Red Bull – Ein Modell für das Verhältnis von Sport und Wirtschaft?

Sport und Wirtschaft befinden schon seit langer Zeit in einer äußerst erfolgreichen Partnerschaft. Eine der erfolgreichsten weist den Namen „Red Bull“ auf. Am 28. August 1987 wurde diese Partnerschaft durch einen Sponsorenvertrag zwischen Dietrich Mateschitz, dem Red Bull Erfinder und Miteigentümer der Red Bull GmbH und dem Salzburger Eishockey Club ins Leben gerufen. Jüngst feierte die Partnerschaft ihren 30. Geburtstag. Fragt man Marketingexperten, so ist das Sponsoringnetz zwischen Red Bull und der Welt des Sports heute erfolgreicher denn je. Das Produkt, um das es dabei geht, könnte kaum einfacher sein. Es handelt sich um ein taurinhaltiges Getränk, wie es zunächst in Japan konsumiert wurde. Japanische Piloten nutzen dieses Getränk zur Steigerung von Konzentrationsleistungen. Dietrich Mateschitz, der Gründer der Red Bull GmbH lernte das Getränk in Thailand kennen. Bei einem Besuch 1982 in Thailand stellte er fest, dass das Getränk, das in Thailand den Namen Krating Daeng hatte, seinen Jetlag positiv beeinflusste. Mateschitz übernahm Name, Marketingkonzept und Grundrezeptur dieses Getränkes, passte es dem westlichen Geschmack an und ging damit 1987 auf den österreichischen Markt. „Red Bull verleiht Flügel“ wurde zur Werbebotschaft, für die vor allem die Jugend Europas sehr schnell Interesse zeigte. Jugendlicher Lebensstil und Sport erwiesen sich als eine äußerst geeignete Marketingsymbiose. Für die Wintersportnation Österreich spielt dabei Eishockey eine besondere Rolle und so war der Einstieg beim EHC Salzburg mit einer bescheidenen Sponsorenleistung von 36.000 Euro pro Jahr naheliegend. Das Interesse von Mateschitz galt jedoch nicht nur dem Eishockey. Schnell wurde Fußball die wichtigste Plattform seiner Marketingkonzeption zur Präsentation der Marke Red Bull. Nicht weniger bedeutsam war das Engagement im Motorsport mit der Formel-1 und einem eigenen Rennstall. Dieses Engagement sorgte für weltweite Absatzsprünge der Marke Red Bull. Bereits 1995 hatte Mateschitz zwei Drittel des Sauber-Rennstalls übernommen. Die Partnerschaft dauerte über einen Zeitraum von zehn Rennsaison. Dann wurde aus Jaguar-Racing Red Bull-Racing. Gerhard Berger war für Mateschitz das besondere österreichische Aushängeschild und wer konnte das Produkt besser präsentieren als Gerhard Berger beim Formel-1 Grand Prix in Rio de Janeiro, als er beim Joggen am Strand mit der Red Bull Dose in der Hand zum besonderen Rolemodel wurde. Doch nicht nur der Motorsport war für Red Bull bedeutsam. Die Snowboarder, Skispringer, Ruderer, Mountainbiker, vor allem Raimund Baumschlager und Felix Baumgartner, eröffneten Red Bull mit ihren sportlichen Leistungen Werbeanlässe, die in ihrer Mixtur und in ihrer Gesamtkonzeption bei keinem der Produktkonkurrenten anzutreffen sind.

Heute kann man von einem Imperium Red Bull in der Welt des Sports sprechen, wobei Mateschitz sich nur noch um die ganz großen Themen seiner Sportkooperationen kümmert – um die Formel-1 und um Fußball. Im Fußball sind Red Bull Salzburg und Red Bull Leipzig die beiden Marktführer für die Märkte Österreich und Deutschland. Leipzig hat dank einer langfristigen Aufbaukonzeption mittlerweile gar die Champions League erreicht. Zwei Eishockeymannschaften gehören dank Mateschitz dieser europäischen Liga ebenfalls an. In der Formel-1 muss sich Red Bull derzeit eher mit einer nachgeordneten Position begnügen, nach dem er mit Vettel noch Weltmeistertitel erreichen konnte.

