Vom definierten „Dopinggeschädigten“ zum systemischen „Manipulationsopfer“

von Albrecht Hummel

Opferentschädigungen für alle manipulierten DDR-Bürger oder die Vergabe eines Karl-Eduard von Schnitzler-Preises 2023 an die Sport-Historiker Jutta Braun und Rene Wiese. Auf diese nicht ganz ernst gemeinte Idee könnte man kommen, wenn man die letzten Interviews (FAZ vom 04.10.2023) zu Berichterstattungen aus dem angeblichen „Maschinenraum der DDR-Diktatur“ etwas gründlicher liest und kritisch hinterfragt.

Dieses Interview des Sportjournalisten A. Hecker mit der Historikerin J.Braun in der FAZ hat eine größere Studie, die von der Thüringischen Staatskanzlei in Auftrag gegeben wurde, zum Hintergrund, die – zumindest bislang – noch nicht öffentlich zugänglich ist, aber über die schon fleißig in den Medien berichtet wird, einschließlich von Stellungnahmen des thüringischen Ministerpräsidenten B.Ramelow zur politischen Bedeutsamkeit dieser Studie.
Auf die Frage von A. Hecker, welches Ziel und welchen Effekt Ihre Studie haben soll, antwortet Frau Braun:
Das primäre Ziel ist es zunächst, ein weiter differenziertes und empirisch gesättigtes historisches Bild zu gewinnen. Ich erhoffe mir zudem eine neue Aufmerksamkeit für das Thema. Wir brauchen Publikationen, die über die Wissenschaft, über Redaktionsschreibtische hinaus wahrgenommen werden. Die Menschen müssen die Gelegenheit bekommen, die vielen, vielen Beispiele nachlesen zu können. Damit keiner sagen kann, das waren nur Einzelfälle. Wir wollen mit dem Doping-Opfer-Hilfe-Verein und mit Juristen überlegen, ob und wie die Ergebnisse im Rahmen eines Leitfadens helfen können, in Entschädigungsverfahren eine Anerkennung zu erleichtern. Es mag erstaunen, dass wir das nach all den Jahren noch tun müssen.“ (Braun)

Ein differenziertes und empirisch gesättigtes, realitätsnahes Bild ist sicherlich nötig, damit die geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung nicht auch noch auf dem Gebiet des DDR-Sports scheitert. Denn, so I. S. Kowalczuk im Spiegel vom 07.10.2023: , „Ein Großteil der Aufarbeitungsaktivitäten in den vergangenen mehr als drei Jahrzehnten – der Verfasser weiß als Akteur, wovon er spricht – fegte über die Gesellschaft hinweg, erreicht sie nicht.“  Das beklagte Nichterreichen der Bevölkerung und Hinwegfegen über die Gesellschaft hat viele Gründe, einige sind bei den Aufarbeitungs-Akteuren selbst zu finden.
Ebenso notwendig wie die angemahnte empirische Sättigung ist aber auch die theoretische Fundierung und die theoretische Begründung der leitenden Fragestellungen. Es gilt die normativen Prämissen die den Fragestellungen zu Grunde gelegt werden, eindeutig zu benennen.
Sind diese normativen Prämissen bereits durch emotional aufgeladene Vorurteile durchdrungen, sollte man sich nicht wundern, dass darauf aufbauende „Aufarbeitungsaktivitäten“ von der ostdeutschen Bevölkerung nicht angenommen und nicht ernstgenommen werden. Emotionsbesetzte, dämonisierende Bezeichnungen wie „Freiluftgefängnis“, „Unrechtsstaat“, „flächendeckendes Zwangsdoping“, „staatliche Überwältigungsstrategie“, „alles gründete auf Gewalt“, „Sportdiktatur“ oder „Erziehungsdiktatur“ und anhaltende „Vererbung von Brutalität im Osten“ sind diesbezüglich nicht sachdienlich und zielführend.
Sie verstellen nicht zuletzt durch ihre grobe, unzulässige Verallgemeinerung einzelner, zum Teil tragischer Erfahrungen geradezu den Zugang zu einer differenzierten Aufklärung der realen historischen Sachverhalte. Wenn in einer zerrütteten Familie die Mutter (natürlich eine gelernte DDR-Erzieherin) ihre Kinder beim Baden absichtsvoll verbrüht, so ist das noch lange kein Beleg für die „Vererbung von Brutalität“ über Generationen hinweg im Osten (vgl. A. Raabe 2023). Mit derartigen Erzählungen zur Vererbung von Gewalt im Osten lassen sich möglicherweise zeitgeistige Buchpreise gewinnen, diese Erzählungen entsprechen jedoch nicht den sozialen Tatsachen, sie entsprechen nicht den Alltagserfahrungen der ostdeutschen Bevölkerung. Die Studien des Robert-Koch-Instituts (RKI Berlin) oder des Deutschen Jugend Instituts (DJI München) zu Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland geben keine Hinweise auf die besondere transgenerative Weitergabe von Gewalterfahrungen im Osten. Aufwendige Untersuchungen im Rahmen des vom BMBF-geförderten Verbundprojektes „DDR-Psych“ mit dem standardisierten Instrument „Childhood Trauma Screener“ erlaubten sogar die Aussage, „eher als in der DDR erlebten Kinder in der alten BRD-Gewalt“ (S.Rennefanz im Tagesspiegel vom 30.09.2023. Oder in der Pressemitteilung der Univ. Leipzig 230/2021 vom 02.12.2021 zur erwähnten Studie:

