Zuschauerkommunikation in der Leichtathletik

Die Leichtathletik ist ohne Zweifel eine ganz besondere Sportart. Sie kann nicht nur auf die längste und größte historische Tradition verweisen und war und ist die Königin bei den Olympischen Spielen, sie war und ist auch eine Sportart, die für ihre Ausführung eine der größten Sportstätten benötigt und bei deren Meisterschaften 47 Sieger in 47 verschiedenen Disziplinen zu küren sind, die sich teilweise ganz erheblich unterscheiden. In der englischen Sprache wird deshalb zwischen „Track“ und „Field“ unterschieden. Laufen, Werfen und Springen haben drei ganz unterschiedliche Wettbewerbsstrukturen zur Folge und auch die Athletinnen und Athleten, die die jeweiligen Disziplinen betreiben, können sich grundlegend unterscheiden. Die Persönlichkeitsstruktur der Läufer in den mittleren und in den langen Distanzen unterscheidet sich von den Sprintern, ebenso wie sich Werfer und Springer unterscheiden. Unterschiede in Körpergröße und Körpergewicht sind dabei evident, psychische Unterscheidungsmerkmale sind allerdings nicht weniger bemerkenswert.

Vor dem Hintergrund all dieser Merkmale ist es eine ganz besondere Herausforderung, den Zuschauern die Leichtathletik auf eine interessante Weise zu präsentieren. Dabei stellen sich eine ganze Reihe von Problemen, die meist nur teilweise, oft auch nur mit großen Schwierigkeiten oder auch nur sehr unbefriedigend gelöst werden. Will man Zuschauern 47 Disziplinen in einem Stadion auf eine interessante Weise offerieren, so kommt es darauf an, die richtige Reihenfolge für die Wettkämpfe zu finden, die Größe der Teilnehmerfelder angemessen festzulegen und intelligent die Frage zu beantworten, wie viele Wettkämpfe stattfinden können, ohne dass der Zuschauer überfordert wird.

Die Leichtathletik muss vor allem so gestaltet werden, dass sie den Bedürfnissen des Zuschauers entgegenkommt. Dieser will spannende Wettkämpfe erleben, er möchte wissen wer gegen wen einen Wettkampf bestreitet, er möchte den Wettkampfverlauf verfolgen, Zwischenstände sind für ihn wichtig und am Ende des Wettkampfes möchte er möglichst schnell mit dem Ergebnis konfrontiert sein, um die Leistung der Athleten richtig einordnen zu können. Viele Zuschauer möchten sich auch mit den Leistungen der Athletinnen und Athleten und mit den Athleten selbst identifizieren. Identifikation ist für alle Menschen ein wichtiges psychisches Bedürfnis, sie ist eine der wichtigen Grundlagen, damit sich Zuschauer unterhalten fühlen, dass sie Spaß und Freude an der Leichtathletik haben.

In einer Welt in der sich umfassende Globalisierungsprozesse ereignen ist schon seit längerer Zeit zu beobachten, dass die Globalisierung auf das Engste mit dem Lokalen verbunden ist und dass die Menschen ein Bedürfnis haben, sich mit ihrem Ort an dem sie leben, d.h. in gewisser Weise mit ihrer Heimat, mit ihrer Region und vor allem mit ihrer Nation zu identifizieren. Nationale Identifikation ist schon lange ein wachsendes Bedürfnis, dies kann man gerade und vor allem auch bei Sportveranstaltungen beobachten.

Ein gelungener Identifikationsprozess eines Zuschauers mit einem Athleten und dessen Leistung ist an zwei Bedingungen gebunden. Der Zuschauer muss den Athleten als Mensch wahrnehmen und er möchte seinen Namen kennen. Biografisches Wissen über den Athleten kann dabei besonders wichtig sein. Zum zweiten muss der Athlet bzw. die Athletin einer Nation zugeordnet werden, d.h. der Zuschauer muss die Nationalität erkennen. Kann der Zuschauer die Wissensbestände „Nationalität“ und „Name des Athleten“ in seine Identifikationsbemühungen einbringen, so wird ein gewisser Erfolg dieser Bemühungen gewährleistet.

Das Erkennen von Athletinnen und Athleten stellt sich in der Leichtathletik jedoch als ein schwieriges Kommunikationsthema dar, es besteht dabei ein reziprokes Sender-Empfänger-Dilemma, wobei schon seit längerer Zeit immer mehr Zuschauer beklagen, dass ihnen der Identifikationsprozess mit den Athleten nicht gelingt, weil sie Name und Nation der Athleten während der Wettkämpfe und in den Arenen nicht erkennen können. Beklagt wird dabei, dass zu viele Athleten dieselbe Uniform tragen, dies gilt vor allem für die Mittel- und Langstreckenläufe, in denen schwarze Athleten die Wettkämpfe dominieren und diese meist mit derselben Kleidung eines Ausrüsters ihre Wettkämpfe bestreiten. Auf diese Weise werden die Läufer für den Zuschauer zu einer uniformen Masse, die er nicht unterscheiden kann. Der Identifikationsprozess misslingt. Das Problem des Erkennens der Athleten ist jedoch sehr viel umfangreicher als es auf den ersten Blick angenommen werden kann und es hängt nicht nur von der Farbe der Uniformen ab. Es ist auch nicht nur ein Problem der Mittel- und Langstreckenläufe. Wird es genauer betrachtet kann man es als ein sehr grundsätzliches Problem erkennen, das vor allem mit der Größe des Stadions und der Entfernung der Zuschauer zu den Athleten zu tun hat.

