Zur sportpolitischen Zukunft des Sports

Dem Sport steht eine interessante, aber auch höchst unsichere Zukunft bevor. Neue Herausforderungen gilt es zu meistern und ein enormer Bedeutungszuwachs, der dadurch dem Sport zukommt, wird verantwortungsvoll einzuordnen sein. Die dem Sport bevorstehende interessante Zukunft ist jedoch – das zeigen immer mehr krisenhafte Entwicklungen in einigen internationalen und nationalen Sportorganisationen und in immer mehr olympischen Sportarten – immer auch eine riskante, bedeutungsoffene Zukunft. Die Antwort auf die Frage, wo der Weg hingeht, ist nicht schicksalhaft vorgegeben. Über den angemessenen Weg muss vielmehr von den gewählten oder berufenen sportpolitischen Repräsentanten der nationalen und internationalen Verbände entschieden werden. Die Entscheidungen sollten dabei über demokratische und transparente Verfahren gefunden werden und sie sollten sowohl am Gemeinwohl aller Sporttreibenden als auch am Gemeinwohl der jeweiligen Gesellschaft, in der sich der Sport ereignet, ausgerichtet sein. Der Weg kann im Voraus gut durchdacht, systematisch geplant und konsequent gegangen werden. Er kann aber auch über Umwege, in Einbahnstraßen und in Sackgassen führen. Auch Irrwege sind nicht auszuschließen.

Heute prägt den Sport eine sich schon seit längerer Zeit entwickelnde Komplexität seiner Strukturen. Die Tätigkeiten, die mit dem Begriff Sport gefasst werden, haben sich vermehrt. Die Motive, die dem Handeln im Sport zu Grunde liegen bzw. der Sinn, der von den Sporttreibenden gesucht wird, sind nicht weniger vielfältig geworden. Auch die Funktionen, die der Sport für unsere Gesellschaft erfüllen soll, sind in einer kaum noch überschau- und kontrollierbaren Weise angewachsen. Spitzensport, Breitensport, Schulsport, Betriebssport, Gesundheitssport, Sport als Arbeit, Sport in der Freizeit, Rehabilitation und Prävention, nationale Identifikation, Erziehung und Bildung im und durch Sport – das Wortspiel, das uns das System des Sports eröffnet, scheint unermesslich zu sein. Vieles spricht dafür, dass der Sport in seiner Komplexität noch weiterwachsen wird, dass er auch zukünftig an gesellschaftspolitischer Bedeutung zunimmt, dass er noch intensiver auf die sozialen Problemlagen unserer Gesellschaft ausgerichtet wird und dass er gefordert wird, seine Funktionen offen zu legen, die er stellvertretend für das gesellschaftliche Gemeinwesen erbringen möchte. Er wird aber auch den Nachweis erbringen müssen, dass er zu den erwünschten Leistungen fähig ist. Die subsidiäre Unterstützung durch den Staat muss dabei mit überprüfbaren Leistungen beglichen werden

Es wird sich dabei zeigen, dass der Sport nicht alles kann, was er vorgibt bzw. was ihm von vielen Seiten auferlegt wird. Es wird sich dabei auch zeigen, dass er vieles leistet, das bislang nur unzureichend oder gar nicht gewürdigt wurde. Verteilungskämpfe innerhalb der Organisationen des Sports auf der einen und zwischen dem Sport in seiner Gesamtheit und anderen gesellschaftlichen Teilsystemen auf der anderen Seite sind angesichts solch eines Weges wahrscheinlich und Konflikte sind dabei durchzustehen. Die durch das Grundgesetz dem Sport zugebilligte Autonomie und das wichtige Gebot der politischen Neutralität als die höchsten sportpolitischen Güter, die von den Verantwortlichen in den Sportorganisationen zu schützen sind, werden dabei einer beständigen Bedrohung ausgesetzt sein. Immer häufiger wird die eigene Sphäre einer unabhängigen Sportpolitik, die sich vor allem durch Autonomie und Neutralität auszeichnet, durch politische Fremdinteressen, insbesondere von konkurrierenden staatlichen Interessen bedroht. Neben der Bedrohung durch Staaten wird auch eine Bedrohung durch weitere gesellschaftliche Teilsysteme wie der Wirtschaft, den Massenmedien, der Religion und teilweise auch durch das Recht und die Wissenschaft in der weiteren Entwicklung des Sports nicht auszuschließen sein.

