Digitalisierung als Chance – neue Formen der Sportkommunikation

Die Digitalisierung sämtlicher Lebenswelten stellt nicht nur in unserer Gesellschaft eine große Herausforderung dar. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 haben 9 von 10 Deutschen eine Onlineverbindung. Betroffen ist davon der Mensch in seiner Privatheit, betroffen davon sind Gruppen und Organisationen und ganze gesellschaftliche Teilsysteme wie Politik, Wirtschaft und Sport. Besonders intensiv davon betroffen ist das System der Massenmedien. Im Zusammenspiel zwischen den Massenmedien und dem Sport hat die Digitalisierung eine völlig neue Sportwelt, ebenso wie eine völlig neue Medienwelt hervorgebracht.

Es ist ohne Zweifel ein besonderer Verdienst der ARD, dass sie sich in einem jährlich wiederkehrenden Forum ihres Verhältnisses zum Sport versichert und sich dabei im jüngsten Forum unter der Thematik „Bewegte Zeiten – Sportkommunikation im digitalen Wandel“ mit Fragen und Problemstellungen auseinandersetzte, deren Relevanz längst unbestritten ist. Leider wurde dabei einmal mehr die für das deutsche Fernsehen mittlerweile übliche Auseinandersetzungsform der Talkshow gewählt, die sich für die Bearbeitung der wichtigen Fragen und Probleme als zu oberflächlich erwies. Im Mittelpunkt standen Statements von Interessenvertretern, die ihre eigenen Belange durchaus kompetent vortragen konnten. Eine gesellschaftskritische Analyse des Digitalisierungsprozesses innerhalb der Sportkommunikation war hingegen nur andeutungsweise anzutreffen. Unter inhaltlichen und begrifflichen Gesichtspunkten blieben bei dieser Veranstaltung eine ganze Reihe von Fragen unberührt. Was wird mit dem Begriff „Sportkommunikation“ gemeint? Welche Phänomene der Kommunikation über und im Sport sind in welcher Reichweite vom digitalen Wandel erfasst? Wie ist die private und wie die öffentliche Kommunikation davon betroffen? Auch in Bezug auf den Begriff des „digitalen Wandels“ hätte man sich eine höhere Sorgfalt gewünscht. So wie viele Jahre von „neuen Medien“ die Rede war, die längst zu „alten Medien“ geworden sind, so muss zumindest teilweise bereits heute von digitaler Stagnation gesprochen werden, wenn man davon ausgeht, dass mit dem Begriff des Wandels objektiv nachvollziehbare Veränderungen einhergehen sollten. Nahezu unberührt blieb die Frage nach den zukünftigen Perspektiven und den sich bereits heute abzeichnenden Veränderungen. Für die Gäste des Forums waren die Präsentationen der Experten dennoch äußerst aufschlussreich, sie waren ohne Zweifel auch ein erster Anstoß für weiterführende Reflektionen. Hierin liegt der besondere Verdienst dieses ARD Forums.

Blicken wir 20 Jahre zurück und fragen uns was seitdem in der medialen Kommunikation über den Leistungssport passiert ist, so können wir erkennen, dass es vor allem kreative Ideen einzelner Menschen waren, die wohl nicht sportspezifisch entwickelt wurden, die jedoch sehr schnell in das System des Sports Einzug hielten. Der Sport als ein ökonomisch äußerst interessantes Phänomen hat sich für diese Intervention geradezu angeboten.

f-Logo der Facebook Inc.

Will man sich einen Überblick über diese neuen technischen Möglichkeiten der vergangenen Jahrzehnte verschaffen, so ist dabei zunächst das 2004 gegründete amerikanische Unternehmen Facebook zu nennen. Sein Produkt ist das gleichnamige soziale Netzwerk, in dem jeder seine eigene Person in Wort und Bild darstellen kann. Gleiches besteht für Gruppen und Unternehmen und es können dabei auch private Interessen diskutiert werden. Jeder kann für sich seinen eigenen Freundeskreis definieren. Die Höchstgrenze ist dabei auf 5.000 Freunde beschränkt. In diesem Jahr kann Facebook alleine in Deutschland auf 30 Millionen aktive Nutzer verweisen.

