Vorurteile im Sport

Kennzeichnung des Problems
Vorurteile sind wohl die wichtigste Grundlage des Phänomens des Rassismus und man kann das Phänomen des Rassismus nur dann verstehen, wenn man sich mit dem Problem menschlicher Vorurteile etwas genauer auseinandergesetzt hat, wenn man es zu erklären versteht und in seinen Funktionen beobachtet.

Ich gehe dabei davon aus, dass Vorurteile die wichtigste Grundlage des Phänomens des Rassismus sind und man Rassismus nur dann verstehen kann, wenn man sich mit dem Vorurteilsphänomen etwas genauer auseinandergesetzt hat, wenn man es zu erklären versteht und in seinen Funktionen beobachtet. Lässt man sich auf eine derartige Auseinandersetzung ein, so nehme ich an, dass es dann auch eher gelingen kann, Wege zu finden, wie man dem Rassismus engagiert entgegentreten kann und wie sich das Problem des Rassismus möglicherweise lösen lässt. Im Folgenden werde ich deshalb den Fragen nachgehen:

  • Was sind Vorurteile und welche Bedeutung haben sie für die Menschen?
  • Welche Vorurteilstypen gibt es und wie lassen sie sich unterscheiden?
  • Wie haben Wissenschaftler versucht Vorurteile zu deuten und zu erklären?
  • Und was kann man aus den bestehenden Erklärungsansätzen lernen, um den Problemen entgegentreten zu können?

Vorurteile sind hilfreich und gefährlich zugleich. Sie reduzieren Komplexität, machen Schwieriges einfach, helfen die Welt zu verstehen. Vorurteile, oder auch Stereotype, entlasten in einer reizüberfluteten Informationsgesellschaft. Sie sind gleichzeitig jedoch immer auch gefährlich, sind wenig reflektiert, Sachverhalte werden nur unzureichend erfasst, Personen werden unzureichend gewürdigt. Vorurteile deuten auf Einschränkungen in der Urteilsfähigkeit jener hin, die sie verwenden. War ursprünglich der Begriff Vorurteil auf etwas Vorläufiges, z.B. auf ein Gerichtsergebnis bezogen, das zeitlich vor einem Urteil stand, so ist heute die Semantik des Begriffs Vorurteil eher negativ besetzt.

In der theoretischen Reflexion über Vorurteile werden unterschiedliche Arten von Vorurteilen unterschieden. Positive werden von negativen, auf- werden von abwertenden Vorurteilen abgegrenzt. Im Folgenden möchte ich mich nur mit den abwertenden negativen Vorurteilen im Sport beschäftigen. Es geht dabei um fragwürdige Einstellungen gegenüber Personen, Gruppen und Gesellschaften, unzureichende kognitive Stereotype und um konstante und deshalb gefährliche Verhaltenskomponenten.

Sportbezogen geht es um negative ablehnende Einstellungen gegenüber einem Menschen, einer Gruppe, einer Stadt, einer Nation und/ oder einem Sachverhalt.

Lassen sich in der Welt des Sports solche Einstellungen beobachten, so liegt dabei meist eine Übergeneralisierung vor, bei der von einzelnen Eigenschaften eines Individuums auf Eigenschaften einer Gruppe geschlossen wird. Die Vorurteile besitzen dabei in der Regel einen emotionalen Gehalt und treten als deutliche stereotype Überzeugungen auf. Sie implizieren oft negative Gefühle und Handlungstendenzen und können zu Intoleranz und Diskriminierung führen. Vorurteile dienen nicht selten dazu benachteiligte Menschen zu treffen und soziale Ungerechtigkeiten zu legitimieren.

