„Seb“ – Karrieren einer Marke

Folgt man Marketingtheoretikern, so ist „Branding“ das dringende Gebot der Stunde, will man mit seinem Produkt im Wettbewerb mit Konkurrenten erfolgreich sein. Beim Branding geht es um die Entwicklung eines Markennamens. Man benötigt ein starkes Aushängeschild für ein Unternehmen. Hat man seine eigene Marke in den Wettbewerb eingeführt, so geht es um Markenführung und Markenmanagement. Das Hauptziel ist dabei, die eigene Leistung, das eigene Angebot von der Konkurrenz abzugrenzen, den Wiedererkennungswert seiner eigenen Marke hochzuhalten. Dazu ist es notwendig, dass der Verbraucher diese Marke mit ihren charakteristischen Eigenschaften, Attributen und Leistungen verbindet. Wenn von Marken die Rede ist, fallen uns zunächst Worte wie „Nivea“, „Coca Cola“ oder „VW“ ein. Denken wir hier vor allem an Produkte, so wird längst der Begriff des Brandings in der Theorie des Marketings auch auf Unternehmen und Organisationen ausgeweitet. Mit bestimmten Logos werden erfolgreiche Unternehmen als unverwechselbar und erfolgreich ausgewiesen. In der Welt des Sports gilt dies vermehrt auch für erfolgreiche Mannschaften und auch Verbände sind bemüht über ein erfolgreiches Branding sich im Markt der Verbände zu positionieren. Immer häufiger haben aber auch einzelne Personen den Charakter einer Marke, zumindest wird dies von ihnen selbst angestrebt und oft von ihrer Umwelt auch erwünscht und gefördert. Einzelne Fußballstars können so als Marke gedeutet werden, wie dies auch bei Stars in der Kunst und in der Musik üblich geworden ist.

Im olympischen Sport haben nur ganz wenige Athleten Markencharakter. Teilweise liegt dies daran, dass ihre Verweilzeiten als Star in der Öffentlichkeit meist sehr kurz sind und die Sportart, der sie angehören, oft nur bei Olympischen Spielen in den Blickpunkt des Interesses rücken. Die Marke „Bolt“, wie sie in den letzten 15 Jahren sich entwickelt hat und die ihren Ausdruck in einem eigenen Spielfilm findet, ist dabei allenfalls eine bemerkenswerte Ausnahme.

Dass Sportfunktionäre olympischer Verbände den Charakter einer Marke aufweisen ist eher unwahrscheinlich, doch seit einigen Jahren gibt es auch hier einige wenige Ausnahmen. Die Marke „Seb“, von der im Folgenden die Rede sein soll, ist dabei besonders beachtenswert. Hinter der Marke „Seb“ steht ein hochrangiger Adeliger der englischen Gesellschaft, der in seinem Leben fünf außergewöhnliche Karrieren aufzuweisen hat. Sein Name ist Sebastian Coe und er scheint ganz offensichtlich angesichts dieser fünf erfolgreichen Karrieren einer der erfolgreichsten Karrieristen dieser Welt zu sein.

Sebastian Coe

Sebastian Coe im Jahr 2012. CC BY-SA 2.0

Begonnen hat alles mit einer außergewöhnlichen Athletenkarriere. Ihr folgte eine Politikerkarriere in der Partei der Konservativen, die in gewisser Weise bis heute andauert. Hierzu gehört auch eine Karriere in der für Nicht-Engländer kaum durchschaubaren Welt des englischen Adels. Diese drei Karrieren ermöglichen ihm eine sehr erfolgreiche Manager- und Unternehmerkarriere. Diese wiederum begleitet er mit einer zielstrebigen Funktionärskarriere in verschiedenen Sportorganisationen.

Die Marke „Seb“, wie sie Sebastian Coe kreiert hat, muss ohne Zweifel als außergewöhnlich erfolgreich bezeichnet werden. „Seb“ bedeutet Nähe – er ist der Kumpel von nebenan, er ist Belohnung für Jedermann. Den netten „Seb“ gibt es für Athletinnen und Athleten, für Journalisten, seine Funktionärskollegen, in gewissem Sinne für Jedermann und jede Frau. Doch dieser „Seb“ ist gleichzeitig an sorgfältiger Distinktion interessiert. Coe ist eine Persönlichkeit mit zwei Gesichtern. Den offiziellen Namen Sebastian Coe begleiten die Buchstaben „CH“ und „KBE“ und verweisen dabei auf die Macht und Interessen dieser besonderen Persönlichkeit und deren Position in der englischen Gesellschaft. In Bezug auf seine Karrieren hat sich die Marke „Seb“ als äußerst geeignet erwiesen.