Logo der Twitter Inc.

Ähnlich bedeutsam ist die 2006 gegründete Firma Twitter aus den USA mit dem gleichnamigen Microblogging-Dienst. Hier können angemeldete Nutzer telegramartige Kurznachrichten verbreiten. Die Nachrichten werden „Tweets“ genannt. Der Begriff „twittern“ kann mit „zwitschern“ übersetzt werden und die Nutzer von Twitter haben eigene Accounts, über die sie 140 Zeichen lange Nachrichten veröffentlichen können. Im November 2017 wurde das Limit auf 280 Zeichen erhöht. Twitter hatte 2016 in Deutschland eine prognostizierte aktive Nutzerzahl von 5,8 Millionen.

Logo der YouTube, LLC

YouTube ist ein Unternehmen, das 2005 gegründet wurde. Es ist ein Videoportal und mittlerweile eine Tochtergesellschaft des amerikanischen Unternehmens Google. Nutzer können kostenlos Videoclips ansehen, bewerten, kommentieren und sie können auch selbst Videoclips hochladen. YouTube hatte 2015 17,2 Millionen Nutzer in Deutschland.

Logo von Instagram, LLC

Instagram ist ein kostenloser Onlinedienst zum Teilen von Fotos und Videos und wurde 2010 eingeführt. Eigentümer von Instagram ist Facebook. Die Benutzer können Fotos und kurze Videosequenzen teilen. Instagram hat für das Jahr 2017 bislang in Deutschland 15 Millionen aktive Nutzer aufzuweisen. Mittlerweile gibt es weltweit mehr als 30 Soziale Netzwerke, wobei vor allem russische und chinesische Anbieter zu beachten sind.

Neben diesen vier Produkten bedeutsamer amerikanischer Unternehmen spielt für die Entwicklung der Sportberichterstattung auch die technische Möglichkeit des Streaming Media eine Rolle. Diese Möglichkeit gibt es seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie machte anfangs nur wenige Fortschritte, da die Technik und die Computer Hardware noch nicht ausreichend entwickelt waren. Ihren Durchbruch schaffte diese Technologie mit den heute üblichen leistungsfähigen PCs und dem Ausbau der Breitband-Internetzugänge. Streaming ist dabei kein Rundfunk, sondern es werden für jeden Benutzer gesondert und auf dessen Anforderungen angepasst Videodaten geliefert.

Diese technologischen Erneuerungen, die einhergehen mit einer äußerst dynamischen Optimierung der Telefonie, die ihren derzeitigen Höhepunkt in den bestausgestatteten Smartphones erreicht hat, haben nicht nur längst im Zentrum der Alltagskommunikation Einzug gehalten, sie weisen vielmehr vielfältige Symbiosen zu sämtlichen traditionellen Medien auf. In der Presse kommt es vermehrt zur Symbiose von Online und Print. Traditionelle Fernsehsender, ganz gleich ob privat oder öffentlich, haben längst alle neuen Technologien in ihre Produktion integriert.

Der 2014 neu gegründete Online-Sportsender Sportdeutschland.TV war dabei eine naheliegende Konsequenz. Mittlerweile ist die ProSieben/Sat.1 Gruppe Mehrheitsgesellschafter, der DOSB Minderheitsgesellschafter und der Sender sendet Sporthighlights, Zusammenfassungen, Hintergrundberichte und immer auch Livestreams, sofern ihm die Rechtesituation dies auch ermöglicht. Von einem Erfolg kann man bei diesem Sender noch nicht sprechen. Im Jahr 2017 hat er insgesamt nur 2,5 Millionen Zuschauer erreicht. Mit 750.000 Zuschauern war eine Handballübertragung der Spitzenreiter. Mit einer Übertragung eines Tischtennis-Bundesligaspiels können hingegen nur 50.000 Zuschauer erreicht werden. Der Sender sucht nun vermehrt die Kooperation mit anderen Sendern. Er hat die Erfahrung gemacht, dass die Fans einer Sportart meist sehr gezielt mit ihren Interessen auf ihre eigene Mannschaft ausgerichtet sind. Ein Interessentransfer über Fans scheint dabei nur über Auftritte der Nationalmannschaft möglich zu sein. Sportdeutschland.TV mangelt es aus naheliegenden Gründen an hochwertigen Exklusivrechten. Deshalb wird den interessierten Sportarten, die sich um eine vermehrte TV-Präsenz bemühen, Aufnahmeausrüstung zur Verfügung gestellt, um kostenlose Eigenproduktionen zu ermöglichen.