Will man über ein Brainstorming in der Welt des Sports Vorurteile erkennen, so kann man sehr schnell einen ganzen Berg an Vorurteilen anhäufen:

→Das Foul des italienischen Verteidigers war besonders hinterhältig. → Italienische Fußballer spielen hinterhältig. →Die italienische Fußball-Nationalmannschaft ist hinterhältig. →Südländischer Fußball ist hinterhältig. →Im südlichen Europa wird ein unfairerer Fußball eher gepflegt als in der nördlichen Hälfte. – So lässt sich beispielsweise eine problematische Generalisierungskette konstruieren, die in der deutschen Öffentlichkeit sehr häufig zu beobachten war.
→Schwarze Fußballspieler sind ballverliebt, aber nicht zielorientiert. →Den afrikanischen Fußball-Nationalmannschaften mangelt es an Disziplin und Willensstärke. →Der erfolgreiche Torschuss findet meist nicht statt. – Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie ein ganzer Kontinent vorurteilsbefangen bewertet wird.

Die Aussagen „Fußball ist kein Spiel für Mädchen“, „Mädchen können nicht Fußball spielen“, „Frauenfußball ist langweilig“ zeigen, wie das weibliche Geschlecht im Sport über Vorurteile im Sport diskriminiert werden kann. Seien wir gegenüber uns selbst etwas ehrlich und beobachten uns. Wenn ein Junge alleine tanzt und ein kleines Mädchen leidenschaftlich Fußball spielt, so denken wir aufs Erste, da stimmt etwas nicht – es müsste eigentlich andersherum sein.

Versucht man die im Sport beobachtbaren Vorurteile etwas genauer zu analysieren, so kann man erkennen, dass es dabei verschiedene Bezugspunkte gibt, die besonders vorurteilsträchtig sind. Dazu gehören vor allem die Beziehungen zwischen Sport und Frauen, Intelligenz, sozialer Herkunft, Rasse, Religion und Nation.

Bei einer genaueren Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Sport und Vorurteilen lassen sich zunächst Vorurteile über Sport und Vorurteile im Sport unterscheiden.

Vorurteile über Sport

Vorurteile über Sport haben eine lange Tradition. Das historisch interessanteste könnte die „Fußlümmelei“ von einem Stuttgarter Oberstudienrat sein. Heute fällt auf, wenn man beispielsweise eine Internetrecherche zugrunde legt, dass die Situation der Sportarten unter dem Aspekt des Vorurteils von einer besonderen Ungleichheit geprägt wird. Im Internet wehren sich eine ganze Reihe von Sportarten gegenüber jenen, die ihren Sport mit Vorurteilen betrachten. Beispielhaft sollen hier die Sportarten, Golf, Boxen, Bodybuilding, Yoga, Sportkegeln, Gewichtheben, Sportschießen, Paintball, Skispringen und Fußball erwähnt werden.

Das Vorurteil gegenüber dem Golfsport zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht als Sport anerkannt wird, sondern als langatmiger, extrem teurer Scheinsport für Leute in karierten Hosen, die sich mit zeitaufwendigen Handicap-Etikette auf überdüngten Grüns in abgeschotteten Privatclubs treffen. Das Vorurteil gipfelt in der Annahme, dass der Golfsport der teuerste Sport ist.

Das Vorurteil über Yoga nimmt an, dass dies nur etwas für Frauen sei. Yoga ist langweilig. Man sitzt nur rum und murmelt. Yoga ist esoterischer Kram. Yoga hat etwas mit Sekten zu tun. Yoga ist doch auch wieder nur so ein Trend. Ich bin nicht beweglich genug für Yoga. Ich brauche kein Yoga, ich mache lieber anderen richtigen Sport. Für Yoga bin ich zu alt. Da brennen bestimmt Räucherstäbchen. Yoga ist nur zum Entspannen, da gehe ich lieber in die Badewanne.

Bodybuilder, folgt man dem Vorurteil, sind primitive Selbstdarsteller, nehmen Steroide, schädigen ihre Gesundheit und nur Mannsweiber betreiben diesen Sport. Reiten ist teurer Mädchensport, Handball der Frauen Lesbensport und Sportschützen stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar.

