Joachim Deckarm- Ein ehemaliger Ausnahmesportler wird 70

von Reinhard Peters

Joachim Deckarm wurde am 19. Januar 1954 in Saarbrücken geboren. Schon mit sechs Jahren wurde er Mitglied des TV Malstatt und machte – wie in diesen Jahren üblich – seine ersten sportlichen „Schritte“ im Turnen und in der Leichtathletik. Schon bald erkannte aber sein Vater Rudolf, der seit Jahrzehnten Kampfrichter des Saarländischen Leichtathletik Bundes war, das besondere Talent seines Sohnes für die leichtathletischen Disziplinen. Sein Wechsel im Alter von 15 Jahren zur Leichtathletikabteilung des

SV Saar 05 Saarbrücken war daher naheliegend und konsequent und wurde natürlich auch von Vater Rudolf besonders gefördert. Unter dem engagierten und fachlich hochqualifizierten Trainer Karl John, entwickelte sich Joachim – „eingebettet“ in eine größere Gruppe weiterer talentierter Nachwuchsathleten – zu einem der besten Jugend-Leichtathleten des Saarlandes. Parallel dazu widmete sich Joachim aber auch seiner anderen „Liebe“, dem Handballspiel: 1970 schloss er sich schließlich dem 1. FC Saarbrücken an und war auch in dieser Sportart schnell erfolgreich.

Eine große sportliche Karriere in zwei Sportarten nahm ihren Lauf …

 

Der Leichtathlet

Für den TV Malstatt Saarbrücken nahm Joachim schon früh an Leichtathletikwettkämpfen teil. Seine Entwicklung und seine Erfolge sind beeindruckend:

  • 1967 sprang er mit 13 Jahren 1.45 m hoch. Der Hochsprung war auch später immer seine Lieblingsdisziplin.
  • 1968 ist er in der saarländischen Schülerbestenliste im Hochsprung mit 1.56 m Zweiter und im Kugelstoßen (4 kg) mit 11.99 m ebenfalls Zweiter. Im Speerwerfen (600 g) führt er jedoch die Bestenliste mit 43.46 m an und verfehlte den saarländischen Schülerrekord nur um 10 cm.
  • 1969 wechselt Joachim zum SV Saar 05 Saarbrücken. Mit jungen Talenten trainierte er von da an in einer Gruppe, zu der auch Wolfgang Klein und Michael Volz gehörten.

In diesem Jahr sprang er bereits 1.75 m hoch, womit er in seiner Altersklasse die Nummer zwei im Saarland war. Auch im Kugelstoßen (5.), Diskuswerfen (10.), Speerwerfen (4.), Fünfkampf (9.) und Achtkampf (8.) ist er in der saarländischen Bestenliste verzeichnet.

  • 1970 führte Joachim mit sechzehn Jahren die saarländische Bestenliste der B-Jugend im Hochsprung mit 1.85 m und im Diskuswurf (1.5 Kg) mit 43,26 m an. Des weiteren ist er im 110 m Hürdenlauf mit 16.8 Sek. (9.), im Stabhochsprung mit 3,40 m (4.) im Kugelstoßen (5 Kg) mit 13.30 m (5.) , im Speerwerfen (600 g) mit 46.58 m (7.), im Fünfkampf als Fünfter und im Achtkampf als Vierter in den Bestenlisten seiner Altersklasse vertreten. Die 1.85 m im Hochsprung bedeuteten damals auch saarländischen B-Jugendrekord.
  • 1971, mit 17 Jahren, feierte Joachim seine größten Erfolge in der Leichtathletik. Mit seinen Freunden Michael Volz und Wolfgang Klein wurde er Deutscher Jugendmeister in der Zehnkampf-Mannschaftswertung.

Auch in der Fünfkampf-Mannschaftswertung gelang der Titelgewinn gemeinsam mit Rolf Petersen, Wolfgang Klein, Michael Volz und Bert Kallenbach.
Als Einzelathlet wurde Joachim in diesem Jahr Sechster der Deutschen Jugendmeisterschaften im Hochsprung mit 1.93 m.
In der saarländischen Bestenliste war er in folgenden Disziplinen vertreten: 110 m Hürdenlauf 15,9 Sek. (3.), Hochsprung 1.93 m (2.), Stabhochsprung 3.70 m (6.), Kugelstoßen (6.25 Kg) 13.14 m (5.), Diskuswurf (1.75 Kg) 43.20 m (3.), Speerwurf (800 g) 50,54 m (6.), Fünfkampf 3162 P. (5.) und Zehnkampf    6510 P. (3.).

