Wird die Breite an der Spitze dichter? Über Entwicklungen des Vereinssports in Deutschland

Horst Schubert 

 

Die Breite an der Spitze…

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 der Männer in Katar ist Geschichte. In Deutschland sind die Wunden geleckt, der sportliche Misserfolg hat ein personelles Opfer gefordert und Arbeitsgruppen zur Erarbeitung von Konzepten, Lösungsstrategien und personeller Neu-Organisation sind im Deutschen Fußball-Bund (DFB) gebildet. Also alles „auf gutem Wege“, damit die Fußball-Nationalmannschaft der Männer bei der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land erfolgreicher abschneidet als bei der Weltmeisterschaft in Katar? Während die Frauen-Nationalmannschaft als frisch gekürter Vize-Europameister in der FIFA-Weltrangliste einen hervorragenden 2. Rang belegt, ist die Männer-National-Elf nach dem Katar-Desaster auf Rang 14 abgerutscht. Hat der deutsche Männer-Fußball überhaupt noch das Potential, um mit den besten Nationalmannschaften der Welt mitzuhalten?

Für die Beantwortung dieser Frage ist es nicht ganz uninteressant, einen Blick auf die Entwicklungen des Breitensports in Deutschlands im Allgemeinen sowie des Fußballs im Speziellen zu werfen. Wie hat sich die sportliche Basis in der jüngeren Vergangenheit entwickelt? „Die Breite an der Spitze ist dichter geworden“, konstatierte im Jahr 2009 der ehemalige Fußball-Nationalspieler und Bundestrainer Hans-Hubert „Berti“ Vogts. Und wie steht es heute um „die Breite an der Basis“ – also um den Breitensport, aus dem letztendlich die Spitzenathleten in den einzelnen Sportarten hervorgehen sollen?

… und die Breite an der Basis 

Dass in Deutschland Sport traditionell in erster Linie mit Vereinssport in Verbindung gebracht wird, ist historisch bedingt. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Sportvereine gegründet und ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Spitzenverbände, beispielsweise der Deutsche Turnerbund (1848), der Deutsche Schützenbund (1861), der Deutsche Fußball-Bund (1900) oder der Deutsche Golf Verband (1907). 

Heutzutage repräsentiert der organisierte Vereinssport in Deutschland allerdings nur einen Teilbereich der sportlichen Aktivitäten der Bevölkerung. Der weit überwiegende Teil der sportlichen Betätigung findet außerhalb der Sportvereine statt. In der Publikation „Sport inner- oder außerhalb des Sportvereins: Sportaktivität und Sportkonsum nach Organisationsform. Aktuelle Daten zur Sportwirtschaft. Februar 2019“, herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Bundesinstitut für Sportwissenschat“ (Berlin 2019, S.4 – 6) werden u.a. die Ergebnisse einer umfangreichen Repräsentativbefragung der deutschen Bevölkerung zu ihrem Sportverhalten nach Intensität und Organisationsform präsentiert. Wesentlichen Ergebnisse dieser Studie sind: 

  1. 20%, d.h. ein Fünftel der Bevölkerung, treibt überhaupt keinen Sport. 
  2. Von den verbleibenden 80% sind 58% ausschließlich selbstorganisiert aktiv (regelmäßig oder unregelmäßig). 
  3. 22% sind in mindestens einem Sportverein aktiv, davon 20% regelmäßig, d.h. mindestens einmal pro Woche. (und 2% seltener als einmal pro Woche). 

Der selbstorganisierte Sport – hierzu zählen typischerweise Joggen bzw. Laufen, Radfahren und Schwimmen – ist vom organisierten Sport jedoch nicht zu trennen, denn selbstorganisierte Sportler sind häufig parallel dazu auch noch in einem Verein sportlich aktiv. Das eine schließt das andere nicht aus. 

Die Entwicklung der mitgliederstärksten Spitzenverbände Deutschlands 

Mit mehr als 7 Mio. im DFB organisierten Mitgliedschaften ist Fußball mit großem Abstand die Sportart Nr. 1 in Deutschland, gefolgt vom Deutschen Turner-Bund (4,6 Mio. Mitgliedschaften) und dem Deutschen Tennis Bund (1,4 Mio. Mitgliedschaften). Der Deutsche Golf Verband (DGV) hat mittlerweile den Sprung in die Top Ten der mitgliederstärksten Spitzenverbände geschafft und rangiert dort mit rund 674.000 registrierten Mitgliedschaften auf dem achten Rang. 

Tabelle 1

Bei Betrachtung der Mitglieder-Entwicklung der zehn mitgliederstärksten Spitzenverbände stellt man fest, dass sich der organisierte Vereinssport offensichtlich bereits seit vielen Jahren auf dem Rückzug befindet (vgl. Tab 1). Dies betrifft lediglich drei Verbände nicht, die lt. DOSB-Statistik in 2022 (Stichtag 01.01.2022) jeweils ihren Mitglieder-Höchststand erreicht haben: Dies sind: 

  • der DFB, der sein Mitgliederwachstum allerdings nicht aus aktiven Mitgliedschaften rekrutiert, sondern im Wesentlichen aus Fan-Mitgliedschaften, 
  • der Deutsche Alpenverein, bei dem es sich – provokant formuliert – zumindest zum Teil nicht um einen Sportverband, sondern eher um einen „ADAC für Wanderer“ handelt und 
  • der Deutsche Golf Verband, der nur langsam, dafür aber nachhaltig wächst. 

Tabelle 2

Die anderen sieben Spitzenverbände haben gegenüber ihren jeweiligen Mitgliedschafts-Höchstständen insgesamt fast 2,2 Mio. Mitgliedschaften verloren. Diese „Abwärts-Tendenz“ ist keinesfalls neu, sondern reicht z.T. zurück bis in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Beispielsweise hatte die Nr. 3 der aktuellen Rangliste, der Deutsche Tennis-Bund, seinen Mitgliederhöchststand im Jahr 1994 mit 2,3 Mio. Mitgliedschaften. Im Jahr 2022 waren es dann nur noch 1,445 Mio. Mitgliedschaften – ein Minus von 855.000 Mitgliedschaften. Beschränkt sich die Betrachtung auf die letzten 20 Jahren (2002 – 2022), dann ist immer noch ein Rückgang um 474.000 Mitgliedschaften zu verzeichnen (vgl. Tab. 2). Jetzt gibt es jedoch einen kleinen Lichtblick: Nachdem im Jahr 2020 mit 1,366 Mio. Mitgliedschaften der historische Tiefpunkt erreicht wurde, ging es die beiden letzten Jahre wieder aufwärts mit den Mitgliedschaften in Tennis-Clubs. 

