von Reinhard Peters und Klaus Paul
Das Saarland nach dem zweiten Weltkrieg – die politische Ausgangslage[1]
Bereits auf der Konferenz von Jalta (04. bis 11. Februar 1945) beschlossen die Staatschefs der alliierten Siegermächte Franklin D. Roosevelt (USA), Winston Churchill (Großbritannien) und Josef Stalin (UdSSR) die Aufteilung Deutschlands nach dem Krieg in vier Besatzungszonen. Auch Frankreich, für welches General de Gaulle wiederholt den Status einer Siegermacht gefordert hatte, wurde durch die Vermittlung Churchills gegen den Widerstand Stalins und Roosevelts eine eigene Zone zugesprochen.
Am 10. Juli 1945 übernahm Frankreich die zwischen den Amerikanern, Briten und Franzosen ausverhandelte „Französische Besatzungszone“, zu der auch das Saarland gehörte.
Alle Maßnahmen der französischen Besatzungsmacht waren von Anbeginn auf Separation und Autonomie des Saarlandes gerichtet (u.a. Einbeziehung in den französischen Zollbereich, Einführung der französischen Währung, Angleichung des saarländischen Preis- und Gehaltsniveaus an die französischen Gegebenheiten).
Das Saarland war dadurch ab Januar 1946 aus dem Zuständigkeitsbereich des Alliierten Kontrollrates herausgelöst, schlug eine von den vier Besatzungsmächten unabhängige, eigene Entwicklung ein und war somit auch kein Teil Deutschlands mehr.
Am 16. Juni 1947 wurde als Zahlungsmittel die „Saarmark“ eingeführt, die aber schon am 15. November infolge der Währungsunion mit Frankreich durch den „Franc“ abgelöst wurde. Es wurden auch eigene Münzen mit deutscher Aufschrift und Saarland bezogenen Motiven geprägt, die aber auf französischen „Franc“ lauteten (offiziell „Franken“, aber im allgemeinen Sprachgebrauch kaum verwendet).
Nach der Verabschiedung der nach französischen Vorgaben erstellten „Saarländischen Verfassung“ am 08. November 1947 war schließlich auch das französische „Saarkonzept“ parlamentarisch legitimiert. Es hatte sich ein quasi autonomer Staat gegründet mit der Folge, dass Gesetze, Vorgaben, … der Militärregierung durch Verordnungen der Saarregierung ersetzt wurden. Aber auch diese standen weiterhin unter der Kontrolle des „Hohen Kommissars“ (Umwandlung der Militärregierung).
Am 23. Oktober 1955 schließlich wurde eine Volksbefragung über eine Europäisierung des Saarlandes durchgeführt, in der 67,7 Prozent der abstimmenden Saarländer „Nein“ sagten und sich damit gegen das von der Adenauer-Regierung mit der französischen Regierung ausgehandelte (zweite) Saarstatut aussprachen. Das Ergebnis der Abstimmung wurde als Wille der saarländischen Bevölkerung interpretiert, sich der Bundesrepublik Deutschland anzuschließen. Die Regierung Frankreichs lenkte daraufhin ein, und am 27. Oktober 1956 wurde in Luxemburg der Saarvertrag abgeschlossen, worauf das Saarland am 1. Januar 1957 das zehnte Bundesland der Bundesrepublik Deutschland wurde. Die wirtschaftliche Angliederung samt Übernahme der D-Mark wurde am 6. Juli 1959, dem sogenannten „Tag X“, vollzogen.
