Benötigt der DOSB eine Strategie der aktiven Steuerung?

Versteht man den DOSB als eine umweltoffene Organisation, die sich in einem Austausch mit ihrer Umwelt und deren verschiedenen Teilsystemen befindet (z.B. Massenmedien, Wirtschaft, Kirche, Staat, Gewerkschaften, Schule etc.), so kann der DOSB – wie jede andere Großorganisation auch – in seinem Bestand nur dann erhalten werden bzw. überleben oder wachsen, wenn er möglichst negative Austauschprozesse mit seinen Umwelten vermeidet. In der Sprache der Organisationssoziologie ausgedrückt heißt das: Es sollte in den Austauschprozessen vermieden werden, dass die Abgabe von Organisationsleistungen und die dadurch verursachten Kosten größer sind als die Erlöse, welche der Organisation zufließen. Dieser Grundsatz gilt vor allem für das Austauschverhältnis mit dem Staat, den Medien und der Wirtschaft. Grundsätzlich stehen wie jeder Organisation auch dem DOSB mehrere Möglichkeiten offen, seine Organisation zu steuern.

  1. Der DOSB kann sich in seiner Ideologie, in seinen Leistungen, seinen Programmen, Vorschriften und Verfahrensregeln, Strukturen und Technologien sowie in seinem Personal den sich wandelnden Bedingungen, die vor allem in seiner Umwelt eingetreten sind, anpassen. Das heißt, er kann auf die stattfindenden gesellschaftlichen Wandlungsprozesse reagieren.
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  3. Der DOSB kann auf den Bestand der bestehenden Verhältnisse achten, sein Organisationshandeln auf die Bewahrung des Bestehenden ausrichten, sein Personal konsolidieren, seine Vorschriften und Verfahrensregeln stabilisieren, seine Leistungen und Programme beibehalten.
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  5. Der DOSB kann danach trachten, die Austauschbeziehungen durch gestalteten Einfluss auf die Umwelt und deren Veränderung positiv zu gestalten, d.h. sein Verhältnis zu seiner Umwelt nimmt der Sport nicht lediglich rezeptiv wahr, sondern aktiv gestaltend. Er hat dabei die Wahl, Partner und Konkurrenten aus der ihn umgebenden Umwelt zu selegieren.
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  7. Der DOSB kann mögliche Einflüsse von außen auf die Organisation wirken lassen, ohne dass er steuernd eingreift. Die Ideologie, die Leistungen, Programme, Vorschriften, Verfahrensregeln, Technologien und das Personal verwandeln sich möglicherweise auf diese Art schleichend.
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    Für den DOSB lässt sich aus diesen vier Möglichkeiten eine ganze Reihe von Steuerungsalternativen ableiten.

    1. Beibehaltung der Organisationsleistungen und Programme
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    3. Wandlung der Organisationsleistungen und damit der Organisationsprogramme
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    5. Wandlung der Organisationsprogramme und Beibehaltung oder lediglich minimale Veränderung der Organisationsleistung
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    7. Wandlung der Organisationsvorschriften, des Organisationspersonals oder der Organisationstechnologien
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    9. etc.

     

    Die bisherige Argumentation zeichnete sich in erster Linie dadurch aus, dass der DOSB als geschlossene (homogene) Organisation betrachtet wurde. Diese Betrachtungsweise ist verkürzt und verdeckt ganz wesentliche Probleme, die sich heute im DOSB beobachten lassen.

    Es muss nämlich beachtet werden, dass sich auch im organisierten Sport die Tendenz der Subsystembildung schon seit längerer Zeit kaum noch aufhalten lässt (dieser Sachverhalt wurde u.a. mit dem Begriff „Sportmodelle“ von mir beschrieben). Dabei scheint es so zu sein, dass die Orientierung an einer Leitidee, die den Zusammenhang dieser Subsysteme innerhalb des DOSB stiften könnte, immer weniger wahrscheinlich geworden ist. Alle nachträglichen Koordinierungsversuche scheinen immer wieder erneut fehlzuschlagen. Dies ist deshalb problematisch, weil nicht durch rationale Regelungen eine Einheit in einer Organisation des Sports entstehen kann, sondern die Einheit einer Organisation in erster Linie durch deren Idee festgelegt wird.