Wie sportlich ist Deutschland? 

Der in Vereinen organisierte Sport wird in Deutschland durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Dachorganisation des deutschen Vereinssports repräsentiert. Dieser Dachverband vertritt 38 olympische und 28 nicht-olympische Spitzenverbände sowie 18 Verbände mit besonderen Aufgaben. Hierzu gehören u.a. der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband, der Deutsche Betriebssportverband, der DJK Sportverband oder der CVJM-Gesamtverband in Deutschland.  Für den Stichtag 01. Januar 2022 wies der DOSB eine Gesamtzahl von 27,06 Mio. Mitgliedschaften in deutschen Sportvereinen aus. 

Tabelle 3

„Mitgliederrückgang im organisierten Sport vorerst gestoppt“ meldete der DOSB bei der Präsentation der neuen Mitglieder-Statistik ((Stichtag 01. Januar 2022) am 11. Oktober 2022. Trotz Corona und damit für den Sportbetrieb verbundenen Restriktionen wiesen die Daten gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von 46.672 Vereinsmitgliedschaften (+0,17%) aus. Im Vorjahr hatte der DOSB noch einen Rückgang um fast 800.000 Mitgliedschaften (-2,9%) zu verzeichnen (vgl. Tab. 3). Einen Beitrag zu dem „Aufschwung“ in 2022 im DOSB leistete u.a. der Deutsche Golf Verband mit einem Zuwachs von 22.586 Mitgliedschaften (01.10.2020 – 30.09.2021). Lediglich Tennis (+61.887 Mitgliedschaften) und Fußball (+107.180 Mitgliedschaften) hatten einen noch stärkeren Netto-Zuwachs vorzuweisen.  

Der Deutsche Golf Verband konnte auch im darauffolgenden Jahr (01.10.2021 – 30.09.2022) seinen Wachstumskurs fortsetzen, allerdings mit etwas gedrosseltem Tempo (+ 8.959 Mitgliedschaften = +1,3%). 

Trotz der insgesamt leicht positiven Entwicklung bei den Mitgliedschaften per 01. Januar 2022 ist das Bestandsniveau der Vor-Corona-Zeit mit bis zu 27,8.Mio. Mitgliedschaften noch lange nicht erreicht. Und wenn der DOSB verkündet, dass der Mitgliederrückgang vorerst gestoppt sei, dann zeugt diese Formulierung von einer gewissen Skepsis bezüglich der zukünftigen Weiterentwicklung. Optimismus und Aufbruchsstimmung klingen anders. Wie ist also die derzeitige Lage des deutschen Vereinssports einzuschätzen und welche Perspektiven ergeben sich daraus für die Zukunft? 

Die DOSB-Bestandserhebung 

Ein wichtiges Instrument zur Beantwortung dieser Fragen sind die jährlichen Bestandserhebungen der 16 Landessportbünde bei allen Sportvereinen ihres Bundeslandes und die Weiterleitung dieser Daten an den DOSB. In den Bestandserhebungen der Landessportbünde (A-Zahlen) sind alle Vereinsmitglieder mit Alter und Geschlecht erfasst. Eine Differenzierung nach aktiven und passiven Mitgliedern erfolgt nicht. Sofern eine Person in einem Mehrspartenverein mehrere Sportarten parallel ausübt, wird trotzdem nur eine Person an den zuständigen Landessportbund gemeldet. Per 01. Januar 2022 waren dies 23,416 Mio. Mitgliedschaften. (vgl. Tab. 3). 

Jeweils mit Stichtag 01. Januar des Jahres erhält der DOSB von den 16 Landessportbünden eine Meldung der Anzahl der Mitgliedschaften in den einzelnen Sportarten. Seit dem 01. Januar 2015 weist die jährliche DOSB-Bestandserhebung „Mitgliedschaften“ und nicht mehr „Mitglieder“ aus. Außerdem wird in der Bestandserhebung 2022 erstmalig neben „weiblich“ und „männlich“ nun auch „divers“ als drittes Geschlecht statistisch erfasst und ausgewiesen. Per 01. Januar 2022 waren dies bundesweit 249 Personen. 

Mit den B-Zahlen (Stand 01.01.2022: 27,06 Mio. Mitgliedschaften) werden bei den DOSB.- Bestandserhebungen – im Gegensatz zu den A-Zahlen – die vereinsinternen Mehrfachmitgliedschaften erfasst sowie weitere Mitgliedschaften, die nicht an die Landessportbünde gemeldet werden. Ferner sind in den B-Zahlen die Mitgliedschaften der 18 Verbände mit besonderen Aufgaben enthalten. 

Wenn man aus diesen DOSB-Daten nun eine Aussage über den Umfang der in Vereinen sportlich aktiven Personen ableiten möchte, stößt man auf zwei Probleme:  Passive Vereinsmitglieder und Vereinsmitglieder, die nicht nur in einem Sportverein Mitglied sind, sondern in mehreren. Auf Grund solcher vereinsübergreifenden Mehrfachmitgliedschaften ist die Anzahl der Personen (Mitglieder) entsprechend geringer als die angegebene Zahl der Mitgliedschaften. Außerdem erfolgt bei den erhobenen Mitgliedschaftsdaten keine Differenzierung nach aktiven und passiven Mitgliedschaften. Und Letztere haben einen nicht unwesentlichen Anteil an der Gesamtheit der Vereinsmitgliedschaften, in besonderem Maße beim Fußball. Hierzu später mehr im Kapitel „Entwicklungen im Fußballsport“. 