Werden auf diese Weise einzelne Sportarten diskriminiert und wenig sachangemessen beurteilt, so gehören zur Gruppe der Vorurteile über Sport auch solche, die sich auf einzelne Sportpersönlichkeiten beziehen. Sportstudenten und Sportlehrer sehen sich  so beispielsweise vorurteilsbetrachtet durch Nicht-Sportstudenten und durch das übrige Kollegium in den Schulen. Als beleidigendes Vorurteil empfinden auch saubere Sportler, wenn ihnen angesichts von Dopingfällen unterstellt wird, dass alle in einer Sportart gedopt sind, obgleich der Nachweis niemals erbracht wurde.

Vorurteilsbelastet im Sport ist auch die Diskussion wenn typisch männlich und typisch weiblich unterschieden wird. Im Sport gibt es aber auch Vorurteile die den Charakter von Sportmythen haben. Solche können sich vor allem auf die Ausübung des Sports selbst beziehen: „Sport lässt die Brustmuskeln bei Frauen erschlaffen“, „Die Fettverbrennung setzt erst ab ca. 30 Minuten ein“, „Gegen Muskelkater hilft Bewegung“, „Durch eine falsche Atmung entsteht Seitenstechen“, „Gegen Muskelkrämpfe hilft Magnesium“, „Wo sich Muskeln bilden verschwindet Fett“, „Joggen schadet den Gelenken.“

Solche und ähnliche Aussagen werden im Sport tradiert, wenngleich sie längst widerlegt sind und von Sportmedizinern durch sehr viel differenziertere Urteile ersetzt wurden.

Interessant sind auch die Vorurteile die sich auf bestimmte Mannschaften beziehen. So ist vor allem der FC Bayern München Zielscheibe für viele vorurteilsbehaftete Urteile. Aus der Perspektive von Vorurteilen betrachtet stellt sich der FC Bayern als ein Verein dar, dem nur Erfolgsfans treu sind: „Der FC Bayern gewinnt immer – dies ist langweilig“, „FC Bayern ist FC Hollywood“, „Bei einer Niederlage herrscht sofort Krisenstimmung“, „Die Bayernspieler sind verwöhnt und unselbstständig“, „Die arroganten Bayernspieler haben keinen Bezug zum Verein und zu ihren Fans“, „Mia san mia – der FC Bayern hat keine Identität“, „Beim FC Bayern spielen fast nur noch Ausländer“, „Das Bayerndusel, Last-Minute-Tore und Losglück“, „In den letzten Wettbewerben verliert der FC Bayern mit der B-Elf – dies ist Wettbewerbsverzerrung“, „Bayerspieler werden in der Nationalmannschaft bevorzugt.“ Auch bei diesen Vorurteilen gegenüber dem FC Bayern München wird der Charakter von Vorurteilen sichtbar. Einer genaueren Überprüfung halten die meisten dieser Aussagen nicht stand.

Vorurteile im Sport

Sehr viel problematischer als die Vorurteile über Sport sind Vorurteile im Sport, d.h. Vorurteile von Sporttreibenden, von Sportzuschauern und von Repräsentanten des Sports gegenüber Geschlecht, Rasse, Religion und Nation.

Bei diesem Typus von Vorurteil werden aus dem Sport heraus Sporttreibende und Nicht-Sporttreibende beurteilt. „Balotelli postet Judenvorteile“ lautet die Überschrift in einer Tageszeitung – sie verweist auf den Sachverhalt, dass Athletinnen und Athleten Vorurteile propagieren und möglicherweise Lernmodelle zur Nachahmung darstellen.

Rassistische Vorurteile im Sport haben eine lange Tradition. Sie reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück und seit der Sport Thema einer Sportberichterstattung ist, werden Athletinnen und Athleten verschiedenster Rassen durch Journalisten und deren Berichterstattung diskriminiert. Besonders diskriminierend sind dabei die vielen Tiervergleiche, denen Athletinnen und Athleten unterworfen wurden. Gazelle, Bulle, Affe, Löwe, Tiger – stehen dabei stellvertretend für den Metaphernpark, dem sich unkritische Journalisten bedienen. Ein besonders ärgerliches Vorurteil in diesem Zusammenhang ist die Annahme, dass es Rassismus im Sport nur in jenen Fußballstadien gibt, die im Osten der Republik liegen.

