Sportunterricht – Legitimationsfragen und Möglichkeiten der Organisation

1. Vorbemerkungen

Betrachten wir die Situation des Schulsports aus einer vergleichenden internationalen Perspektive, so lässt sich ein nahezu übereinstimmender Sachverhalt beobachten. Aus der Sicht von Schulleitern, Lehrern, Eltern und Schülern handelt es sich beim Sportun­terricht um ein relativ unbedeutendes Unterrichtsfach. Dessen schulpolitische, perso­nelle, finanzielle und materielle Unterstützung ist eher mangelhaft. Im Gegensatz hierzu stehen die ideologischen Reden über den Sport, wie sie von Politikern, Sportfunktionären, Sportpädagogen vorgetragen werden. Demnach ist der Sportun­terricht für die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler unverzichtbar und ein bedeutsames Gegengewicht zur einseitigen kognitiven Orientierung der Lernschule, die in den übrigen Schulfächern zum Ausdruck kommt.

In Reden der Politiker und Sportfunktionäre wird von der besonderen Bedeutung des Schulsports gesprochen, ohne die große Kluft zwischen ideologischem Anspruch und der real stattfindenden Praxis zu beachten. Die Ursachen für diese missliche Situation sind gewiss vielfältig. Ich möchte in diesem Beitrag lediglich auf eine pädagogisch-institutionelle Ursache näher eingehen, von der ich annehme, dass sie wesentlich zur aktuellen Problemlage beiträgt. Ich vertrete dabei die Auffassung, dass manche Probleme des Sports außerhalb der Schule ganz wesentlich durch den Schulsport – so wie er heute stattfindet – bedingt werden. Das heißt, dass die Art und Weise, wie heute Schulsport den Kindern in den Schulen angeboten wird, Schwächen des Schulsports und damit die Schwächen des Sports als Gesamtes bedingen.

2. Erziehung zum Sport. Erziehung durch Sport – zwei konkurrierende Ideologien

Betrachten wir die Situation des Schulsports etwas genauer und haben dabei vor allem die Sportlehrer im Blick, so können wir feststellen, dass sich – etwas vereinfacht – drei Sportlehrertypen unterscheiden lassen. Da gibt es zum einen den Typ des Trainers. Sein Sportunterricht gleicht jenem Training, wie es auch außerhalb der Schule anzutreffen ist, wenn Athleten und Mannschaften sich auf Wettkämpfe vorbereiten. Ziel des Sportunterrichts ist es, über gezielten Fertigkeitserwerb die Schüler zu befähigen, während ihrer Schulzeit, aber auch zu späteren Zeitpunkten, erfolgreich an Wettkämpfen teilzunehmen. Als zweites Lehrermuster lässt sich der Typus des Fitness-Animateurs beobachten. Im Zentrum des Sportunterrichts stehen Fitness-Übungen; Gesundheitsorientierung ist die didaktische Leitlinie. Schließlich lässt sich ein dritter Typus beobachten. Man könnte ihn als den Ganzheitspädagogen bezeichnen. Ihm geht es um die Bildung seiner Schüler; Freude, Spaß und Unterhaltung sind dabei wichtige Erfahrungselemente, die im Sportunterricht auftauchen müssen. Deshalb steht der Fertigkeitserwerb im Hintergrund, Training und Belastung finden eher nachgeordnet, zumindest nicht systematisch statt. Ich glaube, dass man diese Typen von Sportlehrern nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland beobachten kann. Ich vermute, dass sie – allerdings in unterschiedlichen quantitativen Ausprägungen – auch in anderen Ländern anzutreffen sind.

Aus einer pädagogischen Perspektive lassen sich diese drei Typen von Lehrern etwas vereinfachend und kontrastierend in zwei ideologische Grundpositionen des Sportunterrichts unterscheiden.

Auf der einen Seite gibt es den sogenannten biologistischen Standpunkt. Er beinhaltet eine Erziehungsposition, die in erster Linie auf die körperliche Ausbildung des Schülers orientiert ist. Die Verfechter dieser ideologischen Position betrachten Leibeserziehung als ein wertvolles und notwendiges Kompensationsinstrument für die gesundheitsbeeinträchtigenden Lebensbedingungen in unserem Alltag, von denen auch die Schulkinder betroffen sind. Fitness bzw. das angemessene Wissen, die entsprechenden Einstellungen und Verhaltensweisen für eine gesunde Lebensführung sind dabei die Hauptziele dieser Leibeserziehung. Der Sportunterricht müsste demnach so organisiert sein, dass er zu einer direkten Verbesserung von Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und weiterer motorischer Grundfähigkeiten führt.