  • 1972 feierte Joachim seinen größten Einzelerfolg als Leichtathlet und wurde mit genau 2.00 m Vierter der Deutschen Jugendmeisterschaften. In diesem Jahr dominierte er die saarländische Jugend-Leichtathletik mit 2.00 m im Hochsprung, 14.57 m im Kugelstoßen (6.25 Kg), 43.14 m im Diskuswerfen (1.75 Kg) und 57.94 m im Speerwerfen (800 g). Im 110 m Hürdenlauf mit 15.6 Sek., im Fünfkampf mit 3368 P. und im Zehnkampf mit 6649 P. war er jeweils Zweitbester. Außerdem erreichte er im Stabhochsprung 3.80 m (5.) und im Weitsprung 6.62 m (4.). Er errang sechs saarländische Jugendmeistertitel in den Disziplinen Hochsprung, Kugelstoßen Diskuswerfen, Speerwerfen, Fünfkampf und Zehnkampf und gewann auch die Meisterschaft im Hochsprung der Männerklasse.

  • 1973 wechselte er zum VfL Gummersbach und so blieb immer weniger Zeit für die Leichtathletik. Er nahm nur noch sporadisch an Wettkämpfen teil und stellte trotzdem mit 2.03 m im Hochsprung seine persönliche Bestleistung auf. Damit war er auch bester Saarländer in diesem Jahr war.
    Mit Wolfgang Klein und Michael Volz reichte es bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften immerhin noch zu einem fünften Platz in der Zehnkampf-Mannschaftswertung.
  • Nach der Bestenliste des Saarländischen Leichtathletik Bundes (SLB) war Joachim 1974 mit 1.96 m noch einmal bester Saarländer, 1975 mit 2.00 m Zweiter sowie 1976 Dritter mit 1.98 m. Danach erlaubte ihm seine so erfolgreiche Handballkarriere keine Ausflüge mehr in die Leichtathletik.

Es sei noch erwähnt, dass er in den Jahren 1968 bis 1974 mehrfach in Auswahlmannschaften des Saarländischen Leichtathletik Bundes berufen wurde und an Vergleichskämpfen gegen andere Bundesländer erfolgreich teilnahm.
Seine Bestleistungen in den leichtathletischen Disziplinen:

100m Lauf11.6 Sek.
1000m Lauf2:48.9 Min.
110m Hürdenlauf 16.5 Sek.
Weitsprung6.62 m
Hochsprung2.03 m
Stabhochsprung3.80 m
Kugelstoßen (7.25 Kg) 14,12 m
Diskuswerfen (2 Kg)40.60 m
Speerwerfen (800 g)61.44 m

Der Handballer

In seiner Jugend spielte Joachim bis 1970 beim TV Malstatt Saarbrücken. Danach wechselte er zum 1. FC Saarbrücken. Sein damaliger Trainer Werner Hürter erkannte früh sein großes Talent als Handballer. So spielte er schon als 17-jähriger in der aktiven Mannschaft.

Mit der legendären Rückennummer „11“ wurde „Jo“, so sein Spitzname bei den Handballern, mit dem VfL dreimal Deutscher Meister (1974, 1975, 1976), zweimal Deutscher Pokalmeister (1977, 1978), einmal Europacupsieger (1974) und einmal Gewinner des Europapokals der Pokalsieger (1978). Am 02.Dezember 1973 gab er in Tiflis im Spiel gegen Rumänien sein Länderspieldebüt

Am 06. März 1976 bestritt er mit 22 Jahren bereits sein 50. Länderspiel in der Olympia-Qualifikation gegen die DDR.

Das 100. Länderspiel absolvierte „Jo“ am 22. Oktober 1978 gegen die damalige Tschechoslowakei.

Bei den Olympischen Spielen 1976 erreichte er mit der Mannschaft den vierten Platz.

1978 auf dem Höhepunkt seiner Karriere führte er das deutsche Team, zusammen mit Heiner Brand, im Endspiel gegen die Mannschaft der UdSSR zum zweiten Handball-Weltmeister-Titel Deutschlands nach dem Titelgewinn 1938. Beim 20:19 Sieg war Joachim mit sechs Toren der erfolgreichste Torschütze der Mannschaft.

Sein letztes Länderspiel bestritt er Mitte Januar 1979: Im Endspiel des „Ostseepokals“ gegen die DDR (15:18), das im dänischen Brondby ausgetragen wurde. „Jo“ erzielte dabei als Mannschaftskapitän sechs Tore.