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Aufwachsen im Osten mit einem geringeren Traumatisierungsrisiko verbunden war als ein Aufwachsen im Westen“.

Diese veröffentlichten Befunde passen nicht in das medial bevorzugte Narrativ, dass dem Osten wie selbstverständlich pauschal verstärkte Gewalterfahrungen im Kindes-und Jugendalter zuschreibt.

Die Gewalterfahrungen von Jugendlichen in Jugendwerkhöfen wie Torgau stehen ebenso wenig für die DDR-Jugendlichen, wie die Missbrauchs-Opfer der Katholischen BRD-Kirche nicht repräsentativ für die BRD-Jugendlichen sind. Die Studien des Verbundprojektes „DDR-Psych“ verweisen auch auf einige sozio-politische Faktoren, die möglicherweise im Osten gewaltpräventiver gewirkt haben als im Westen. Dazu gehörten gesetzliche Vorgaben, gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Kontrolle (z.B. Elternaktive in den Schulklassen) sowie der sozioökonomische Status der Frauen.

Eine polemische Wortwahl in sich wissenschaftlich gebenden Studien bringt von vornherein persönliche und emotionale Wertungen und Vorurteile ins Spiel. Wenn dann noch Personen ohne eigene DDR-biografische Erfahrungen, nach 1990 in den Osten kommen, um den Ostdeutschen zu erklären in welch übler Sportdiktatur sie gelebt haben oder welch ohnmächtige, gewaltbasierte Manipulationsopfer sie doch eigentlich sind, ist das Scheitern derartiger Aufklärungsbemühungen geradezu programmiert.

Eine Besinnung auf das Diktum des Historikers L. von Ranke (1795-1886) kann hier durchaus hilfreich sein: Das sachlich-neutrale Beschreiben des „wie es eigentlich gewesen“ macht den Kern dieses Diktums aus. Dazu der Sport-Historiker M. Krüger in einem Vortrag zur Erinnerungskultur in Maulbronn (2013):

Er (L. von Ranke, A. H.) hat mit dazu beigetragen, dass Geschichte als Wissenschaft betrieben und angesehen wird, und nicht nur als das Erzählen von mehr oder weniger persönlichen Erinnerungen aus der Vergangenheit oder als nachträgliche Bestätigung bzw. Legitimierung ideologischer oder religiöser Weltsichten. Geschichte als Wissenschaft betrieben und verstanden, sollte sich nach Ranke eben auch nicht anmaßen, ‚die Vergangenheit zu richten‘ oder zukünftige Generationen zu ‚belehren‘. Dies mögen wichtige Aufgaben sein, aber mit wissenschaftlicher Geschichtsschreibung sind sie nicht vereinbar.

Wissenschaftlich betriebene Geschichte oder Geschichtsforschung unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von anderen Formen der Erinnerungs- oder Geschichtskultur.“ (Krüger 2013)

Das Bemühen um Wertneutralität und Sachlichkeit, das Freilegen der normativen und/oder theoretischen Prämissen und eine nachvollziehbare methodische Systematik sollten als eherne Grundsätze wissenschaftlich-historischen Arbeitens gelten, auch wenn diese eine idealtypische Überhöhung in sich tragen.

Ob sich aus der bloßen Sammlung von weiteren Einzelfällen (sensu J. Braun) und einem empirisch-qualitativen Herangehen eine evidente empirische Sättigung ergibt, ist zumindest fragwürdig. Problematisch für eine geschichtswissenschaftliche Studie muss diesbezüglich die von J. Braun erklärte Ausrichtung auf eine politische Verwertbarkeit im Sinne eines Leitfadens für finanzielle Entschädigungsverfahren und Anerkennung von Rentenansprüchen für manipulierte DDR-Athleten gesehen werden.