Die zweite ideologische Position ist jene, die man als bildungstheoretisch bezeichnen könnte. Hier steht nicht die Erziehung des Körpers im Mittelpunkt, sondern es soll mittels des Körpers erzogen werden. Grundlage dieser Ideologie ist der Glaube, dass Leibeserziehung im allgemeinen, Gymnastik, Spiele und Sport im Besonderen ein spezielles Potential in sich bergen, das nicht nur geeignet ist, körperliche und motorische Entwicklung zu stimulieren, sondern auch die Persönlichkeit des Lernenden, seine Intellektualität, seinen sozialen Charakter zu entwickeln. Die Verfechter dieser Position betrachten Leibeserziehung als einen wesentlichen Bestandteil der allgemeinen Erzie­hung und sie formulieren deshalb gewichtige Ziele.

Betrachten wir die Situation von heute, so kann man feststellen, dass beide Ideologien erfolgreich gewesen sind. Sie haben nicht zuletzt dazu beigetragen, dass Sportunterricht als Fach in allen Schulen akzeptiert ist, dass der Sportlehrer mittlerweile als ein eingeführtes Berufsbild zu betrachten ist, dass Sport akzeptiert ist als Teil des schulischen Curriculums.

Gleichzeitig muss jedoch heute auch festgestellt werden, dass man ernsthaft bezweifeln kann, ob der Sportunterricht die in den Ideologien zum Ausdruck gebrachten Ziele erreicht. Auf der Basis von empirischer Evidenz wird immer deutlicher, dass die Ergebnisse der schulischen Sportprogramme nur selten jenen ideologischen Wünschen entsprechen, die einstmals formuliert wurden. Immer deutlicher wird unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass unter den Zeit-, Klassen- und institutionellen Bedingungen der Schule Leibeserziehung vermutlich kaum diese Ziele erreichen kann, die von beiden Ideologien propagiert werden. Es wird dabei deutlich, dass offensichtlich nur wenige Sportlehrer über das grundlegende Wissen verfügen, das den Unterschied zwischen Sport außerhalb und innerhalb der Schule kennzeichnet. Was es bedeutet, wenn Sport zu einem Fach wird, wenn er also zu etwas anderem wird, als was er außerhalb der Schule bekannt ist, macht eine grundlegende pädagogische Bedenklichkeit zwingend notwendig. Erst dann können realistische Ziele für den Sportunterricht benannt werden. Eben diese Voraussetzung scheint jedoch nur selten gegeben zu sein. Mit Blick auf die beiden Ideologien zeichnet sich dabei die eine Sorte von Sportunterrichtspraxis in erster Linie durch Training aus mit dem Ziel, Fitness direkt zu verbessern. Die andere Konzeption von Sportunterricht hat in ihrem Zentrum Unterhaltung und Spaß mit dem stillen Glauben, damit würde die Persönlichkeit der Schüler gefördert. Beide Arten von Sportunterricht haben eines gemein. Sie sind nicht an einem systematischen Lehr-Lern-Prozess orientiert, wie dies für die übrigen Schulfächer gilt. Sie sind kein Fach im eigentlichen Sinne.

3. Der Auftrag des Schulsports leitet sich aus dem Auftrag der Schule ab

Fragen wir nun, wie Sport in der Schule zu einem Fach werden kann, wie sich der Sport in der Schule legitimieren könnte, so muss zunächst gefragt werden, was der Auftrag von Schule ist und inwiefern sich daraus der Auftrag des Schulsports ableitet.

Schule ist in erster Linie als öffentliche Einrichtung dadurch zu legitimieren, dass sie eine Institution darstellt, die das Ziel verfolgt, auf der Seite der Schüler wichtige, überdauernde Veränderungen in deren Kompetenzrepertoire herbeizuführen. Die Aufgabe der Lehrer ist es dabei, den Kindern Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten zu lehren, die sie befähigen, als glückliche, produktive und verantwortungsvolle Mitglieder in der Gesellschaft zu partizipieren. Wenn der Sportunterricht als Fach in der Schule legitimiert sein will, so hat er zu akzeptieren, dass er im Rahmen des schulischen Curriculums dieselben Kriterien zur Legitimation zu erfüllen hat, wie dies für andere Fächer gilt. Das heißt, seine Konzeption, seine Programme, müssen in vergleichbarer Weise auf Lehr-Lern-Prozessen basieren, wie dies für andere Fächer gilt und die Lerninhalte müssen in vergleichbarer Weise Qualifikationen für das aktuelle und zukünftige menschliche Leben in unserer Gesellschaft vermitteln.