Authentisch ist dabei allerdings lediglich seine Karriere als Athlet, die am 14.März 1977 in San Sebastian ihren Anfang hatte beim 800m Sieg bei den europäischen Hallenmeisterschaften. Danach folgten viele Erfolge und große Rennen mit großen Gegnern. Seine Athletenkarriere endete 1990 bei den Commonwealth Games. Seine sportlichen Erfolge wusste Coe sehr schnell als soziales Kapital zu nutzen und so wurde er bereits 1992 in das Englische Parlament über den Wahlbezirk „Falmouth and Camborne“ gewählt. Als Mitglied der Conservative Party war ihm eine schnelle Parteikarriere gesichert. Coe war zunächst Abgeordneter des „House of Commons“ und Privatsekretär des damaligen Parteivorsitzenden William Hague. Dann erhielt er einen Sitz im „House of Lords“. Zuvor wurde er im Jahr 2000 „Life Peer“ und ist seitdem „Baron Coe of Ranmore in the County of Surrey“. 2006 wurde er Vorsitzender des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele 2012 in London. Mit diesem Erfolg wurde er Prokanzler der Loughborough Universität und 2017 erreichte er das höchste Amt dieser Universität als Kanzler. Zu seiner politischen Karriere gehört auch das Amt des Vorsitzenden der FIFA-Ethikkommission während der Präsidentschaft von Seb Blatter, das er im September 2006 übernahm. Dieses Amt gab Coe zugunsten seiner Mitgliedschaft im Bewerbungskomitee für den FIFA World Cup 2018 auf. Ein weiteres Resultat seines olympischen Erfolges war die Wahl zum Präsidenten des Britischen Olympischen Komitees und darüber hinaus wurde er zum Mitglied der Koordinierungskommission für die Olympischen Spiele Tokio 2020 ernannt.

Wirtschaftliche Erfolge waren die naheliegende Konsequenz, nachdem die Marke „Seb“ im Sport, im Adel und in der Politik derart außergewöhnliche Erfolge aufzuweisen hatte. So wurde er von Nike als Global Ambassador unter Vertrag genommen, er ist Eigentümer einer Fitnessclub-Kette, die mehr als 20.000 Mitglieder aufweist und er ist Senior Advisor der Deutschen Bank. 2005 gründet Coe die Firma „Complete Leisure Group (CLG)“, die als Unternehmen für seine Einnahmen aus Reden und Vorträgen fungiert. CLG verkaufte er an CSM Sports and Entertainment, die 2012 wiederrum von Chime Communications übernommen wurde. Die Übernahmen haben Coe Einnahmen in einem außergewöhnlichen Umfang ermöglicht. Chime Communications ist eine Werbe- und PR Group, die von Margaret Thatchers Berater Lord Bell in den 80er Jahren gegründet wurde. Ex-Außenminister und Coe’s Parteifreund Hague hält in dieser Gruppe einen Aktienanteil. Coe ist Mehrheitsaktionär. Bei den Spielen 2012 spielte sie beim Hospitality-Marketing bereits eine wichtige Rolle. Die Partei der Konservativen scheint für Coe ein idealer Steigbügelhalter zu sein.  Seit Oktober 2012 ist Coe der Vorsitzende von „Chime Communications“ und „CSM Sports and Entertainment“. Heute ist Coe Chairman of CSM Sports and Entertainment, der wohl wichtigsten Tochter von Chime. CSM erwarb 2011 die brasilianische Marketingagentur „Golden Goal Sports“ und 2013 die „Chinese People Marketing Group“. Die Chime Group ist heute mit 2.000 Mitarbeitern auf sechs Kontinenten, 20 Ländern und 32 Städten tätig und setzt sich aus fünf Teams zusammen: CSM (sport and entertainment), VCCP (Marketing communication), OPEN (Health and healthcare communication), CIE (Market research) und Chime Specialist Group.