Da sich an den an die Landessportbünde gemeldeten Mitgliederbestandsdaten i.d.R. die Berechnung der Verbandsabgaben der einzelnen Sportvereine orientiert, geht es bei diesen statistischen Daten auch um finanzielle Verpflichtungen der Vereine gegenüber dem Landessportbund (LSB) und dem DOSB. In der Publikation des DOSB „Mitgliederentwicklung im Sportverein“ (Deutscher Olympischer Sportbund (Hrsg.), Frankfurt am Main 2010, S.17) heißt es hierzu: “So gibt es Hinweise darauf, dass die Vereine im Schnitt bis zu 5 Prozent weniger Mitglieder melden als sie tatsächlich in ihrer Mitgliederdatei führen“. Inwieweit diese „Optimierung“ der Meldegebühren (aus Sicht der Sportvereine) nicht nur vor 12 Jahren, sondern auch heute noch ein Thema ist, ist nicht bekannt.  Bekannt ist allerdings, dass im DOSB-Wirtschaftsplan 2022 Erlöse aus den Mitgliedsbeiträgen von 4,0 Mio. Euro eingeplant sind. Und da sind +/- 5% durchaus eine relevante Größenordnung. 

Das statistische Problem der passiven Mitgliedschaften 

Der DFB als mitgliederstärkster Spitzenverband im DOSB weist für 2022 7,17 Mio. Mitgliedschaften aus. Hiervon sind lt. DFB-Mitglieder-Statistik 2022 aber lediglich 2,21 Mio. aktive Mitgliedschaften (vgl. Tab. 4). Der überwiegende Teil – rund 5 Mio. Mitgliedschaften – sind insbesondere Fan-Mitgliedschaften, die nicht dem aktiven Sporttreiben zuzurechnen sind. Allein der FC Bayern München hat rund 300.000 Mitgliedschaften aufzuweisen (Stand: 26.02.2023). 

Tabelle 4

Über den Passiven-Anteil bei den anderen Sportarten liegen für Deutschland leider keine Daten vor – aber für Österreich. Dort hat der Mikrozensus 2020 einen Passiven-Anteil von 9% ermittelt (= Mitgliedschaften, die nicht aktiv genutzt werden). Von der Annahme ausgehend, dass dieser Wert auch für Deutschland zugrunde gelegt werden kann, ergeben sich hierzulande 20,307 Mio. aktive und 6,752 Mio. passive Mitgliedschaften. 

Eine vom Autor im Jahr 2018 durchgeführte, keinesfalls repräsentative Umfrage bei Geschäftsführer-Kollegen aus der Golf-Branche ergab damals bei den Mitgliedern von 15 deutschen Golfclubs einen Passiven-Anteil von durchschnittlich 8,1%. 

Das statistische Problem der Mehrfach – Mitgliedschaften 

Um eine Aussage über die Anzahl der aktiven Mitglieder (Personen) machen zu können, ist nicht nur der Passiven-Anteil von Bedeutung, sondern auch die Anzahl von Mehrfach – Mitgliedschaften, die in den 20,31 Mio. aktive Mitgliedschaften enthalten sind. Mehrfach-Mitgliedschaften in einer Sportart (z.B. gleichzeitige Mitgliedschaft in zwei Tennis-Clubs). dürften relativ selten vorkommen. Sportartübergreifende Mehrfach-Mitgliedschaften sind hingegen keine Seltenheit. Wer beispielsweise als Fußball-Fan von Bayern München dort eine Fan-Mitgliedschaft hat (Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre € 30,00, junge Erwachsene (18 – 27 Jahre) € 40,00, Erwachsene € 60,00, jeweils pro Saison), zudem in seinem Heimatsportverein selbst aktiv Fußball spielt und außerdem noch Mitglied in einem Tennis-Club ist, der ist in der DOSB-Statistik mit drei Mitgliedschaften vertreten. 

Da auch bezüglich der Mehrfach-Mitgliedschaften keine Daten aus Deutschland recherchiert werden konnten, wird sich hier ebenfalls hilfsweise an den Ergebnissen des österreichischen Mikrozensus 2020 orientiert. Die Erhebung hatte in Österreich einen Anteil von Mehrfach-Mitgliedschaften in Sportvereinen von 18% ermittelt. Diesen Wert für Deutschland zugrunde gelegt, ergeben sich insgesamt 3,66 Mio. Mehrfach-Mitgliedschaften (vgl. Tab 4). Aus insgesamt 27,06 Mio. im DOSB registrierten Mitgliedschaften werden somit 16,65 Mio. Vereinsmitglieder, die sich in mindestens einem Sportverein aktiv betätigen. Das entspricht einem Organisationsgrad (=Anteil an der Gesamtbevölkerung) von 20%. Oder anders ausgedrückt: Jeder fünfte Deutsche betätigt sich mindestens einmal pro Woche aktiv in mindestens einem Sportverein. Hinter den 27,1 Mio. in der DOSB-Statistik registrierten Vereinsmitgliedschaften stehen somit de facto 16 – 17 Mio. Personen, die in einem Verein tatsächlich sportlich aktiv sind. 

Das Sportsatellitenkonto  

Diese Größenordnung wird durch empirische Daten des sogenannten „Sportsatellitenkontos“ (SSK) bestätigt. Das SSK wurde im Jahr 2008 ins Leben gerufen, um in der Sportpolitik und der Sportpraxis faktenorientierte Entscheidungen treffen zu können. Seither werden im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sowie des Bundesinstituts für Sportwissenschaft alle in Deutschland für Sportzwecke getätigten Ausgaben in einem sogenannten „Satellitenkonto“ der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zusammengefasst. Ferner werden im Rahmen des SSK durch primärstatistische Erhebungen kontinuierlich Daten zum Sportkonsum und zum Sportverhalten der deutschen Bevölkerung erhoben und ausgewertet. Ausführliche Informationen zum Sportsatellitenkonto sind u.a. der Publikation „Die ökonomische Bedeutung des Sports in Deutschland – Sportsatellitenkonto (SSK) 2018“, herausgegeben von der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung mbH, 2HMforum GmbH, Osnabrück 2021 zu entnehmen. 

Tabelle 5

Für dieses Sportsatellitenkonto wurden in 2021 in einer Repräsentativbefragung von 1.136 Personen im Alter von 16 – 84 Jahren Daten über Finanzausgaben für Sportkonsum und sportliche Aktivitäten erhoben. Dabei wurde u.s. ermittelt, dass 16% der Befragten mindestens einen Mitgliedsbeitrag für aktiven Sport in einem Verein entrichten.  Für die folgenden Berechnungen wurde unterstellt, dass die Altersgruppe 85 Jahre und älter (=2,5 Mio. Personen) ebenfalls einen Anteil von 16% bei den Ausgaben für eine aktive Vereinsmitgliedschaft hat. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dieser Wert real niedriger sein. Da diese Altersgruppe aber mit einem Anteil von lediglich 3,2% an der Gesamtbevölkerung nur einen sehr geringen Einfluss auf das Gesamtergebnis hat, werden die dadurch bedingten Ergebnisabweichungen sehr gering sein und bleiben bei dieser Berechnung deshalb unberücksichtigt. Somit sind bei einer Grundgesamtheit von 70,9 Mio. Bundesbürger ab 16 Jahren rund 11,3 Mio. aktive Vereinsmitglieder (vgl. Tab.5) zu registrieren. 