    Auch im Sport lässt sich außerdem schon längere Zeit der Trend beobachten, dass eine fortschreitende Modernisierung des Sports nicht notwendig zu höherer Modernität, zu einer Verbesserung der Lebens- und Handlungsbedingungen im Sinne einer gewünschten Wertorientierung beiträgt. Auch im Sport zeigt sich, dass aufgrund der zunehmenden Steuerungsprobleme und der gleichzeitig sich steigernden Einflussnahmen von außen, die vor allem aus der weiteren Ausbildung von Subsystemen erwachsen ist, die intendierten Kapazitäts- und Autonomiesteigerungen des Gesamtsystems häufig zunichte gemacht werden. Gewiss führte die Ausdifferenzierung des Sports in Systeme nach Funktionen zu einer Leistungssteigerung in der Erfüllung der Funktionen. Gleichzeitig nehmen aber auch die Reibungsverluste immer mehr zu, weil die Abstimmung der Funktionsleistungen aufeinander kaum mehr gelingt. Auch im Sport zeigt sich somit die „Krise der gesellschaftlichen Arbeitsteilung“. Teilweise zeigt sich dabei auch im Sport, dass die Subsysteme ihre eigenen Kommunikationsmedien herausgebildet haben (Geld für den Schausport, Macht für die Sportpolitik, Gesundheit für den Fitness-Sport, Solidarität für den Wettkampfsport, Spaß für den Freizeitsport). Dabei wurden die zentralen Orientierungen wie Geld, Macht und Solidarität zunehmend inkompatibel.

    Vor diesem Hintergrund stellt sich nunmehr erneut die Frage nach der angemessenen Steuerung der zukünftigen Entwicklung des Sports im DOSB. Hier bieten sich meines Erachtens drei Möglichkeiten an.

    1. Möglichkeit: Es muss die Steuerungsleistung in den Subsystemen gesteigert werden.
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    3. Möglichkeit: Die Subsysteme des Sports müssen untereinander stärker vermischt werden.
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    5. Möglichkeit: Es muss zu einer Entlastung der Subsysteme kommen durch Rücknahme der Ausdifferenzierung, d.h. ein Prozess der Devolution mit Hinführung zu einer geringeren Komplexität muss eingeleitet werden.

     

    Jede Steuerungsmöglichkeit bedarf einer eigenen Analyse. Bei der ersten Möglichkeit ist zu beachten, dass bei der Absicht, eine Einheitssportbewegung zu erhalten, eine Steigerung der Steuerungsleistung in den Subsystemen diesem Ziel entgegensteht, weil gerade die Abstimmung zwischen den Steuerungsleistungen das zentrale Problem der Gesamtorganisation ist. Bei der zweiten Möglichkeit muss berücksichtigt werden, dass eine Mischung der Subsysteme nur dann möglich ist, wenn es keine Rivalitäten der Subsysteme gibt. Da diese jedoch mittlerweile vermutlich bereits bestehen, scheint eine Mischung der Subsysteme kaum mehr möglich zu sein. Die dritte Möglichkeit scheint derzeit die entscheidendste zu sein. Sie steht allerdings im Widerspruch zu allen offiziellen Positionen, die bis heute vom DOSB eingenommen wurden.

    Die Frage, nach welchen Kriterien über die geeignetste Anpassungsstrategie entschieden werden kann, ist nicht eindeutig beantwortbar. Vor allem ist wichtig, dass man akzeptiert, dass die Frage nach der geeigneten Strategie bzw. einer Kombination von Strategien nicht durch die Veränderungen in der Umwelt des Sports oder durch das eventuell neu verfügbare Personal und durch die verfügbaren Organisationsmodelle und -technologien determiniert wird. Ebenso bedeutsam sind die Geschichte des DOSB und seiner Vereine und Verbände, die bereits bestehende und vorhandene Organisationsstruktur, das vorhandene Organisationspersonal, das möglicherweise nur langfristig ersetzt werden kann, bislang eingesetzte Organisationstechnologien, die aktuell beobachtbaren Wertorientierungen der Mitglieder und die Ziele des DOSB, seiner Verbände und Vereine.