In insgesamt 104 Länderspielen für die Nationalmannschaft warf Joachim Deckarm 381 Tore.

Am 30. März 1979 endete durch einen tragischen Unfall im Spiel gegen Banyasz Tatabanya (Ungarn) seine außergewöhnliche Handballkarriere. Joachim war da gerade einmal 25 Jahre alt.

Der Unfall [1]

Es ist Freitagnachmittag, 30. März 1979: In Tatabanya (Ungarn) findet das Rückspiel im Halbfinale des Europapokals zwischen dem VFL Gummersbach und Banyasz Tatabanya statt. Die Ausgangssituation für den VfL ist durchaus komfortabel, wurde doch das Hinspiel in der Dortmunder Westfalenhalle vor 12.000 Zuschauern deutlich mit 18:10 gewonnen. Entscheidend beteiligt an diesem Ergebnis war Joachim, der mit sechs Toren erfolgreich war. Dies vor dem Hintergrund, dass man bis kurz vor dem Spiel noch um seinen Einsatz bangen musste, weil er sich nur wenige Tage zuvor bei einem Lehrgang der Nationalmannschaft verletzt hatte.

Für Joachim sollte das Spiel in Tatabanya zu einem Spiel werden, das sein weiteres Leben auf tragische Weise verändern wird:  Bereits in der sechsten Minute des Halbfinales erhält Joachim bei einem Zweikampf in der Abwehr unbeabsichtigt einen Schlag ins Gesicht und muss auf der „Bank“ behandelt werden. Zehn Minuten später – beim Stand von 5:5 – kehrt Joachim auf das Spielfeld zurück. Ein etwas unplatzierter Torwurf von ihm wird vom ungarischen Torwart gehalten. Der von diesem schnell eingeleitete Gegenstoß wird aber von Heiner Brand abgefangen und blitzschnell zu Joachim gespielt. Dieser ist voll auf das Zuspiel konzentriert und sieht daher den auf ihn zulaufenden ungarischen Gegenspieler, Lajos Panovics, der den Angriff unterbinden will, nicht. Beide Spieler prallen in der Luft mit den Köpfen zusammen und Joachim stürzt – bereits bewusstlos – völlig unkontrolliert auf den harten Hallenboden, ein lediglich mit dünnem PVC-Belag überzogener Zementuntergrund. Joachim schlägt mit der linken Seite seines Kopfes schwer auf dem Boden auf und bleibt reglos liegen.

Nach 131 Tagen im Koma wacht Joachim am 08. August 1979 endlich aus dem Koma auf. Er hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten, das bleibende Schäden hinterlassen wird.

Nach 23 Minuten Spielzeit in Tatabanya endete auf tragische Weise nicht nur die sportliche Karriere des zu dieser Zeit wohl einer der besten Handballer der Welt, sondern auch das selbstbestimmte Leben des großartigen und stets lebensfrohen Menschen Joachim Deckarm.

Die Rehabilitation

In den Monaten nach dem Erwachen aus dem Koma lebt Joachim zeitweise zu Hause. Seine Eltern erhalten bereits in dieser Zeit in der Betreuung Unterstützung:
Seine ehemalige Volksschullehrerin, Hildegard Arend, bemüht sich um das Wieder-Erlernen von Schreiben und Lesen, sein ehemaliger Realschullehrer, Peter Wacker, wird sein „Schachpartner“. Auch der Ausrüster von Joachim lässt ihn nicht im Stich: Im Juli 1980 lädt die Familie Dassler die Familie Deckarm zu einem Aufenthalt in das „Adidas-Hotel“ in Herzogenaurach ein.
In der Folgezeit wird von 1980 bis 1982 in verschiedenen Rehakliniken versucht, Joachim soweit zu fördern, dass er körperlich und geistig in der Lage ist, möglichst ein zumindest halbwegs selbstständiges Leben ohne fremde Hilfe zu schaffen. Dies gelingt leider nicht im erhofften Maß.
Im Juni 1982 wird Joachim schließlich als nicht mehr therapierbarer „Pflegefall“ nach Hause entlassen.
In den kommenden Wochen kümmern sich die Eltern weiterhin intensiv um ihren Sohn.