Hinzu zu rechnen sind die Mitgliedschaften der Kinder und Jugendlichen bis einschließlich des 15. Lebensjahrs. Diese Altersgruppe umfasst 12,3. Mio. junge Bundesbürger. Für diese Teilgruppe ist jedoch nicht von einem Mitgliedschaftsanteil von 16%, sondern von einem deutlich höheren Wert auszugehen. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass in dieser Altersgruppe der sogenannte „Organisationsgrad“ (d.h. der prozentuale Anteil der Vereinssportler an der Gesamtbevölkerung) mit 45,40% erheblich höher ist als in der Altersgruppe ab 16 Jahre mit einem Organisationsgrad von 25,11%. Eine entsprechende Hochrechnung ergibt einen Wert von 28,93. Auf dieser Basis ergibt sich ein Organisationsgrad von 17,9% bzw. von 14,9 Mio. aktiven Vereinsmitgliedern. Dieser Wert liegt um 1,7 Mio. unter dem Wert, der auf Basis der vorstehend genannten DOSB-Daten ermittelt wurde. Zur Erklärung dieser Differenz können u.a. zwei Faktoren betragen: 

  1. Der Umfragewert der SSK-Erhebung wurde mit 16% angegeben, also ohne Dezimalstellen. 16% können also auch 16,49% gewesen sein. 
  2. Bei einem Stichprobenumfang von n = 1.100, einem Signifikanzniveau von 95,5% und einer Merkmalsausprägung von 15% bzw. 85% beträgt die Fehlertoleranz (Schwankungsbreite) 3,0%. Das bedeutet, dass der „wahre Wert“ mit 95,5%igerr Wahrscheinlichkeit in einer Bandbreite von 16%-3% und 16%+3%, d.h. zwischen 13% und 19% liegt. 

Eine Beispielrechnung zeigt: Einen Rundungseffekt von 0,49% und eine Abweichung der Merkmalsausprägung um nur die Hälfte der Fehlertoleranz (also 1,5%) zugrunde gelegt, würde sich ein Wert von 16,57 Mio. (statt 14,91 Mio.) ergeben.  

Die im Rahmen der SSK-Befragung erhobenen Daten stützen also die Feststellung, dass die Anzahl der aktiven Mitglieder eines Sportvereins in Deutschland aktuell in der Größenordnung von 15 – 17 Mio. Sporttreibenden liegt. Gleichzeitig sind die SSK-Daten auch ein Nachweis dafür, dass es in Deutschland keine 27 Mio. aktiven Vereinssportler gibt. 

Entwicklungen in den Sportvereinen in den letzten zehn Jahren 

Wenn der DOSB den corona-bedingten Mitglieder-Rückgang vorerst für gestoppt erklärt, dann hat diese eher zurückhaltende Einschätzung des DOSB allerdings auch gute Gründe. Hierzu gehört beispielsweise die Entwicklung bei den jeweiligen Spitzenverbänden registrierten Sportvereinen. Mit insgesamt 86.895 Vereinen wird die seit 2011 rückläufige Entwicklung weiter fortgesetzt und ein neuer Tiefststand erreicht. Per 01. Januar 2012 verzeichnete der DOSB noch 91.080 Sportvereine. Das bedeutet einen Rückgang um 4.185 Sportvereine (-4,6%) in den letzten 10 Jahren (vgl. Tab. 3). 

Über die Ursachen dieses „Vereins-Sterbens“ besteht beim DOSB offensichtlich zumindest teilweise Unklarheit. Die DOSB – Vorständin Sportentwicklung, Michaela Röhrbein, sieht hier deshalb Handlungsbedarf für den DOSB: „Unser Ziel muss es sein, ein transparentes und aussagekräftiges Daten-Monitoring aufzubauen, um Entwicklungstendenzen früh festzustellen sowie Handlungsbedarf für die Praxis abzuleiten“ (DOSB-News 12. Oktober 2022). Das wirft u.a. die Frage auf, wie es im deutschen Golfsport um dieses wichtige Handlungsfeld bestellt ist. 

Die mit der jährlichen Bestandserhebung vom DOSB veröffentlichten Daten über Mitgliedschaften und Vereine zeigen für die letzten 10 Jahre mehrere Trends auf: 

  1. Die Gesamtzahl der Mitgliedschaften in deutschen Sportvereinen war mit 27,5 Mio. bis 27,8 Mio. Mitgliedschaften etliche Jahre relativ konstant – bis dann mit in 2021 mit Corona der Einbruch kam und sich der Mitgliedschaftsbestand um fast 800.000 Mitgliedschaften reduzierte. Per 01.01.2022 ist nun mit einem Zuwachs von 47.000 Mitgliedschaften möglicherweise eine Trend-Wende eingeleitet worden. 
  2. Wie bereits erläutert, ist bei der Entwicklung der Anzahl der Vereine keine Trend-Wende in Sicht. Ganz im Gegenteil: Möglicherweise wird sich das „Vereins-Sterben“ sogar noch verstärken, insbesondere aufgrund der Auswirkungen der aktuellen Energiekosten-Entwicklung.  
  3. Ebenfalls bedenklich ist die Tatsache, dass der Anteil der Kinder und Jugendlichen zwar nur gering, aber dafür kontinuierlich rückläufig ist. Betrug deren Anteil an der Gesamtheit der Mitgliedschaften vor 10 Jahren noch 32%, hat er sich nun auf 29% reduziert: In absoluten Zahlen ausgedrückt, bedeutet das ein Minus von 672.000 Mitgliedschaften in 10 Jahren. 
  4. Der Frauen-Anteil reduzierte sich durch die Corona – Pandemie um 350.000 Mitgliedschaften. Der relative Anteil blieb jedoch auf dem Vorjahresniveau. Mit 9,18 Mio. Frauen sind per 01. Januar 2022 allerdings rund 300.000 Frauen weniger in den Mitgliederdateien der Sportvereine registriert als vor 10 Jahren mit 9,48 Mio. Frauen. 
  5. Bereits seit vielen Jahren wird über die „Krise des Ehrenamtes“ gesprochen. Für den in Vereinen organisierten Breitensport ist die ehrenamtliche Arbeit von existentieller Bedeutung. Auf diesen Aspekt wird nachfolgend noch ausführlicher eingegangen. 