Viele neugegründete Vereinssender, z.B. der Fußball-Bundesligavereine waren eine ebenso folgerichtige Konsequenz, wie die unzähligen Livestreaming-Versuche all jener Sportarten, deren mediale Präsenz in Fernsehsendern nicht gesichert war. In dieser neuen Medienwelt eröffnen sich für Sportorganisationen ebenso wie für deren Athletinnen und Athleten ganz neue Möglichkeiten sich selbst zu präsentieren und in eine direkte Kommunikation mit ihren Fans einzutreten. Die Frage wer, wie oft, was sieht und liest ist dabei zur alles entscheidenden Wettbewerbsfrage geworden, wobei der alleinige Antriebsmotor dieses Wettbewerbs die Werbung ist. Es ist dabei eine völlig neue Sportpraxis entstanden. Angesichts deren Komplexität fällt die Suche nach „Best-Practice-Beispielen“ schwer. Einige Beispiele können dennoch hervorgehoben werden.

FC Bayern.TV, der Fußballsender des FC Bayern München hat dabei möglicherweise Vorbildcharakter. Als 24h-Sender steht er an der Seite der klassischen Bayern-Fans. Er ist zunächst nur in Deutschland zu empfangen, hat aber eigene Redaktionen in Kairo, New York und Shanghai und er arbeitet dabei mit festangestellten Redakteuren. FC Bayern.TV ist vorrangig ein Marketingexperiment. Der Verein hat dabei die Deutungshoheit über das Programm. In gewissem Sinne bietet der Sender seinen Fans das Fußballspiel des FC Bayern als Wohlfühlinsel an und er erreicht damit 42 Millionen Follower. Februar 2017 wurde FC Bayer.TV neu aufgestellt. Das TV-Angebot auf der clubeigenen Plattform setzt sich nun aus FC Bayern.TV, FC Bayern.TV Plus und FC Bayern.TV Live zusammen. Derzeit sind ca. 30 Mitarbeiter bei diesem linearen Sender beschäftigt. FC Bayern.TV ist dabei das kostenlose Basisprogramm und beinhaltet mehrmals wöchentlich News-Sendungen, öffentliche Trainingseinheiten live, Videoclips und alle Pressetalks. FC Bayern.TV Plus sendet die Highlights aller Spiele (30 Minuten nach Schlusspfiff), alle Interviews und alle Spiele live im Webradio für vier Euro pro Monat. FC Bayern.TV Live ist ein linearer Fernsehsender, bei dem 24 Stunden Berichte über den FC Bayern ausgestrahlt werden und kostet 5,95 Euro. Für Telekom-Kunden ist dieses Angebot kostenlos.

