Frauen auf dem „Vormarsch“- eine Hoffnung auch für den Sport?

Helmut Digel

Frauen sind wie Männer und Männer sind wie Frauen. Beide sind Menschen und die Menschheit zeichnet sich vor allem durch eine ausgesprochene Vielfalt aus. Es gibt kluge und dumme, gute und böse, schöne und hässliche, große und kleine, kräftige und schwache Menschen, mit heller oder mit dunkler Hautfarbe. Menschen glauben an eine Religion oder sind Nihilisten oder Atheisten. Alle diese Menschen können sowohl Männer und Frauen sein und es kann eigentlich kaum überraschen, dass es beim Handeln der Menschen, was immer diese Menschen auch tun, es kaum Unterschiede gibt, ganz gleich ob Männer oder Frauen für ihr Handeln verantwortlich sind. Gewiss gibt es biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau, wenngleich heute ja nicht mehr so ganz sicher ist was ein „Mann“ und was eine „Frau“ ist und es stellt sich sogar die Frage ob nicht noch weitere Geschlechter innerhalb der Menschheit zu unterscheiden sind, wenn man die übliche Hebammengeschlechtszuweisung nach äußeren Merkmalen bei der Geburt durch eine genetische Untersuchung ersetzen würde. Immerhin gibt es in vielen Staaten mittlerweile bereits Gesetze durch die ein dritter Eintrag in den Personalausweisen der Menschen bei der Angabe ihres Geschlechts möglich ist. Ob der Eintrag „X“ oder „Divers“ lautet: beides deutet darauf hin, dass es bei der Zuordnung des menschlichen Geschlechts ganz offensichtlich Probleme gibt.

Nun gibt es in der Geschichte der Menschheit schon seit längerer Zeit ein gesellschaftspolitisches Anliegen, das mit dem Begriff der „Emanzipation“ zu fassen versucht wird. Die Emanzipation wird dabei als Prozess verstanden, an dessen Ende die Gleichberechtigung aller Menschen steht. Bis heute ist dabei allerdings meist nur von der Gleichberechtigung von Mann und Frau die Rede, die Gleichberechtigung weiterer Geschlechter ist eher eine seltene und relativ neue Forderung.

Die Forderung nach Gleichberechtigung hat nicht nur aus einer historischen Perspektive eine besondere Berechtigung, sie ist auch heute noch nach wie vor äußerst relevant und Formen der Benachteiligung von Frauen und des sog. „Dritten Geschlechts“ sind nicht nur in traditionellen Gesellschaften zu beklagen. Selbst moderne westliche Demokratien weisen nach wie vor erhebliche Defizite in Bezug auf die Gleichheit der Geschlechter auf. Ein Blick auf den „Gender Pay Gap “, auf die überwiegend männlich besetzten Führungspositionen in der Wirtschaft und in den meisten Bildungseinrichtungen kann uns dies beispielhaft verdeutlichen.
Patriarchalische Strukturen haben die Entwicklung der Menschheit geprägt und selbst dort, wo es matriarchalische kleine „Inseln“ gegeben hat, wussten Männer immer ihre Vorteile zu sichern. Es waren überwiegend Männer, die für fürchterliche Kriege innerhalb der Menschheitsentwicklung verantwortlich waren, vorrangig Männern ist der verantwortungslose Umgang mit der Natur zuzuschreiben und wenn wir heute von einem durch Menschen verursachten Klimawandel zu sprechen haben, so haben hierfür ebenfalls Männer einen großen Anteil an dieser Schuld.
Angesichts dieses Sachverhalts ist es naheliegend, dass dann, wenn wir von Emanzipation sprechen, wir dabei immer die „Emanzipation der Frau vom Mann“ meinen und dass die Forderung zur Gleichberechtigung der Geschlechter vorwiegend von Frauen vorgetragen wurde und wird.
Der von Frauen ausgetragene Kampf um Gleichberechtigung ging und geht dabei meist auch einher mit der Überzeugung, dass dann, wenn Frauen mit den Männern gleichberechtigt für die Entwicklung ihrer jeweiligen Gesellschaft verantwortlich sind, sich die gesellschaftlichen Verhältnisse verbessern und uns allen eine bessere Zukunft bevorsteht. Es ist dabei von „feministischer Politik“ die Rede und es werden feministische Zukunftsbilder gezeichnet, die durchaus vielversprechend sein könnten. Für das Verhältnis zwischen Mann und Frau wird auch vermutet, dass Androgynie das besondere Merkmal für dessen Zukunft sein könnte. Die Geschlechter nähern sich demnach immer mehr an: Männer ähneln Frauen und Frauen gleichen immer mehr den Männern.