So wie sich das Produkt Red Bull über viele Varianten weiterentwickelt hat, so hat sich auch die Marketingkonzeption von Mateschitz in den vergangenen 30 Jahren immer weiter diversifiziert und ihre Schwerpunkte abhängig vom Markt und von der Konkurrenz finden können. Längst wurde die Werbekonzeption über Deutschland und Österreich hinaus und über Europa hinweg in alle Kontinente hinweg ausgeweitet. In den Bereichen Fußball und Eishockey werden die „New York Red Bulls“, „Red Bull Ghana“, „Red Bull Brasil“ gesponsert und mit seinem Tochterunternehmen „Red Bull Media House GmbH“ besitzt Mateschitz den Fernsehsender Servus TV mit Sitz in Salzburg, mit dem er das vielfältige Abenteuer-Sport-Engagement an seine jungen Zielgruppen heranführen will. Vor wenigen Wochen hat er den Medienmarkt mit einer Plattform für investigative journalistische Recherche mit dem Namen „addendum“ bereichert. Damit gibt er eine Antwort auf die viel zitierte Krise des Journalismus. Dem ging im März 2017 die Gründung seiner Medienstiftung „Quo Vadis Veritas“ (Übersetzung: „Wohin gehst du Wahrheit“) voraus. Eine Redaktion mit 40 Mitarbeitern unterstützt Mateschitz bei seiner Suche „nach der Wahrheit“.

Der Markt der Softdrinks ist heiß umstritten und seit deren Anfänge wird der Sinn und Unsinn dieser Getränke äußerst kontrovers diskutiert. Red Bull ist davon ohne Zweifel ganz besonders betroffen. Red Bull besteht hauptsächlich aus Wasser, Zucker, Koffein und Taurin und einigen zugesetzten Vitaminen. Taurin werden gesundheitliche Gefahren zugesprochen. Deshalb wurde das Getränk auch in Frankreich über Jahrzehnte nicht zugelassen. Erst als Taurin durch Arginin ersetzt wurde, erhielt Red Bull eine französische Lizenz. Ähnliche Verbote gab es auch in Dänemark und Norwegen. Das besondere an Red Bull ist, dass es keine eigenen Produktionsstätten besitzt. Mateschitz lässt das Getränk bei der Firma „Rauch Fruchtsäfte“ im Vorarlberg produzieren und abfüllen. Für den amerikanischen Markt wird es von Rauch in der Schweiz abgefüllt, wo ein Werk in Widnau errichtet wurde. Dieser Standort wurde gewählt, um bei Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und den USA nicht betroffen zu sein. Die mentalen Leistungseffekte, mit denen das Produkt wirbt, wurden in mehreren Studien überprüft. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ist jedoch die Wirkweise des Getränks nach wie vor umstritten. Nicht zuletzt deshalb müssen die Dosen beim Verkauf mit einem Warnhinweis versehen werden, dass Red Bull Koffein enthält und Kindern nicht empfohlen werden kann. Infrage gestellt sind auch der hohe Zuckergehalt, die überflüssigen Vitamine und weitere problematische Inhaltsstoffe. Die Weltgesundheitsorganisation sprach entsprechende Warnungen aus.

Für Red Bull hat sich die sportbezogene Werbekonzeption immer wieder als riskant erwiesen. Die Hinwendung zu Extremsportarten, die damit verbundenen Red Bull Veranstaltungen und Aktionen haben die jugendlichen Zielgruppen wohl außergewöhnlich erfolgreich erreicht, die Werbewirkung wird jedoch durch die Risiken, die bei diesen Veranstaltungen anzutreffen sind, erheblich beeinträchtigt. Red Bull wird mittlerweile die Mitschuld an mehreren Todesfällen vorgeworfen, die sich bei Extremsportveranstaltungen ereigneten. So verunglückte der 14-jährige Motoradfahrer Toriano Wilson beim „Red Bull AMA U.S. Rookies Cup“. Der US-Amerikaner Caleb Moore wurde bei den „Winter X Games“ bei einem Back Flip von einem Schneemobil getroffen und verstarb unmittelbar danach. Shane McConkey starb bei einem Stunt über eine Klippe beim Sass Pordoi. Eli Thompson kam bei Dreharbeiten für einen Promotionfilm von Red Bull bei einem Sprung mit einem Wingsuit um und Base Jumper Ueli Gegenschatz verunglückte bei einem Sprung vom Sunrise Tower in Zürich tödlich. Ebenso starb der japanische Motocross Fahrer Eigo Sato beim Training für die „Red Bull X Fighters Tour“ und Matilda Rapaport überlebte ein Lawinenunglück in Chile nicht, das sich bei den Dreharbeiten für einen Werbesport ereignete.