Das politische Verwertungsinteresse kann nicht ohne Auswirkung auf das erkenntnisleitende Interesse bleiben. Der wissenschaftliche Sport-Historiker wechselt hier seine Rolle und betreibt mit Gewissheit ein anderes, ein politisches Geschäft. Braun & Wiese wollen anscheinend mit ihrer Studie eine neue Identität von DDR-Sportopfern schaffen, eben den Opfertypus vom totalen, infantilisierten und unmündigen systembedingten Manipulationsopfer. Aber Identität zu stiften, „das wäre das Geschäft eines Historikers im Dienste der Macht, von dem sich der Historiker im Dienste der Wahrheit so klar wie möglich distanzieren muss“, so A.  Assman (2020, S. 22) unter Bezugnahme auf R. Koselleck (2003).

In Deutschland brodelt es seit geraumer Zeit erheblich und die substantielle Gefährdung der Demokratie durch antidemokratische Kräfte, aber auch durch eine schlecht praktizierte Demokratie fast aller verantwortlichen Landes-und Bundesregierungen in der jüngeren Zeit, ist offenkundig und real. Die letzten Landtagswahlen in Bayern und Hessen (08.10.2023) nähren diese Besorgnis erneut und lassen eine Spaltung der politischen Kultur (vgl. H. A. Winkler 2023) erkennen. Das gesteigerte Unbehagen der Bevölkerung in den multiplen Krisenzeiten der Gegenwart, lässt sogar das Erreichen dramatischer gesellschaftlicher Kipp-Punkte befürchten.

Das geschichtspolitische Aufarbeitungsgewerbe mit ihren zumeist befristeten „Brot-Gelehrten“ und drittmittelfinanzierten Projektforschern blüht und gedeiht nur scheinbar. In Wahrheit kämpft diese sektiererische, zeitgeistige Branche um ihr finanzielles Überleben. Das führt einerseits zu erbitterten Grabenkämpfen innerhalb dieser Gruppierungen (vgl. Eckhardt 2023), andererseits zu bizarren Überzeichnungen im Überbietungswettbewerb zur dämonisierten DDR-Geschichte, um die politische Aufmerksamkeit der finanziellen Zuwender zu gewinnen.

Den Akteuren ist gar nicht bewusst, dass sie mit ihren überbordenden, einseitig ostwärts gerichteten Dämonisierungen und pauschalisierenden Delegitimationsbemühungen genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie eigentlich erreichen wollen. Sie leisten durch ihr undifferenziertes Herangehen und durch unzulässige Verallgemeinerungen substantielle Beiträge zur weiteren Spaltung der politischen Kultur und steigern die Gefährdung der Demokratie in der deutschen Gesellschaft.

So werden neue Identitäten der „Ostler“ erfunden, erzeugt und zugeschrieben, die weder den historischen Tatsachen, noch den lebenspraktischen Erfahrungen und auch nicht der Erinnerungskultur der ostdeutschen Bevölkerung entsprechen. Die ungebrochen anhaltende, außerordentliche Rezeption, die Auflagenhöhe und Platzierung des Buches von D. Oschmann (2023), „Der Osten- eine westdeutsche Erfindung“, in Bestsellerlisten, kann dafür als ein Beleg gelten.

Die sofort einsetzende, geifernde Sofortkritik von Frau I.Geipel (2023) an diesem Buch von D.Oschmann und dessen Denunzierung als „Spalter“ war geradezu auflagensteigernd und förderte die Akzeptanz seiner Argumentation ungemein. Wenn die DDR – wie bei J. Braun – pauschal und undifferenziert, in toto als eine gewaltbasierte „Sportdiktatur“ beschrieben wird, ist das völlig inakzeptabel, sachlich schlicht falsch und politisch-aufklärerisch gesehen, gewiss nicht zielführend.

Schriftstellernde Hobby-Genetiker schwadronieren über die transgenerative „Vererbung der Brutalität“ im Osten (A.Raabe) – ohne  angemessen zwischen biologischer, kultureller und juristischer Vererbung zu unterscheiden – , und geschichtspolitisierende Sport-Historiker erkennen  eine „Sportdiktatur“ oder eine „Erziehungsdiktatur“ im Osten und beschweren sich nach diesen grotesken Überzeichnungen des gesellschaftlichen Alltags im Osten zugleich über eine angebliche „groteske Gleichsetzung“ der Sportbetrügereien des Dopens „hüben wie drüben“.

Weshalb der Paradigmenwechsel bei der Begründung von Entschädigungen für Dopingopfer?

Besonders auffällig ist ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel zur Neubewertung des Dopings in Deutschland und ein signifikant anderes Herangehen bei der Begründung zur Entschädigung von Doping-Opfern im Osten. Die dopenden „Ossi – Athleten“, von denen es nach Meinung von J. Braun „irrsinnig“ viele gegeben haben soll, sind von nun an – gemäß der neuen Argumentation von J. Braun – keine schlichten Dopingopfer oder Dopingsünder mehr, es sind von nun an alles fremdbestimmte Manipulationsopfer, die von jeglicher Mitwirkung und Mitverantwortung für ihr Fehlverhalten freigesprochen werden. Das Gerede vom „flächendeckenden Zwangsdoping“ im Rahmen einer systemischen, manipulativen „Sportdiktatur“ soll das neue Herangehen erklären, legitimieren und zugleich die alten sperrigen, halbwegs justiziablen Kriterien ersetzen.