Der Befreiungskampf der Frauen hat in vielen Bereichen und nahezu in allen Gesellschaften bereits erste Erfolge aufzuweisen. Im 20. und 21. Jahrhundert ist die Ideologie des Feminismus durchaus als bedeutsam und erfolgreich zu bezeichnen. Ja man könnte sogar von einem „Vormarsch“ sprechen. Das Wort „Vormarsch“ wird von mir bewusst aus der Sprache des Militärs und der Kriege entlehnt, denn waren über Jahrhunderte das Militär und die Kriege zwischen Stämmen und Völkern vorrangig eine Angelegenheit der Männer und galten Frauen eher als friedliebend und eher als kriegsfern, so hat sich auch hier in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen. So lösten sich noch kürzlich zwei Frauen als Ministerinnen in dem zuständigen Ministerium der Bundesregierung als „Militärexpertinnen“ ab und der Verteidigungsausschuss wird von einer medial immer präsenten und wortstarken Frau angeführt, die im Deutschen Bundestag ihre Rolle als „Militärexpertin“ auf eine besonders extrovertierte Weise genießt. Kriegsberichterstattung über den fürchterlichen russischen Krieg in der Ukraine und in Gaza erfolgt zunehmend durch Journalistinnen. Die deutsche Außenministerin meint sogar, dass sie u.a. eine „feministische Außenpolitik“ zu betreiben hat, die sich wohl dadurch auszuzeichnen hat, dass man in aller Schärfe diktatorische Staatsoberhäupter „angreift“. Diplomatie scheint in dieser Form von Außenpolitik hingegen eher ein Fremdwort zu sein. Kaum als diplomatischer lässt sich das politische Handeln einer Bundesministerin des Innern bezeichnen, die bei ihrem aggressiven Auftreten glaubt, sich in die Belange autonomer Sportorganisationen einmischen zu müssen und die ein internationales Sportereignis für populistische Aktionen benutzt, die weit über das hinausreichen, was sie in ihrem Ressort eigentlich zu verantwortenhat. Dass der Gastgeber dieses internationalen Sportereignisses sich zu Recht sehr verletzt gefühlt hat, ist dabei mehr als naheliegend gewesen.