Auswirkungen von Corona auf die Sportvereine in Deutschland. 

Über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die deutschen Sportvereine gibt es mittlerweile detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen, beispielsweise die Forschungsberichte „Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Sportwirtschaft“ oder die im Rahmen des Sportsatellitenkontos erstellte Studie „Sportverhalten und Sportkonsum unter dem Brennglas der Covid-19-Pandemie“, beide in 2022 veröffentlicht von der 2HMforum GmbH, Osnabrück. Im Folgenden soll deshalb lediglich auf den Zusammenhang zwischen der Größenstruktur der deutschen Sportvereine und den Mitgliederverlusten eingegangen werden. 

Größe des Sportvereins und Verluste von Mitgliedschaften durch Corona 

Die Corona-Pandemie hatte lt. DOSB-Bestandserhebung (A – Zahlen) per 01. Januar 2021 zu einem Verlust von insgesamt rund 800.000 Mitgliedschaften (-2,9%) geführt. Dieser Rückgang betraf jedoch nicht alle Sportvereine gleichermaßen. Je kleiner der Verein, desto größer die emotionale Bindung – und umso geringer die Verluste an Mitgliedschaften. Das ist eine Erkenntnis aus der Corona-Pandemie. Kleine Sportvereine mit bis zu 300 Mitgliedern – das sind zwar 76% aller deutschen Sportvereine, die aber nur 27% aller Mitgliedschaften repräsentieren – hatten in 2020 fast keine rückläufigen Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Die Anzahl der Austritte war hier nur geringfügig höher als die Anzahl der Vereinseintritte (vgl. Tab 7).   

Tabelle 7

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Einordnung der Golfclubs. Per 30.09.2021 hatte der DGV insgesamt 720 Golfanlagen in Deutschland ausgewiesen, die von einem DGV-registrierten Golfclub (oder auch mehreren Golfclubs) genutzt wurden. Hiervon waren 573 Golfanlagen mit mindestens 18 Löcher ausgestattet (DGV-Golfbarometer Frühjahr 2022; S.8) und die durchschnittliche 18-Löcher-Einheit hat aktuell 905 Mitglieder. Nach dem Sportentwicklungsbericht 2017 / 2018 des DOSB gibt es bundesweit lediglich knapp 4.000 Sportvereine (= 4,3%), die mindestens 1.000 Mitglieder aufweisen. In dieser Kategorie der „Großvereine“ dürften vermutlich mehrere hundert Golfclubs vertreten sein.  

Die Entwicklung der Anzahl der Sportvereine 

Auf die stark rückläufige Anzahl der Sportvereine wurde bereits hingewiesen. Während die Anzahl der Mitgliedschaften bis Anfang 2020 relativ stabil war, ist bei der Anzahl der Sportvereine schon seit rund 10 Jahren eine rückläufige Tendenz festzustellen. In 2022 wurde nun mit 86.895 Vereinen ein neuer historischer Tiefpunkt erreicht. Und es gibt leider wenig begründeten Anlass, hier auf eine Trend-Wende zu hoffen.   

„Zur Bereitstellung ihrer Angebote benötigen Sportvereine vor allem Mitglieder, Geld, ehrenamtliches Engagement und Sportstätten…“ postuliert Prof. Lutz Thieme in seiner Publikation „Zur Mitgliederentwicklung im organisierten Sport und der Abschätzung von pandemiebedingten Folgen“ (Oktober 2021). Leider sind alle vier Erfolgsfaktoren mit akuten Problemen behaftet: 

  • Erfolgsfaktor „Mitgliederentwicklung“: Das Vor-Corona-Niveau ist in vielen Vereinen und Spitzenverbänden noch längst nicht wieder erreicht. Ob dies jemals der Fall sein wird, dürfte gegenwärtig völlig offen sein und von einer Vielzahl von Faktoren, insbesondere aus dem wirtschaftlichen Bereich, abhängig sein. 
  • Erfolgsfaktor „Geld“: Angesichts der aktuellen Kosten-Entwicklungen (insbesondere der Energiekosten) wird sich wahrscheinlich bei einigen Vereinen in naher Zukunft die Frage stellen, ob sie wirtschaftlich noch lebensfähig sind.
  • Erfolgsfaktor „Ehrenamtliches Engagement“: Ohne ehrenamtliche Tätigkeiten in erheblichem Umfang – sowohl auf der Vorstandsebene als auch der Ausführungsebene – ist ein Sportverein nicht lebensfähig. Personen, die zur Ausübung solcher Ehrenämter nicht nur bereit, sondern auch entsprechend qualifiziert sind, finden sich für die Ausübung solcher Tätigkeiten jedoch immer seltener.– und zwar nicht nur im Sport. Einige Erläuterungen hierzu sind machfolgend in dem Kapitel „Die Krise des Ehrenamtes“ dargelegt.  
  • Erfolgsfaktor „Sportstätten“: Der Themenbereich „Sportstätten“ hat viele Aspekten. Er soll hier aber nicht weiter betrachtet werden – nicht zuletzt, weil die Investitions- und Betriebskosten von rund drei Viertel aller Sportstätten nicht von den Sportvereinen getragen werden, sondern von der öffentlichen Hand (kommunale Sportstätten).

Die Krise des Ehrenamtes 

„Verzweifelt gesucht: Ehrenamtliche Vorstände im Sportverein“ – unter dieser Überschrift berichtete im April 2022 der BR24 Newsletter über die Personalnot vieler Sportvereine in Bayern. Das Problem ist jedoch weder auf Bayern beschränkt noch ist es neu. Über „die Krise des Ehrenamtes“ wurde bereits in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts diskutiert. In den letzten Jahren hat sich die Lage nun aber offensichtlich massiv verschärft. 

