Die Diskussion über die Didaktik der Leibesübungen bzw. des Schulsports hat eine mehr als zweihundertjährige Tradition, wenn das Wirken von GutsMuths (1759-1839) als Ausgangspunkt gewählt wird. Tatsächlich oder angeblich konkurrierende Didaktiken sind gegenwärtig das Resultat. Es wird seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von unterschiedlichen didaktischen Modellen gesprochen, teilweise ist auch von Paradigmenwechseln die Rede. Weil vieles, was in der Vergangenheit ausführlich bereits diskutiert und niedergelegt wurde, längst in Vergessenheit geraten ist, kann auch immer wieder von Innovationen gesprochen werden. Doch wird dabei oft nur – wenn auch meist unwissentlich – „alter Wein in neuen Schläuchen“ serviert und dieser kommt dann häufig lediglich in einem neuen sprachlichen Gewand daher. Manch neue Begrifflichkeit verdeckt dabei jedoch erkennbare Richtungsentscheidungen, die für die weitere Entwicklung des Schulsports entscheidend sein können. Es macht doch einen erheblichen Unterschied aus, ob sich der Sportunterricht an einer Leitidee „Sportliteralität“ ausrichtet, wie von einigen Sportpädagoginnen und Sportpädagogen empfohlen, oder ob er eher ein praktisches Unterrichtsfach bleibt und in der Förderung von körperlicher Leistungsfähigkeit und sportbezogenem Bewegungskönnen seine Hauptaufgaben sieht. Angesichts der derzeit darüber geführten Diskussion ist es angebracht, sich auf Gütemaßstäbe zu besinnen, die an eine Didaktik des Schulsports angelegt werden sollten.
Eine auf das fachbezogene Lehren und Lernen von Schülerinnen und Schülern ausgerichtete Didaktik des Schulsports, sollte der Institution Schule eine reflexive und organisatorische Hilfe sein und den Eltern gleichermaßen wie den Aufsichtsbehörden eine Orientierung bieten. Eine Didaktik, die die Praxis des Schulsports leiten und begleiten soll, muss klar, verständlich, relevant und in Bezug auf die zu beeinflussende Praxis auch wahrhaftig und durch Effizienz gekennzeichnet sein. Für die Sportlehrkräfte an den Schulen ist die Didaktik des Schulsports die maßgebliche „Beratungswissenschaft“. Sie hat u.a. vor allem auch Antworten auf bestimmte Fragen zu geben, wobei sich diese Antworten durch die eben genannten Merkmale der Klarheit, der Verständlichkeit, der Relevanz und der Wahrhaftigkeit auszeichnen sollten. Folgende Fragen halte ich dabei u.a. für wichtig:
- Welche Ziele sollen mit dem Schulsport verfolgt werden?
- Mit welchen Inhalten lassen sich diese Ziele im Schulsport erreichen?
- Mit welchen Methoden sollen diese Inhalte bearbeitet werden, damit die angestrebten Ziele erreicht werden können?
- Welche unterstützenden Medien sollen bei den gewählten Methoden zum Einsatz kommen, um den angestrebten Lernprozess erfolgreich zu gestalten?
- Zu welchem Zeitpunkt in der Lernkarriere der Schülerinnen und Schüler soll die Vermittlung der für notwendig erachteten Inhalte in Ausrichtung auf die angestrebten Ziele erfolgen?
- Wie lässt sich der Lehr-Lern-Prozess evaluieren, um den Lernerfolg kontrollieren und ggf. ändernd in diesen Prozess eingreifen zu können?
- Wie lassen sich der Lernprozess und der Lernerfolg der Schüler bewerten?
- Was haben Schüler und Schülerinnen vor- und nachzuarbeiten, damit die Lernprozesse erfolgreich gestaltet werden können? Welche Hausaufgaben sind von den Schülerinnen und Schülern für den Sportunterricht zu machen?
- Welche Lehr-Lern-Prozesse sollen im Sportunterricht und welche in den außerunterrichtlichen Situationen des Schulsports verfolgt werden?
- Durch welche Veranstaltungen (Wettkämpfe, „Events“ etc.) sollte sich der außerunterrichtliche Schulsport auszeichnen?
- Welche Kooperationen mit anderen Schulfächern sind vom Unterrichtsfach Sport einzugehen?
- Welchen Anteil sollte der theoretische im Vergleich zum praktischen Sportunterricht haben?
