Ein Gastbeitrag von Rainer Hipp
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und sein zurückgetretener Präsident Reinhard Grindel werden in den Medien derzeit hart kritisiert und mit Häme überschüttet. Bei aufmerksamer Beobachtung der elektronischen- und Printmedien fällt auf, die journalistische Solidarität bröckelt. Denn Reinhard Grindel und sein Vorgänger Wolfgang Niersbach kommen aus demselben Genre: dem Journalismus. Das führt zu der Erkenntnis- jetzt kommt ein Pauschalurteil – Journalisten können ein solches Amt nicht ausüben. Das ist nicht verwunderlich. Die Berufsbezeichnung Journalist ist in Deutschland rechtlich nicht geschützt. Es bedarf also keinerlei Qualifikation, sich Journalist zu nennen. Das gilt auch für Wahlämter im politischen wie ehrenamtlichen Bereich. Gewählt werden kann jeder, der kandidiert, unabhängig von seiner Ausbildung oder Tätigkeit.
Journalisten als Namens-Spekulanten
Dies wird jetzt besonders deutlich bei der von den Medien so geliebten Nachfolge-Spekulation. Da werden Namen genannt wie Philipp Lahm, Christoph Metzelder und Matthias Sammer. Das waren hervorragende Fußballer ohne jeden Zweifel. Aber sie haben keinerlei Qualifikation , eine Führungsfunktion zu übernehmen. Oder ist ein Fußball- Nationalspieler durch die sogenannte Fußball-Kompetenz omnipotent? Dann kann man ihn auch zum Chefarzt berufen, zum Rechtsantwalt oder Wirtschaftsprüfer. Es wäre interessant zu erfahren, wieviele ausgebildete und nichtausgebildete Journalisten deren Dienste in Anspruch nähmen. So schreibt beispielsweise der Sportchef der Stuttgarter Zeitungen (Zeitung und Nachrichten), Dirk Preiß, „Selbstbewusstsein, Integrität und ein gutes Netzwerk brauche die neue Frontfigur des deutschen Fußballs“. Von Qualifikation ist keine Rede. Er wird nur noch von den sky-Moderatoren übertroffen, die Namen und Anspruchsprofile in den Raum stellen, die voller Unkenntnis des DFB-Präsidentenamtes sind.
Qualifikationsmängel
Das ist nicht verwunderlich. Sportjournalisten, die in den Redakteursstatus gelangen absolvieren ein Volontariat, das einer Schnellbleiche gleicht. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl mit akademischer Vorbildung erhöht. Doch sie haben vorwiegend ein Neigungsfach (Sportwissenschaft, Publizistik oder Kommnunikationswissenschaft) studiert und weniger ein Wissens-und Kenntnisstudium. Wer gut schreiben oder reden kann, leider können beides nur wenige, kann im Sportjournalismus reussiren. Sie werden im Fernsehen noch von Experten begleitet- vorwiegend von ehemaligen Fußballgrößen. Die intellektuellen Höhepunkte stellen dann Sendungen wie Doppelpaß, Wontorra- der o2 Fußball-Talk und Sky90-Fußballdebatte dar. Dazu gesellen sich Sportdirektoren oder Sportvorstände von Bundesligisten. Ein Tätigkeitsfeld, das keinerlei Qualifikation verlangt. Bis vor einigen Jahren hatten zwei Drittel der ersten und zweiten Bundesliga Sportdirektoren oder gar Sportvorstände im Sinne §26 BGB des eingetragenen Vereins oder §§76 ff. AktG bei Aktiengesellschaften, die weder eine Ausbildung noch einen Qualifikationsnachweis hatten. Einige hatten nicht einmal einen Schulabschluss. Das ist umso erstaunlicher, da der DFB höchste Ansprüche bei seiner Aus-, Fort- und Weiterbildung im Trainerbereich, Schiedsrichterwesen und bei der Vereinsmanagerausbildung im Amateurbereich stellt. Ein Spielerberater, übrigens auch ein Tätigkeitsfeld ohne Qualifikationsnachweis, nannte mir in einem persönlichen Gespäch die Anforderung an einen Sportdirektor oder Sportvorstand wie folgt: Ein erfolgreicher Fußballspieler mit dem „kleinen Abitur“ (Führerschein und Tanzkurs).
Genau diese Gesprächszirkel diskutieren dann vor großem Publikum die Arbeit des DFB, seiner Präsidenten bzw. der Kandidaten. Der Schreiber ist sich sicher, daß diese Personen noch nie einen Blick in die DFB-Satzung und Ordnungen geworfen haben.
Das Präsidentenamt
Wer sich noch die Mühe macht, die Viten der DFB-Präsidiumsmitglieder anzuschauen, wird feststellen, daß es sich vorwiegend um hochqualifizierte Personen handelt. Man betrachte nur die beiden DFB-Vizepräsidenten Rainer Koch und Reinhard Rauball, die zunächst gemeinsam die Amtsgeschäfte des Präsidenten übernehmen. Beides sind promovierte Juristen. Rainer Koch ist Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München. Reinhard Rauball arbeitet als Rechtsantwalt in einer Dortmunder Sozietät. Man stelle sich einmal auszugsweise die Tagesordnung einer DFB-Präsidiumssitzung vor:
- Grundlagenvertrag DFB/Ligaverband
- Finanzordnung
- Ausbildungsordnung
- UEFA/FIFA -Vorschriften
- Medienrechte
- Polizeikosten-Verordnung
- Umweltauflagen
- Integrationsmaßnahmen des DFB
- Statuten für die 3.Liga und die Regionalliga
Die Sitzungsleitung hat der Präsident Philipp Lahm oder Christoph Metzelder oder Matthias Sammer. Da wäre ein Live-Übertragung auf allen Kanälen- oder exklusiv bei sky- angebracht. Allerdings wären die Einschaltquoten gering, weil der Präsident mit der Ahnungslosigkeit der Sportjournalisten und der Klientel der obengenannten Talk- Sendungen konkurrieren würde.