Einen ganz anderen Charakter hat „ClipMyHorse.TV“. Es handelt sich dabei um ein Onlinevideoportal, das ausschließlich dem Reitsport gewidmet ist. Es ist eine Bezahlplattform über Pferdesport. Videos und Streams werden eigens produziert bzw. von Fernsehsendern gekauft und die Horse-Media-Solutions GmbH verfügt dabei über ein umfangreiches Archiv, was sich nicht zuletzt im Reitsport in Deutschland angesichts eines ausgeprägten Pferdehandels besonders bezahlt macht. Bei ClipMyHorse.TV arbeiten derzeit ca. 100 Mitarbeiter, deren Angebot im Jahr 2017 500 Reitturniere umfasste. 2018 werden es 700 Turniere sein. Dies bedeutet 20.000 Stunden live Reitsport im Streamingkanal. 2017 wies der Sender ca. eine Million aktive Nutzer auf. Die Sehzeiten der Nutzer sind mit 55 Minuten sehr lang, was wohl auch mit dem umfangreichen Videomaterial zusammenhängt. Mittlerweile beträgt das Videoangebot aller Liveübertragungen 70.000-80.000 Stunden. Das Zusatzangebot PayTV wird von ca. 30.000 Kunden in Deutschland genutzt. Der Preis hierfür beträgt 119,40 Euro im Jahr. Ziel des Senders ist es, sein Angebot noch sehr viel entschiedener zu personalisieren, als dies bislang der Fall war.

Einen betont internationalen Charakter hat der vom IOC initiierte „Olympic Channel“, der seit 2016 365 Tage im Jahr ein olympisches Programm zu verantworten hat. „Hauptziel des olympischen Kanals ist es, verbunden zu bleiben – mit den olympischen Fans und allen anderen, die das interessiert und das auch in der Zeit zwischen den Olympischen Spielen“ so IOC-Präsident Thomas Bach. Der Olympic Chanel versteht sich als Plattform für Sportfans, die über alle Aspekte des olympischen Sports Bescheid wissen wollen. Auf dem Programm stehen daher nicht nur zahlreiche Sportevents der verschiedenen olympischen Disziplinen sondern auch Geschichten und Neuigkeiten aus der Welt des Sports und vor allem über die olympischen Athleten. Benutzer können sich einen Account anlegen, um zum Beispiel einzelnen Athleten oder ihren Lieblingssportarten zu folgen. Mit dem neuen Kanal möchte das IOC nicht in Konkurrenz zu den TV Sendern treten, die auch weiterhin die Übertragungsrechte an den Olympischen Spielen behalten. Stattdessen möchte man neue Märkte und Zuschauer erschließen, die im Moment eher selten Olympia im TV einschalten.

Ein neuer Akteur in der Sportkommunikation ist das amerikanische Unternehmen Discovery Communications mit seiner Übernahme von Eurosport geworden. Discovery Network Deutschland verfügt nun über DMAX, TLC, Animal Planet, Discovery Chanel und auf dem Gebiet des Sports Eurosport 1, Eurosport 2 und Eurosport Player. DMAX bietet Abenteuer, Natur, Entertainment, Lifestyle und Wissen in einem Free-TV-Kanal an. TLC ist ein Frauensender und auf Entertainment ausgerichtet. Während der Discovery Channel, ähnlich wie Animal Planet, auf Natur, Abenteuer, Wissen und Technik zielt. Es ist eine Mischung aus Free- und Pay-TV und jeder Sender hat seine eigenen Schwerpunkte und verschiedene Zielgruppen. Seit Juli 2015 besitzt Discovery sämtliche Anteile an Eurosport. Zur gleichen Zeit sicherte sich Eurosport die europäischen Rechte für die Olympischen Spiele 2018-2024 und noch im selben Jahr wurde Eurosport in Eurosport 1 umbenannt. Daneben gibt es Eurosport 2 als Pay-TV Kanal. Eurosport hat eine Verbreitung in 59 Ländern in Europa, im Nahen Osten und in Nordafrika. Aktuell kann der Sender von 120 Millionen Haushalten empfangen werden. Er bietet ein Programm in 20 Sprachen. In mehreren Ländern gibt es eigene nationale Programmfenster. Eurosport 1 ist der Hauptsender. Er ist nur im deutschsprachigen Raum frei empfangbar. Eurosport 2 wird seit 2005 ausgestrahlt. Das Programm unterscheidet sich nur wenig von dem des Stammsenders. Allerdings sind Sportarten wie Lacrosse, Australian Football, Tisch-Fußball oder die Diamond-League der Leichtathletik exklusiv nur auf Eurosport 2 zu sehen. Mit dem Eurosport Player bietet Eurosport ein Livestreaming und catch up Video-Angebot an. Alle Nutzer des Players können sämtliche Eurosportprogramme sehen. Außerdem erhalten sie Zusatzangebote. So zum Beispiel während der Tennis-Grand-Slam-Turniere.