Diese Fragen stehen teilweise in einer hierarchischen, aber auch sich wechselseitig beeinflussenden Beziehung zueinander bzw. können in einem didaktischen Modell mit verschiedenen Ebenen unterschiedlich gewichtet werden.
Betrachten wir die bisher erfolgte didaktische Diskussion und die dafür vorgelegten Konzeptionen mit Blick auf die hier aufgeworfenen Fragen, so müssen wir erkennen, dass bis zum heutigen Tag keine derartig umfassende Didaktik des Schulsports existiert, wo der Zusammenhang der „Warum-/Wozu-Fragen“, der „Was-Fragen“ und der „Wie-Fragen“ angemessen beachtet wird. Meistens beschränken sich die vorgelegten Konzeptionen auf die Ziel-und Legitimationsaspekte des Schulsports. Bereits die Fragen nach der Auswahl, Aufbereitung und Anordnung der Inhalte wird vernachlässigt. Manche stellen sich auch noch einer Diskussion der methodisch-organisatorischen Fragen.
Eine Didaktik, bei der sämtliche der gestellten Fragen einer Beantwortung zugeführt werden, die sich somit aus mehreren Modulen zusammensetzt, ist bislang nicht zu erkennen. Es kann deshalb auch kaum überraschen, dass die schulsportliche Lehr-Lernpraxis von den bisherigen didaktischen Diskussionen nur wenig profitieren konnte und in gewisser Weise gegenüber neuen didaktischen Ideen eher resistent geworden ist. Angesichts der Redundanz der erfolgten sportwissenschaftlichen Diskussionen über eine Didaktik des Schulsports ist dies nachvollziehbar und kaum überraschend. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass die beobachtete Resistenz der Praxis gegenüber einer didaktisch-theoretischen Reflexion von dieser zumindest immer auch mitverschuldet ist. Hätte sich die Praxis des Schulsports verantwortungsvoll um eine Diskussion bemüht, so hätte sich die „didaktische“ Diskussion über das Unterrichtsfach sicherlich als praxisbedeutsamer entwickeln können. Eine Theorieabstinenz der Praxis des Schulsports wird deshalb vermutlich zu Recht beklagt.
Die schulsportliche Realität zeichnet sich heute nicht selten durch eine reflexive Bescheidenheit aus, die in vielerlei Hinsicht problematisch ist. Sportlehrerinnen und Sportlehrer, die sich allein gelassen fühlen und/oder ihre Praxis gegenüber Einflüssen von außen abgeschottet haben, steuern den Schulsport vorrangig erfahrungsorientiert. Schulsport wird dabei häufig von Routinen geprägt und sobald eine Lehrkraft ein gewisses Ausmaß an Routine erreicht hat, geraten Reflexion und Selbstreflexion in den Hintergrund eines derartigen Unterrichts. Inhalte verselbstständigen sich, ohne dass sie einer Legitimation unterliegen. Eine Legitimation wird dabei weder durch die Eltern noch durch die Schülerinnen und Schüler eingefordert. Implikationszusammenhänge zwischen Zielen, Inhalten und Methoden, Entwicklungsgemäßheit und Evaluation werden vernachlässigt oder geraten völlig aus dem Blick.
Die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern wird im Wesentlichen vom Aushandeln der erwünschten Unterrichtsinhalte geprägt. Lehrkräfte bringen nicht selten ihre Vorlieben ein. Das, was sie mit- und vormachen können, wird beliebter Unterrichtsinhalt. Schüler und Schülerinnen hingegen fordern ihre Lieblingssportarten, und meist endet die inhaltliche Konzeption des Unterrichts in einem Kompromiss. Gewiss spielt dabei auch der Lehrplan mit seinen vorgeschriebenen Inhalten eine Rolle und eine „Konzeption der Jahreszeiten“ kommt zumindest teilweise noch zum Tragen. Letztlich ist der Unterricht jedoch meist auf kurze Epochen ausgerichtet, in denen das Üben ausgewählter Muster der bevorzugten Sportarten im Mittelpunkt steht und in denen versucht wird, eine Annäherung an die über Regeln festgelegten Wettkampfformen zu erreichen. Die Sorge, dass der Sportunterricht zu oft kein strukturierter Fachunterricht mehr ist, sondern eher Merkmale eines „betreuten“ Sporttreibens aufweist, ist aus mehreren Gründen berechtigt (Qualität der Sportlehreraus-, Fort- und Weiterbildung, fachfremder Unterrichtseinsatz, Seiteneinsteiger).