Diese Feststellung führt zu einer grundsätzlichen Frage: Ist die Idee vom Sportverein als solidargemeinschaftlich, ehrenamtlich und basisdemokratisch organisierte Grundlage für die Sportausübung überhaupt noch zeitgemäß? Im Zuge vielfältiger gesellschaftlicher Veränderungsprozesse verlieren langfristige Mitgliedschaften (nicht nur in den Sportvereinen), emotionale Vereinsbindungen und langfristige bzw. dauerhafte ehrenamtliche Tätigkeiten im lokalen Sportverein zunehmend an Bedeutung. In einem dynamisch sich verändernden Umfeld scheint das Selbstorganisationspotential der Bevölkerung zu wachsen, ablesbar am zunehmenden Trend zum selbstorganisierten Sport. Die der Tradition verhafteten Sportverbände und Sportvereine hingegen kämpfen mit rückläufigen Mitgliederzahlen und dem Problem, noch hinreichend engagierte Vereinsmitglieder für die Besetzung der Ehrenamtsposten zu gewinnen bzw. diese „bei der Stange zu halten“. 

All das ist richtig, aber all das ist auch nicht neu: Über den Strukturwandel des Ehrenamts im Kontext des gesellschaftlichen Wertewandels wurde schon vor mehr als 20 Jahren geschrieben und diskutiert. Das mit Abstand größte existentielle Problem für Sportvereine stellt nach wie vor die Bindung bzw. Gewinnung von ehrenamtlichen Funktionsträgern dar. 14,6% der Vereine fühlten sich im Herbst 2020 durch dieses Problem in ihrer Existenz bedroht“, heißt es hierzu im DOSB – Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2020 – .22, Teil 1 (S.63). 

Tabelle 8

In welchem Ausmaß die Bereitschaft rückläufig ist, sich ehrenamtlich in einem Sportverein zu engagieren, zeigt ein Vergleich wesentlicher Kennziffern der Jahre 2007 und 2017 (vgl. Tab. 8). Aktuellere Vergleichsdaten sind leider nicht verfügbar, da in 2019 der Fragebogen zur Datenerhebung teilweise überarbeitet wurde und eine längsschnittliche Vergleichbarkeit der Daten nach 2017 nicht mehr gegeben ist. Deshalb wird im Folgenden der 10-Jahres-Zeitraum von 2007 bis 2017 betrachtet. 

Waren in 2017 noch insgesamt 2,08 Mio. ehrenamtliche Positionen in deutschen Sportvereinen besetzt, so waren es 2017 nur noch 1,68 Mio. Positionen – ein Minus von 404.000 ehrenamtlich Tätigen. Bei einer Differenzierung nach Vorstandsebene (Clubvorstand, Abteilungsvorstand) und Ausführungsebene (Übungsleiter, Trainer, Kampf- und Schiedsrichter) wird deutlich, dass auf der Vorstandsebene ein Rückgang um 215.000 Ehrenamts-Positionen stattfand. Auf der Ausführungsebene (Übungsleiter, Trainer, Kampf- und Schiedsrichter) waren in 2017 insgesamt 189.000 Ehrenamtspositionen weniger besetzt  

Der durchschnittliche Monats-Zeitaufwand für die Ausübung des Ehrenamtes betrug in 2007 17,6 Stunden pro Person, in 2017 waren es 16,8 Stunden. 

Beide Faktoren zusammen – geringere Anzahl ehrenamtlich Tätiger und kürzere Monatsarbeitszeit pro Person – führten in Summe zu einer Reduzierung der ehrenamtlichen Jahresarbeitsleistung von 440. Mio. Arbeitsstunden auf 340 Mio. Arbeitsstunden – ein Rückgang also um 100 Mio. Arbeitsstunden (-22,7%), die in 2017 weniger geleistet wurden als zehn Jahre zuvor. 

Die Freiwilligensurveys 

Die Bereitschaft, sich im Sportbereich ehrenamtlich zu engagieren, ist seit längerer Zeit deutlich rückläufig. Das bestätigen beispielsweise auch die Ergebnisse des Freiwilligensurvey 2019 des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA), bei dem insgesamt bundesweit rund 28.000 Bürger ab 14 Jahren zu ihrem ehrenamtlichen Engagement befragt wurden, Seit 2004 wird diese empirische Untersuchung alle 4 – 5 Jahre durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie wird u.a. für 14 Tätigkeitsbereiche der Bevölkerungsanteil der dort ehrenamtlich Engagierten ermittelt. Spitzenreiter bei der Untersuchung in 2019 war mit 13,5% der Bereich „Sport und Bewegung“, gefolgt von „Kultur und Musik“ (8,6%) und „Sozialer Bereich“ (8,3%). Im Freiwilligensurvey 2014 hatte der Sportbereich noch einen Freiwilligen-Anteil von 14,9% ausgewiesen. Dieses Ergebnis ist insofern bemerkenswert, weil der Sportbereich mit seiner rückläufigen Entwicklung ein Alleinstellungsmerkmal aufweist. In den 13 anderen gesellschaftlichen Bereichen ist das ehrenamtliche Engagement nämlich nicht rückläufig, sondern hat teilweise sogar zugenommen. 

Der DOSB in seinem Newsletter vom 29. September 2022 hierzu fest. „In der Gesamtschau scheinen diese Befunde die These von einer „krisenhaften“ Entwicklung des ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements im Sport und dabei speziell in den Sportvereinen zu stützen (…)“. 

Im leider nicht ganz aktuellen Sportentwicklungsbericht 2011/2012. Analyse zur Situation der Sportvereine in Deutschland (Kurzfassung), Hrsg. Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Köln 2013, S. 22/23) wurde festgestellt, dass der Fußball die größten Probleme bei der Bindung und Gewinnung von ehrenamtlichen Funktionsträgern hat. 58,8% aller befragten Fußballvereine gaben dies zu Protokoll. In der Rangliste der Sportarten folgten dann Handball (57%) sowie Tennis und Turnen (jeweils 55%). Ganz am Ende der insgesamt 25 Sportarten umfassenden Skala rangierte Golf mit lediglich 36,6%. Es ist allerdings zu vermuten, dass im Verlauf der letzten 10 Jahre dieses Problem auch im Golfsport an Bedeutung zugenommen hat. 

Entwicklungen im Fußballsport 

Mit Bezug auf die bereits angesprochene Bedeutung des Breitensports als Basis für den Spitzensport soll im Folgenden auf einige Entwicklungen im größten Spitzenverband innerhalb des DOSB – dem Deutschen Fußball-Bund – eingegangen werden. 