Der Sport in dem autonomen „Staat Saarland“[2] – mit einem besonderen Blick auf den Handballsport
Bereits im September 1945 richtete der „Gouverneur de la Sarre“, Colonel Grandval, ein erstes Dossier seiner „Section des Sports“ an den saarländischen Regierungspräsidenten Hans Neureuter, das sich mit den „Associations Sportives“ befasste und u.a. Auflagen für die Gründung von Sportvereinen erteilte. Colonel Grandval behielt sich die alleinige Richtlinienkompetenz vor – auch gegenüber den sportspezifischen Direktiven der alliierten Besatzungsmächte in Berlin und auch in Abgrenzung zu den Behörden der französischen Zone in Baden-Baden. Entscheidend war, dass mit diesem Dossier auch im Sport der Sonderweg des Saarlandes eingeleitet wurde. Ziel war es, den Saar-Sport zu kontrollieren, ihn von Beginn an auch in den Dienst der französischen Kulturpolitik zu stellen und ihn sukzessive aus allen deutschen Bindungen zu lösen.
Mit der Ablösung des Regierungspräsidiums und der Errichtung einer „Verwaltungskommission“ u.a. mit einem Referat „Jugend und Sport“ unter Emil Straus, dem „Direktor der Erziehung“[3], wurde eine der „Section Jeunesse et Sports“ der Militärregierung adäquate Verwaltungsstruktur aufgebaut; der ehemalige Arbeitersportler Ludwig Geibig wurde Referatsleiter.
Wie in den westlichen Besatzungszonen haben sich auch im Saarland – wenn auch unter deutlich schwereren Bedingungen – auf örtlicher Ebene Vereine gebildet.
Zugelassen waren nur die durch die Militärregierung genehmigten Sportarten.
Die populärsten Sportarten Fußball und Handball organisierten schon bald einen eigenen Spielbetrieb.
Nach der Gründung des „Landessportausschusses Saar“ (1946) – (ab 14. Mai 1948: „Landessportverband Saar“ – LSVS) – war dieser neben der „Section Jeunesse et Sports“ und dem Referat „Jugend und Sport“ in der Verwaltungskommission für die weitere, insbesondere sportpolitische Entwicklung des Saarsports verantwortlich. Die Binnenstruktur wurde zunehmend nach Sportarten („Sparten“) ausdifferenziert.
So bildete der „Landessportausschuss Saar“ bereits 1946 auch eine „Sparte Handball“. Im gleichen Jahr wurde eine erste Meisterschaft im Feldhandball für Männer durchgeführt, ein Jahr später begannen auch die Frauen mit einer Spielrunde.
1949 wurde der Saarländische Handball-Bund (SHB) gegründet. Auf dem III. Kongress der Internationalen Handball Föderation (IHF) vom 08.-12.09.1950 in Madrid wurde der SHB schließlich in die Internationale Föderation aufgenommen.
Im Februar 1952 wurde die erste Hallenmeisterschaft für Männer ausgespielt.
Ab Herbst des gleichen Jahres nahmen die saarländischen Handballer an dem Spielbetrieb des Deutschen Handball Bundes (DHB) teil; die besten Mannschaften spielten fortan in der (Feld-)Oberliga Südwest.
Im Februar1957 trat der SHB schließlich als „Handball-Verband Saar“ (HVS) dem Deutschen Handballbund (DHB) bei.
Auf der Ratssitzung der IHF in Paris im Herbst 1957 wurde in der Folge die Mitgliedschaft des „Saarländische Handball-Bundes“ in der IHF gelöscht.
Die Länderspiele
1950 spielte das Saarland zweimal gegen die Schweizer Nationalmannschaft. Beide Spiele gingen mit 18:9 bzw. 21:10 verloren. Trainer der Mannschaft war Hans Hager, der in dieser Zeit auch die überaus erfolgreiche Mannschaft des SV St. Ingbert trainierte.
Mit der Aufnahme in die IHF im September 1950 wurde auch eine offizielle Länderspielstatistik für das Saarland geführt.
Im Januar 1951 wurde Fritz Spengler, Olympiasieger im Feldhandball 1936, Verbandstrainer im Saarland. Unter seiner Regie fand das erste offizielle Länderspiel am 01. April 1951 in Saarbrücken statt. Gegner war die deutsche Nationalmannschaft.
Das Spiel wurde mit 20:12 verloren (Halbzeit: 9:8).