Die Situation der Praxis des Schulsports kann hier nur skizzenhaft erfasst werden. Sie ist gewiss komplexer, und Sportlehrerinnen und Sportlehrer werden vermutlich andere, auch konkurrierende kennzeichnende Merkmale benennen, denn die schulische Praxis zeichnet sich weder durch Homogenität noch durch einheitliche qualitative Ansprüche aus. Zu beachten ist auch die unterschiedliche Sportstättensituation, deren unterschiedliche Ausstattung mit Sportgeräten- und Sportmaterialien. Aber auch unterschiedliche außerschulische regionale Sportschwerpunkte müssen im Hinblick auf neben bzw. nachschulisches Sporttreiben beachtet werden.
Betrachten wir die didaktisch-theoretischen Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte etwas genauer, so wird deutlich, dass angesichts der realen Schulsportsituation die vorgelegten didaktischen Konzepte nur ganz selten die Lehrpläne und meist gar nicht die schulische Praxis erreichen können. Dies kann über jeden der geforderten Bausteine für eine praxisnahe Didaktik nachgezeichnet werden.
1.) Zieldiskussion
Betrachten wir zunächst die Zieldiskussion, so erscheint sie dem Außenstehenden nahezu als beliebig. Nahe liegend ist es, dass im Zentrum des Schulsports im Wesentlichen jenes kulturelle Gut steht, das in unserem Alltagssprachgebrauch mit dem Begriff des „Sports“ gemeint ist. Solche Selbstverständlichkeiten gelten für die meisten Fächer des öffentlichen Schulwesens: Im Physikunterricht geht es um Physik, im Englischunterricht um die Vermittlung der englischen Sprache, im Biologieunterricht um die Lebewesen dieser Erde. Im Schulsport existiert dieser didaktische Konsens schon lange nicht mehr, längst wurde die Terminologie des Faches auf den Prüfstand gestellt und damit auch dessen kulturelle Ausrichtung. Neben dem Schulsport, der sein Zentrum im Sportunterricht hat, wird ergänzend oder an dessen Stelle Bewegungserziehung, Körpererziehung oder Gesundheitserziehung gesetzt. Für den Grundschul- und Primarbereich wird auch von „Ästhetischer Bildung: Kunst, Musik, Bewegung“ gesprochen. Von „Sport“ oder von „sportlicher Bewegung“ ist dabei nicht die Rede. Die damit verbundenen Zielkonzeptionen werden meist sehr verschwommen formuliert. Dies gilt vor allem für jene Didaktiker, die den Körper oder die Bewegung in bewusster Abgrenzung zum realen gesellschaftlichen Sport ins Zentrum der unterrichtlichen Bemühungen setzen möchten. Die Konstruktion einer „sportfreien“ Körper- und Bewegungserziehung“ ist nicht nur ein lebensfremdes Konstrukt, dadurch werden vor allem die besonderen Bildungs- und Erziehungspotentiale des Sports verstellt.
Dass Sporterziehung eine Form von Bewegungserziehung darstellt, ist für eine Sportpädagogik, die inhaltlich ihrer Terminologie entspricht, selbstverständlich; dass in einer Bewegungserziehung eine Sporterziehung stattfinden könnte, scheint hingegen eher fragwürdig zu sein. Der Begriff der Bewegung als kennzeichnendes Merkmal für eine unterrichtliche Konzeption ist ohne Sportbezug diffus, teilweise irreführend und mit Blick auf die gesellschaftlichen Probleme, auf die Schule eine Antwort zu geben hat, in mehrfacher Hinsicht auch irrelevant.
Der Begriff der sportlichen Bewegung kann eher auf eine konsensfähige Klarheit und damit auf eine praktische Relevanz verweisen. Der unspezifische Begriff der Bewegung reicht hingegen vom Atmen bis zum Nasebohren und ist allein deshalb für eine Didaktik, die sich durch die Prinzipien der Klarheit und Relevanz auszeichnen sollte, kaum nützlich.
