Europäische Spiele – Ein Beispiel für viele

Nun fanden sie also statt, die ersten Europäischen Spiele. Aserbaidschan mit seiner Hauptstadt Baku war der Gastgeber. Lässt man sich von Wikipedia über diesen Gastgeber beraten, so wird einem mitgeteilt, dass es sich dabei um einen Binnenstaat in Vorderasien, zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus handelt. Im Norden grenzt dieser Staat an Russland, nordwestlich an Georgien, im Süden an den Iran und im Westen an Armenien. Allein die geografische Lage lässt somit Zweifel aufkommen, ob Aserbaidschan ein geeigneter Gastgeber für die ersten Europäischen Spiele gewesen ist. Die Zweifel wurden sehr schnell zu einer berechtigten Kritik, wenn man die politischen Verhältnisse in diesem Staat genauer beleuchtete. Nicht nur „Freedom House“ stufte Aserbaidschans Presse als nicht frei ein, auch das Komitee „To Protect Journalists“ gab an, dass in Aserbaidschan keine ausländischen und unabhängigen Rundfunkanstalten existieren. In der Rangliste von „Reportern ohne Grenzen“ befand sich Aserbaidschan unter 180 Staaten auf Platz 160. Der Europarat musste noch im Jahr 2009 einen Sonderberichterstatter für politische Gefangene in Aserbaidschan ernennen.

Von einer parlamentarischen Demokratie kann somit bezogen auf diesen Staat nur sehr bedingt gesprochen werden. Da kommen internationale Events den Propaganda-Interessen der regierenden Partei „Neues Aserbaidschan“, die auf Wahlerfolge wie zu Zeiten der Sowjetunion verweisen kann (80%), sehr entgegen. Mit einer expansiven Erdölindustrie ließen sich sowohl der Eurovision Song Contest als auch die ersten Europaspiele auf dem Gebiet des Sports finanzieren. Transparency International wies darauf hin, dass Aserbaidschan in der Korruptionsstatistik von 178 Staaten auf Rang 134 gelistet ist. Würde man einige internationale Sportorganisationen in diese Statistik aufnehmen, so hätte man erkennen können, dass sich ganz offensichtlich bei den Europäischen Spielen in Baku Gleiches mit Gleichem getroffen hat.

Es lohnt sich, einen Blick zurück zu werfen. Noch zur Amtszeit des ersten DOSB-Präsidenten wurde in Versammlungen der internationalen Repräsentanten deutscher Sportorganisationen der Versuch unternommen, alle Mitgliedsverbände auf eine einheitliche Haltung gegenüber der fragwürdigen Idee der kleinen europäischen Minderheit einzuschwören, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Europäische Spiele einzuführen. DOSB-Präsident Bach mit seinen diplomatischen Eigeninteressen gab vor, dass man sich bei der entscheidenden Sitzung der Europäischen Olympischen Komitees enthalten sollte. Gleichzeitig teilte er aber auch alle Bedenken, die gegenüber dieser neuen Idee geäußert wurden. Ein übervoller Wettkampfkalender ließe ein neues Ereignis nicht zu. Die internationalen Verbände, die die Olympische Bewegung tragen, beurteilten eine Beteiligung an diesen Spielen als nicht sinnvoll, da sämtliche Verbände eigene Europameisterschaften aufweisen. Ein Vergleich mit anderen Kontinenten machte schon allein aus diesem Grund kaum einen Sinn. Unter Vermarktungsinteressen wurden erhebliche Verluste in Bezug auf die weitere Entwicklung der eigenen Meisterschaften erwartet und nicht zuletzt ging es auch um einen Schutz der Athleten, die nicht weiter einer bereits bestehenden erhöhten Verletzungsgefahr durch zu viele Wettkämpfe ausgesetzt sein dürfen.