4. Fünf Gründe, warum Sport in der Schule notwendig ist

Meines Erachtens lassen sich fünf Aspekte benennen, warum Sport als eine relevante Lehr-Lern-Aktivität in der Schule zu legitimieren ist.

  1. Die technologische und kulturelle Entwicklung unserer Gesellschaft hat eine Situation herbeigeführt, in der die Teilnahme an der Bewegungskultur unserer Gesellschaft ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität der einzelnen Menschen darstellt. Dieser Sachverhalt hat Gültigkeit für eine große und noch immer wachsende Anzahl von Mitgliedern unserer Gesellschaft.
  2. Wenn ein Mitglied unserer Gesellschaft in unserer Bewegungskultur teilnehmen will, dabei wichtige Bedürfnisse befriedigen möchte, und sich über Dauer selbstständig und aktiv in einer Aktivität dieser Bewegungskultur zu Hause fühlen möchte, so erfordert dies bestimmte Kompetenzen. Die Teilnehmer an der Bewegungskultur haben Aufgaben zu lösen, die sich in einem Netzwerk der folgenden Begriffe finden lassen:
    – Ich
    – mein Körper und meine Körpererfahrung
    – Übung, Spiel, Sport, Tanz
    – zusammen mit anderen
    – Leistung, Erholung, Gesundheit
  3. Die benötigten Kompetenzen, um die genannten Aufgaben in der Körperkultur lösen zu können, kommen den Menschen nicht auf natürliche Weise zu. Sie müssen in strukturierten Lehr-Lern-Prozessen erworben werden.
  4. Es gibt eine Reihe von Agenturen, die Gelegenheiten bieten, die erforderlichen Lernprozesse zu initiieren (Familie, Peer-Group, Sportverein). Diese Institutionen sind hilfreich, sie leisten jedoch nicht das, was die Schule leisten kann. Die Schule muss die Lehr-Lern-Prozesse für alle auf demokratische Weise organisieren. Jeder Schüler verbringt aufgrund einer Zwangsverpflichtung mehrere Jahre in der Schule. Die Schule ist jene Instanz, die als spezialisiert zu gelten hat für systematisch geplante und organisierte Lehr-Lern-Prozesse.
  5. Akzeptiert man diesen Legitimationshintergrund, so darf sich Sportunterricht nicht dadurch auszeichnen, dass er entweder nur auf Training oder nur auf die Persönlichkeit der Schüler ausgerichtet ist, Leibeserziehung muss vielmehr in der Schule eine respektable Position dadurch erwerben, dass alle Argumente, die für andere Schulfächer gelten, auch für den Schulsport zutreffen.

5. Aufgaben des Schulsports

Man kann davon ausgehen, dass dann ein guter Schulsport in einer Schule existiert, wenn die Schüler Kompetenzen in diesem Schulsport erworben haben, die es ihnen möglich machen, in der Bewegungskultur unserer Gesellschaft heute wie auch in der absehbaren Zukunft teilzunehmen. Solch eine Feststellung ist allerdings viel zu allgemein, um auf dieser Basis konkreten Schulsport planen zu können. Will man hier konkreter werden, so ist es geeignet, zunächst einmal zu fragen, welche Probleme Menschen haben, wenn sie heute in unserer Bewegungskultur teilnehmen wollen. Wir müssen also fragen, welche Lernerfahrungen muss man erworben haben, will man auf eine akzeptable Weise am Sport teilhaben. Hier lassen sich meines Erachtens vier Problemfelder benennen, die uns die Orientierung für eine Curriculumplanung geben können.