Ähnliches gilt auch für die Frage, wohin und womit der Körper zu erziehen sei. Für den Begriff der Körpererziehung, aber auch für die übrigen Begriffe und die damit verbundenen didaktischen Konzepte ist darüber hinaus anzumerken, dass sie möglicherweise bei einer entsprechenden gesellschaftlichen Legitimation durchaus als Fächer des schulischen Unterrichtens zu konzipieren sind. Sie sollten sich dann jedoch ihren Platz im Kanon der Fächer in gleicher Weise erkämpfen, wie dies für den Schulsport der Fall war und noch ist. Sie können z. B. als ergänzende Fächer hinzugefügt werden. Jedoch scheinen sie keineswegs geeignet zu sein, die in ihrer Relevanz gesicherten Belange des Schulsports zu ersetzen.
Angesichts dieser didaktischen Verwirrung werden die Ziele des Schulsports auf höchst unterschiedliche Weise beschrieben. Der Abstraktionsgrad reicht von der höchsten Komplexität (Emanzipation durch Sport) bis zur prägnanten Operationalisierung (100 m in 13,0 laufen). Eine Taxonomie der Lernziele wurde der Sportdidaktik in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von amerikanischen Psychologen wohl offeriert, in ihrer Konsequenz aber kaum ausgefüllt. Motorische, kognitive, soziale, emotionale Ziele lassen sich beispielhaft benennen. Anspruchsvoll und banal können die dabei berücksichtigten Merkmale sein. Eine geordnete Struktur der Ziele des Schulsports, wie es sie noch in der DDR durchgängig für alle Schulstufen gegeben hat, lässt sich in der BRD aber bis heute nicht erkennen. Vielmehr werden meist solche didaktischen Diskussionen geführt, die von ihrer Logik her kaum nachvollziehbar sind. So wird eine „Sportartendidaktik“ einer „Didaktik der Handlungsfähigkeit“ gegenübergestellt, ohne zu erkennen, dass darin wohl kein didaktischer Widerspruch liegen kann. Wer immer Schülerinnen und Schülern eine Sportart vermittelt, ist ausgerichtet auf das Handeln in dieser Sportart, und Handlungsfähigkeit ist ein so selbstverständliches Ziel jeglichen didaktischen Arbeitens, dass damit gewiss keine Didaktik des Schulsports markant gekennzeichnet werden kann. Es wird ein bestimmter didaktischer Entwurf als eine Didaktik der reduzierten Ansprüche von jenen diskreditiert, die sich selbst als anspruchsvoller definieren. Dabei betreibt man jedoch dasselbe Geschäft wie der Kritisierte. Es werden lediglich „schönere“ Worthülsen verwendet, und man gilt angesichts der größeren Offenheit als moderner, wobei Vielfalt meist als ein Wert an sich betrachtet wird, der keiner weiteren didaktischen Legitimation bedarf.
2.) Inhalte
Angesichts der heterogenen Zieldiskussion kann es nicht überraschen, dass dieselbe Qualität der Diskussion in Bezug auf die Inhalte angetroffen werden kann. Konzepte mit wenigen Inhalten stehen dabei Konzeptionen mit einer großen Fülle von Inhalten gegenüber. Es wird aber fast nie die Diskussion geführt, was angesichts der begrenzten Zeitverhältnisse, die im Schulsport vorgegeben sind, prinzipiell über gezielte Lehr-Lern-Prozesse erreichbar ist. Von allem ein bisschen, dabei nie etwas genau und richtig erworben zu haben, scheint dabei die eine Gefahr zu sein; nur wenige ausgewählte Inhalte, die sich als einseitig und langweilig erweisen, die andere. Die Inhaltspalette reicht vom Saunieren über Yoga-Übungen und Fitness-Gymnastik bis hin zur 5-1-Deckung im Handball. Hier haben längst die unterschiedlichen Zieldiskussionen ihren Einzug in den Schulalltag gehalten: Ein bisschen Körpererziehung, ein bisschen Gesundheitserziehung, ein bisschen Bewegungserziehung und ein bisschen Sporterziehung. Machen Sportlehrkräfte von allem ein wenig, so scheinen sie besonders zeitgemäß und modern zu sein. Im Sportunterricht der Pflichtschulzeit werden ca. 1200 Unterrichtsstunden Sport erteilt. Das erfordert die Konzentration auf eine tragfähige Grundbildung. Das betrifft auch die ausufernden Diskussionen zur Mehrperspektivität des Sportunterrichts, bei der die Begrenzung der Perspektiven und deren Gewichtung meines Erachtens bis heute nur sehr unzureichend beantwortet wurde.