Wie bereits erläutert, ist die beeindruckende Zahl von 7,17 Mio. Mitgliedschaften im DFB zu relativieren, da hiervon lediglich 2,21 Mio. Mitglieder aktiv in einem Sportverein Fußball spielen (Stand: 30. Mai 2022). Ein Vergleich der statistischen Daten von 2012 und 2022 zeigt einige Entwicklungstendenzen in diesem 10-Jahres-Zeitraum auf: 

  1. Die Mitgliedschaften im DFB sind insgesamt zwar um 371.000 gestiegen, aber die Mitgliedschaften von Kindern und Jugendlichen (Jungen bis 18 Jahre, Mädchen bis 16 Jahre) sind gleichzeitig um 164.000 gesunken. Diese rückläufige Tendenz ist bereits seit 2012 festzustellen und nicht erst seit Corona (vgl. Tab. 9).:
  2. Die Anzahl der aktiven Mitglieder ist dagegen mit 2,209 Mio. in 2022 in den letzten 4 Jahren nahezu konstant geblieben (2,216 Mio. in 2018). Das gilt insbesondere für die männlichen Mitgliedschaften und die Jugend-Mitgliedschaften. Die weiblichen Mitgliedschaften sind dagegen um knapp 4% rückläufig. (vgl. Tab 11).
  3. Die Anzahl der für den organisierten Spielbetrieb gemeldeten Mannschaften hat sich seit 2012 von 169.000 Mannschaften in 2012 auf nun 128.000 verringert. Das ist ein Minus von 41.000 Mannschaften bzw. -24,4% (vgl. Tab. 10).
  4. Die Anzahl der Fußballvereine – sowohl Einsparten- als auch Mehrsparten-Vereine – hat sich in den letzten 10 Jahren um insgesamt 1.325 Vereine von 25.641 auf 24.316 Vereine reduziert.

Tabelle 9

Tabelle 10

Tabelle 11

Angesichts dieser Entwicklungstendenzen gehört schon eine Portion Optimismus dazu, wenn der DFB die Anzahl der Frauen – Mannschaften in den nächsten drei Jahren verdoppeln will. Das ist jedenfalls die von DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch formulierte Zielsetzung für die nächsten drei Jahre (Deutschlandfunk, 26. Oktober 2022). Angesichts der bislang rückläufigen Entwicklung bei den für den Spielbetrieb gemeldeten Frauen-Mannschaften ist das sicherlich eine echte Herausforderung. Inwieweit dafür überhaupt die erforderlichen Rahmenbedingungen wie beispielsweise freie Kapazitäten bei der Nutzung von Fußballplätzen oder die Verfügbarkeit von qualifizierten Übungsleitern und Trainern gegeben sind, sei einmal dahingestellt. Insbesondere der letztgenannte Aspekt könnte sich aufgrund des im Sportbereich rückläufigen ehrenamtlichen Engagements als entscheidender Engpass erweisen. Näheres hierzu im Kapitel „Die Krise des Ehrenamtes“. 

Auch der von DFB-Präsident Bernd Neuendorff im September 2022 verkündete   „Ansturm“ von Mädchen und Frauen auf die Fußballvereine, ausgelöst durch das erfolgreiche Abschneiden der DFB-Elf bei der Fußball-Europameisterschaft der Frauen, scheint von einer erheblichen Portion Optimismus getragen zu sein. Recherchen von Journalisten hierzu vermitteln jedenfalls einen anderen Eindruck. 

In einem TV-Beitrag des SWR vom 25.09.2022 (SWR-Sport um 21:45 Uhr) heißt es u.a.: „Die Aussagen des DFB-Präsidenten haben die Vereine im Südwesten nur bedingt bestätigt. Eine Flut an Anmeldungen gab es nicht, ebenso wenig wie Abweisungen“. Allenfalls von einem moderaten Zulauf, insbesondere in Ballungsgebieten, könne die Rede sein. 

Zurück zu der eingangs zitierten „Breite an der Spitze“: Im Berliner „Tagesspiegel“ vom 09. Januar 2023 erschien ein Artikel mit der Überschrift „Probleme im Nachwuchsfußball“. Die Fußball-Experten Goran Sen, Sportlehrer und als Jugend-Scout für den DFB tätig, sowie Leo-Jonathan Teßmann, Sportwissenschaftler und Athletik-Trainer, antworteten u.a. auf die Frage nach Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im Jugendfußball: …dass man sehr schnell beginnt, die Breite wieder zu verbreitern. Fakt ist: Unsere Kinder bewegen sich immer weniger.“ Und: „Wir brauchen mehr Kinder, die Sport treiben“. 

Fazit 

In der Gesamtbetrachtung ist festzustellen, dass die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland längst nicht in dem Umfang in Sportvereinen aktiv ist, wie dies die statistischen Daten – insbesondere die Daten des DOSB und des DFB – auf den ersten Blick suggerieren. 27 Mio. Mitgliedschaften in der Statistik des DOSB sind etwas anderes als 27 Mio. aktive Vereinssportler: Und rund 7,2 Mio. Mitglieder im DFB bedeuten noch lange kein großes Nachwuchs-Potential für die Fußball – Nationalmannschaften. Statistik und Realität klaffen weit auseinander – und die Realität ist eher beunruhigend, denn für die weitere Entwicklung des organisierten Vereinssports in Deutschland sind die hier beschriebenen Probleme und Negativ-Tendenzen von erheblicher Relevanz. Dies insbesondere auch deshalb, weil etliche dieser Problemfelder und Negativ-Trends keineswegs neu sind. Ausnahmen bilden hierbei lediglich die Corona – Pandemie seit Anfang 2020 und die Energiekosten-Entwicklung seit Ende 2021. Die Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung des organisierten Vereinssports in Deutschland sind somit leider alles andere als günstig:  