  1. Ein erster Problemtyp resultiert direkt aus den Bewegungsaufgaben, die wir in unserer Bewegungskultur lösen müssen. Der Ball muss gefangen werden, der Gegner muss umspielt werden, das Wasser muss überquert werden, der Ball muss getroffen werden, der musikalische Rhythmus muss eingehalten werden, die Mann-gegen-Mann-Verteidigung muss man spielen können. Auf diese Weise lässt sich eine nahezu unendliche Reihe von Aufgaben beschreiben. Die Probleme haben eines dabei gemeinsam: Will man sie lösen, so benötigt man spezielle technische oder taktische Bewegungsfertigkeiten und -fähigkeiten. Es ist dabei nicht notwendig, dass man die Fertigkeiten und Fähigkeiten auf dem Niveau eines Spezialisten beherrscht, aber es ist erforderlich, dass ein bestimmtes Niveau erreicht wird, sonst wird Freude an der motorischen Aktion wenig wahrscheinlich sein. So wie man zur Teilnahme an sprachlicher Kommunikation über bestimmte sprachliche Fertigkeiten verfügen muss, so benötigt man zur Teilnahme an der Bewegungskommunikation technische und taktische Fertigkeiten. Man könnte sie als die technomotorischen Fertigkeiten bezeichnen, die die erste Aufgabe des Leibeserziehers ausmachen.
  2. Ein zweiter Problemtyp lässt sich dann beobachten, wenn wir die Frage stellen, was ist notwendig, wenn wir in der Bewegungskultur teilnehmen wollen und dabei beachten, dass man meist mit anderen Menschen zusammen ist. Beim Spiel, beim Sport, beim Tanz ist es üblich, dass man gemeinsam oder in der Gemeinschaft mit anderen Bewegungen vollzieht. Deshalb ist es notwendig, dass man die Eigenheiten der anderen als andere in ihrer Relation zu sich selbst zu bewerten weiß. Jeder muss in der Lage sein, die Erwartungen der anderen zu würdigen und jeder muss fähig sein, seine eigenen Erwartungen zu artikulieren. Man muss sich selbst als Spieler, Tänzer oder Wettkämpfer erkennen, man muss aber auch empathisch genug sein, um die Identität der anderen im Spiel, im Tanz und im Sport fühlen zu können. Man muss in der Lage sein zu verlieren und fähig sein zu gewinnen. Man muss in der Lage sein, Hilfe entgegenzunehmen und anderen zu helfen. Auch diese interpersonalen oder soziomotorischen Fertigkeiten müssen gelernt werden. Deshalb ist das Lehren der soziomotorischen Fertigkeiten die zweite Aufgabe des Leibeserziehers.
  3. Ein drittes Problem hängt mit der Tatsache zusammen, dass Leibeserziehung, Spiel, Sport und Tanz sich in einem kontinuierlichen Wandel befinden. Es handelt sich dabei keineswegs um feststehende Figuren. Unsere Art zu spielen, zu tanzen, oder Sport zu treiben ist nicht ein für alle Male festgelegt. Es basiert auf Konventionen und Regeln, Übereinstimmung und die Festlegung von Regeln kann variieren auf der Grundlage der Verschiedenheit der Intentionen der Spieler. Will ich Leistung, will ich Erholung oder will ich Fitness, so stellen sich die Bewegungsaufgaben höchst unterschiedlich dar. Gleiches gilt, wenn ein unterschiedlicher Personenkreis miteinander Sport treibt. Allein der Faktor Alter macht deutlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmung und die Möglichkeiten beim Spielen und beim Sport sein können. Deshalb ist es notwendig, dass die Teilnehmer an unserer Bewegungskultur ein Wissen darüber haben, wie Training, Spiel, Sport und Tanz konstruiert sind, dass sie auch wissen, wie man Übereinstimmungen und Regeln den eigenen Bedingungen anpassen kann, und wie damit neue Möglichkeiten geschaffen werden können. Dieses praktische Wissen, das die Zusammenhänge zwischen Training und Fitness betrifft, kommt nicht von alleine, auch hier sind Lernprozesse erforderlich. Deshalb ist es die dritte Aufgabe des Leibeserziehers, so zu lehren, dass Schüler lernen, ihre Übungen und ihre Sportereignisse selbst zu reflektieren, dass sie wichtiges Wissen erwerben, um adäquate Arrangements für ihr eigenes Training und für ihren eigenen Sport gestalten zu können. Die dritte Domäne des Lernens ist somit das kognitiv reflexive Lernen, das sich auf die technomotorischen und soziomotorischen Fertigkeiten bezieht.
  4. Schließlich muss ein vierter Aspekt beachtet werden. Der Sportunterricht kann nur dann ein wichtiger Beitrag für die Weiterentwicklung unserer Bewegungskultur sein, wenn die Schüler im Sportunterricht den Sport, das Spiel, den Tanz lieben lernen. Auch dies kann gelernt werden. Diesen Typus des Lernens könnte man als affektives Lernen bezeichnen.

Nun können die Aufgaben des Sportunterrichts zusammengefasst werden. Im Sportunterricht müssten auf systematische Weise Lehr-Lern-Prozesse arrangiert werden, in denen die Schüler Gelegenheiten haben, beispielhaft technomotorische Probleme lösen zu können, beispielhaft soziomotorische Probleme lösen zu können, sie müssten drittens Situationen haben, in denen sie erfahren, wie die Bewegungskultur konstruiert wird und wie man heute neue Übereinkünfte zur Bewegungskultur schaffen kann, die Regeln angepasst werden können, an die Absichten und an die Kontextbedingungen der jeweiligen Spiel-, Bewegungs- und Sportaktivitäten. Sie müssten viertens lernen, wie man den Sport lieben lernt.

