Fernseh-WM ohne Endspiel

Stellen Sie sich vor: Deutschland ist Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft. Die Spiele der Vorrunde wurden wie selbstverständlich im Fernsehen übertragen. Deutschland hat auch das Viertelfinale und Halbfinale erreicht. Doch dort endet die deutsche Erfolgsserie. Die deutsche Fußballnationalmannschaft kann nur noch um den dritten Platz spielen. Das Finale ist der englischen und französischen Nationalmannschaft vorbehalten. Nach der Niederlage im Halbfinale entscheidet das öffentlich-rechtliche Fernsehen das Finale der Heim-WM nicht zu übertragen. Lediglich das deutsche Spiel um den dritten Platz wird für eine Übertragung als würdig betrachtet. In diesem Spiel spielt die deutsche gegen die spanische Nationalmannschaft. Was wäre wohl die Reaktion auf diese fernsehpolitische Entscheidung? Von einem Skandal im Gastgeberland wäre die Rede. Die Fernsehanstalten würden wegen ihrer einseitigen Berichterstattung angeklagt und der Internationale Fußballverband würde gegen diese Entscheidung Protest einlegen.

In diesen Tagen ist die Handballweltmeisterschaft zu Ende gegangen und übertragen auf den Handballsport hat genau dieses Gedankenspiel seine Realität gefunden. Deutschland war Gastgeber einer Handballweltmeisterschaft und das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat das Endspiel dieser Weltmeisterschaft seinen Zuschauern vorenthalten, weil dieses Spiel ohne deutsche Beteiligung stattgefunden hat. Nicht nur für die Freunde des Handballsports ist diese Entscheidung ein Skandal. Es ist ein gravierender Verstoß gegen das Prinzip des Fair Play. Es ist ein weiteres Indiz dafür welch geistloser Chauvinismus mittlerweile bei Sportübertragungen im deutschen Fernsehen gepflegt wird.

Mit Dänemark und Norwegen haben ohne Zweifel die beiden besten Mannschaften des Weltmeisterschaftturniers das Finale erreicht. Beide Mannschaften pflegen einen Spitzenhandball, der nicht nur von Experten als etwas ganz besonderes wahrgenommen wird. Im Rückraum sind Spieler zu beobachten, die über ein perfektes Sprungwurfrepertoire verfügen, die ständig in Bewegung sind und ihre Kreisläufer nahezu aus jeder Situation zu bedienen wissen. Die Kreisläufer sind nicht weniger lauffreudig, wechseln gekonnt ihre Positionen und verfügen über Wurfvarianten wie sie nur ganz selten anzutreffen sind. Gekrönt wird die Leistung dieser Mannschaften durch außergewöhnliche Torhüter, die ohne Zweifel zu den besten der Welt zählen. Beide Mannschaften zeigen trefflich, dass Handball ein Mannschaftsspiel ist, bei dem es auf alle Beteiligten ankommt wenn man zur Weltspitze gehören möchte. Sie zeigen aber auch, dass Handball schnell und kreativ gespielt werden kann, ohne dass das Spiel ständig durch oft viel zu harten Körperkontakt oder gar durch ein unfaires Foulspiel unterbrochen wird. Das Spiel dieser Mannschaften ist ohne Zweifel eine Werbung für den Handballsport.

All diese Qualitäten und die besondere Schönheit dieses Endspiels wurden nun den deutschen Zuschauern vorenthalten. War es schon ärgerlich, dass im öffentlich -rechtlichen Fernsehen während des Turniers lediglich die Spiele der deutschen Mannschaft übertragen wurden, obgleich Deutschland mit Dänemark Gastgeber dieser WM war, so ist die Zumutung kaum zu übertreffen, wenn man die Präsenz des Handballs bei ARD und ZDF einzig und allein vom Sieg der deutschen Mannschaft abhängig macht. Dabei hat die deutsche Mannschaft ohne Zweifel eine herausragende Weltmeisterschaft gespielt. Nationaltrainer Prokop hat die Mannschaft in kurzer Zeit zu einer Geschlossenheit geführt wie man sie noch vor wenigen Monaten nicht erwartet hätte. Die deutsche Mannschaft hatte sich in einer Vorrundengruppe zu bewähren, in der mehrere Gegner eine äußerst schwierige Herausforderung darstellten. Die knappen Entscheidungen in den Spielen gegen Russland und Frankreich sprechen ihre eigene Sprache. Ohne den hilfreichen Heimvorteil wäre es durchaus möglich gewesen, dass der erfolgreiche Weg ins Halbfinale frühzeitig beendet worden wäre. Die von der deutschen Nationalmannschaft in der Vor- und Hauptrunde gebotenen Leistungen gehören ohne Zweifel zu den besten Leistungen, die eine deutsche Mannschaft in den beiden letzten Jahrzehnten erbracht hat.

ARD und ZDF haben dabei allerdings mit ihrer Berichterstattung eine Erwartungshaltung provoziert bei der ein WM-Sieg nahezu zur einzigen Option geworden war. Eine Hexenkesselatmosphäre in den Arenen und die euphorische Kommentierung nur wenig kompetenter Reporter hat dabei eine Symbiose ergeben, die eine einseitige Bevorzugung der eigenen Mannschaft zufolge hatte und damit ständig das Fair Play-Ideal infrage stellte. „Himmelhoch jauchzend zu Tode getrübt“ scheint dabei das gewählte Sendekonzept des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bei dieser Handball-WM gewesen zu sein. Die weit verbreitete Frustration nach dem verdienten Sieg Norwegens über Deutschland konnte deshalb kaum überraschen.

Dass man dem Fernsehpublikum unterstellt, dass es angesichts dieser Frustration auf eine Übertragung des Endspiels dieser Handball-WM verzichten kann und deshalb lediglich das deutsche Spiel um den dritten Platz gezeigt wird, ist sehr viel mehr als nur eine freche Anmaßung und Bevormundung. Mehr als 10 Millionen Zuschauer wurden zuvor über mehr als zwei Wochen in chauvinistischer Manier zu einem euphorischen Handballpublikum verwandelt, das es nun ganz offensichtlich nicht einmal verdient, dass es auch das Endspiel dieser großartigen Weltmeisterschaft sehen darf. Dies kann und darf nicht akzeptiert werden. Die Sportberichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sollte nicht nur unterhalten. Sie hat auch einen Bildungsauftrag. Ihre Sendekonzeption muss auch dem so wichtigen Prinzip des Fair Play verpflichtet sein. Eine gute Sportberichterstattung kann sich durchaus durch ein besonderes Ethos auszeichnen. Bei der jüngsten Handball-WM in Deutschland war dies gewiss nicht der Fall.

Diese Kritik ist auch dann berechtigt, wenn die Ursache zu dieser fragwürdigen Entscheidung im Erwerb der Übertragungsrechte durch ARD und ZDF zu suchen ist, wie dies in einer Nachricht der FAZ mitgeteilt wurde. Die Frage nach den Kriterien, die für den Kauf von Sportübertragungsrechten durch ARD und ZDF ausschlaggebend sind, muss dann dringender denn je gestellt werden. Einmal mehr wird dabei deutlich, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen immer häufiger wie die privaten Sender an hohen Einschaltquoten orientiert ist und dabei den Qualitätsauftrag und die umfassende Informationspflicht vergisst, die der staatlich verpflichtete Gebührenzahler erwarten darf.

Auf Reaktionen der Aufsichtsräte von ARD und ZDF oder auf eine Stellungnahme des zuständigen Ausschusses im Deutschen Bundestag darf man gespannt sein.

Verfasst: 27.01.2019