Der Vormarsch der Frauen ist in allen gesellschaftlichen Bereichen zu beobachten; so auch im Sport, von dem im Folgenden gesprochen werden soll.
Der Sport öffnete sich  sehr früh – zumindest in einigen Sportarten – auch für Mädchen und Frauen. Fanden die ersten Olympischen Spiele im Jahr 1896 noch ohne weibliche Beteiligung statt, so konnten bereits bei den zweiten Olympischen Spielen im Jahr 1900 Frauen an den Golf- und Tenniswettbewerben teilnehmen. Man sieht an diesem Beispiel allerdings auch, dass die Emanzipation der Frau im Sport zunächst vorrangig eine Angelegenheit des Adels und der höheren Schichten gewesen ist. Sie ist somit vergleichbar mit dem Beginn der ersten Emanzipationsinitiativen, die von weiblichen Angehörigen der höheren Schichten getragen wurden, die dank ihrer besseren Bildung, ihrer materiellen und finanziellen Unabhängigkeit und dank ihrer frei verfügbaren Zeit, sich dem Problem der Benachteiligung von Frauen zuwenden konnten.
Doch der eigentliche Vormarsch des weiblichen Geschlechts hat im Sport erst nach dem zweiten Weltkrieg begonnen. Er hat nun mittlerweile dazu geführt, dass bei den Olympischen Spielen alle Olympischen Sportarten sowohl von Frauen als auch von Männern ausgeübt werden, die beiden Geschlechter die gleichen Teilnehmerzahlen bei den Spielen 2024 in Paris aufweisen werden und dass auch Antrittsgelder, Gewinn-Prämien und Sponsoring-Einnahmen durch Frauen zumindest in einigen Sportarten an die der Männer angeglichen werden. Im Bereich der Sportberichterstattung berichten immer häufiger Sportjournalistinnen von den wichtigsten sportlichen Ereignissen. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen moderieren bereits mehr Frauen als Männer die Sportprogramme und auch bei Live Übertragungen sind weibliche Reportagen durchaus üblich geworden. Waren einst Kampfrichterinnen und Schiedsrichterinnen eher die Ausnahme als die Regel, so sind in vielen Sportarten mittlerweile auch diesbezüglich gleichberechtigte Verhältnisse entstanden. In den Führungsgremien des Sports bemüht man sich, über Quotenregelungen zugunsten von Frauen diesen gleich viele leitende Positionen zu ermöglichen wie den Männern. Die nächste „Führungsspitze“ des IOC könnte eine Frau sein. Wenn Ausschüsse und Kommissionen zu benennen sind, so wird Wert darauf gelegt, dass möglichst gleich viele Frauen wie Männer diesen Gremien angehören und in einigen Sportarten kann man beobachten, dass der Vormarsch der Frauen bereits so erfolgreich gewesen ist, dass sie  über eine Mehrheit der Stimmen in einigen wichtigen Führungsgremien verfügen. Wie selbstverständlich befinden sich auch Frauen an der Spitze von internationalen Sportorganisationen und von nationalen Sportverbänden, wenngleich auch im Sport der Anteil der Frauen an diesen Führungspositionen noch viel zu gering ist.

Der erfolgreiche „Vormarsch“ der Frauen in den Gremien des Sports und im Sport im weitesten Sinne wird auch in den nächsten Jahren ganz gewiss noch weitere Erfolge aufweisen. Waren die Mannschaftssportarten in der Vergangenheit vorrangig Männerdomänen – und wurden als solche auch von den Massenmedien wahrgenommen – und in ihrer Entwicklung durch eine bevorzugte Berichterstattung verstärkt – so besteht nun die Chance, dass der Mannschaftssport der Frauen mindestens genauso bedeutsam wird wie der der Männer. In manchen Sportarten könnten möglicherweise angesichts besonderer qualitativer und ästhetischer Ausprägungen des Frauensports die Ereignisse des Männersports sogar noch überboten werden.

Angesichts des bisher erfolgreichen Vormarschs der Frauen im System des Sports ist es durchaus angebracht, dass die Frage gestellt wird, was sich auf diese Weise im System des Sports verändert hat, welche „emanzipatorischen Versprechungen“ sich bis heute erfüllt haben und was von der weiteren Entwicklung möglicherweise diesbezüglich zu erwarten ist.
Als jemand, der die Entwicklung des Sports sowohl als ein wissenschaftlich interessierter Beobachter über mehr als ein halbes Jahrhundert verfolgen durfte und als jemand der über nahezu denselben Zeitraum in Führungsgremien des nationalen und internationalen Sports Verantwortung übernommen hatte, war es mir bis heute immer wieder vergönnt, den emanzipatorischen Prozess der Frauen innerhalb des Sportsystems sowohl über prozessbegleitende wissenschaftliche Befunde als auch aus eigener Anschauung zu bewerten. Ohne die vielfältige Unterstützung von Frauen, denen ich in meinem beruflichen Lebensweg begegnet bin und mit denen ich zusammengearbeitet habe, wäre mein eigener beruflicher Werdegang wohl kaum möglich gewesen. Meine Erfahrungen mit Arbeitskolleginnen in den unterschiedlichsten Institutionen des Sports sind mindestens so positiv wie jene mit den männlichen Kollegen. Die empirischen Befunde zur Entwicklung der Partizipation der Frauen im System des Sports machten nicht nur mir sehr schnell klar, dass das eigentliche Mitgliederwachstum und damit auch der „Siegeszug“ des Sports im vergangenen und in diesem Jahrhundert, die in den letzten Jahrzehnten zu beobachten waren, im Wesentlichen den Frauen zu verdanken ist. Immer mehr Sportarten öffneten sich für Frauen; oft auch gegen den Widerstand von Männern, so wie dies zum Beispiel im Fußball über Jahrzehnte der Fall war. Man sollte sich auch heute noch daran erinnern, dass die erste Fußball Weltmeisterschaft für Frauen erst 60 Jahre nach der ersten Männer WM im Jahr 1991 stattfinden konnte und dass der DFB sein Fußballverbot für Frauen erst vor wenigen Jahrzehnten aufgehoben hat.

