Selten wird die Frage nach der Rolle des Geschlechts im Hochleistungssport so engagiert diskutiert, wie dies aus Anlass von Fußballweltmeisterschaften der Frauen zu beobachten ist. Durch welche Qualität zeichnet sich der weibliche Fußball im Vergleich zum männlichen Fußball aus? Unterscheiden sich beide Spiele? Was sind ihre Gemeinsamkeiten? Noch nie wurde ein weibliches Sportereignis zu einem nationalen Großevent stilisiert und weibliche Körper in den massenmedialen Mittelpunkt gerückt, wie dies der Fall war als die Fußballweltmeisterschaft der Frauen 2011 in Deutschland ausgetragen wurde. Was bedeutet ein derartiges „Event“ für die Rolle der Frau im Sport? Welches Frauenbild wird dabei in den Mittelpunkt des Interesses gerückt? Welche Rolle spielen die Frauen bei dieser Inszenierung, welche die Männer? Warum ereignete sich dies zuerst in Deutschland, warum war es bei allen früheren Frauenfußballweltmeisterschaften nicht der Fall?
Der Hochleistungssport der Frauen hat bereits eine lange Tradition, wobei darauf hinzuweisen ist, dass in allen Sportarten, denen sich in der Geschichte des Hochleistungssports Frauen zugewandt haben, der Anfang des Frauensports auf den Widerstand der Männer gestoßen ist, die Ausübung mit Häme begleitet wurde und die ersten Frauen, die sich in diesen Sportarten engagierten, durchaus als Pioniere einer weiblichen Emanzipationsbewegung zu betrachten sind.
Ebenso offensichtlich ist es jedoch, dass in Bezug auf die Möglichkeiten zur sportlichen Höchstleistung nach wie vor die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern einen hohen Beschreibungs- und Erklärungswert für die unterschiedlichen sportlichen Leistungen haben. Meist geht man dabei von einem Leistungsunterschied zugunsten des männlichen Geschlechts aus, wobei dies überwiegend über den Faktor der Kraft erklärt wird
Bei den Olympischen Spielen nimmt der Frauensport mittlerweile nahezu einen gleichberechtigten Platz neben dem Männersport ein. Die Anerkennung der sportlichen Leistungen in den einzelnen Sportarten kann sich dabei allerdings von Sportart zu Sportart erheblich unterscheiden. In einigen Sportarten haben sportliche Leistungen von Frauen längst ihren Eigenwert und sie werden allenfalls am Rande mit sportlichen Leistungen von Männern verglichen. In der Leichtathletik, obgleich sie eine sogenannte „c g s-Sportart“ ist, kann ein Olympisches Hochsprungfinale der Frauen ebenso spektakulär wie jenes der Männer sein und der Weitsprungweltrekord von Heike Drechsler wurde in vergleichbarer Weise als außergewöhnlich wahrgenommen wie dies beim ersten 9-Metersprung der Männer der Fall war. Die Leistungen der Männer und Frauen in den einzelnen Disziplinen stehen nebeneinander, ohne dass sie diskriminierend miteinander verglichen werden. Die Wettkämpfe der Frauen finden im Wechsel mit den Wettkämpfen der Männer statt. Nach Geschlechtern getrennte Meisterschaften sind dabei nicht üblich. Dies ist in vielen Olympischen Disziplinen, so z.B. beim Schwimmen, Eisschnelllauf, Tennis und Eiskunstlauf der Fall. Dabei gewinnt man den Eindruck: Je länger Frauen eine Sportart betreiben, desto eigenständiger wird sie aus einer Leistungsperspektive wahrgenommen.
Es gibt auch Sportarten, in denen die Leistungen der Frauen höher eingeschätzt werden als jene der Männer bzw. die Männer diese deshalb erst gar nicht ausüben. So z.B. die Rhythmische Sportgymnastik und das Synchronschwimmen. Dies ist insofern interessant, weil damit die Frauen in der olympischen Sportartenfamilie die Dominanz des Männersports überwunden haben. Sämtliche olympische Sportarten ermöglichen heute die Teilnahme der Frauen.
Bei Sportarten, in denen sportmotorische Fähigkeiten und Fertigkeiten, Kreativität und Ästhetik in gleicher Weise eine Rolle für die Bewertung der Leistungen spielen, werden Leistungen von Männern und Frauen meist als gleichwertig gesehen. Dies gilt für den Eiskunstlauf ebenso wie für das Kunstturnen und das Fechten.
Anders verhält es sich offensichtlich für all jene Sportarten, bei denen es- aus welchen Gründen auch immer- sehr lange Widerstände gegen eine weibliche Teilnahme gegeben hat. So werden z.B. beim Gewichtheben von Männern und Frauen die Unterschiede über die gehobenen Gewichte deutlich. Entsprechend weniger positiv werden die Leistungen der Frauen im Vergleich zu denen der Männer bewertet. Die Sportart Boxen wird nicht zuletzt selbst von vielen Frauen als für sie für ungeeignet beurteilt und unter Leistungsgesichtspunkten ist man sich eines eigenständigen Gütemaßstabes nicht sicher, der den weiblichen Boxkämpfen zu Grunde gelegt werden kann. Ähnliches gilt für die Beurteilung des Ringens.