DAZN ist ein Livestreaming Sportangebot. Der Name wurde abgeleitet aus „The Zone“ – womit eine Haltung bezeichnet wird, wenn man gleichsam mit einem Tunnelblick völlig auf ein Sportereignis konzentriert ist. Das DAZN-Abonnement kostet monatlich 9,99 Euro und bietet die Premiere League, Bundesliga Highlights, NFL, NBA, Fight Sports, Darts und weitere Sportarten. Er ist im Besitz der britischen Performe Group und bietet seit 2016 Sportübertragungen ausschließlich im Internet an. Finanziert werden die erworbenen Übertragungsrechte von dem russischen Oligarchen Leonard Blavatnik. Geplant sind Rechterwerbungen im Bereich des internationalen Fußballs, der Formel-1 und des Skisports. Für den Empfang ist eine Internetverbindung von mindestens 9 Megabit notwendig. Die Sportinhalte werden per Internetstreaming auf stationäre und mobile Geräte wie Laptop, Computer, Streamingboxen, Smart-TVs, Smartphones, Tablets oder Spielkonsolen übertragen.

Die neuen technologischen Möglichkeiten in der Sportkommunikation haben ganz offensichtlich eine Komplexitätssteigerung zur Folge, die für die Beteiligten Probleme hervorrufen können. Deshalb kann es kaum überraschen, dass in jüngster Zeit vermehrt Agenturgründungen zu beobachten sind, die sich durch sportkommunikationsorientierte Beratungsleistungen an den neuen kommerziellen Möglichkeiten der massenmedialen Veränderungen beteiligen möchten. Einige Agenturen betreuen dabei Sportler, um sie für den Auftritt in den sozialen Medien zu präparieren. Man ist dabei bemüht, dass die Sportler ständig den Kontakt zu den Fans halten. Die Twitter-Texte der Athleten oder auch deren Facebook-Botschaften werden dabei nicht selten von Ghostwritern geschrieben. Neben authentischer Kommunikation gibt es somit auch Formen fremdgesteuerter Kommunikation, die unter ethischen Gesichtspunkten fragwürdig sein können. Alles was mittels Sport in den sozialen Medien passiert bedarf einer systematischen Kontrolle und Steuerung. Zielgruppen, deren Alter, soziale Herkunft müssen gemessen werden, um den Interessen der Werbewirtschaft gerecht zu werden. Auch hierzu gibt es Spezialagenturen. Es geht dabei darum, die User der sozialen Medien möglichst genau zu kennen. Von neuen Formen der Personalisierung der Berichterstattung ist dabei ebenso zu sprechen wie von neuen Interventionen in die Privatheit der Rezipienten sozialer Medien. Mit den Klienten wird nahezu täglich Kontakt gesucht und gepflegt. In den Mannschaftssportarten besteht dabei eine ständige „Shitstorm-Gefahr“. Nicht zuletzt deshalb benötigen Spieler und Mannschaften eine besondere Medienkompetenz, die sie von Dritten angeboten bekommen. Dem Athleten kommen in der veränderten Kommunikationswelt des Sports neue Rollen und Aufgaben zu, die zuvor nur wenig oder gar nicht ausgeprägt waren. Will der Athlet seinen sportlichen Erfolg in bares Geld verwandeln, so benötigt er eine möglichst weitreichende Medienpräsenz. Facebook und Twitter scheinen dabei unverzichtbar zu sein. Presse- und TV-Präsenz bedarf einer gezielten Steuerung. Oft sind es die abgeschlossenen Sponsorenverträge, die für den Athlet die Quantität und Qualität dieser Präsenz festlegen. Teilweise sind es die Sponsoren, die diese Präsenz organisieren und vermitteln. Meist bedienen sich aber die Athleten eigener Manager und Agenturen. Der kommunikativ erfolgreiche Athlet muss dabei zielgruppenorientiert sein, wie die Werbebotschaften seiner Partner. Alles muss dabei ständig gemessen werden. So weist der Skisprung-Weltmeister Severin Freund in seinem Facebook-Account 90.900 Follower auf. Bei Instagram erreicht er 19.000 und bei Twitter 43.900 Follower. Sebastian Kienle – Ironman Triathlon Champion und Triathlon Weltmeister – zeichnet sich durch 57.900 Facebook-Likes und 84.900 Instagram-Abonnenten aus. Was diese Zahlen in der Welt der Werbung bedeuten und wie sie sich im Sportmarkt einordnen lassen bleibt dabei meist im Unklaren. Immerhin weist Roger Federer 14,9 Millionen, Usain Bolt 19,3 Millionen, LeBron James 23,1 Millionen, Neymar 60,8 Millionen und Cristiano Ronaldo 122,6 Millionen Facebook-Likes auf. Athleten werden dabei zu einer statistischen Größenordnung der Mediaforschung. Jeder Athlet glaubt dabei sich selbst inszenieren zu müssen und jeder ist gleichsam sein eigener Pressesprecher. Die Hemmschwelle in dieser Art von Kommunikation im Netz scheint dabei immer niedriger zu werden.