Steht der Schulsport für eine Erziehung und Bildung im, durch und zum Sport im öffentlichen Schulwesen, erscheint die Frage nach seinen Inhalten relativ einfach zu sein. Eine Didaktik des Schulsports hat die Frage nach dem Exemplum zu beantworten. Was steht stellvertretend auch für anderes? Mit welchen Inhalten lassen sich die angestrebten Ziele erreichen? Welche Inhalte sind angesichts der prinzipiellen Notwendigkeit der Reduktion von Wirklichkeit Inhalte mit größtmöglichem Konsens? Beantwortet man solche und ähnliche Frage, so erkennt man, wieviel Sinn es macht, sich auf wenige Sportarten als Exemplum zu beschränken und warum es auch Sinn macht, dass die ausgewählten Sportarten eine gewisse Komplexität aufweisen müssen, um auf diese Weise Stellvertreterfunktionen für andere Sportarten und insgesamt für das komplexe Kulturgut Sport zu übernehmen. Die Sportkultur ist- zumindest teilweise- ein „Spiegel“ der historisch gewachsenen menschlichen Körper- und Bewegungskultur. Sehr schnell wird dabei auch zu erkennen sein, dass es durchaus Sinn macht, von „Kernsportarten“ des Schulsports zu sprechen, und dass die Sportarten als didaktische Medien des Schulsports genauer in den Blick zu nehmen sind. Auch hier ist weniger häufig mehr. Es ist erkennbar, dass für die Konstituierung der Inhalte des Sportunterrichts, die Beachtung des Zusammenhanges von Sport (Sporterziehung), Körper (Körpererziehung) und Bewegung (Bewegungserziehung) grundsätzliche Bedeutung besitzt.
3.) Methodik
Wurde in den vergangenen Jahrzehnten die Ziel-Inhalts-Diskussion sehr intensiv geführt, so ist bei diesen Debatten die Frage nach der Methodik des Schulsports häufig nur am Rande oder gar nicht bearbeitet worden. Eine Ausnahme machte dabei wohl nur die schultheoretische Diskussion der DDR. In ihr kam der Methodik der Körperkultur und des Sports eine zentrale Bedeutung zu. Dort, wo die Diskussion in der BRD geführt wurde, wurde sie häufig nur theoretisch, nicht selten ungenau und vor allem viel zu wenig didaktisch geführt. Der Implikationszusammenhang zwischen Ziel, Inhalt und Methode wurde oft nur angedeutet, selten aber konsequent in eine didaktische Konzeptualisierung integriert. Dabei sind auch die Antworten auf die brennenden methodischen Fragen relativ einfach. Bestimmte Methoden hängen mit bestimmten Zielen zusammen und für das Erreichen bestimmter Ziele verbieten sich bestimmte Methoden. Oft führen aber auch viele „Wege nach Rom“ und es gibt konkurrierende Methoden, die zu den gleichen Zielen führen können. Die Frage der angemessenen Methoden ist vor allem eine Frage der Entwicklungsgemäßheit. Sie hängt auch mit der Platzierung der Unterrichtsinhalte in der biographischen Karriere der Lernenden zusammen. Sie bedarf somit einer äußerst spezifischen Beantwortung, wenn man geplante Unterrichtsvorhaben umsetzen und die Schülerinnen und Schüler dabei auch „mitnehmen“ möchteLehren durch Sagen, Lehren durch Zeigen, ganzheitlich Lehren, Lehren mittels der Teillernmethode, induktiv vorgehen, deduktiv eine Sache erarbeiten, offene Situationen schaffen, geschlossen unterrichten. Ein guter Schulsport zeichnet sich ganz offensichtlich durch ein umfassendes Methodenrepertoire seiner Lehrkräfte aus, auf das Lernende und Lehrende in Abhängigkeit zu den Zielen zurückgreifen können, die mit dem Unterricht verfolgt werden. Betrachten wir die vorgelegten didaktischen Konzeptionen, so ist diesbezüglich nur sehr wenig Konkretes zu erkennen. Methoden werden oft sehr ideologisch diskutiert. Einzelne Methoden werden propagiert, weil bestimmte Ziele überhöht und anderen Zielen nicht die notwendige Toleranz entgegengebracht wird, obgleich diese gesellschaftlich durchaus legitimiert sind.