Die Frage an welchem Ort ein Wettkampf stattfindet, wie nah bzw. wie fern der Zuschauer sich zu diesem Ort befindet ist dabei grundlegend. Je näher der Wettkampf an den Zuschauer herangebracht werden kann, desto besser kann der Zuschauer die Leistung der Athleten verfolgen und ein erfolgreicher Identifikationsprozess wird dadurch wahrscheinlicher. Das gleiche gilt für die Informationssysteme, die den Zuschauer über die Wettkampfleistungen angeboten werden. Je größer die Anzeigentafel und die darauf zu lesende Schrift ist, desto leichter können Namen und Leistungen der Athleten erkannt und eingeordnet werden. Gleiches gilt für die Videoboards in den Arenen. Übergroße Boards sind eine notwendige Voraussetzung für gelungene Kommunikation und vor allem kommt es auch auf sinnvolle Kombinationen von Text und Bild an, die dem Zuschauer für seine Informationsaufnahme zur Verfügung stehen. Das Erkennen von Namen und Nationalitäten ist aber immer auch an die Erfahrung, die Kompetenz und das Wissen der Zuschauer gebunden. Hat man einen Namen mehrfach gelesen, so ist ein Name schneller zu erkennen. Sind Namen kürzer, so ist ihr Erkennen leichter, als wenn es sich um lange Namen handelt. Die Abkürzungen von Namen können dabei durchaus ein Problem darstellen, insbesondere wenn unterschiedliche Präsentationen der Namen bei unterschiedlichen Wettkämpfen existieren. Das Erkennen des Namens auf der Startnummer hängt ganz wesentlich von der Größe der Startnummern ab. Die Größe der Startnummern wird wiederum durch die Körpergröße und durch die Größe der Brust der Athletinnen und Athleten limitiert. Ästhetische Aspekte sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie Werbeinteressen jener Sponsoren, die mit ihren finanziellen Leistungen die Durchführung der Wettkämpfe erst ermöglicht haben.

Auch die Kompetenz für das Erkennen von Nationalitäten ist bei den Zuschauern höchst unterschiedlich ausgeprägt. Nationalfarben und Nationalflagge begünstigen dabei eher den Identifikationsprozess als die bloße Abkürzung der Nationalität, zumal die meisten Abkürzungen bei den Zuschauern weitestgehend unbekannt sind und für ein und dasselbe Land in unterschiedlichen Sprachen unterschiedliche Abkürzungen bestehen. Aber auch die Flaggen der Nationen werden von den Zuschauern immer nur teilweise wissend erkannt. Für den erwünschten Identifikationsprozess ist dies jedoch nicht nachteilig, da die eigene Flagge mit der man sich identifizieren möchte und die eigenen Nationalfarben, die für einen bestimmten Zuschauer wichtig sind, vom diesem sehr schnell erkannt werden. Andere Zuschauer anderer Nationen können ebenfalls ihre eigene Nationalität erkennen und so ist man nicht darauf angewiesen, dass die Zuschauer alle Farben der Nationen und deren Flaggen kennen und wissen.

Das Problem des Erkennens der Athletinnen und Athleten ist ohne Zweifel von zentraler Bedeutung für den Unterhaltungswert von Leichtathletikveranstaltungen. Leider werden in Bezug auf dieses Problem viele Fehler gemacht und es werden nicht jene Möglichkeiten ausgeschöpft, die auch durch die Unterstützung mit neuen Technologien den Veranstaltern von Leichtathletikveranstaltungen gegeben sind. Die Startnummern beispielsweise machen nur dann für Zuschauer Sinn, wenn sie über eine Startliste verfügen und der Nummer einen Athletennamen zuordnen können. Wettkämpfe werden nicht als spannend wahrgenommen, wenn während eines Wettkampfes der Zwischenstand dem Zuschauer nur sporadisch oder gar nicht übermittelt wird. Sprechen Stadionsprecher die Namen undeutlich aus oder ist ihr Sprechen von Dialektmerkmalen geprägt, so wird das „Verstehen-Problem“ für die Zuschauer eher erschwert als erleichtert. Eine sequentielle Darbietung der Wettkämpfe ist einer Simultandarbietung in Bezug auf das Erkennen der Athletinnen und Athleten überlegen. Wo immer sequentiell die Wettbewerbe gestaltet werden können, sollte diese Chance genutzt werden. Wettkämpfe die schnell aufeinanderfolgen können besser verstanden werden, als mehrerer Wettkämpfe zur gleichen Zeit. Wird der Zuschauer in seinem Erkennungsprozess geführt durch Licht oder Stimme oder durch andere Symbole, so ist das Erkennen leichter, als wenn er auf seine eigene Orientierung angewiesen ist. Für den Zuschauer hängt das Gelingen einer Leichtathletikveranstaltung von dessen Handlungskompetenz in Bezug auf die Leichtathletik ab. Diese wird geprägt durch das, was der Zuschauer über die Leichtathletik weiß, was er versteht, möglicherweise auch was er selbst kann und vor allem auch was er fühlt, wenn er der Leichtathletik als Zuschauer beiwohnt. Das Verstehen, das Wissen, das Fühlen und letztlich auch das Können des Zuschauers können ganz wesentlich durch die gelungene Kommunikation mit dem Zuschauer beeinflusst werden. Sind die Verantwortlichen, die die Leichtathletik organisieren, an diesen besonderen Merkmalen ihrer Zuschauer orientiert, so kann der Unterhaltungswert der Leichtathletik in hohem Maße gesichert werden.