Die digitale Transformation der Sportberichterstattung, das zeigen all diese Beispiele, ist ganz offensichtlich voll im Gange. Nicht nur beim ARD Sportforum in Frankfurt musste man sich dabei die Frage stellen, welche Folgen diese Transformation für die sportjournalistischen Berufe hat, die von diesem Wandel direkt oder indirekt betroffen sind. Dabei ist es offensichtlich, dass Vereinssender wie FC Bayern.TV oder EintrachtTV (Eintracht Frankfurt), Streamingportale zugunsten einer Sportart oder die Facebookauftritte von Athleten nicht mit Kriterien zu bewerten sind, die üblicherweise für gute journalistische Arbeiten zu gelten haben. Der verantwortliche Direktor vom FC Bayern.TV wies beim ARD Forum zu Recht darauf hin, dass der Sportjournalismus nicht durch Vereinssender gefährdet wird oder durch soziale Medien infrage gestellt ist. Man könnte hinzufügen, dass man bei diesen Medien wohl auch kaum von Journalismus sprechen sollte. Gefahr droht einem wünschenswerten Journalismus von einer ganz anderen Seite. Der Sportjournalismus ist es vielmehr selbst, der sein traditionelles Verständnis von Qualitätsjournalismus zunehmend aufgegeben hat. Gleichzeitig ist er nur bedingt in der Lage sich der neuen Kriterien eines neuen Qualitätsjournalismus zu vergewissern. In der sich abzeichnenden crossmedialen Situation wird dies gewiss nicht einfach sein. So wie mittlerweile die starke Trennung zwischen Online- und Printredaktion bei vielen Tageszeitungen überwunden wurde, so werden zukünftig Sportjournalisten in allen Medien zu Hause sein. Doch ihre Arbeit wird auch daran zu messen sein, welchen Inhalt sie mit welcher Qualität bearbeiten und welche neuen Erkenntnisse dabei den Rezipienten der Sportberichterstattung übermittelt werden.