    Eine Entscheidung über die Frage, welche Strategie sinnvoll ist, wird in einer komplexen Organisation wie der des DOSB nicht ohne Konflikte zu erreichen sein. Jede Veränderung bedeutet nämlich eine Veränderung der bestehenden Machtstrukturen, der individuellen Spielräume und Handlungschancen sowie möglicherweise auch der den verschiedenen Personen und Personengruppen zukommenden Einflusspotentiale, notwendigerweise oft auch Verzicht bzw. Austausch von Personal und Neuverteilung der Organisationsgewinne.

    Der entscheidende Konfliktpunkt ist die Frage, ob eine Organisation wie der DOSB im Interesse seines Überlebens Wachstum benötigt, wie dies für fast alle expandierenden Wirtschafts- und gesellschaftlichen Teilsysteme gilt und dort Bedingung für Bestandserhaltung und Überleben ist, oder ob der DOSB überleben kann, ohne dass er einem Wachstumscode unterliegt. Dessen ungeachtet hat der DOSB jedoch vier Systemprobleme zu beachten, die auch für andere Organisationen zu lösen sind.

    • Er muss sich einer sinnvollen Zielorientierung vergewissern und Wege aufzeigen, wie sich diese Ziele verwirklichen lassen.
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    • Er hat sich seiner Umwelt anzupassen und er muss das Problem der Mittelbeschaffung für diese Umwelt-Anpassungsprozesse lösen.
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    • Er hat Maßnahmen zur Integration seiner Teile zu veranlassen und darüber hinaus Kontrollen über die Einhaltung sämtlicher Verfahrensregeln zu gewährleisten.
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    • Er hat darauf zu achten, dass die handlungsleitenden normativen Muster der Organisation und die Motivation der Mitglieder und der Mitarbeiter erhalten bleiben.

     

    Die Frage nach einer Strategie aktiver Steuerung legt immer auch die Beantwortung der Gegenfrage nahe, Argumente für und gegen eine aktive Steuerung sind deshalb abzuwägen:

    Argumente für eine intensivere Steuerung

    • Das Problem des Wachstums „Sport für alle“ kann nur mit gezielter Steuerung gelöst werden. Ökologisch gefährliche Entwicklungen müssen verhindert werden. Hierzu sind Stoppregeln vonnöten, deren Kontrolle durch die Organisation zu sichern ist. Das Sportwachstum muss zugunsten der wohnnahen Sportgelegenheiten gelenkt werden.
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    • Die Frage nach dem Selbstverständnis der Sportorganisation, deren Ziele und Werte, die damit zum Ausdruck gebracht werden sollen, kann nur glaubhaft beantwortet werden, wenn der Sport selbst zum Erhalt seiner humanitären Ziele und Grundsätze aktive Steuerungsleistungen erbringt. Dazu sind vor allem kodifizierte Sanktionen erforderlich.
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    • In der Praxis der Systeme hat es sich erwiesen, dass es einen optimalen Grad der Arbeitsteilung und damit auch der Differenzierung gibt. Wenn dieser Grad überschritten ist, führt die Überdifferenzierung zu Funktionsverlusten bzw. extremer Anfälligkeit gegen Störungen. Das heißt, die Ausdifferenzierung kann nicht zur Volldifferenzierung gehen, ohne dass ein Verlust an Lebendigkeit und Robustheit eintritt. Für die Subsysteme des Sports heißt dies, dass auch sie Funktionen für die anderen Subsysteme immer mit zu erfüllen haben. Sie dürfen nicht monofunktional werden. Ist diese Annahme richtig, so bedarf es einer gezielten Steuerung und Vermittlung der Subsysteme untereinander. Es müssen somit die Subsysteme und deren Medien vermischt werden (KOSLOWSKI weist darauf hin, dass dies in einigen gesellschaftlichen Bereichen bereits der Fall ist. So z.B. in industriellen Großunternehmen, die immer weniger ausdifferenziert sich darstellen, dabei aber nicht weniger rational und effektiv handeln. Sie werden im wissenschaftlichen, künstlerischen und politischen Bereich z.B. aktiv und erreichen damit eine Funktionssteigerung ihrer wirtschaftlichen Widmung) (vgl. KOSLOWSKI 1986, 180). Steuerung in diesem Sinne würde bedeuten, dass man im DOSB nicht die funktionale Differenzierung weiter betreibt, sondern stärker eine institutionelle Differenzierung im Auge hat. Polifunktionale und polivalente Institutionen und ein entsprechendes Personal wären dabei deren Folge.
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    • Will man einen Verzicht auf weitere Differenzierung, so bedarf dies ebenfalls einer Steuerung. Das Steuerungsproblem ist dabei jedoch darin zu sehen, dass die Definition dessen, was Inflation und Leerlauf ist, von dem zu unterscheiden ist, was notwendige Funktionen darstellt. Diese Unterscheidung gelingt bis heute nur schwer. Außerdem wäre die Steuerung dahingehend auszurichten, dass das Negativwachstum gekoppelt wird mit einem positiven Wachstum in anderen Bereichen. Auf diese Weise könnte kompensatorisch ein stationärer Gesamtzustand erreicht werden.

