 1 Rennen aus, wird im Jahr 2029 die ersten Asien- Winterspiele veranstalten, war der erste Ausrichter von Formel E Rennen und bereits 2013 und 2019 wurden ein spanischer und englischer Fußball- Club erworben. Für beide Länder richtet man auch deren Supercup aus. Aston Martin, der Formel 1 Rennstall, ist im Besitz Saudi-Arabiens ebenso wie die WWE Wrestling League. Der Weltmarktführer „ESL Gaming“ im E- Sport wird von Saudi-Arabien kontrolliert und finanziert. 1 Milliarde $ hat er Wüstenstaat für dieses Unternehmen ausgegeben. Als Vehikel dient die „Savvy Gaming Group“³, eine 100-prozentige Tochter des Staatsfonds „Public Investment Fund“ (PIF). Den Vorsitz dieses Fonds hat Kronprinz Mohammed bin Salan.
Die vereinigten Arabischen Emirate sind nicht weniger aktiv. Sie haben mittlerweile allein elf Fußball Clubs in England, Australien, USA, Uruguay, Frankreich, Indien, Italien, China, und Brasilien erworben. Hierzu wurde eigens eine „City Football Group“ etabliert. Geplant ist auch ein Einstieg in die amerikanische Basketball-Liga NBA, nachdem diese ihre ehemalige Protektions-Politik aufgegeben hat und den Golfstaaten signalisiert wurde, dass sie Anteile erwerben könnten. In Dubai werden jährlich auch das höchst dotierte Pferderennen der Welt und die Weltmeisterschaft im Pferderennsport ausgetragen. Auf der architektonisch mit ihren vielen Anlagen alles übertreffenden Pferderennbahn „Maydan“ starten dabei die besten Pferde der Welt. Diese Veranstaltung bietet zugleich den Rahmen für ein Treffen aller internationaler Pferdehändler mit Rang und Namen.
Dies alles ist möglich, weil in den Führungsgremien der entscheidenden Organisationen des Weltsports Funktionäre das Sagen haben, die von einer maßlosen Geldgier getrieben sind und deren intellektuelle Kompetenz völlig unzureichend ist, um die gefährlichen Entwicklungen zu erkennen, die auf diese Weise die bestehenden Strukturen des gesamten Weltsports gefährden und sich damit letztlich mit ihrem verantwortungslosen Handeln den Stuhl absägen, auf dem sie sitzen.
Die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, spielen im Bereich des Sports dieselbe Rolle, die sie auch zuvor in verschiedenen Wirtschaftsbereichen bereits gespielt haben. Sie treten als „steinreiche“ Investoren auf, die spendabel sind und teilweise sogar auch helfen, wenn andere Mittel ausgeschöpft sind. Im ökonomischen Sportmodell, das ganz wesentlich von den USA geprägt wurde, war es üblich, dass man bei seinen Investitionen in Sportclubs das Ziel verfolgte, damit durch jährlich abgesicherte Einnahmen und durch Sponsoring Gewinne abzuschöpfen. Beim arabischen Sportmodell löst sich die Sport- Industrie von allen finanziellen Konsequenzen. Es geht nicht um Gewinne und Verluste. Es geht zunächst und vor allem darum, dass die Golfstaaten sich durch Sportinvestments auf der wichtigen politischen Landkarte dieser Welt, den von Ihnen angestrebten Platz erreichen. „Der Sport ist“ – wie es Felix Haselsteiner zu Recht in seiner Wirtschaftsanalyse in der SZ vom 8. Juli 2023 herausstellt – „zum Vehikel in einem großen Konstrukt“ geworden. Für Saudi-Arabien heißt dies, als Weltmacht unter den führenden Weltmächten anerkannt zu werden. „Saudi-Arabien schafft hier gezielt den Wettbewerb ab, nicht nur ökonomisch sondern auch sportlich“. Dies gilt für die Gehälter der Saudi-Arabischen Fußball Liga und alle übrigen Ligen in den Golfstaaten gleichermaßen wie für die Preisgelder und Prämien, die in den unterschiedlichen Sportarten bezahlt werden. So erhält selbst der letzte Golf-Profi bei einem LIV- Tour Event immer noch Tausende US-Dollar als Preisgeld.
Keine der vielen internationalen Sportorganisationen hat sich gegen diese Entwicklung ausgesprochen oder war vielmehr sogar bemüht, diese Entwicklung zu behindern. Es muss nun schmerzlich verstanden werden, dass alle jene, die gierig das Geld in ihren Sport hinein geholt haben, damit immer auch ihre Macht abgegeben haben. Es waren die großen Verbände des Weltsports wie zum Beispiel die FIFA, der Internationale Handballverband (IHF), World Athletics, die UCI, die FIBA etc. die die Golfstaaten eingeladen haben, alles Mögliche aus der Welt des Sports aufzukaufen was zum Verkauf anstand. Vermutlich hätten sie die Investoren auf der Grundlage bestehender Gesetze nicht ausschließen können, doch hätten sie zumindest die immer schneller werden Entwicklungsprozesse abbremsen können, indem sie über neue Regelstrukturen den Kern ihrer Sportarten geschützt hätten. Heute muss nun durch die Veränderungen, die die Golfstaaten in der Welt des Sports vorgerufen haben, von einer „Geschichte vom Ende des Sports“(Haselsteiner) gesprochen werden. Analyst Haselsteiner erkennt aber auch einen kleinen Hoffnungsschimmer: „Es ist reiner Fatalismus, aber die einzige Möglichkeit, dass Sport jemals wieder einfach nur Sport wird, wäre womöglich der Crash des Systems. Fußballvereine sind keine Großbanken und eine Sportart ist nicht „to big to fail“. Man wird Sportvereine nicht mit Milliarden an Steuergeldern retten, wenn irgendwann etwas schief geht, was auch bedeutet, dass es noch Hoffnung gibt“.