Mannschaftsaufstellung im Spiel gegen Deutschland: Neurohr/Henrich (TW), Grund, Lotz, Taller, Hürter, Klein, Rohe, Hess, Neumann, Jung, Leistenschneider[4]
In einem zweiten Spiel am 21. November gegen den gleichen Gegner verlor man mit 17:8. In beiden Spielen konnte man in der ersten Halbzeit gut mithalten. In der zweiten Halbzeit musste man dann allerdings die Überlegenheit der deutschen Mannschaft anerkennen, zog sich aber dennoch gut aus der Affäre.
In der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 1952 in der Schweiz wurden Belgien mit 18:9 und Jugoslawien mit 15:13 besiegt.
Ein erster Höhepunkt für die saarländische Auswahl war die Weltmeisterschaft 1952:
Im ersten Spiel gegen Deutschland schonte Verbandstrainer Fritz Spengler einige Leistungsträger. Das Spiel ging mit 19:2 verloren. Im zweiten Spiel gegen Dänemark konnte man das Ergebnis bis zum Schluss offen halten: Dänemark gewann am Ende glücklich mit 14:13.
Unter den 13 Nationalmannschaften belegte die Auswahl des Saarlandes am Ende des Turniers einen hervorragenden 8. Platz!
Nach der Weltmeisterschaft besiegte man Spanien mit 18:12. Das zweite Spiel gegen Österreich ging mit 10:19 verloren.
Die Jahre 1953 und besonders Anfang 1955 dienten zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 1955 in Deutschland. In sieben Spielen gegen Luxemburg (zweimal), Österreich, Jugoslawien, Schweiz und Finnland bereitete Verbandstrainer Fritz Spengler die Auswahl auf die bevorstehende Weltmeisterschaft vor. Seit der Weltmeisterschaft 1952 setzte Fritz Spengler dabei auf eine Blockbildung: Der SV St. Ingbert bildete mit den Spielern Herbert Hess, Klaus Neumann und Werner Rohe den „Kern“ der Auswahl. Werner Rohe galt in dieser Zeit als der „verlängerte Arm“ von Fritz Spengler auf dem Platz.
In den Jahren 1952 bis 1955 wurden sieben Länderspiele ausgetragen: Luxemburg (2), Österreich, Belgien, Jugoslawien, Schweiz und Finnland waren die Gegner.
Die Weltmeisterschaft 1955 war sicherlich der absolute Höhepunkt für die saarländische Auswahl.
Der „Block“ aus St. Ingbert wurde durch den Torhüter Reinhold Spaniol noch verstärkt. Diese Spieler waren maßgeblich an einem sensationellen Sieg der Mannschaft beteiligt: Der damalige Vizeweltmeister Schweden wurde mit 7:6 besiegt.
Dieses denkwürdige Spiel fand in Solingen vor über 12.000 Zuschauern statt, die wie eine Mauer hinter der saarländischen Mannschaft standen. In der Pause führten die Schweden noch mit 5:3. Diesen Rückstand drehte die Mannschaft dann noch zum Sieg. Als besten Spieler der damaligen Partie feierte die Presse den St. Ingberter Werner Rohe.
Schließlich wurde auch noch Frankreich mit 13:12 geschlagen und damit das Spiel um Platz 5 erreicht, das allerdings gegen Jugoslawien 5:12 (Halbzeit: 1:5) verloren ging.
Das vorstehende Bild zeigt die Mannschaft vor dem Spiel am 09. Juli 1955 in Duisburg-Wedau um den Platz 5/6 gegen Jugoslawien. Die Mannschaftsaufstellung:
Spaniol/Zaske (TW), Quirin, Wilhelm, Gergen, Holzmann, Zöllner, Rohe,
Leistenschneider, Stein, Forster, Vogt, Hess[5]
Werner Rohe
Werner Rohes Handballkarriere kann als beispielhaft bezeichnet werden, sie war planvoll und zielgerichtet: Werner Rohe war sicherlich das größte Talent, das der St. Ingberter Handball bislang hervorgebracht hat. Heinrich Leonhard, Fritz Hoffmann, Hans Hager und Max Schumacher waren seine Lehrmeister und er war einer der „gelehrigsten“ Schüler. Seine Geschicklichkeit in der Ballführung, sein präziser Wurf, seine enorme Sprungkraft, verbunden mit einem „eisernen“ Training, waren die Grundlagen seiner sportlichen Erfolge.