Die Kommunikation über Sport ist dabei von einer noch kaum zu steigernden Kurzlebigkeit geprägt. Entscheidungen über Sendeformen und Sendeinhalte werden meist sehr schnell getroffen und ebenso schnell wieder verändert. Eine sorgfältige Rückkopplung und Qualitätsüberprüfung findet nur noch selten statt. Für die Reanalyse als Instrument zur Steuerung der Qualität zukünftiger Produktionen bleibt immer weniger Zeit. Wichtiger ist, dass jeder Kommunikator seine Nutzer kennt. Lebensstilerkundung wird zur Pflichtaufgabe. Die Kenntnis der Privatheit der Rezipienten macht die Zukunft der Sender aus. Kritische Sportkommunikation wird dabei noch seltener als sie ohnehin schon ist. „Harmony Sport“ wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Diese Entwicklung wird noch dadurch begünstigt, dass sie Veränderungen im Rechteerwerb der letzten Jahre die Trennlinien zwischen Free- und Pay-TV linear und digital, öffentlich-rechtlich und privat zunehmend verändert bzw. beseitigt wurden. ARD/ZDF sehen sich heute in Kooperationsverhältnissen mit ihren einstmaligen „Feinden“. Die neuen Verhältnisse wurden noch vor wenigen Jahren als undenkbar angesehen. Discovery und EBU, Eurosport und ARD/ZDF, ARD/ZDF und Sky teilen sich heute Rechte, die einerseits eine Steigerung der Vielfalt der Sportkommunikation zur Folge haben, andererseits ist dabei auch offensichtlich, dass sich die ehemaligen Gegner in ihren „Ideologien“ angleichen und die große Gefahr besteht, dass dabei der Journalismus noch mehr auf der Strecke bleibt, als dies ohnehin schon der Fall ist.

Für die EBU und damit auch gemeinsam mit ARD/ZDF scheint es nunmehr auch eine neue Chance zu sein, dass vermehrt Sportereignisse mehrerer Sportarten in eine gemeinsame Rechtverwertung eingebunden werden, wie dies bereits bei den Olympischen Spielen der Fall ist. Im nächsten Jahr werden in Glasgow und Berlin deshalb mehrere Europameisterschaften zur gleichen Zeit und am gleichen Ort stattfinden. Die Europameisterschaft der Leichtathletik von Berlin 2018 ist in geografischer Distanz in dieses Projekt mit eingebunden. Die Frage nach der Sättigung und nach einem overkill stellt sich dabei aus naheliegenden Gründen. Die Antwort werden die Zuschauer geben. Mit dem Titel „A new era in world sport“ werden nun als vom 02.-12.08.2018 in Glasgow die Europameisterschaften im Radfahren (zehn Tage), Schwimmen (zehn Tage), Turnen (acht Tage), Golf (fünf Tage), Rudern (vier Tage) und Triathlon (drei Tage) stattfinden und parallel dazu vom 07.-12.08.2018 in Berlin die EM der Leichtathletik (sechs Tage). Diese Art von Europameisterschaft soll alle vier Jahre angeboten werden. Sie wird geprägt sein von einem vollgepackten zehntägigen Broadcast-Programm der EBU. Erwartet werden 1,03 Milliarden Fernsehzuschauer. Insgesamt werden dabei ca. 4.500 Athleten teilnehmen. Für den Sportfan bedeutet dies, dass er im Monat August 2018 neun Tage völlig überfordert sein wird, die für ihn geeignete Auswahl zu treffen. Warum erstklassiger Sport auf wenige Tage im Jahr beschränkt sein soll, kann dem Sportfan wohl kaum erklärt werden. Ein Leichtathletikfan wird sich wohl oder übel für seine Leichtathletik entscheiden, während der Schwimmfan sein Interesse auf das Schwimmen ausrichtet. Wären die Europameisterschaften hingegen über den ganzen Sommer verteilt, so könnte sich eine EM im Schwimmen auf manchen Fan verlassen, der vorrangig Fan der Leichtathletik, des Ruderns oder des Turnens ist. Der wirtschaftliche Erfolg dieser neuen Veranstaltungskonzeption wird letztlich über die Zukunftsfähigkeit des neuen Formats entscheiden. Die Tage von Glasgow und Berlin im August 2018 könnten für Sportökonomen und Rezipientenforscher spannende Tage werden. Für die EBU und die europäischen Sportfachverbände gilt dies gleichermaßen.

Verfasst: 13.11.2017