Interessant sind vor allem auch jene Sportarten, bei denen männliche und weibliche Leistungen erst gar nicht unterschieden werden – so im Reitsport und teilweise auch im Automobilsport. Auch bei den Schützen und beim Bogenschießen kann angenommen werden, dass eine weibliche Spitzenleistung in gleicherweise herausragend ist wie eine männliche Spitzenleistung.
Schwierigkeiten bereiten uns hingegen die Mannschaftssportarten. Frauenfußball und Frauenhandball unterscheiden sich unter Leistungsgesichtspunkten nach wie vor ganz wesentlich vom Männerfußball bzw. Männerhandball, wenn wir Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer als Hilfskriterien für Vergleichsmaßstäbe heranziehen. Gleiches gilt für das Hockey-, Volleyball- und Basketballspiel. Diese Unterschiede verweisen z.T. auf biologische Differenzenzwischen Mann und Frau. Sie sind auch dann vorhanden, wenn sie aus Gründen einer zweifelhaften politischen Korrektheit gerne negiert werden.
Im Zusammenhang mit der Fußballfrauenweltmeisterschaft in Deutschland war allerdings interessant, wie diese biologischen Differenzen zum ideologischen Fundament einer erfolgreichen Vermarktung werden konnten. Niemand käme in Deutschland auf die Idee, sämtliche Spiele einer Volleyballdamenweltmeisterschaft live zu übertragen, auch Frauenhandball oder -basketball käme nicht in einen vergleichbaren Genuss wie der Fußball, obgleich die Leistungsdifferenzen in diesen Sportarten im Vergleich zur Ausübung der Männer gewiss nicht größer sind als dies beim Fußball der Fall ist. Gewiss würde sich auch keine Bundeskanzlerin bzw. kein Bundeskanzler in vergleichbarer Weise für andere Frauensportarten engagieren, wie dies beim Frauenfußball der Fall war. Von Sponsoren war und ist für viele Olympische Sportarten nur sehr selten Unterstützung zu erwarten, wenn es lediglich um die weibliche Ausübung dieser Sportarten geht. Kommt es jedoch zur professionellen Symbiose zwischen dem Öffentlich-rechtlichen Fernsehen, zwischen der ARD und dem ZDF auf der einen, dem politischen System auf der anderen Seite, und erhält die Wirtschaft auf diese Weise eine herausragende Verkaufsplattform, so kann eine Sportart – ganz gleich, ob männlich oder weiblich und obwohl die dabei erbrachten sportlichen Leistungen im Vergleich zur männlichen Variante kaum vergleichbar sind – innerhalb kürzester Zeit zum Medienhype erhöht werden. Über mehrere Wochen hinweg können in teilweise äußerst redundanter Weise Berichte, Interviews und „Human Touch-Stories“ aber auch Banalitäten über den Fußballsport der Frauen massenmedial ausgetauscht werden, wie man es zuvor noch nie erlebt hat.
Dem deutschen Publikum konnte dabei ein „Weltereignis“ vorgegaukelt werden, das freilich bereits in Deutschlands Nachbarländern nur ganz am Rande zur Kenntnis genommen wurde. Mit den Live-Übertragungen der Spiele der deutschen Frauennationalmannschaft wurden Höchstquoten erreicht. Dank einer beispiellosen Werbekampagne von ARD und ZDF wurden ausverkaufte Stadien möglich und die WM zum „Klatsch und Tratsch“-Thema des deutschen Boulevards. Dabei störte es nicht, dass diese WM im Kalender des Weltsports allenfalls eine nachgeordnete Bedeutung hatte und Deutschland lediglich vorgab, das Zentrum der „großen Welt“ zu sein. Der Männerfußball war dabei der ideologische Nährboden für die gelungene deutsche Ökonomisierung der weiblichen Variante. Die Macher des Männersports, allen voran die Präsidenten von FIFA und DFB, präsentierten sich deshalb auch als die größten Befürworter und als „Macher“ des Frauenfußballs. Die Frauen ließen sich dabei von Männern auf einer eigens für sie geschaffenen Bühne „präsentieren“ und damit in gewisser Weise auch “vorführen“, weil sie kurzfristig nur auf diese Weise ihre nachvollziehbaren eigenen wirtschaftlichen Interessen realisieren konnten. Wie nachhaltig dies wohl sein wird muss sich in der weiteren Zukunft erst noch erweisen-insbesondere auch unter dem Aspekt des „Gender-Pay-Gap“. Dieser ist ja noch immer bei fast allen sportlichen Wettbewerben im Hochleistungssport der Frauen anzutreffen.
Letzte Überarbeitung: 20.01.2020