Manche Vorurteile im Sport sind auf den ersten Blick nicht als solche erkennbar und auch nicht böse gemeint. So sitzt in vielen Köpfen die Annahme, dass Schwarze besonders schnell seien. Dieses Klischee kann sich sehr schnell zu einem gefährlichen Vorurteil verändern. Dass Menschen Unterschiede aufweisen, ist für Jedermann beobachtbar. Menschen sind nicht gleich. Wenn wir daraus Gruppen bilden und wenn wir diese biologisieren und möglicherweise noch ethnisieren, also diese Unterschiede einer Ethnie zuordnen, dann entstehen die eigentlichen Probleme des vorurteilsbefangenen Rassismus. Dann redet man nicht mehr von Menschen sondern von Juden, von Zigeunern, von Türken, von Schwarzen, von Asylanten oder von Flüchtlingen. Dann wird über das Vorurteil Politik gemacht. Das Vorurteil wird gesellschaftspolitisch instrumentalisiert. Vorurteile über Schwarze im Sport sind vor allem in den USA zu beobachten. Hoberman weist darauf hin, dass dabei das Gesetz des Ausgleichs als pseudowissenschaftliche Erklärung herangezogen wird. Demnach hat ein starker Körper einen schwachen Intellekt. Diese folkloristische Überzeugung existiert in den USA bis heute noch und wird auf Schwarze vor allem in den Sportarten Tennis, American Football, Basketball und Baseball angewendet. Schwarze werden dabei auf ihren Körper reduziert. Dies hat in der gesamten westlichen Welt eine lange rassistische Tradition. Schwarzen wird auch eine ganz andere Sexualität unterstellt als Weißen. Deswegen dienen manche schwarze Athleten als Projektionsfläche für sexuelle Träume. Ähnlich problematisch wird auch das Verhältnis zwischen verschiedenen Ethnien in multikulturellen Sportnationen beschrieben. Malaien, Inder und Chinesen haben z.B. in Malaysia ihre je eigene Sportwelt. Jeder dieser drei Ethnien werden dabei eigenständige Fähigkeitspotenziale zugeschrieben, die sich bei genauerer Betrachtung als rassistisch erweisen.

Wissenschaftliche Erklärungs- und Beschreibungsversuche

Das Problem der Vorurteile wird von verschiedenen Wissenschaften thematisiert. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Vorurteilen kann auf eine lange Tradition verweisen. Dennoch gibt es bis heute keine allgemeine Theorie zu Vorurteilen und auch die Frage nach den Ursachen der Vorurteile ist weitestgehend ungeklärt. Ein Blick auf die unterschiedlichen Erklärungsansätze, warum Menschen Vorurteile haben, ist hilfreich und notwendig. In den verschiedenen Erklärungsansätzen werden die Vorurteile aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und mit unterschiedlichen Erklärungsprinzipien gedeutet. Mindestens vier Ansätze zu den Entstehungsbedingungen von Vorurteilen lassen sich dabei unterscheiden. Sie unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Frage, ob die Ursachen der Vorurteile in gesellschaftlichen oder psychischen Bedingungen begründet sind.

Der aus meiner Sicht wichtigste Ansatz ist der lerntheoretische Ansatz, bei dem die Ursache und die Entwicklung von Vorurteilen im Sozialisationsprozess des Menschen zu beobachten ist bzw. stattfindet.
Beim konflikttheoretischen Ansatz sind die Vorurteile auf Konkurrenz- und Konfliktsituationen zwischen sozialen Gruppen zurückzuführen.
In psychodynamischen Ansätzen geht man davon aus, dass die Ursache von Vorurteilen in der Persönlichkeitsstruktur des Individuums und innerpsychischen Konflikten zu suchen ist. Teilweise wird dabei auch ein Abwertungsmotiv gesehen, dass den Vorurteilen zugrunde liegt.
Der kognitionstheoretische Ansatz deutet Vorurteile hingegen gegenüber Prozessen der sozialen Wahrnehmung und Prozessen der Informationsverarbeitung des Menschen. Sie werden für die Entstehung von Vorurteilen verantwortlich gemacht.