6. Rahmenbedingungen, die zu beachten sind

Will man solche Lernprozesse arrangieren, wie sie oben beschrieben sind, so können noch empfehlend einige weitere Aspekte benannt werden, die möglicherweise bei der Gestaltung des Unterrichts durch den Lehrer zu berücksichtigen wären.

  1. Lernprozesse im Sportunterricht können den genannten Aufgaben am ehesten entsprechen, wenn sie auf die Lebenswelt der Schüler fokussiert sind. Dies bedeutet, dass der Kontext, in dem das Lernereignis im Unterricht stattfindet, möglichst eine Beziehung zu jenem Lebensweltkontext aufweist, in dem die Schüler zuhause sind. Es ist deshalb zu empfehlen, dass man dort mit den Schülern beginnt, wo sie wirklich selbst sich befinden.
  2. Wenn man die Lebenswelt der Schüler zum Ausgangspunkt macht, so heißt dies jedoch nicht, dass man die Bewegungskultur der Schüler unkritisch kopieren darf. Wenn man das Straßenspiel, das Sporttraining, die Sportarten so berücksichtigt, wie sie die Schüler außerhalb der Schule wahrnehmen, so lässt sich über deren Kopie nur ein Teil der genannten Aufgaben realisieren. Es ist vielmehr notwendig, dass sie zu pädagogischen Themen umgestaltet werden, dass reflexive Auseinandersetzung erfolgt.
  3. Die Vielfalt der Formen sollte möglichst im Unterricht repräsentiert sein. Dazu gehört, dass Schüler mit Aktivitäten konfrontiert werden, in denen Kraft und Ausdauer die dominanten Faktoren sind. Ebenso wichtig sind aber auch Aktivitäten, in denen Technik oder Taktik besonders bedeutsam sind. Schließlich muss die sozio-motorische Vielfalt repräsentiert sein. Mannschaft, mit einem anderen, gegeneinander, homogene Gruppe, heterogene Gruppe, mit Körperkontakt, ohne Körperkontakt, uniforme Rollen, verschiedene Rollen, all dies sind relevante Organisationsprinzipien für diesen Unterricht. Die Vielfalt sollte sich aber auch bezogen auf die Bedeutungen und Motive für die einzelnen Bewegungsaktivitäten darstellen. Leistung, Kooperation, Freude, Erholung, Schönheit sind Kriterien, die diese Vielfalt repräsentieren können.
  4. Das Leben der Kinder ist normalerweise nicht so organisiert, wie es über Schulfächer vorgegeben wird. Deshalb ist zu empfehlen, dass gerade auch der Sportlehrer darauf achtet, dass er fachübergreifende Bezüge herstellt, Kooperationen mit seinen Kollegen eingeht, dort wo sie organisatorisch möglich und inhaltlich geeignet sind. So z.B. mit dem Biologieunterricht, wenn es um das Thema „mein Körper, Üben, Gesundheit“ geht.

Die Qualität des Sportunterrichts ist gewiss in den einzelnen Schulen sehr verschieden. Dennoch scheint mir ein gemeinsames Problem zu existieren. Die Kluft zwischen der Realität des Sportunterrichts und den Standards, die bislang festgelegt sind, ist noch immer erheblich. Dies gilt auch für die hier geforderten Standards. Dies liegt vor allem auch daran, dass Sportlehrer ihren Unterricht darauf ausrichten, dass sie fleißige, glückliche und gute Schüler haben, weniger sind sie daran interessiert, dass ihre Schüler etwas lernen. Mancher Sportlehrer ist eher Unterhalter, wenige betreiben ihren Beruf analog zu dem des Trainers. Lehrer, die systematisch Lehr-Lern-Prozesse organisieren, sind eine kleine Minderheit. Will man dieses Problem lösen, so benötigen wir eine neue Lehrerausbildung, d.h. eine neue Lehrergeneration. Die Schwäche des Schulsports liegt somit in erster Linie in der unzureichenden Ausbildung der Sportlehrer. Der Sportunterricht ist es wert, dass er einen einflussreichen und respektablen Platz in der Schule von morgen bekommt. Will man dieses Ziel erreichen, so ist jedoch eine Menge Arbeit zu tun, um jene Bedingungen zu schaffen, unter denen diese anspruchsvollen Ziele erreicht werden können.

Verfasst: 08.10.2018