4. ) Medieneinsatz
Ende der 1970er, Anfang der 1980er – Jahren haben die didaktischen Ideen der sog. „Berliner“ beziehungsweise „Hamburger Schule“ insbesondere die Referendarausbildung in Deutschland intensiv beeinflusst. Seitdem ist auch der sinnvolle Einsatz von Medien im Unterricht eine wichtige didaktische Frage. Prinzipiell stehen dem Sportlehrer bzw. der Sportlehrerin visuelle und auditive Medien zur Verfügung und insbesondere die Kombination in Form von audio-visuellen Medien hat sich unter lehr-lern-theoretischen Gesichtspunkten in vielen Unterrichtsfächern und in Bezug auf bestehende Lehr-Lern-Inhalte bewährt. Die Frage, bei welchen Lehrzielen bzw. im Zusammenhang welcher Inhalte man im Sportunterricht welche Medien am geeignetsten einsetzt, wurde auf systematische Weise bislang nur unzureichend von Sportpädagogen bzw. von Sportdidaktikern bearbeitet. Wohl gibt es umfassendes audio-visuelles Material, teilweise auch in englischer Sprache, doch diese Materialien kommen höchst selten zur Anwendung. Etwas günstiger sehen die Verhältnisse in Bezug auf die Frage aus, wann das Lehren durch Sagen und/oder das Lehren durch Zeigen im Unterricht zur Anwendung kommen soll. Die empirischen Studien zur Kommunikation im Sportunterricht geben zumindest den Lehrern und Lehrerinnen Empfehlungen an die Hand, wie das Lehren durch Sagen und das Lehren durch Zeigen in einen sinnvollen Zusammenhang in Abhängigkeit zu den zu lösenden Problemen zu bringen ist. Hier gibt es einen engen Zusammenhang zur Methodenforschung und zumindest werden Grundprinzipien dabei offengelegt. In didaktischen Erörterungen zum Schulsport spielen diese allerdings so gut wie keine Rolle.
5.) Ziele und Inhalte
Eine „gute“ Fachdidaktik ist ohne Zweifel auf eine enge Kooperation mit den relevanten Disziplinen der Sportwissenschaft angewiesen. Eine ganz besondere Bedeutung für die didaktischen Entscheidungen, die dabei zu treffen sind, spielen entwicklungs- und sozialisationstheoretische Erkenntnisse. Doch betrachtet man die Lehrpläne zum Schulsport, betrachtet man die schriftlich vorgelegten didaktischen Entwürfe, die in der Sportdidaktik in Deutschland diskutiert werden, so wird die Frage nach der sozialisations– und entwicklungsgemäßen Positionierung von Zielen und Inhalten äußerst spekulativ diskutiert. Wann welcher Inhalt in der Karriere eines Schülers sinnvollerweise im Unterricht bearbeitet werden soll, wann welches Ziel realistischerweise gesetzt, beziehungsweise nicht erreicht werden kann, wird weitgehend über lebensaltersorientierte Lehrpläne beantwortet. Ein kontinuierlicher Dialog mit den entwicklungspsychologischen und soziologischen Experten, der insbesondere den gesellschaftlichen Wandel und damit immer auch die Veränderung in den Entwicklungsprozessen im Hinblick auf Kinder und Jugendliche im Blick hat, findet jedoch nur selten, oft gar nicht statt.
6.) Evaluation
Unzureichend wird auch das Thema der Evaluation in den bislang vorgelegten didaktischen Konzeptionen behandelt. Meist wird es im Zusammenhang mit der Notengebung diskutiert. Allein dieser Sachverhalt verweist auf eine unzureichende Bearbeitung des Problems. Mit den immer wieder vorgenommenen Überarbeitungen der Bildungspläne in einigen Bundesländern wurde dieses Thema wohl aktuell und brisant. Interne und externe Evaluationsprozesse sollten nunmehr unterschieden werden. Doch mit welchen Instrumenten der Schulsport, der in Bezug auf die Evaluationsproblematik ohne Zweifel eine Sonderstellung einnimmt, zukünftig von den Sportlehrkräften evaluiert werden soll, ist noch immer unbeantwortet. Wohl bieten sich einige Evaluationsverfahren, die von sozialpsychologischen Lerntheoretikern geboten werden, auch für den Schulsport an, doch erprobt sind sie eher unzulänglich und die notwendige Adaptation auf die besonderen Bedingungen des Schulsports ist meist nicht erfolgt.