So einfach ist ein Präsidentenamt im DFB nicht!
Natürlich hat der DFB ein höchst professionelles Hauptamt mit bester Qualifikation. Der Generalsekretär, ein promovierter Jurist, scheidet laut Sportjournaille als Präsident aus, weil er diffamierend als Technokrat ohne größere Fuballexpertise tituliert wird. Der Schreiber dieser Zeilen hat an Hochschulen von Studenten die Begriffe „Fußball-Kompetenz und Fußballexpertise“ untersuchen lassen. Er selbst hat versucht, diese zu analysieren. Das Ergebnis, trotz Video-Analysen und Studium von wissenschaftlichen Ausführungen, ist sehr unergiebig. Es bewegt sich auf Stammtisch-Niveau oder Talk- Runden mit Phrasen wie „die Spieler müssen ihre Leistung abrufen“, „das Spielermaterial reicht nicht aus“, „wir müssen nach vorne schauen“, „der Trainer ist das schwächste Glied in der Kette“, „ die Erfahrung der ehemaligen Spieler muß eingeholt werden“, „es fehlt der Blick von außen, von ehemaligen Nationalspielern“. Dabei haben manche ehemaligen Nationalspieler Mühe, die vereinfachte Trainerausbildung erfolgreich abzuschließen. Wie hatte schon der frühere DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder gesagt: „Wer einen guten Freistoß schießt oder ein Kopfball-Tor erzielt, ist noch lange kein guter Funktionär.“
Der Wandel im Trainerberuf
Bei den Bundesliga-Trainern kann man konstatieren, die Qualifikation hat deutlich zugenommen. Die Wissenschaft hat Einzug gehalten, die Sprache mit den Spielern und den Medien hat an Bedeutung gewonnen. Dürfte man es ehrlich formulieren, hieße es, die Dummen -obwohl erstklassige Kicker- werden weniger nachgefragt. Ihr Tätigkeitsfeld hat sich in den sogenannten Expertenbereich verschoben. Dort können sie bisher sanktionslos ihre Weisheiten verbreiten. Vielfach dienen diese Aufgaben der Existenz-Sicherung. Bedingt durch persönliche Insolvenz, Scheidungen oder Arbeitslosigkeit. Die Betroffenen schelten dann ihre Konkurrenten gerne als Laptop-Trainer, Theoretiker, Seiten-Einsteiger oder Amateure.
Nationalspieler mit akademischem Hintergrund
Es gibt Ausnahmen, die sollen nicht unerwähnt bleiben. Sowohl Oliver Bierhoff als auch Oliver Kahn haben neben einer großen Fußball-Karriere eine akademische Ausbildung nachzuweisen. Sie sind prädestiniert Führungsfunktionen im Verband oder auf Vereinsbene zu übernehmen. Bierhoff hat seine Managementfähigkeiten bewiesen. Oliver Kahn wird beim FC Bayern München die Chance bekommen, seine „Fußball-Kompetenz“ mit seiner akademischen Qualifikation im Vorstand einzubringen. Der erfolgreiche Selfmade-Manager Uli Hoeneß hat schnell erkannt, wer von seinen ehemaligen Spielern eine solche Aufgabe übernehmen kann. Bei der bevorstehenden Berufung von Oliver Kahn durch den Aufsichtsrat besteht keine Gefahr, auch noch zusätzlich einen Berater verpflichten zu müssen, der dem Vorstandsmitglied erklärt, was seine Aufgaben sind. Apropos Aufsichtsrat: Mancher ehemalige Kicker erschrickt, wenn ihm die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit eines Aufsichtsrates aufgezeigt wird. Die Arbeit in einem Aufsichtsrat unterscheidet sich deutlich von Fernseh-Gesprächsrunden über Trainer-Entlassungen, angeblichen Spieler-Transfers und falscher Taktik.
Die Macht des Präsidenten
Zurück zum DFB-Präsidenten. Journalisten haben gezeigt, sie können es nicht. Der DFB benötigt eine Führungspersönlichkeit mit bester Qualifikation und hohem beruflichen Status. Dieses Amt darf gut dotiert werden. Das kann und darf kein Ehrenamt sein. Dem Schreiber hat sein großer präsidialer Mentor erklärt, wer als Ehrenamtlicher einen Cent nimmt, vergeht sich an den drei Millionen Ehrenamtlichen, die ihre Freiwilligkeitsleistungen kostenlos und ohne Weisung in den deutschen Sport einbringen.
Dabei darf eines nicht vergessen werden: Ein DFB-Präsident hat keine Weisungsbefugnis für die sieben Millionen Mitglieder. Alle Fußballvereine, die Landes- und Regionalverbände und der Ligaverband sind rechtlich autonom. Sie unterwerfen sich -vereinfacht ausgedrückt- ausschließlich den Spielregeln, die durch die FIFA vorgegeben sind. Das Präsidentenamt verleiht Macht auf Zeit, aber keine Allmacht!
Rainer Hipp war 23 Jahre Hauptgeschäftsführer des Landessportverbandes Baden-Württemberg.