Der DDR-Leistungssportler kann nach dieser Deutung von vornherein kein selbstbestimmter Akteur und Täter sein, er ist nur noch und vollständig ein Opfer des Systems. Es wird die Identität eines total manipulierten, unmündigen und systemisch viktimisierten DDR- Ossi-Athleten konstruiert, der von jeglicher Verantwortung für sein Handeln entlastet wird. Diese soziale und politische Kunstfigur wird benötigt, um auch weiterhin an die „Fleischtöpfe“ der finanziellen Opfer-Entschädigungen der noch existierenden Opferentschädigungsgesetze heranzukommen und eventuell sogar den Zugang zu speziellen Rentenansprüchen für manipulierte DDR-Athleten zu ermöglichen. Das mag sogar auf den ersten Blick gut gemeint sein, aber es ist politisch kontraproduktiv, es entspricht nicht den sozialen Tatsachen, ebenso wenig der Erinnerungskultur im Osten. Der fehlende gesamtdeutsche Blick ist ebenfalls offenkundig.

Damit werden auch die bisherigen, justiziablen Kriterien des ausgelaufenen Dopingopfer– Hilfegesetzes (DOH) über Bord geworfen. Die darin fixierten Kriterien für Entschädigungsansprüche schienen der Interviewpartnerin nicht mehr vertretbar zu sein:

„…das Dopingopfer-Hilfegesetz hat eine Brücke gebaut zu vielen Menschen, ihnen zu einer Entschädigung verholfen. Aber die Debatte über die Frage, ob es bei der Anerkennung von Opfern wichtig ist, ob jemand wissentlich oder unwissentlich gedopt hat, konzentrierte sich zuletzt nur noch auf die Verantwortung der Sportlerinnen und Sportler. Das erschien mir nicht vertretbar.“ (Braun)

Als Begründung für die Nichtvertretbarkeit der früheren Positionen zur Entschädigungsregelung wird genannt:

Weil man damit das Problem völlig verzwergt. Wenn es quasi nur Einzelne gewesen sein sollen, die sich falsch verhielten, dann werden die Systemfaktoren völlig ausgeblendet. Das hat zu einer komischen, ja grotesken Gleichsetzung zwischen Doping-West und Doping-Ost geführt. Ich dachte, wir wären schon viel weiter nach all den Veröffentlichungen von Zeitzeugen und Historikern.“ (Braun)

Es gibt wohl niemanden, der ernsthaft von einer undifferenzierten „Gleichsetzung“ von Doping-West mit Doping-Ost ausgeht. Vergleiche sind jedoch zu ziehen und Vergleichbarkeit ist gegeben. Nur durch sachliche Vergleiche entgeht man einer unzulässigen Gleichsetzung. Aber genau auf diese Differenzierung beim Vergleichen kommt es an. Die holzschnittartige und klischeehafte Gegenüberstellung eines „selbstbestimmten“ Athleten-West gegen einen „fremdbestimmten“ Athleten-Ost, der sich im angeblichen, staatlichen „Rundum-Zugriff“ befindet, hilft hier nicht weiter. Es ist eine unzulässige Vereinfachung und Ausblendung von sozialen Tatsachen und eine untaugliche Beanspruchung des Modells von einer gesellschaftlichen Norm (West) und einer gesellschaftlichen Abweichung (Ost). Differenzierung innerhalb dieser Vergleiche des Vergleichbaren ist auch das beste Mittel gegen eine ahistorische Nivellierung.

Um der vermeintlichen Verzwergung des Doping-Problems in der DDR entgegenzutreten, wird durch Frau Braun eine massenhafte Verzwergung der DDR-Athleten vorgenommen bei gleichzeitiger monströser Überhöhung der systemischen Zwangsfaktoren. Es gab in der DDR viele Zwänge und es gab auch viel Unrecht, aber einen systemischen Zwang zum Leistungssport gab es mit Gewissheit nicht. Erziehungsberechtige Eltern konnten folgenlos für sich und das Kind verhindern, dass ihre Kinder in das Leistungssportsystem eingebunden wurden und ebenso war es selbstbestimmt möglich, als erwachsener DDR-Bürger aus dem Leistungssportsystem auszusteigen, wenn die Sportler bereit waren, auf liebgewordene Privilegien zu verzichten und einige erträgliche soziale Ausgrenzungen auszuhalten.