7.) Notengebung
Die sportpädagogische Diskussion über Sinn und Unsinn der Notengebung wurde in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch Hartmut von Hentig mit engagierten und beispielhaften Argumenten eröffnet. Sie wurde jedoch nur noch zaghaft, manchmal polemisch („schafft die Notengebung ab“), aber nur sehr selten weiterführend und damit auch in Bezug auf die sich veränderten Verhältnisse des Schulsports fortgeführt. Die Notengebung, insbesondere für den Sportunterricht, wird von Schülerinnen und Schülern teilweise als gerecht, teilweise als ungerecht empfunden. Die nahezu ausschließliche Orientierung an der messbaren sportlichen Leistung scheint dabei aus pädagogischer Sicht kaum sinnvoll zu sein. Die Beachtung unterschiedlicher normativer Bezüge und die praxisrelevante Differenzierung zwischen „Bewertungen“ und der „Bewertung in Form von Noten“ sind geboten. Gleichzeitig dürfen sportliche Begabungen bzw. das sportliche Können nicht für sinn- und bedeutungslos erklärt werden. In der Praxis wird dies von den Sportlehrern und Sportlehrerinnen selbst äußerst kritisch diskutiert, praktikable Alternativlösungen sind jedoch nicht zu erkennen, ohne die Substanz und den Charakter des Sportunterrichts zu gefährden.
8.) Hausaufgaben
Eng verbunden mit der Frage der Bewertung stellt sich auch die Frage nach der Funktion von Hausaufgaben im Sportunterricht. Lediglich in jüngster Zeit wird sie im Zusammenhang mit dem Professionalisierungsproblem des Berufs des Sportlehrers bzw. der Sportlehrerin diskutiert. Eine weiterführende pädagogisch-didaktische Bearbeitung dieser Thematik ist jedoch nicht zu erkennen. Der Sportunterricht wird als Fach ohne Hausaufgaben tradiert, was von den Eltern und Schülern akzeptiert wird. Dies erweist sich jedoch unter lerntheoretischen Gesichtspunkten als fragwürdig und aus schulökonomischen Gründen als problematisch. Dabei gäbe es durchaus unter dem Gesichtspunkt der Wissensvermittlung dringende Notwendigkeiten für Hausaufgaben zum Sportunterricht. Bei einer Berücksichtigung relevanter Ziele könnte die Eigenarbeit des Schülers, das Üben und Trainieren außerhalb des Unterrichts sowie dessen theoretische Durchdringung einen wichtigen Beitrag leisten, um die didaktisch vorgegebenen Ziele erreichen zu können.
9.) Unterschied Schulsport
Spätestens seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird in der Sportpädagogik und in der Sportdidaktik der Begriff „Schulsport“ verwendet, um auf diese Weise auf umfangreichere Aufgaben und auf einen umfassenden Auftrag des Sports in der Schule zu verweisen. Die Unterscheidung zwischen unterrichtlichem und außerunterrichtlichem Sport in der Institution Schule macht ohne Zweifel Sinn. Damit werden unterschiedliche Organisationsformen beschrieben, die sich von den Inhalten her zwar in einer Beziehung zueinander befinden, die aber unter didaktisch-methodischen Gesichtspunkten einer je spezifischen Konzeption bedürfen. Wie das Verhältnis zwischen den beiden Bereichen zu gestalten ist, welche Ziele welchem Bereich vorzubehalten sind, welche Zielkooperation möglich ist, wo möglicherweise positive, aber auch negative Nebeneffekte dieser Kooperation liegen könnten: all diese Fragen werden bis heute in der didaktischen Diskussion allenfalls angedeutet. Wissenschaftlich fundiert werden sie hingegen selten oder gar nicht beantwortet. Mit der angestrebten bzw. bereits erfolgten Einführung der Ganztagesschule sind diese Fragen vermehrt und äußerst dringend zu stellen. Dabei stellt sich nicht nur die „Frage nach der Kompetenz“ und der pädagogischen Verantwortung der jeweils Lehrenden, es stellt sich vielmehr vor allem die Frage, inwiefern der Sportunterricht eine neue Identität, ein neues Selbstverständnis erhalten kann, die ihm auch zukünftig eine sichere Position im Fächerkanon der Schule eröffnet.