1950 wurde er für die ersten beiden Spiele der Landesauswahl des saarländischen Handball-Bundes berufen. Von 1952 bis 1957 spielte er 19 Mal in der „saarländischen Nationalmannschaft“ und nahm somit auch an den Feldhandballweltmeisterschaften 1952 und 1955 teil. Er galt in dieser Zeit auf dem Platz als der „verlängerte Arm“ von Fritz Spengler, dem damaligen Landestrainer.
Nach dem Wiederanschluss des SHB 1957 an den Deutschen Handballbund führte ihn sein Weg über die dortige B-Nationalmannschaft auch in die A-Nationalmannschaft: Zwei Einsätze gegen die Niederlande und Rumänien waren sicherlich der Höhepunkt seiner Karriere.
Mit der Eingliederung des Handball-Verbandes Saar in den DHB schloss sich der Kreis für einen 11 Jahre währenden selbstständigen nationalen Handball-Verband, der in einer nicht nur sportpolitisch schwierigen Zeit allen daran Beteiligten viel Engagement und zugleich auch Durchsetzungskraft abverlangt hatte.
Für Werner Rohe ergaben sich durch die Eingliederung seines Verbandes in den DHB neue sportliche Perspektiven und Herausforderungen. Er setzte seine sportliche Karriere auch auf Bundesebene fort und errang danach – in bereits fortgeschrittenem
Alter – in der Hallenrunde 1986/87 mit der 3. Mannschaft des SV St. Ingbert ungeschlagen in der Kreisklasse A sogar noch die Meisterschaft.
Damit schloss sich schließlich auch für den ehemaligen sehr erfolgreichen saarländischen und deutschen Nationalspieler der Kreis als aktiver Handballer.
Zu den Autoren:
Reinhard Peters studierte Arbeitslehre, Sport und Katholische Theologie in Saarbrücken. Ab 1975 war er Lehrer an einer Grund- und Hauptschule. 1982 wurde er Referent für Schulsport im saarländischen Bildungsministerium. 1995 wurde ihm die Referatsleitung übertragen. Diese Leitung endete 2010 mit Versetzung in den Ruhestand. Darüber hinaus war er von 2005-2010 Vorstandsvorsitzender der neu gegründeten „Deutschen Schulsport Stiftung“.
Klaus Paul studierte Deutsch, Mathematik und Sport in Mainz und Frankfurt/M. Ab 1966 war er zunächst Lehrer und ab 1970 zusätzlich mit der Fachleitung „Sport“ am Studienseminar in Wiesbaden beauftragt. 1973 wurde er als Leiter des Referates „Sport und Gesundheit“ in das hessische Kultusministerium versetzt. Neben der Referatsleitung war er zuletzt Stellvertretender Leiter der Schulabteilung und ab 2005 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2007 „kommissarischer“ Leiter der Abteilung. Darüber hinaus war er von 1999 -2005 Vorstandsvorsitzender der neu gegründeten „Deutschen Schulsport Stiftung“.
Letzte Bearbeitung: 19. 02. 2024
- [1] Vgl.: https://www.saar-nostalgie.de/Geschichte.html – aufgerufen am 17.1.2024
- [2] Vgl.: Harres, Wolfgang: Sportpolitik an der Saar 1945 – 1957, SDV Saarbrücker Druckerei und Verlag GmbH, Saarbrücken, 1997
- [3] Vergleichbar einem „Ministerressort“
- [4] Bildrechte: Landesarchiv Saarland; Foto: Hartmann
- [5] Bildrechte: Landesarchiv Saarland; Foto: Hill (Duisburg) / Werner Rohe
- [6] Bildrechte: Stadtarchiv St. Ingbert / E. Dillmann