Die Hürden waren vermutlich nicht wesentlich höher als der Austritt aus einer verkommenen katholischen Kirche mit ihren diktaturähnlichen Strukturen und Missbrauchstraditionen. Katholische Priester, die gegenwärtig ihren Dienst quittieren, könnten darüber berichten.

Der Begriff vom flächendeckenden Zwangsdoping wurde vielfach und völlig zu Recht hinsichtlich der Merkmale Fläche und Zwang kritisiert (vgl. Beiträge von H. Miserskys und R. Nickel). Dazu hat Frau Braun eine besondere Lesart und Deutung parat, sie verknüpft das Dopen in DDR mit einer umfassenden Überwältigungsstrategie durch den Staat:

Was der Begriff aber markiert – und das aus meiner Sicht zu Recht –, ist die Tatsache, dass es sich von vornherein um eine staatliche Überwältigungsstrategie handelte. In körperlicher, emotionaler, ideologischer Hinsicht. Das muss man berücksichtigen, wenn über die Entschädigung oder eine Rente für ehemalige DDR-Sportler entschieden werden soll “ (Braun).

Auch hier gilt das mehrfachangesprochene Differenzierungsgebot und es ist der vermeintlich totalitäre Anspruch des Überwältigtwerdens durch den DDR-Staat, kritisch zu hinterfragen. Dazu gehören ja stets zwei Akteure und eine Überwältigung greift ins Leere, wenn Selbstbestimmung und Selbstermächtigung vorhanden sind.

Zugleich zeigen der nachgewiesene Doping-Betrug auch in der Alt-BRD sowie der ungebremste Fortgang des Sportbetruges durch Doping nach 1990, dass es des Staates nicht immer bedarf. Die Überwältigungsstrategien des Sport-Marktes durch Marketing und finanzielle Anreize der Selbstoptimierungsindustrie reichen völlig aus, um entsprechende Schäden zu verursachen. Ob der Staat hier direkt mitmischt oder nur die marktwirtschaftlichen Leitplanken montiert, ist bezüglich der individuellen und gesellschaftlichen Schadensbilanz dann nachrangig. Die Vergleiche zur Lebenserwartung ostdeutscher und westdeutscher Olympiasieger oder zum Pro-Kopf-Verbrauch von Enhancement-Substanzen in Deutschland geben darüber Auskunft.

Die bisherige Aufarbeitung der DDR-Geschichte ist offensichtlich gescheitert:

Das Scheitern der bisherigen Aufarbeitung der DDR-Geschichte wird von verschiedenen Akteuren behauptet, erklärt und unterschiedlich begründet.

Ich dachte, wir wären schon viel weiter nach all den Veröffentlichungen von Zeitzeugen und Historikern.“ (Braun)

Ja, hier hat Frau Braun völlig recht, man hätte schon viel weiter sein können!

Im Osten schlägt mir mitunter Abwehr entgegen, wenn ich den Begriff der ‚Sportdiktatur‘ benutze. Das Publikum aus jüngeren und älteren, sportaffinen Leuten schimpft, und es wird lautstark

gefragt, warum denn der Leistungssport heute nicht mehr so wäre wie früher. Das liege doch an der Erziehung der Kinder, alles sei verwahrlost heute, wo bleibe die Disziplin. Da ist zuweilen eine Mentalität konserviert worden, die den DDR-Sport weiterhin als zentralen Bezugspunkt pflegt. Wenn ich über Forschungsresultate zum DDR-Doping berichte, dann bekomme ich vier, fünf Tage lang wütende Mails.“ (Braun)

Zwei konkurrierende Narrative zur Erklärung der Differenzen zwischen Ost und West haben gegenwärtig Konjunktur:

Zur Erklärung der offenkundigen, über Jahrzehnte hinweg anhaltendeN und sich zuletzt sogar verstärkenden Ost-West-Differenzen in Deutschland werden zwei konkurrierende Erzählmuster (Narrative) in wissenschaftlichen und literarischen Werken in Anspruch genommen, die jeweils ihre eigene Vorgeschichte haben:

In seiner geschichtsphilosophischen Arbeit „Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ (1852) markierte Karl Marx bereits treffend die Dimensionen der beiden, noch heute beanspruchten Narrative. Einmal sind es die „gesellschaftlichen Umstände“ und zum anderen sind es die „Traditionen vorangegangener Geschlechter“, welche das individuelle Denken und das Verhalten wie ein „Alp“ belasten:

Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorhandenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ (Marx, 1852).