Dem Erfolg der Marke Red Bull haben solche tödlichen Ereignisse nur bedingt geschadet. Heute ist Red Bull in 171 Ländern der Welt erhältlich und seit der Markteinführung 1987 wurden mehr als 62 Milliarden Dosen Red Bull konsumiert. Im Jahr 2016 lag der Umsatz bei sechs Milliarden Euro. Das Unternehmen beschäftigt 11.865 Mitarbeiter und der Sport ist für Red Bull nicht nur eine ideale Marketingplattform geworden, er ist vielmehr neben dem Getränk Red Bull zu einem eigenen Verkaufsprodukt herangewachsen, mit dem sich bei einem erfolgreichen Management große Gewinne erzielen lassen. RB Leipzig zeigt dies auf eindrucksvolle Weise. Das Engagement von Red Bull in der Welt des Sports bricht mit einigen Traditionen und dennoch trifft man dabei auf die bewährten Sportstrukturen der Sportfachverbände. Im Fußball zeigt sich dies ebenso wie im Eishockey. Wo immer heute Mannschaften von Red Bull sich mit Gegnern des angeblich richtigen Sports messen, werden sie mit einer besonderen Form von Ablehnung konfrontiert, die man auch als Neid interpretieren könnte. Eine sachliche Begründung kann man für diese Ablehnung kaum finden. Es ist vielmehr eher als irrational zu bezeichnen, wenn Red Bull Mannschaften von gegnerischen Fans ausgepfiffen und nicht selten auch mit beleidigenden Sprechchören diskriminiert werden. Die Kritik an sogenannten Werksmannschaften hat in Deutschland Tradition, wobei allerdings verkannt wird, dass diese Werksmannschaften schon seit Beginn des modernen Sports integraler Bestandteil des Systems Leistungssport gewesen sind. Die Ablehnung der Werksmannschaften und damit auch die Ablehnung von Red Bull Vereinen hat mit dem vielen Geld zu tun, das angeblich solchen Vereinen von ihren Eigentümern zur Verfügung gestellt wird. Traditionelle Vereine sind hingegen, so wird ferner angenommen, auf die Mitgliedsbeiträge ihrer Fans angewiesen und können mit den privilegierten Finanzierungsmöglichkeiten dieser neureichen Vereine nicht konkurrieren. Diese Ungleichheitsannahme gehört allerdings, sollte sie jemals gegolten haben, längst der Vergangenheit an. Im Profisport sind heute nahezu sämtliche Mannschaften Wirtschaftsunternehmen, die sich am Prinzip der Wirtschaftlichkeit zu orientieren haben. Stehen Einnahmen und Ausgaben nicht in einer ausgewogenen Beziehung, so ist ein Konkurs möglich, ganz gleich welchen Namen ein Verein trägt und welches Gründungsjahr er aufweist. Red Bull Vereine sind längst unabhängige Unternehmen geworden, die sich am Markt zu bewähren haben. Ist dies nicht der Fall und kann der Sponsor Red Bull seine Ziele nicht realisieren, so ist eine Beendigung der Kooperation ebenso wahrscheinlich, wie dies für jeden anderen Sponsor im professionellen Sport gegenüber den gesponserten Teams gilt. Unter ökonomischen Gesichtspunkten lassen sich Traditionsvereine wie St. Pauli, Schalke 04 oder Borussia Dortmund von Fußballunternehmen wie Bayer Leverkusen, Red Bull Leipzig oder Hoffenheim nicht unterscheiden. Ob Mäzen oder Sponsor – die erbrachten Finanzleistungen haben sich am Markt zu bewähren. Kommt es zu dauerhaften Verlusten, so machen Partnerschaften keinen Sinn. Die durchaus anerkennenswerte sportliche Leistung, die bei einem Fußballclub wie Red Bull in Leipzig zu beobachten ist, scheint vielmehr auf eine außergewöhnliche Aufbau-, Führungs- und Organisationsleistung zurückzuführen zu sein, die über einen längeren Zeitraum von den verantwortlichen Führungskräften erbracht wurden. Ein Verein wie Red Bull Leipzig sollte deshalb eher als wegweisendes Exempel betrachtet werden. Feindbilder, die man diesem Exempel gegenüber entwickelt hat, sind wenig hilfreich, ja sie sind unnütz und kommen nicht einmal dem Eigennutz der Gegner zugute.

Verfasst: 13.09.2017