Die verschiedenen Erklärungsansätze machen deutlich, dass Vorurteile wichtige Funktionen für das Individuum bzw. für Gruppen erfüllen können. In Anlehnung an Hansen 1995 lassen sich vier Funktionen hervorheben:

  1. Vorurteile dienen der Orientierung in einer komplexen Welt, reduzieren Unsicherheit und bieten Verhaltenssicherheit. Sie ermöglichen die Herstellung und Aufrechterhaltung von Selbstwertgefühlen.
  2. Vorurteile dienen durch Ein- und Ausgrenzungen der Gruppenbildung und ermöglichen die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes der Eigengruppe und ein negatives Konzept von Fremdgruppen. Sie machen die Verschiebung aggressiver Gefühle auf Fremdgruppen möglich und können so auch die Solidarität innerhalb der Eigengruppe erhöhen.
  3. Vorurteile dienen der Legitimierung von Herrschaft und tragen dazu bei, den Status Quo der ungleichen Machtverteilung zwischen Majoritäten und Minoritäten zu erhalten.
  4. Vorurteile dienen über die Bereitstellung von Sündenböcken und Mythenbildungen der Stabilisierung von Herrschaftsverhältnissen. Über Fremd- und Feindbilder werden Gruppengrenzen festgelegt und damit auch die Grenzen der Solidarität.

Ganz gleich, ob wir über Vorurteile über oder im Sport sprechen, beide haben eines gemeinsam. Man muss ihnen meist zugestehen, dass sie immer auch einen empirischen Hintergrund aufweisen. Eine Teilwahrheit ist zu erkennen, was es jenen, die die Vorurteile aussprechen ermöglicht, sich großzügig über die eigenen fehlerhaften Beobachtungen hinwegzusetzen.

Betrachten wir rassistische Vorurteile etwas genauer, so müssen wir erkennen, dass nahezu in jedem von uns eine bestimmte Form des Rassismus schlummert. Niemand will Rassist sein, das Wort klingt zu hart und negativ. Doch beobachten wir Entwicklungsprozesse von Kindern und Jugendlichen, so müssen wir erkennen, dass schon früh Automatismen entwickelt werden, durch die im Denken der Kinder und Jugendlichen das Merkmal Hautfarbe mit einer positiven oder negativen Eigenschaft fest verknüpft wird. Schon im Alter von drei Jahren, so das erschreckende Ergebnis einer Studie, ordneten die Kleinen heller Hautfarbe die positiven Eigenschaften wie nett, klug und schön zu und dunkler Haut Eigenschaften wie hässlich, dumm und gemein. Die Kinder waren dabei keineswegs durch ihre Eltern indoktriniert, die Bewertungen weisen auch nicht auf eine böse Absicht hin. Die Kleinen hatten vielmehr gelernt welche Zuschreibungen in ihrer Umgebung häufiger vorkommen als andere. Die Hautfarbe und das Geschlecht sind ganz offensichtlich besonders prädestiniert für Vorurteile. Sie sind das erste was man an anderen Menschen wahrnehmen kann. Diesen Merkmalen bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben hat sich im Laufe der Evolution bewährt. „Menschen mit dunkler Haut tanzen gerne“ – dieses Vorurteil ist auf den ersten Blick harmlos, doch meist wird ein derartiges Vorurteil mit weiteren Assoziationen verbunden. Das Vorurteil „Menschen mir dunkler Haut sind kriminell und gefährlich“ hat zur Folge, dass neben der gedanklichen Verknüpfung auch eine emotionale stattfindet. Gefühle wie Angst und Verachtung verbinden sich dann ebenfalls mit dem Merkmal dunkle Haut.