Dank des allgemeinen gesellschaftlichen Wandels, bei dem die Beteiligung der Frauen im öffentlichen Leben eine immer bedeutsamere Rolle spielte, wiesen immer mehr Sportarten eine besondere Attraktivität für Frauen auf und sie konnten sogar teilweise die Mehrheit der Mitglieder in immer mehr Sportverbänden stellen, in denen diese Sportarten ausgeübt wurden. So z.B. beim Reiten, beim Turnen, im Eiskunstlauf, beim Modernen Fünfkampf, in der Gymnastik, beim Schwimmen, im Volleyball, beim Tanzen und in der Leichtathletik. Es gibt Sportarten, bei deren Sportwettkämpfen, in denen Frauen gegen Männer kämpfen, so zum Beispiel beim Reiten, Segeln und im Motorsport. Es gibt in fast allen Sportarten mittlerweile auch sog. „Mix- Wettbewerbe“, bei denen Frauen und Männer gemeinsam eine Mannschaft bilden und gegen ebenfalls paritätisch besetzte gemischte Mannschaften antreten. Auch solche Wettkämpfe wurden über Jahrzehnte von einer vergreisten männlichen Altherrenriege internationaler Verbandspräsidien verhindert. Deren meist sehr dümmliche Vorstellungen von einem angeblich nur für Frauen geeigneten Sport und einem sog. „Männersport“ wurde längst von einem neuen Zeitgeist überrollt, der einen Weg eröffnete, dass jede denkbare sportliche Handlung und Sportart sowohl von Männern als auch von Frauen ausgeübt werden können. Boxen, Ringen, Wrestling, Bodybuilding, Schießen, Gewichtheben und Skispringen sind auf diese Weise in diesen Tagen längst auch weibliche Sportarten.
Was dabei allerdings auffällt ist der Sachverhalt, dass beim Emanzipationsprozess der Frauen im System des Sports eine kontinuierliche Annäherung der Frauen an den Sport der Männer zu beobachten ist und man diesen Prozess mit einer groß angelegten „Imitation“ vergleichen kann, bei der die Frauen das Ziel verfolgen, alles exakt nach dem Vorbild der Männer nachzuahmen. So soll z.B. auch die letzte heute noch bestehende spezifische Männer Disziplin der Leichtathletik, der Zehnkampf, den Siebenkampf der Frauen ersetzen. Im Frauenfußball wird die gleiche „Struktur“ wie die bei den Männern angestrebt und die Kommerzialisierung des Frauenfußballs findet zeitverzögert nach dem Modell der Männer statt
Innovationen zur Sportentwicklung, Erfindungen neuer Sportarten, ein Bemühen um eine spezifische und eigenständige weibliche Sportkultur lassen sich hingegen während der jahrzehntelangen Emanzipationsbemühungen im System des Sports nur ganz selten bzw. gar nicht beobachten. Dies könnte daran liegen, dass Frauen im Sport über einen sehr langen Zeitraum hinweg keine „eigenen Vorbilder“ hatten. Ihre Vorbilder waren und sind meist Männer und so wird dominant ein Männerbild des Sports tradiert, was dazu führt dass Änderungen höchst unwahrscheinlich sind. In diesem Zusammenhang ist es allerdings interessant, dass bei den olympischen Wettbewerben im Synchronschwimmen 2024 in Paris erstmals auch Männer starten dürfen.

Damit stellt sich die Frage, was sich im System des Sports durch die vermehrte Teilnahme von Frauen in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat und ob dieses System von dieser vermehrten Beteiligung qualitativ profitieren konnte und auch heute noch kann. Aus Mangel an verlässlichen wissenschaftlichen Studien zu dieser Fragestellung können als Antwort nur Vermutungen geäußert werden, die in meinem Fall auf einige einzelnen Beobachtungen aus der Ferne und auf teilnehmende Beobachtungen zurückzuführen sind.