Im Juli 2015 übernahmen WPP und Providence Equity Partner Chime Communications für einen Preis von 374 Millionen Pfund. WPP ist die weltgrößte Service Group für Kommunikation. 200.000 Angestellte in 3.000 Büros in 113 Ländern. Sir Martin Sorrell, der CEO dieser Gruppe, ist der in der Welt der Kommunikation der wohl einflussreichste Medienmogul und Coe ist sein ideales Aushängeschild.

Der besondere Interessenkonflikt, in dem sich Coe dadurch befindet, ist offensichtlich. Er ist CEO einer großen Marketingagentur mit dem Schwerpunkt Sport und Unterhaltung und er ist Präsident einer internationalen Sportorganisation, der es um die Vermarktung genau derselben Produkte geht. Die derzeitige Marketingagentur der IAAF ist direkter Konkurrent jener Marketinggruppe, die Coe als CEO erfolgreich führt. Coe glaubt, dass er diesen Interessenkonflikt verantworten und lösen kann. Die derzeitige Praxis scheint dem jedoch zu widersprechen.

Viele weitere Auszeichnungen sind für Coe ein geeignetes Vehikel, um seine Marke „Seb“ ständig zu pflegen und den Namen Coe in einem typischen englischen Kommunikationsstil und Wettbewerb an herausragender Stelle zu erhalten. Sechs Ehrendoktorwürden verschiedener englischer Universitäten tragen hierzu ebenso bei wie seine Mitgliedschaft im Orden des britischen Empire (MBI). 1987 erhielt er den „Prince of Asturias Award“ in der Kategorie Sport. Der olympische Orden und der Laureus Sports Award sind nicht weniger erwähnenswert. BBC machte ihn mehrfach zur „Sportspersonality of the Year“, laut der Sunday Times gehört Coe zu den „100 Makers of the 21st Century“ und bereits im Jahr 2012 erhielt er einen „lifetime achievement award“.

Sebastian Coe ist in gewisser Weise das englische Pendant zum deutschen Thomas Bach und es kommt nicht von ungefähr, dass sie ihre Karrieren als Sportfunktionäre in der Athletenkommission des IOC begannen. Sebastian Coe hatte dabei ab der ersten Stunde immer nur die höchsten Ämter im Blick. Basisarbeit, Mitarbeit im nationalen Verband war für ihn eher etwas Fremdes. Sebastian Coe war im Vergleich zu Bach ohne Zweifel der erfolgreichere Athlet. Als herausragender Leichtathlet in den Mittelstrecken prägte er über ein Jahrzehnt die olympische Königsdisziplin. Zweifacher Goldmedaillengewinner bei Olympischen Spielen, Weltrekordinhaber über Jahrzehnte, perfekter Laufstil und kluge Taktik – seine sportliche Leistung bildete die Basis für einen unaufhaltsamen Aufstieg in der englischen Gesellschaft. Lord Coe schaffte es von der Lower in die Upper Class. Er ist heute in der höchsten Elite der englischen Gesellschaft angelangt.