10.) Kooperation
Ein weiteres Modul, von dem man sich wünschen würde, dass es in einer an den praktischen Problemen orientierenden Fachdidaktik des Schulsports ausgearbeitet vorgelegt wird, zielt auf die Frage nach der Kooperation zwischen dem Sportunterricht, dem außerunterrichtlichen Sport und anderen schulischen Fächern, also die Frage nach Möglichkeiten fachübergreifenden und fächerverbindenden Unterrichts. Diese Frage wurde zunächst durchaus als relevant erkannt. Vor allem im Zusammenhang mit der didaktischen Diskussion über den „Leistungskurs Sport“ wurde in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts insbesondere bei den Schulbuchentwürfen zum Leistungskurs die Kooperation mit anderen Fächern empfohlen. In der unterrichtlichen Realität des öffentlichen Schulwesens ist diese Kooperation jedoch bis heute die große Ausnahme, aber ganz gewiss nicht die Regel: Sport- und Ethikunterricht, Sport- und Biologieunterricht, Sport- und Geschichtsunterricht, Sport- und Deutschunterricht; betrachtet man die Problemlagen des Sports, so lassen sich viele Kooperationsmöglichkeiten denken. Dies gilt beispielsweise für die Trainings- und Gesundheitsproblematik gleichermaßen wie für das Dopingproblem. Die Rolle des Sports in der Literatur hat eine interessante Qualität und Bedeutung erreicht, der Zusammenhang zwischen Sport und Religion wird immer häufiger zum öffentlichen Thema und wie Sport und Politik zusammenhängen, lässt sich von der kommunalen Ebene bis hinauf in die internationale Politik verfolgen. Doch betrachtet man den Stand der aktuellen didaktischen Diskussion, so findet eine genauere Betrachtung dieser Zusammenarbeit nur andeutungsweise statt. Und wenn einmal interessante, auch sehr kreative Ideen entwickelt worden sind, dann erreichen sie in der Regel jedoch nicht die Praxis, weil es an einer tragfähigen Brücke zwischen Theorie und Praxis mangelt.
Das in diesem Beitrag beschriebene Anforderungsprofil zu einer Didaktik des Schulsports sollte nur als ein Angebot verstanden werden. Es scheint für die schulische Praxis relevant zu sein, aber es ist gewiss ergänzungsbedürftig. Der Umfang des skizzierten didaktischen Profils und die aufgeworfenen und beschriebenen Fragestellungen und Schwierigkeiten machen vor allem deutlich, dass die Herausforderungen, die eine tragfähige Didaktik des Schulsport aufweist, wohl kaum von einzelnen Didaktikern gelöst werden können. Vielmehr scheint es wünschenswert zu sein, dass das „Projekt einer tragfähigen Didaktik des Schulsports“ zu einer Gemeinschaftsaufgabe wird, an der sich möglichst viele „didaktische Experten“ beteiligen und diese sich an einem gemeinsamen erkenntnisleitenden Interesse orientieren. Es geht darum, den Sportlehrern und Sportlehrerinnen in den Schulen einen Orientierungsrahmen bereitzustellen, der unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten als gesichert gelten darf, der sich durch eine hohe Plausibilität und Konsensfähigkeit auszeichnet und bei dem sich vor allem die Lehrer und Lehrerinnen mit ihren unterrichtspraktischen Herausforderungen ernst genommen fühlen. Dieser Rahmen muss aber auch motivierend genug sein, damit Lehrer und Lehrerinnen an der Weiterentwicklung ihrer Profession interessiert sind. Ein derartiges Projekt hat sich über eine effektive Kommunikation zwischen einer theoretischen Sportdidaktik und einer didaktisch orientierten Praxis, zwischen Theoretikern und Praktikern zu bewähren. Ausgangspunkt könnten dabei die eingangs genannten Fragen und die in den bereits heute existierenden didaktischen Konzeptionen dargelegten Antwortversuche sein. Beide sind dabei auf Konsens, Alternativen und Ergänzungsfähigkeit zu prüfen. Die Grundlage eines derartigen Projekts wäre der des multilateralen Dialogs zwischen Wissenschaftlern, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern und weiteren relevanten didaktischen Institutionen. Die berufsständischen Organisationen der wissenschaftlichen Sportpädagogik und der Sportdidaktik in Deutschland könnten somit eine interessante Aufgabe haben. Alle sind eingeladen, dabei mitzuwirken.
Letzte Überarbeitung 15.01.2020