Waren nach der Gründung des DSB im Jahr 1950 so gut wie alle Führungsposition im politischen System des deutschen Sports von Männern besetzt, so hat sich dies in den vergangenen 70 Jahren gravierend verändert. Die „Sportministerin“ ist mittlerweile eine Frau, das Bundesinstitut für Sportwissenschaft wird von einer Frau geführt. Von 2011 bis 2022 war die Vorsitzende der Nationalen Anti- Doping Agentur (NADA) eine Frau. Eine Frau hatte als erste den neu geschaffenen Vorstandsvorsitz im DOSB inne, eine Frau leitete über mehrere Wahlperioden hinweg den Sportausschuss des Deutschen Bundestages, im Präsidium des derzeitigen DOSB befinden sich ebenso viele Frauen wie Männer. In den Gremien und Arbeitsgruppen, die zur Erarbeitung eines „Deutschen Sportentwicklungsplans“ berufen wurden, befinden sich genauso viel Frauen wie Männer. Die Ämter der Bundestrainer sind schon seit langer Zeit keine Domäne mehr für Männer wie es noch vor 30 Jahren üblich war.
Das Amt einer Präsidentin der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft wurde mittlerweile auch für mehrere Wahlperioden an Frauen vergeben. Die Repräsentantin der deutschen Sportwissenschaft im Präsidium des DOSB war über mehr als ein Jahrzehnt eine deutsche Professorin. In derselben Eigenschaft war sie auch in wichtigen Führungsgremien des Weltsports vertreten. Institute für Sportwissenschaft, die über Jahrzehnte nur von Männern geführt wurden, weisen mittlerweile auch weibliche Direktoren auf. Bei der Besetzung von sportwissenschaftlichen Lehrstühlen werden Berufungen von Frauen bevorzugt, was dazu geführt hat, dass immer mehr Professorinnen an deutschen sportwissenschaftlichen Instituten lehren und forschen.

Die Beispiele für den Siegeszug der Frauen im System des deutschen Sports könnten fortgesetzt werden. Aus der Sicht der Frauen ist dieser Siegeszug sehr erfolgreich und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit müssen die Errungenschaften im Kampf um die Gleichberechtigung der Frau auch aus einer gesellschaftspolitischen Perspektive wertgeschätzt werden.
Dass dieser Kampf immer auch mit einem Verlust männlicher Privilegien einhergeht, ist naheliegend. Ist man als Bewerber um eine Professur für Sportwissenschaft, der bei seiner Bewerbung dank seiner besonderen wissenschaftlichen Qualifikationen den ersten Listenplatz auf einer Berufungsliste erreicht hat, von einer weiblichen Quotenregelung betroffen und deshalb das Scheitern seiner Bewerbung aus hochschulpolitischen Gründen folgerichtig ist, der wird vermutlich erhebliche Zweifel über die Gerechtigkeit einer derartigen Entscheidung haben. Männliche Verlusterfahrungen sind bei einem Vormarsch der Frauen erwartbar und sie sind deshalb auch im Sportsystem zu beobachten.
Angesichts der vielen Entwicklungsprobleme, die in diesen Tagen das Sportsystem aufweist, ist jedoch die Frage angebracht, ob mit der zunehmenden quantitativen Beteiligung von Frauen auch qualitative Fortschritte entstehen konnten und ob von einem gleichberechtigten Sportsystem bessere Lösungen für die derzeit zu beklagenden Probleme erwartet werden können.