     

    Argumente gegen eine intensive Steuerung

    • Wirksame Steuerung ist nur auf der Grundlage einer normativen Konsensfindung möglich. Angesichts der diesbezüglich höchst pluralen Situation des Sports ist dieser Konsens vermutlich nicht mehr zu finden.
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    • Der bislang erfolgte Prozess wildwüchsiger Ausdifferenzierung hat dem organisierten Sport in der Bundesrepublik eher genutzt als geschadet. Es ist nicht abzusehen, dass sich dieser Vorgang in sein Gegenteil verkehrt.
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    • Da es heute sehr schwierig ist, dasjenige Wissen zentral zu gewinnen bzw. bereitzustellen, das für vernünftige organisatorische Steuerung notwendig ist, spricht vieles dafür, dass der DOSB eher wenig, aber das dann richtig steuern sollte. Zu erwähnen wäre dabei, dass er sich nicht auf eine kategoriale Bestimmung einzelner Sachverhalte einlässt, sondern nach wie vor die regulative Bestimmung des Allgemeinen und allgemeiner Regeln nach Ideen vornimmt (vgl. Sport-Charta).

     

    Sollte der Weg einer intensiven Steuerung gegangen werden, so ist zu beachten, dass sich bereits heute angesichts der komplexen Arbeitsorganisation im DOSB die Organisationsleistung beträchtlich ausgeweitet und vermehrt hat. Dieser Trend würde durch vermehrte Steuerung beschleunigt. Dadurch könnte sich die Gefahr von Fehlentscheidungen bei nicht sachgerechter und zielorientierter Steuerung beträchtlich erhöhen. Es muss dabei die Gefahr beachtet werden, dass die gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten einseitig und primär aus der Sicht der zentralistischen Organisationsleistung des DOSB und orientiert an einem Höchstmaß an ökonomischer Rationalität zur Verstärkung der Kontrolle des Organisationspotentials und nicht – was ebenfalls möglich wäre – zur Ausweitung der Handlungsspielräume des Organisationspersonals verwendet werden kann.

    Will sich der DOSB um intensivere Steuerung bemühen, so muss die Frage beantwortet werden, ob es neben dem Präsidium, dem Vorstand, den darunter angesiedelten Steuerungsinstanzen und den Kommissionen neue zentrale Beobachtungs-, Reflexions- und Steuerungsinstitutionen geben muss, um die zentrale Steuerungsleistung im DOSB zu unterstützen. Erfahrungen mit anderen Organisationen deuten darauf hin, dass zumindest eine Beobachtungsinstitution außerhalb der Organisation hilfreiche Steuerungsimpulse geben kann. Das System des Sports birgt die Gefahr in sich, wie andere Systeme auch, dass es relativ blind gegenüber seinen eigenen dunklen Stellen und Lücken ist. Hier könnte Licht von außen eine große Hilfe sein.