Ich habe Sebastian Coe unmittelbar nach dem Ende seiner Läuferkarriere und vor allem als Kollege im IAAF-Council kennengelernt. „Seb“, wie ihn in der Welt des Sports jeder nennt und wie er sich von allen auch gerne rufen lässt, war und ist dabei die Freundlichkeit in Person. Immer smart, immer elegant, immer lächelnd und mit einem guten Common Sense ausgestattet, hat er mittlerweile Freunde in der ganzen Welt. Die Leichtathletik war und ist dabei sein Vehikel und seine ständige Präsenz bei allen internationalen Veranstaltungen der Leichtathletik machte ihn früher oder später zu einem chancenreichen Kandidaten des IAAF-Councils. Nach seiner Wahl ins Council und nach dem Erreichen der Rolle des IAAF-Vizepräsidenten hatte Coe die Hälfte seiner Ziele erreicht. Dank seiner Rolle bei der Bewerbung Londons um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012, dank seiner charismatischen Rede vor den IOC-Delegierten in Singapur, war er sehr schnell prädestiniert, CEO der Olympischen Spiele von London 2012 zu werden. In dieser Rolle zeigte er ohne Zweifel ganz besondere Führungsqualitäten. Er ist sich seiner begrenzten fachlichen Kompetenzen bewusst, hatte aber das Geschick, beste Fachleute an sich zu binden und so war er das Oberhaupt einer ausgesprochen professionellen Team-Arbeit, die den Erfolg der Olympischen Spiele 2012 garantierten. Die Leichtathletik war dabei das besondere Anliegen von Sebastian Coe, den Erhalt des Olympiastadions für die Leichtathletik war für ihn ein bedeutsames persönliches Anliegen und selbst während der Olympischen Spiele, bei denen er sich zwangsläufig in einer ständigen Terminnot befinden musste, waren die Leichtathletiktermine für ihn von höchster Priorität. Leichtathletik hat das Leben des Sebastian Coe geprägt und die Leichtathletik ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Sie ist aber auch das politische Instrument zur Entwicklung seiner Macht und seines Einflusses; sie ist das Steuerungsmedium für seine vielfältigen Karrieren. Beobachtet man Sebastian Coe bei Sitzungen des IAAF-Councils, in Workshops, bei Kongressen und sonstigen öffentlichen Veranstaltungen, so kann man sehr schnell erkennen, dass Sebastian Coe ein äußerst cleverer Repräsentant des Zeitgeistes ist. Als „native speaker“ kann er zu jeder Sache das Wort ergreifen, seine Rhetorik zeichnet sich durch die in der politischen Sprache üblichen rhetorischen Muster aus, er legt sich nie endgültig fest, seine Wortmeldungen folgen meist am Ende einer Debatte, um sich das Beste herauszusuchen, von dem er glaubt, dass es möglichst gut ankommen wird. Sich eine Fremdsprache anzueignen, wie es für europäische Funktionäre üblicherweise notwendig war und ist, war für Sebastian Coe so gut wie nicht denkbar. Die Welt des Commonwealth ist seine Heimat und das Vereinigte Königreich ist dabei das besondere Zentrum dieser Welt. Dennoch ist er ausgesprochen weltoffen. Gerade gegenüber Europa weiß er sich auch als Europäer darzustellen, denn er weiß, dass er in seiner Karriere auf die Unterstützung Europas angewiesen ist. Coe verfügt auch auf eine angenehme Weise über britischen Humor, auf Frauen wirkt er ohne Zweifel anziehend und umgekehrt scheint es so zu sein, dass Frauen ihn mögen. In zweiter Ehe lebend ist sein Privatleben nach wie vor von Bescheidenheit geprägt, wenngleich er längst ein äußerst erfolgreicher Geschäftsmann geworden ist.

Sein Vermögen wird die 100-Millionen Pfund Grenze längst überschritten haben. Sebastian Coes Ziele sind anspruchsvoll. Er wollte IAAF-Präsident werden und ohne Zweifel ist auch das IOC jenes Gremium, für das er sich selbst prädestiniert sieht. Sein Weg zu diesen Zielen zeichnet sich durch diplomatisches Geschick aus. Hat er Gegner, so behandelt er diese auf der Vorderbühne äußerst fair, auf der Hinterbühne weiß er allerdings in aller Schärfe und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Instrumenten den Gegner zu attackieren. „Smart“ ist das Adjektiv, welches Coe am besten kennzeichnet. Als IAAF-Präsident ist er alles andere als fleißig, er ist auch nicht äußerst zuverlässig. Moralisch ist er eher skrupellos. Nichts belegt dies besser als seine Zusammenarbeit mit Blatter. Verabredungen werden schnell vergessen, Ankündigungen werden oft nicht umgesetzt und es gibt manches Versprechen, das er nicht einhält. Auf ihn trifft oft der Satz zu: „was schert mich mein Wort von gestern“. Allerdings weiß er immer sehr genau, wann er selbst präsent zu sein hat, was seiner Sache dient, wann er den freundlichen Umgang zu pflegen hat und wann er kühl und nüchtern sein muss. Von Coe wird noch viel zu hören sein und ich bin mir sicher, dass er alle seine selbstgesetzten Ziele auch erreichen wird.