Meine erste Beobachtung in Bezug auf diese Fragen richtet sich auf die vermehrte Teilnahme von Frauen in den Führungsgremien des Weltsports. Bei den Wahlkongressen der IAAF und ihrer Nachfolgeorganisation „World Athletics“ konnten in den vergangenen 30 Jahren Frauen alle vier Jahre immer mehr Sitze im sog. Council erreichen. Heute wird die Leichtathletik von einem Council geführt, indem gleich viele Männer und Frauen Sitz und Stimme haben. Für die Sportart Leichtathletik hat sich dadurch nur ganz wenig oder gar nichts verändert. Die Wahlen in die Führungsgremien in der Leichtathletik finden nach wie vor auf äußerst fragwürdige Weise statt. „Stimmenkäufe“ durch die Vergabe von sog. „Incentives“ sind immer noch üblich. Es wird bei der Nominierung und der Wahl von Kandidaten und Kandidatinnen nicht nach fachlicher Qualifikation gefragt, sondern der kontinentale Proporz gibt die Wahlentscheidungen vor. In Bezug auf die sportpolitischen Leistungen, die die neu gewählten weiblichen Mitglieder aufzuweisen haben, gibt es im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen keine Unterschiede. Noch viel problematischer ist jedoch, dass die Krise der internationalen Leichtathletik trotz dieser emanzipatorischen Erfolge der Frauen in den Gremien der Leichtathletik sich eher verschlechtert als verbessert hat und auch keine Lösungen zu erkennen sind, durch die sich dieser Zustand verändern könnte.
Betrachten wir die staatlichen Institutionen des Sports, die mittlerweile auch von Frauen geführt wurden bzw. werden, so scheint die Bilanz kaum positiver zu sein. Durch die weibliche Führung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft hat sich in Bezug auf die Führungslosigkeit der deutschen Sportwissenschaft im deutschen Sport im Vergleich zu den männlichen Vorgängern so gut wie nichts verändert. Auch deren fachliche Kompetenz war meist sehr bescheiden; sie waren typische Verwaltungsbeamte, die man nach kurzen Amtszeiten im BISP zu weiteren Beförderungen bzw. Versetzungen in andere ministeriale Führungspositionen berufen hatte. Daran hat sich durch die weibliche Führung dieses Bundesinstituts nichts geändert.
Gleiches lässt sich für die Aufgabenwahrnehmung der Sportpolitik Deutschlands durch eine weibliche Ministerin des Innern beobachten. Trotz oder wegen ihr ist die geplante unabhängige Sport- Agentur offensichtlich gescheitert, einen verbindlichen Sportentwicklungsplan gibt es bis heute nicht und das POTAS System steht nach wie vor auf dem Prüfstand. Ihr Auftritt bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar zu Gunsten der LBGT- Bewegung kann an Peinlichkeit wohl kaum übertroffen werden. Von einer qualitativen Verbesserung durch eine „weibliche“ Sportpolitik kann wohl kaum die Rede sein.
Betrachten wir die Arbeit des Sportausschusses des Deutschen Bundestages unter der langjährigen Führung einer Frau, so kann man wohl kaum erkennen, dass sich diese Arbeit in Bezug auf die Beeinflussung der deutschen Sportpolitik von der Arbeit all ihre Vorgänger unterscheiden konnte. Auch hier ist eher das Gegenteil der Fall: Die schon seit längerer Zeit beobachtbare Bedeutungslosigkeit dieses Ausschusses nahm in dieser Zeit noch erheblich zu.
Was die Vertretung der deutschen Sportwissenschaft in den internationalen Sportorganisationen wie dem IOC und im Präsidium des D0SB betrifft, so muss man selbst bei einer sehr wohlwollenden Beurteilung zu dem Ergebnis gelangen, dass die weibliche Vertreterin, deren sportwissenschaftliche Kompetenz eher nur unzureichend ausgewiesen war, die Qualität ihres männlichen Vorgängers nicht einmal in Ansätzen erreichen konnte.