Seitens der gegenwärtig machtausübenden und diskursbeherrschenden Kräfte wird aus nachvollziehbaren Gründen vor allem der (negative) Tradierungs – und Vererbungsansatz in Anspruch genommen. Das entlastet die gegenwärtige und jüngere regierungsverantwortliche Politik von Vorwürfen, die an sie gerichtet werden könnten und verlagert die Verursachung von gesellschaftlichen Problemlagen in die weiter zurückliegende Vergangenheit. Die Besonderheiten des Ostens, die Abweichungen von der westdeutschen Norm werden dann vor allem durch die Nachwirkungen, durch die Manipulationen, durch die Indoktrinationen, durch die fehlende Aufarbeitung von zwei Diktaturen (NS-Diktatur; SED/DDR-Diktatur) erklärt.

Bücher, die diesen Ansatz thematisieren, erlangen in aller Regel Preise (I. Geipel) oder werden zumindest als Kandidaten für Preisverleihungen (A. Raabe; C. Gneuß) gehandelt. Auf den Gehirnen der unmündigen Ossis sollen die Tradierungen dieser Diktaturen durch soziale Vererbung wie ein „Alp“ lasten, um die Worte und Überlegungen von Marx (1852) zu bemühen:

Die Tradition aller todten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüme, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neue Weltgeschichtsszene aufzuführen.“ (Marx 1852).

Jedem „gebrauchten DDR-Bürger“ (sensu L. de Maiziere) ist dieses Erklärungsmuster aus unzähligen Veranstaltungen und Partei-Lehrjahren wohl vertraut. Es wurde mit einer anderen Kontextualisierung sehr oft in Anspruch genommen. Immer, wenn es offenkundige Schwierigkeiten und Rückschläge beim Aufbau des DDR-Sozialismus gab, wurden die „Muttermale“ der alten (bürgerlichen) Gesellschaft benannt – die noch dazu im Westen fortlebte – , die quasi wie ein „Alp“ noch in den Köpfen und im Verhalten der DDR-Bürger wirkten und den zügigen Aufbau des Sozialismus hemmten. Auch für diese Erklärung musste Marx herhalten, indem man seine Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei (Kritik des Gothaer Programms) bemühte:

Womit wir es hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eignen Grundlage entwickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. ° (Marx 1875).

Dieser vielbemühte Tradierungsansatz zur Problemerklärung im Osten immunisierte die politische Führung der DDR über Jahrzehnte und verdeckte zuletzt deren gravierende Politikunfähigkeit, die letztlich zum Zusammenbruch, zur Implosion der DDR führte. Ähnliches ist jetzt in Ansätzen bei Geschichtspolitikern und Literaten als eine erneute Farce wieder zu erkennen.

Das andere Narrativ sieht die Gründe für sich verstetigende und sogar steigernde Ost-West-Differenzen und gesellschaftliche Spaltungen vorrangig in den Fehlentwicklungen der beitrittsbasierten Wiedervereinigung in den letzten 33 Jahren. Auf sehr deutliche Art und Weise hatte bereits Nobelpreisträger G.Grass zu Beginn der 1990er Jahre auf die drei Grundübel der beitrittsbedingten Wiedervereinigung hingewiesen: (1.) Die Bevorzugung des Beitritts-Paragrafen gegenüber dem Verfassungs-Paragrafen im Grundgesetz. (2.) Die Bevorzugung des Verkaufs der Ostbetriebe durch die Treuhand gegenüber der Ertüchtigung der Ostbetriebe durch die Treuhandanstalt. (3.) Die Bevorzugung der politisch-moralischen Aufarbeitung durch Regelanfragen an die Stasi-Unterlagenbehörde gegenüber einer juristischen Aufarbeitung dieser Unterlagen. Selbst der Minister für Staatssicherheit (E.Mielke) wurde nicht wegen seiner massiven Verstöße gegen die Gesetze der DDR belangt, sondern wegen eines Tötungsdelikts aus der Zeit der Weimarer Republik. Insbesondere die de facto neokoloniale Behandlung des Ostens als „verlängerte Werkbank“ über Jahrzehnte hinweg, hat schwere Schäden hinterlassen und für die Verstetigung von Ost-West-Differenzen gesorgt. Diese lassen sich auch nicht durch Oberflächenphänomene von blühenden Landschaften kaschieren. Das zunehmende Bewusstwerden dieser Fehlentwicklungen in den letzten Jahrzehnten erklärt auch den Erfolg des Bestsellers von D.Oschmann (2023)

Die Verstetigung der gravierenden Unterschiede im Ost-West-Vergleich beim organisierten Sport auch nach 33 Jahren der Wiedervereinigung durch Beitritt (vgl. Sportausschuss des Deutschen Bundestages vom 18.10.2023) belegen eindrucksvoll die zahlreichen Fehlentwicklungen auf dem Gebiet des Sports. Die Fehlentwicklungen in der Sportwissenschaft sind darin einbezogen. Bemerkenswert daran ist – bis auf wenige Ausnahmen – das völlige Fehlen von kritischer Selbstreflexion westdeutscher Entscheidungsträger und deren ostdeutsche Zuarbeiter. Die verkürzten und einseitigen Betrachtungen des DDR-Sports (Sportdiktatur, flächendeckendes Zwangsdoping, der Umgang mit „Täve“, die Pseudoevaluierung der DHfK in Leipzig u.a.m.) haben dazu ihren Beitrag geleistet.