Sein erstes Ziel erreichte er beim IAAF-Kongress 2015 in Peking. Er wurde mit knapper Mehrheit vor seinem Erzfeind Bubka zum IAAF-Präsidenten gewählt und bereits in seiner ersten Rede wurde deutlich, mit welch eigenartiger britischer Diplomatie Coe sein Amt führen wird. In einer devoten Lobeshymne ehrte er seinen Vorgänger Diack ohne jegliche Notwendigkeit und nach einer Ansammlung von mehreren programmatischen Allgemeinplätzen konnte man bereits erkennen, dass für Coe die Position des IAAF-Präsidenten lediglich eine Etappe zu noch Höherem darstellen wird. Die beiden ersten Amtsjahre waren von außergewöhnlichen Herausforderungen und Schwierigkeiten geprägt. Der Dopingskandal der IAAF, den sein Vorgänger verursacht hatte, wurde für ihn zu einer schweren Erblast, die er allerdings durchaus zu seinen eigenen Gunsten zu nutzen wusste. Er präsentierte sich der Öffentlichkeit als ein entschiedener Anti-Doping-Kämpfer, machte den Ausschluss des russischen Mitgliedsverbandes möglich und im Gegensatz zum IOC-Präsidenten Bach wurde er von den Medien bei den Olympischen Spielen in Rio als moralischer Sieger herausgestellt. Niemand fragte dabei, ob die juristischen Grundlagen der IAAF-Entscheidung in der Auseinandersetzung mit dem russischen Verband tragfähig sind und ob Kollektivstrafen mit dem Prinzip des Fair Play, das für die Leichtathletik leitend sein sollte, zu vereinbaren sind. Die Leichtathletik selbst, das heißt die Sportart mit ihren Wettkampfstrukturen, hat in den beiden Amtsjahren von Coe in vergleichbarer Weise eine Stagnation aufzuweisen wie dies für die gesamte Amtszeit seines Vorgängers zu beobachten war. Bei den Olympischen Spielen in Rio konnte man kaum von der Königsdisziplin der Olympischen Spiele sprechen. Der Zuschauerschwund war offensichtlich. Junge Menschen wenden sich von der Leichtathletik ab. Die Leichtathletik, das wurde in Rio deutlich, befindet sich in einer lähmenden Krise. Coe glaubt, dies mit neuen programmatischen Vorgaben lösen zu können, die sich jedoch sehr schnell als kaum wirksam erweisen werden. Die Überprüfung der Integrität der Mitglieder der IAAF ist wohl eine zwingende Notwendigkeit, wie sie in der Praxis jedoch durchzuführen ist, ist nach wie vor nicht beantwortet. Mit einer Veränderung der Verfassung der IAAF lassen sich nur sehr bedingt jene Menschen beeinflussen, die auf der Ebene der Mitgliedsverbände Verantwortung in der Leichtathletik haben. Doch selbst wenn der ethische Reinigungsprozess innerhalb der IAAF gelingen würde, ist noch nicht absehbar, wer mit welchen Mitteln den Reputationsverlust der internationalen Leichtathletik wettmachen soll. Die Ideenlosigkeit der Gremien der internationalen Leichtathletik ist offensichtlich. Die eigentliche Reform ist noch immer nicht in Sicht. Der jüngste IAAF-Kongress in London im August 2017 belegte dies nachdrücklich (vgl. Verpasste Chancen – IAAF London 2017). Seine neu geschaffenen Komitees und Kommissionen zeichnen sich durch eine Bürokratie aus, die hohe Kosten hervorruft, ohne dass positive Resultate zu erkennen sind. Das Personal, das berufen wurde, resultiert aus politisch-taktischen Erwägungen. Das Merkmal der fachlichen Kompetenz spielt dabei so gut wie keine Rolle. Obgleich Coe aus der Welt des Sports kommt, wirkt er in seiner neuen Rolle als IAAF-Präsident im Wesentlichen wie ein Politiker. Die beschädigte Sportart ist dabei nur ganz selten im Blick. Nachdem Diack den Verband mehr und mehr zu einer frankophonen Organisation umgestaltete, ist nun die anglophone Retourkutsche zu erkennen, ohne dass allerdings die Qualität des Organisationsmanagements eine sichtbare Verbesserung aufweist.

Verfasst: 23.08.2017