Die Situation der Sportwissenschaft an den Instituten für Sportwissenschaft der deutschen Universitäten hat sich trotz der vermehrten Beteiligung von Frauen in Forschung und Lehre wohl kaum zum Besseren verändert. Es wäre anmaßend, wenn jemand behaupten würde, dass sich dadurch die Qualität der Lehre und Forschung an den entsprechenden Instituten verbessert habe. Vielmehr wird gegenüber diesen Instituten die Klage erhoben, dass in ihrem Ausbildungsprogramm das Lehramtsstudium immer mehr an Bedeutung und Qualität verloren hat, dass die wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten immer größere theoretische Schwächen ausweisen und dass der Bereich des Leistungssports in der Forschung meist zu Gunsten eher esoterisch anmutenden Einzelfragestellungen aus den Bereichen „Gesundheit“ und „Freizeit“ vernachlässigt wird. Diese Entwicklung ist ganz gewiss nicht allein den sich nach wie vor in der Minderheit befindenden Wissenschaftlerinnen im Bereich des Sports zuzuschreiben. Doch ist nicht zu erkennen, dass durch ihre vermehrte Teilnahme in der Lehre und in der Forschung eine positive Veränderung der Situation der deutschen Sportwissenschaft eingetreten bzw. zukünftig zu erwarten ist.
Eine zunehmende Verweiblichung des DOSB und seiner Führungsgremien wurde in den letzten Jahren wohl immer offensichtlicher, doch eine Steigerung der Führungskompetenz innerhalb der DOSB- Gremien ist bis heute nicht zu erkennen. Auch durch eine Beteiligung der Frauen im Präsidium, im Vorstand und in allen weiteren Führungsgremien konnte die geplante Olympiabewerbung bis heute weder mit einem besonderen Alleinstellungsmerkmal aufwarten, noch ist zu erkennen, dass solch eine Bewerbung überhaupt erfolgreich sein könnte. Eine besonders ausgeprägte Inkompetenz ist dabei vor allem im Umgang mit den Repräsentanten der staatlichen Politik zu erkennen.
Dies gilt auch für den geplanten „Sportentwicklungsplan“, der wohl in diesen Tagen gescheitert ist und bei dem der Sport der Politik den „schwarzen Peter“ zugeschoben hat. Doch dass die Verantwortlichen in den Führungsgremien des deutschen Sports tragfähige, eigene Lösungsvorschläge für das geplante Vorhaben einbringen, ist nicht zu erkennen und kann wohl auch nicht erwartet werden. Die bislang öffentlich gewordenen Ergebnisse lassen nicht erkennen, dass es durch die vermehrte Beteiligung von Frauen zu einem wesentlichen Kompetenzzuwachs gekommen ist und dass auf diese Weise die Probleme in nächster Zukunft gelöst werden würden.
Erinnern wir uns an die oben erwähnten Feststellungen über die Menschheit, über deren Zusammensetzung und über deren Qualität, so können die hier gemachten Beobachtungen eigentlich kaum überraschen. Überraschen muss vielmehr, warum Frauen immer wieder glauben, dass durch ihre erhöhte Beteiligung entscheidende gesellschaftliche Veränderungen entstehen können, die durch die zahlenmäßig höhere Beteiligung von Männern bislang nicht möglich gewesen sind.

Die Praxis einer intensivierten Beteiligung der Frauen in der Gesellschaft zeigt, dass Frauen sich dabei nur selten von Männern unterscheiden. Auch unter ihnen gibt es fleißige, kluge, engagierte, kreative, und verantwortungsvolle Frauen. Es gibt aber auch die unfähigen, die eitlen, die dummen, die faulen und die verantwortungslosen Frauen, von denen man sich wünschen würde, dass man sie von den verantwortlichen Gremien des Sports wie auch jener der Politik fernhalten kann.
Diesen Wunsch hätte es jedoch schon längst immer auch dann geben müssen, wenn in der Vergangenheit und auch heute noch bei den unzähligen Wahlkongressen der internationalen Sportverbände und der nationalen Sportorganisationen viel zu viele faule, dumme, eitle, unfähige und verantwortungslose männliche Sportfunktionäre in wichtige Führungsämter des Sports gewählt wurden.
Die beschriebenen Beispiele legen die Annahme nahe, dass das Geschlecht offensichtlich keine Kategorie ist, die über die Frage entscheiden kann, ob Verbände gut oder schlecht geführt werden. Zu glauben, dass über eine gleichberechtigte Besetzung aller Führungspositionen in den Sportorganisationen etwas zum Besseren sich wendet, ist naiv. Will man dies, so müssen die Strukturen der Verbände aufgebrochen und durch neue und bessere Strukturen ersetzt werden. Sollten sich mehr fachlich qualifizierte Frauen als Männer an dieser sehr schwierigen Aufgabe beteiligen, so wäre dies durchaus erwünscht.

Letzte Bearbeitung: 23. 05. 2024