Was ist zu tun?

Auf der Grundlage der theoretischen Analysen und Erklärungsansätze, vor dem Hintergrund der Beobachtungen die man im Sport machen kann, lassen sich einige allgemeine Handlungsempfehlungen ableiten, mit denen das viel zu hohe Ausmaß an gefährlichen Einstellungen im organisierten Sport bekämpft werden kann. Eine notwendige Voraussetzung wird dabei sein, dass sich die Akteurinnen und Akteure im organisierten Sport der Problematik bewusst werden. Es muss ein Bewusstsein dafür entwickelt werden, dass Vorurteile mit negativen Konsequenzen für die abgewerteten Gruppen verbunden sein können. Dabei muss begriffen werden, dass es nicht relevant ist, ob die Voreingenommenheit intentional oder gedankenlos geäußert wird. Vielmehr ist geboten über offene und subtile Vorurteile sowie deren Wahrnehmung in den Sportorganisationen aufzuklären. Es muss eine Sensibilität gegenüber jeglichen Vorurteilen und deren Folgen entwickelt werden.

Eine besonders große Chance liegt in den im Sport propagierten Werten wie Fairness, Toleranz, Solidarität und Respekt. Die Studien zeigen, dass diejenigen Sportler deutlich eher zu menschenfeindlichen Einstellungen neigen, die den Werten im Sport eine untergeordnete Rolle zusprechen. Werden die im Sport angelegten Werte und Ideale realisiert, befolgt, bewahrt und geschützt, so kann dies durchaus als ein besonderer Schutz gegenüber Vorurteilen gesehen werden. Die kulturellen Werte des Sports müssen jedoch gelebt werden, sie dürfen nicht nur Teil von Sonntagsreden sein. Die Wertevermittlung muss deshalb eine zentrale Aufgabe aller Verantwortlichen im Sport sein. Gelingt die Wertevermittlung so werden auch Vorbilder geschaffen, die daraus ausgerichtet sind, zivilcouragiertes Handeln zu fördern. Notwendig sind aber auch strukturelle und personelle Veränderungen. Die Diskussion über Vorurteile muss eingebunden sein in eine Diskussion über die Bildungspotenziale des Sports. Bessere Bildung ist grundsätzlich ein Lösungsansatz, wenn wir Vorurteilen entgegentreten wollen. Eine Verbesserung des Wissensstandes und eine Reduktion der Ignoranz können dabei zu einer schnellen Lösung führen. Die emotionale Komponente der Fremdenfeindlichkeit findet oft zu wenig Berücksichtigung. Ihr kann entgegengetreten werden wenn man sich darauf einlässt, Fremden zu begegnen. Der Sport bietet hier viele Möglichkeiten. Der Kontakt von Einheimischen und Fremden im geschützten Raum ermöglicht neue Formen der Reflexion und die Verringerung von Fremdenscheu und Fremdenfeindlichkeit. Ebenso ist der emotionale Bereich zu berücksichtigen. Durch Situationen, in denen man sich gegenseitig unmittelbar erfährt, können Barrieren aufgebaut und eigene Vorurteile erkannt werden. Wichtig ist vor allem, dass fremdenfeindliches Verhalten im Sport direkt und unverzüglich sanktioniert wird, dass Bagatellisierung verhindert wird und dass gelungene Kommunikation zwischen verschiedenen Ethnien als Erfolg für die eigene Gesellschaft positiv zu der öffentlichen Meinung bewertet wird.

Hansen, G. (1995). Vorurteil. In: Hansen, G. und Schmalz-Jacobsen, C. (Hg.), Ethnische Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Lexikon. München.

Hoberman, J. (1997). Darwin’s Athletes: How Sport Has Damaged Black America and Preserved the Myth of Race. Boston: Houghton Mifflin.

Verfasst: 22.01.2016