In Beziehung auf den oben angedeuteten ethisch- moralischen Verfall des Weltsports scheint hingegen weniger Hoffnung angebracht zu sein. Die weltweite „Totalisierung des Hochleistungssports“ schreitet immer schneller voran. Die Ankündigung, dass im nächsten Jahr die sog. „Enhanced Games“ stattfinden sollen, ist dabei nur ein Symptom unter vielen. Die gefahrenen Zeiten und Geschwindigkeiten bei der eben zu Ende gegangenen Tour de France weisen darauf hin, dass die trainingswissenschaftlichen, medizinischen, pharmazeutischen und biomechanischen Interventionen im Hochleistungssport, dass das „höher, schneller, weiter“ zumindest aus der Sicht der meisten Protagonisten des gesellschaftlichen Systems “Hochleistungssport“ grenzenlos sind. Selbst drei tragische Todesfälle, die durch Stürze im professionellen Radrennsport während der letzten Wochen zu beklagen waren, werden daran wohl kaum etwas ändern. Vergleichbare Warnsignale hat es in den vergangenen Jahren schon mehrfach gegeben. Doch die Verantwortlichen solcher sportlichen Großveranstaltungen gingen dabei immer sofort wieder zur Planung der nächsten Großveranstaltung über, wenn sie sich sicher sein konnten, dass das kurzfristige massenmediale Aufbegehren schnell wieder zu einem Stillstand gekommen ist. Sie können sich sicher sein, dass ihr sportliches Unterhaltungsevent, als „Spektakel“ und „Exzess“ veranstaltet, auch zukünftig von Zuschauermassen besucht wird.
Doch gäbe es einen Konsens über die ethisch und moralisch erwünschten Werte, die den Hochleistungssport auszeichnen sollten, so wären diese Gefahren zumindest beherrschbar. Von diesem Konsens sind jedoch alle Beteiligten – Athleten, Trainer, Sportfunktionäre Wissenschaftler, Veranstaltungssponsoren, Politiker etc. – weiter entfernt denn je.
Für die oben beschriebene dritte Gefahr für einen Hochleistungssport, der unter dem sich abzeichnenden Klimawandel seine Zukunft zu suchen hat, gibt es hingegen so gut wie keine tragfähigen Erkenntnisse, wie der Sport damit umgehen könnte. Die allgemeine Erderwärmung wird alle Veranstaltungen des internationalen Sports, die als Freiluftveranstaltungen vorgesehen sind, mittel- und langfristig infrage stellen. Der Wintersport, als im natürlichen Schnee betriebener Sport, zeigt bereits seit längerer Zeit Anzeichen des Niedergangs und des Verfalls. Die Durchführung von Olympischen Winterspielen ist in einem noch nicht ganz klaren Ausmaß substantiell gefährdet. Durch überraschende Klimakatastrophen, durch extreme Niederschläge, durch Überschwemmungen, durch Wasserknappheit, durch Energieknappheit, durch Hungersnöte, durch langanhaltende Dürre, durch eine veränderte Vegetation etc. können nicht nur einzelne Sportveranstaltungen gefährdet sein, sondern auch ganze Sportarten werden an Sinnhaftigkeit und damit auch an Attraktivität verlieren. Manche sind bei ihrer Ausführung mit viel zu hohen Kosten verbunden und müssen möglicherweise staatlicherseits durch Verbote eingeschränkt werden, weil dadurch die ohnehin sehr gefährlichen Auswirkungen des Klimawandels auf das Alltagsleben der menschlichen Gesellschaften noch erhöht werden.
Die in diesem Essay skizzierten Veränderungen, von denen der Weltsport in diesen Tagen meines Erachtens in gefährlicher Weise betroffen ist, sind in vieler Hinsicht bedrohlich.
Sie sind für die Athletinnen und Athleten eine Gefahr, weil sie immer mehr zum Spielball von Interessen werden, deren Befolgung sie nicht beeinflussen können. Der Grenznutzen der sportlichen Leistung wird für die Athleten immer geringer und die Gefahr langfristiger Schäden durch die Ausübung von sportlichen Höchstleistungen erhöht sich kontinuierlich.
Die Veränderungen sind aber auch bedrohlich für unsere Gesellschaft. Ein Sport, der in seiner Geldgier nicht nur die Kontrolle über sich selbst verliert, sondern auch mit seiner Wachstumsideologie zu einer Gefährdung der Umwelt wird, bedeutet eine gesellschaftliche Gefahr. Diese Gefahr kann sich im Angesicht des bereits beobachtbaren Klimawandels noch erheblich verschärfen.
Schließlich sind diese Veränderungen aber auch für eine wünschenswerte Sportkultur äußerst bedrohlich, da indirekt davon auch der „Sport für alle“, der Schulsport, der Vereinssport und alle weiteren informellen Formen von Sportausübung davon betroffen sind.
Der mit dem hier vorliegenden Essay verbundene Appell an die Vernunft und an die Verantwortung der Funktionäre in den Organisationen des Sports ist intendiert, doch leider kann wohl nur gehofft werden, dass er von einigen Verantwortungsträger wenigstens gehört und letztlich auch erhört wird.
Letzte Bearbeitung: 26. 9. 2023
¹ Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.
² Siehe hierzu auch mein Essay „On Your Marks“ – Ist das OYM in der Schweiz ein sinnvoller Weg in die Zukunft?“
(https://sport-nachgedacht.de/essay/on-your-marks-ist-das-oym-in-der-schweiz-ein-sinnvoller-weg-in-die-zukunft/)
³ Siehe hierzu: https://savvygames.com/