Die besondere Brisanz des Minderjährigen-Dopings und die problematische Aufhebung der Differenz zwischen Minderjährigen und Erwachsenen Dopern

Das Dopen von Minderjährigen wird mit dem Begriff des Sport-Betrugs zweifelsfrei verharmlost und bagatellisiert. Das Minderjährigen-Doping ist ein Verbrechen und eine massive Gefährdung des gesunden Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen.

Das von J. Braun behauptete Ausmaß des Minderjährigen-Dopings in der DDR gilt es gerade deshalb genau zu prüfen und zu belegen. Formulierungen wie „irrsinnig groß“ oder „unglaubliche Falldichte“ helfen hier nicht weiter:

Die meisten, die das erste Mal Dopingmittel bekamen, waren unter 18 Jahre alt, viele zwischen 12 und 16, also ganz junge Menschen.“ (Braun)

Unsere Untersuchung ist eine qualitative Untersuchung, keine quantitative. Aber wir waren überrascht von den vielen Fällen des Minderjährigen-Dopings. Das Material ist irrsinnig groß. Wir versuchen noch, es zu quantifizieren. Es gibt eine unglaubliche Falldichte.“ (Braun)

Problematisch wird die Argumentation auch dann, wenn die Grenze zwischen Minderjährigen und Volljährigen politisch motiviert aufgehoben wird und eine argumentative Entgrenzung erfolgt. Es geht hier nicht um Stichtage, sondern um eine flexible Grenzziehung im Einzelfall, wie es in der Rechtsprechung üblich ist. Weder darf jedoch die besondere Schutzbedürftigkeit der Kinder und Jugendlichen im Nachwuchsleistungssport ausgedünnt werden, noch sollte aus den kriminellen Doping-Machenschaften im Jugendalter eine nachfolgende Infantilisierung und Entmündigung der volljährigen DDR-Leistungssportler abgeleitet werden.

Die Problematik des Nachweises der Kausalität des Dopens für Folgeschäden:

Der objektive Nachweis von Schädigungen durch Doping ist außerordentlich schwierig und über die Nachweisführung bei Langzeitschäden wird – wie bei anderen Entschädigungsregelungen auch – heftig gestritten, insbesondere unter Medizinern, Pharmakologen und Leistungsphysiologen. Unter den politischen Aufklärern weicht man dieser naturwissenschaftlichen Nachweisführung aus und man sieht die „ganz schweren Folgeschäden“ nicht in der physischen Natur, sondern in der seelischen Natur. Die „harten“ naturwissenschaftlichen Fakten werden ignoriert und die „weichen“ psychosomatischen, seelischen Befunde bevorzugt.

Das bekannte Doping-Mittel „Oral-Turinabol“ war im Arzneimittel-Verzeichnis der DDR (1983, S. 227) als Medikament für definierte medizinische Indikationen aufgeführt. Es werden im Verzeichnis auf die Verabreichungsdauer, auf die Dosierungen und auf mögliche Nebenwirkungen hingewiesen. In der zugänglichen Fachliteratur (Oettel 1984) wird angegeben: „Bei Überdosierungen können bei Frauen Hirsutismus, Akne, Amenorrhoe und Klitoriswachstum beobachtet werden. Bei Kindern kann es zum vorzeitigen Epiphysenschluss kommen.“ Diese Informationen wurden jedem DDR-Mediziner, einschließlich der Sport-Mediziner, kostenlos zugestellt. Es kann somit nicht behauptet werden, dass es zu dem Medikament Oral-Turinabol zu DDR-Zeiten keine oder nur ungenügende Informationen gab. Der ehemalige Forschungsdirektor von Jenapharm dazu: „Bei Einhaltung der von Jenapharm empfohlenen Dosierungen, sind die von Freyberger et al. behaupteten schweren Nebenwirkungen unvorstellbar.“ (Oettel, 2023)

Diese (unvorstellbaren) Schäden wären nach Lesart und Deutung von J. Braun insgesamt geringer, wenn das Dopen nicht unter den Bedingungen einer Diktatur, sondern einer freiheitlich liberalen Demokratie erfolgt wäre. Woher will das Frau Braun überhaupt wissen? An der unterschiedlichen Physiologie der Ossis und Wessis kann es wohl nicht liegen. Deshalb wird von ihr behauptet, die ganz schweren Folgeschäden sind nicht physischer, sondern diktaturbedingt seelischer Natur:

Für die Opfer ist es heute sehr schwierig, eine Schädigung durch Doping nachzuweisen. Nicht bei jedem lösen die Medikamente das Gleiche aus, der eine kommt ohne größere Schäden davon, der andere bekommt Lungenkrebs. Allein jemanden zu dopen ist schon ein Verbrechen an der Gesundheit, weil Doping viele physischen Krankheiten auslösen kann und ausgelöst hat. Die ganz schweren Folgeschäden sind aber nicht nur physischer, sondern auch seelischer Natur. Wenn diese jungen Menschen nicht in einer Diktatur gelebt hätten, dann wären diese Faktoren wohl nicht so hoch, das legt zumindest die psychopathologische Forschung nahe.“ (Braun)

Weitestgehend ausgeblendet wird die Verursachung von Folgeschäden durch ein hochintensives Trainings- und Wettkampfgeschehen über viele Jahre hinweg. Schädigungen, Verletzungen und Unfälle durch Hochleistungssport – egal ob gedopt oder nicht gedopt – sind sehr real und können alles andere überlagern. Das Qualitätsmanagement der realen Trainingsprozesse in den Sportverbänden ist seit Jahrzehnten defizitär. Eine Fachaufsicht zu den Trainingsprozessen in den Sportverbänden gibt es immer noch nicht und die normativen Phrasen der Konzepte zum „langfristigen Leistungsaufbau“ werden nach wie vor nicht evaluiert, sondern bestenfalls fortgeschrieben. Es dominieren in aller Regel erfahrungsbasierte „Meisterlehren“ unterschiedlicher Art mit extremer Zufallsbehaftung.

Wer ernsthaft nach den Ursachen von Folgeschäden ehemaliger DDR-Leistungssportler sucht und die ganz schweren Folgeschäden im seelischen Bereich identifiziert, sollte auch die Karrierebrüche und die sozialen Unsicherheiten bedenken, die viele DDR-Leistungssportler in der beitrittsbedingten Wendezeit zum Teil drastisch erfahren mussten. Viele standen vor dem sprichwörtlichen „Nichts“. Auch diese, biografisch entwertenden Erfahrungen blieben nicht ohne gesundheitliche Folgen. Monokausale Erklärungen und die Fokussierung auf zeitlich begrenzte Verursachungszeiträume greifen zu kurz.

Die geschichtswissenschaftliche Historisierung der DDR-Geschichte und deren Einordnung in die gesamtdeutsche Geschichte

Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur“ so lautet der Titel des Buches von Frau A.Assmann (2013), dass 2020 in vierter Auflage erschienen ist. Die Erörterung des vielschichtigen Verhältnisses von Erinnerungskultur und Historisierung nimmt darin eine bedeutende Position ein. Historisierung wird dabei als Lieblingsvokabel im Diskurs des Unbehagens und als Kampfbegriff in mehreren Historiker-Streitereien markiert (vgl. Assmann 2020, S.99).  Unter Bezugnahme auf Lübbe (2013) lässt sich sagen, die reale DDR-Geschichte wird in ihrer vollständigen Historisierung enden und zum klassischen Erkenntnisbestand dieser Geschichtsschreibung wird letztlich nur gehören, was die Historisierung aushält.
Aber was heißt eigentlich Historisierung? Historisieren kann in der Tat ganz Unterschiedliches bedeuten. Drei markante Bedeutungen hebt A. Assman (2020, S. 100 ff.) hervor:

  1. Die freie Verfügung der Historiker über ihren fachlichen Gegenstand und die Zurückweisung geschichtspolitischer Eingriffe in die historische Forschung.
  2. Die Beachtung des demografischen Wandels und des Faktors Die Zeit selbst wird zum Agenten des Wandels in der Sachlichkeit der Betrachtungen. Es sind vor allem die berühmten „Zeitzeugen“, welche die Geschichte moralisieren und einen emotionalen Druck auf die Gegenwart ausüben.
  3. Historisierung als Akt einer kulturellen Willensentscheidung der Nachgeborenen, die normativen Bindungen an Vergangenes aufzulösen und verbindliche Erinnerungimperative abzulehnen.

Historisierung sollte stets als wissenschaftliche Historisierung verstanden werden (sensu L. Ranke) und jeglicher Form von politischer Instrumentalisierung von Vergangenheit begegnen. Die wissenschaftliche Historisierung der DDR-Geschichte ist als Aufgabe und Herausforderung für kommende Jahrzehnte und Generationen zu betrachten. Wenn die vollständige Studie von Braun & Wiese vorliegt, gilt es die Vorbereitung darauf zu prüfen.

Letzte Bearbeitung: 07.11.2023