Die Idee der Europäischen Spiele war dabei zunächst die Idee eines ehrgeizigen irischen Sportfunktionärs, der für sich selbst ein wichtiges Betätigungsfeld suchte. Als Präsident der Vereinigung des Europäischen Olympischen Komitees suchte er ein Lebenswerk, das mit seinem Namen zu verbinden ist. Hein Verbruggen hatte ihm dieses vorgemacht, als er den Verband SportAccord gründete und sich selbst in einer gut vorbereiteten Wahl zum ersten Präsidenten kürte. „World Mind Games“, „World Combat Games“ und weitere globale Sportereignisse waren die Folge. Die Konkurrenz zu den bestehenden Sportorganisationen, insbesondere zum IOC, wurde sehr schnell offensichtlich. Mit SportAccord ist eine Sportorganisation entstanden, die niemand benötigt und die ausschließlich Privatinteressen dient und deren Sinn der Konzeption einer Marketingagentur entspricht. Doch wo immer sehr viel Geld lockt, entstehen unkontrollierbare Eigeninteressen und Menschen und Organisationen werden schwach, die zuvor noch vorgegeben haben, in aller Konsequenz dagegen zu sein. Von all den mittlerweile zu beobachtenden globalen Sportevents machte dabei allenfalls die Gründung der sogenannten „World Games“ Sinn, denn in ihnen werden alle nicht-olympischen Sportarten zusammengeführt, so dass neben den Olympischen Spielen ein zweites großes Sportereignis mit einer guten Begründung bestehen kann, in dem sich die Athleten aller nicht-olympischen Sportarten bei einem globalen Sportereignis messen können. Unter Jacques Rogge hat der Sündenfall damit begonnen, dass das IOC der Gründung von SportAccord zugestimmt hat. Mit der Anwesenheit der IOC-Exekutive bei den Versammlungen von SportAccord wurde diese Organisation entsprechend aufgewertet. Gleiches folgte bei den Initiativen, die zur Gründung der ersten Europäischen Spiele geführt haben. Im Juni 2015 fand das Ereignis schließlich statt und was einmal eingerichtet ist, ist kaum noch zurück zu nehmen.

Der Sportkalender wurde damit erneut erweitert. Die Belastung der Athleten wird sich noch weiter erhöhen und die Gier nach Geld wird weiter wachsen. Der damals neu gewählte Präsident des Europäischen Leichtathletik Verbandes sah es als eine seiner ersten Amtshandlungen, der Welt mitzuteilen, dass sich die europäische Leichtathletik zukünftig an den Europaspielen beteiligen wird, obwohl diesbezüglich sein Vorgänger eine strikte Nicht-Unterstützung beschlossen hatte. Der DOSB war mit einer großen Mannschaft bei den Europäischen Spielen anwesend. Man beteiligte sich entsprechend an der Propaganda zugunsten dieser Spiele. Von einer kritischen Haltung war so gut wie nichts mehr zu erkennen. Aserbaidschan hat mit viel Geld die Sportnationen Europas angelockt und heute wundert sich kaum noch jemand, dass die ersten Europäischen Spiele zumindest aus einer geografischen Perspektive in Asien stattgefunden haben.

Dabei könnten Europäische Spiele durchaus Sinn machen. Für den politischen Integrationsprozess Europas, den die EU zu verantworten hat und der auch dringend geboten ist, können Europäische Spiele ohne Zweifel äußerst reizvoll sein. Der Sport als besonderes Ausdrucksmittel einer europäischen Kultur hat in der Entwicklung des Weltsports große Verdienste erreicht. Heute ist der Sport mehr denn je gefragt wenn es um Integrationsprozesse Europas geht. Eine Konferenz der europäischen Sportfachverbände wäre somit mehr als wünschenswert. Doch für die weitere Entwicklung Europäischer Spiele wären dabei einige wichtige Voraussetzungen zu beachten. Die Europäer müssten selbst wissen was Europa ist und welche Rolle sie dem Sport zumessen. Ist Europa das Europa der EU oder es ist das Europa des Euro? Ist Russland Teil Europas oder wird es wie derzeit militär-politisch üblich exterritorial ausgegrenzt? Eine zukunftsorientierte Sportpolitik ist auf dem europäischen Kontinent derzeit jedoch nicht zu erkennen.

Die zweite Voraussetzung für eine erfolgreiche Fortführung Europäischer Spiele wäre die Beteiligung der Athleten an der Entscheidungsfindung. Wer von ihnen will diese Spiele und was sind dabei deren ideelle und materielle Erwartungen? Schließlich müssen auch die Parlamente der europäischen Staaten in einen Entscheidungsprozess eingebunden sein, da deren Steuerzahler letztlich die Vorbereitungen und Entsendung der Nationalmannschaften zu den Europäischen Spielen zu bezahlen haben. Nichts von dem ist im Vorfeld der ersten Europaspiele in Baku 2015 ausreichend geschehen und so müssen die ersten Europäischen Spiele als ein Sportereignis bezeichnet werden, dem es an demokratischer Legitimation erheblich mangelte.

 

Verfasst: 31.07.2017