  1. Der Trend geht ganz allgemein zum selbstorganisierten Sport. Der organisierte Vereinssport befindet sich auf dem Rückzug – und zwar, in Abhängigkeit von der Sportart, zum Teil bereits seit vielen Jahren.  
  2. Das Vereinsmitglied mutiert in zunehmendem Maße zum Kunden mit einer klaren Vorstellung von einem für ihn akzeptablen Preis-Leistungs-Verhältnis für die Nutzung einer Sportinfrastruktur der von ihm ausgeübten Sportart.  Die emotionale Bindung an den Sportverein schwindet, der „soziale Kitt“ in unserer Gesellschaft bröckelt. 
  3. Je kleiner der Verein, desto größer die emotionale Bindung und umso geringer sind die Mitgliederverluste. Hiervon profitieren in erster Linie die kleinen Vereine mit bis zu 300 Mitgliedern. – die aber nur rund ein Viertel der Vereinssportler repräsentieren. 
  4. Die Zahl der aktiven Vereinssportler in Deutschland ist erheblich niedriger als es bisher häufig vermutet und kommuniziert wird. Die eingangs erwähnte „Breite an der Basis“ ist in den letzten 10 Jahren nicht dichter geworden – das Gegenteil ist der Fall. Bisher wurden von den Verbänden und den Vereinen keine Mittel und Wege gefunden, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. 
  5. Die rückläufigen Tendenzen bei der Anzahl der Sportvereine sowie den Mitgliedschaften im Allgemeinen und den Mitgliedschaften von Kindern und Jugendlichen im Besonderen sind nicht neu und auch nicht durch die Corona-Pandemie verursacht worden. Die zehn mitgliederstärksten Spitzenverbände weisen von ihrem jeweiligen Mitglieder-Höchststand bis zum aktuellen Mitgliederstand kumuliert einen Rückgang um insgesamt 2,16 Mio. Mitgliedschaften auf. 
  6. Selbst im Fußball sind die Mitgliedschaftszahlen der Kinder und Jugendlichen seit langem rückläufig. Bei oberflächlicher Betrachtung von Mitgliederstatistiken des DFB wird dies durch den erheblichen Zuwachs der passiven Mitgliedschaften bisher kaschiert. 
  7. Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich in einem Sportverein zu engagieren, ist in den letzten 10 Jahren deutlich gesunken und wird vermutlich weiter abnehmen. Selbst nach Auffassung des DOSB scheinen die vorliegenden Erkenntnisse für eine „krisenhafte Entwicklung“ beim Ehrenamt in Sportvereinen zu sprechen. Der Golfsport scheint von dieser Entwicklung in geringerem Maße betroffen zu sein als andere Sportarten. 
  8. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass sich die Anzahl der Sportvereine in Deutschland weiter reduzieren wird. Die Auswirkungen der in 2022 extrem gestiegenen Energiekosten sind für die Sportvereine derzeitig noch gar nicht abzusehen. Nicht wenige Sportfunktionäre gehen davon aus, dass die hieraus resultierenden negativen Folgen für viele Sportvereine gravierender sein werden als die corona-bedingten Auswirkungen. Eine hohe Inflationsrate, sinkende Kaufkraft, Zukunftsängste, Arbeitsplatz-Unsicherheit und stark gestiegene Energiekosten – all dies wird in 2023 auch im organisierten Sport in Deutschland vielfältige Bremspuren hinterlassen. 

Angesichts der Vielzahl der hier beschriebenen Probleme und negativen Entwicklungstendenzen im deutschen Vereinssport mag vielleicht der Eindruck einer „Schwarzmalerei“ entstehen. Das ist ganz sicher nicht die Intention des Autors. Es ist aber auch nicht zielführend, die teilweise langjährigen Negativ-Entwicklungen zu ignorieren oder „schön zu reden“ und sich der gesellschaftlichen Realität zu verweigern. Der erste Schritt zu Problem-Lösung ist meistens das Erkennen eines Problems. 

Dass es bei der Förderung und Unterstützung des organisierten Vereinssports akuten Handlungsbedarf gibt – zu dieser Erkenntnis sind auch der DOSB und das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) gelangt. Am 24. Januar 2023 wurde deshalb von DOSB und BMI eine Werbekampagne mit dem Slogan „Dein Verein: Sport, nur besser“ gestartet. Die Kampagne ist Bestandteil des mit 25 Millionen Euro geförderten Restart-Programms von BMI und DOSB. Ziel dieser Kampagne ist es, die Bevölkerung in Deutschland wieder zu mehr Sport und Bewegung anzuregen und damit auch die Sportvereine in Deutschland zu stärken. Hierfür stehen u.a. 150.000 Sportvereinschecks für sportinteressierte Bürger zur Verfügung. Wer bisher noch nicht Mitglied in einem Sportverein ist, kann diesen Sportvereinsscheck im Wert von 40 Euro auf seinen Mitgliedsbeitrag anrechnen lassen. Darüber hinaus sollen die Sportvereine auch direkt finanziell unterstützt werden. Bis zu 4.000 Sportvereine haben die Möglichkeit, einen Zuschuss von 1.000 Euro für Ma0nahmen zur Mitgliedergewinnung beim DOSB zu beantragen. Für Verbände und Kommunen sind im Rahmen des Restart-Programms ebenfalls finanzielle Unterstützungen zur Förderung des organisierten Vereinssports geplant. 

Ob diese Maßnahmen von Erfolg gekrönt sein werden, bleibt abzuwarten. Was auf jeden Fall aber bleibt, ist die Erkenntnis, dass es im organisierten Vereinssport vielfältigen Handlungsbedarf gibt. Und es bleibt die Hoffnung, dass es doch nicht ganz so schlimm kommen wird, wie man jetzt vielleicht annehmen könnte. Oder um es mit den Worten von Fredi Bobic, ehemaliger Fußball-Nationalspieler und zuletzt noch Sport-Geschäftsführer beim Berliner Fußball-Bundesliga-Club Hertha BSC, zu sagen: „Man darf jetzt nicht alles so schlecht reden, wie es war“. 

Horst Schubert, Jahrgang 1955, studierte Sport und Geographie und war unter anderem Geschäftsführer der Herlitz Merchandising GmbH sowie Bereichsleiter eines Marketing- und Meinungsforschungsinstituts. Von 2002 bis 2021 führte er als Alleinvorstand die Golf- und Country Club Seddiner See AG, die bei Potsdam eine 36-Löcher-Golfanlage betreibt. Ehrenamtlich war er unter anderem im Schleswig-Holsteinischen Leichtathletik-Verband als Landestrainer tätig. Sein besonderes Anliegen galt und gilt dem Umweltschutz. Hierfür erhielt er 1995 den Umweltpreis des „Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management e.V.“. Für sein Engagement für die Biodiversität sowie den Klima- und Naturschutz wurde er im Deutschen Golf Verband ebenfalls mehrfach ausgezeichnet. 

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.