Immer häufiger werden gegenüber dem organisierten Sport Lösungen zu den unterschiedlichsten gesellschaftspolitischen Herausforderungen angemahnt werden. Wie alle anderen wichtigen gesellschaftlichen Institutionen Ist auch der Sport vom Problem des Klimawandels betroffen. Die sich verschärfenden weltpolitischen Konflikte haben bereits heute direkte und indirekte Auswirkungen auf den internationalen Sportverkehr, auf die Ökonomie der Sportorganisationen und auf die zukünftigen Möglichkeiten internationaler Sportveranstaltungen. Immer offensichtlicher ist es geworden, dass der Sport in seinen Führungs- und Entscheidungsgremien auch von dem Problem der Korruption und der Manipulation von demokratischen Verfahren, von Diskriminierung, von Benachteiligung bestimmter Minderheiten und ganzer sozialer Gruppen und Schichten betroffen ist. Rassismus ist nach wie vor an der Basis vieler Sportorganisationen aber auch bis hinein in ganze nationale Sportsysteme zu beklagen. Sexueller Missbrauch wurde in fast allen nationalen Sportsystemen über viele Jahrzehnte bagatellisiert und es kann leider auch nicht für die weitere Zukunft ausgeschlossen werden, dass ein Missbrauch von Kindern und Jugendlichen aber auch von Frauen mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen stattfindet. Für all diese Probleme werden intelligente Lösungen dringend erforderlich sein. Den Verbänden des Sports wird es dann gelingen, diesen Weg verantwortungsvoll zu gehen und die für unsere Gesellschaft besten Lösungen zu finden, wenn sie sich ihrer Sache, d.h. ihres gesellschaftspolitischen Auftrages sicher sind, wenn sie wissen, warum sie ihren Weg zu welchem Ziel hin gehen und wenn sie sich im Sinne eines gemeinsamen Leitbildes auch ihrer ethischmoralischen Grundlagen und ihrer eigenen Wertestruktur vergewissert haben. Es müssen dabei jene Werte im Blick bleiben, die den Sport gesellschafts- und sozialpolitisch als ein bedeutsames Kulturgut legitimieren. Die Zukunft des internationalen Spitzensports und die Frage, welche Rolle Deutschland dabei spielen möchte, könnte sich für die Verantwortlichen des Deutschen Olympischen Sportbunds und seiner Mitgliedsorganisationen als die größte Herausforderung darstellen. Den Schutz des sauberen Athleten¹ mit der höchsten Priorität zu versehen, verantwortbare Leistungssportkarrieren in allen olympischen Sportarten zu ermöglichen, die besten Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten zu Gunsten einer internationalen Konkurrenzfähigkeit bereitzustellen, diese Postulate werden unter anderem jene Faktoren sein, an denen eine verantwortbare Sportpolitik zu messen ist. Je glaubwürdiger diese Sportpolitik von der deutschen Gesellschaft wahrgenommen wird, je transparenter die erforderlichen sportpolitischen Entscheidungen getroffen werden, je nachhaltiger und nachvollziehbarer die Leistungen der Sportorganisationen präsentiert und kommuniziert werden, desto leichter wird auch die Frage zu beantworten sein, warum und unter welchen Bedingungen man sich die Durchführung zukünftiger Olympischer Spiele in Deutschland wünschen möchte.

Aber auch der „Sport für alle“ bedarf der besonderen Pflege. Er entfaltet seine positiven Wirkungen nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden und wenn sich der organisierte Sport an einer sich ständig wandelnden Gesellschaft orientiert.

¹ Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.

Letzte Bearbeitung: 17.2.2023