Im September 1982 treffen Joachim und sein Vater in der Schwimmhalle an der Sportschule in Saarbrücken Joachims ehemaligen Trainer Werner Hürter. Dies war ein Glücksfall für die Familie und für Joachim: Werner Hürter erkennt bei seinem ehemaligen Schützling, dass der sich mit seinem Zustand nicht abfinden will. Die sechs Worte von Joachim „Ich kann, ich will, ich muss“[2] veranlassen Werner Hürter, sich intensiv um ihn zu kümmern. Aus dem Lehrstab des Handball-Verbandes Saar kommt Reinhard Peters im Dezember 1982 zur seiner Unterstützung hinzu und beginnt bereits im Januar 1983 damit, Werner Hürter bei seinen ersten „Weichenstellungen“ zu unterstützen. „Aus einem `hoffnungslosen Fall`, der zudem noch die Öffentlichkeit scheut, einen Menschen zu machen, dem das Leben wieder Spaß macht und der auch am Leben wieder teilnimmt“[3], waren für Reinhard Peters Herausforderung und besondere Motivation.

Nach dem Studium einer Vielzahl relevanter Fachliteratur zur Arbeit mit hirngeschädigten Menschen müssen Werner Hürter und Reinhard Peters zunehmend erkennen, dass die traditionellen Behandlungsmethoden bei Joachim nicht wie erhofft anschlagen, dass sie offensichtlich nicht ausreichend sind.
Ein Buchauszug in „Das Beste aus Reader´s Digest“ vom Juli 1983 mit dem Titel „Du schaffst es, Kathy“ von Joan Collins führt zur Kontaktaufnahme mit den Institutes for the Achievment of Human Potential in Philadelphia/USA. Der Director des Instituts, Edward B. Le Winn, gibt Hürter und Peters einen entscheidenden Hinweis für die weitere Betreuung: „Wether or not Herr Deckarm is in coma, I would suggest that your obtain und read the book „What to do about your brain-injured child” by Glenn Doman. Its contens are applicable to brain-injuried people of all ages….“[4]. Das in Deutschland 1980 unter dem Titel „Was können sie für ihr hirnverletztes Kind tun?“ veröffentliche Buch wird in der weiteren Rehabilitation und Betreuung von Joachim zur maßgeblichen Lektüre.
Die Erkenntnis, dass auch dies alles nicht genügt, führt auf Bitten von Joachims Mutter Ruth dazu, dass der Realschullehrer Heinz Schuler „verpflichtet“ wird, der zweimal wöchentlich die Mathematikkenntnisse von Joachim „auffrischt“.
Die Artikulation und das Sprechvermögen von Joachim lässt damals noch viel zu wünschen übrig. Der Sprachheilpädagoge Prof. Dr. Bindel wird Mitglied im „Team“: Er übernimmt Maßnahmen zur prozessorientierten Therapie bei motorischer Aphasie (zentrale Sprachstörung nach abgeschlossener Sprachentwicklung). Der Erfolg in den kommenden Jahren ist erstaunlich: Joachim ist wieder in der Lage, für Presse, Rundfunk und Fernsehen Interviews zu geben, ohne dass größere Schwierigkeiten auftreten ihn zu verstehen.
Immer mehr Menschen, die Anteil am Schicksal von Joachim nehmen, unterstützen die Arbeit des Teams. Der ehemalige Feldhandballweltmeister Volker Schneller knüpft den Kontakt zu Prof. Dr. Klümper in Freiburg im Breisgau.
Dieser erklärt sich bereit, sich Joachim anzunehmen. Im Oktober 1983 erfolgt die erste Behandlung. Der Therapieplan wird durch krankengymnastisches Training, manuelle Therapie und Auftriebsgymnastik im Wasser ergänzt. Mit einer Infiltrationstherapie (Einbringen von Substanzen ins Gewebe durch Injektion) versuchen Prof. Dr. Klümper und Kollegen die Gefäße und die Cerebralsklerose (krankhafte Hirnverhärtung) zu beeinflussen, den Immunhaushalt zu verbessern, die Störungen der Gehirnfunktionen zu beseitigen, der Muskelrückbildung entgegenzuwirken, knorpelige Gelenkveränderungen in rheumatischer Form zu verhindern und grippalen Infekten vorzubeugen.[5]

Das überaus komplexe Trainingsprogramm wird zu Hause von den Betreuern fortgeführt. In Intervallen von drei Monaten wird die begonnene Infiltrationstherapie in Freiburg fortgesetzt. Prof. Dr. Klümper scheut sich auch nicht, weiter zu experimentieren. Eine medikamentöse Therapie kommt hinzu. Bis zum Jahr 2000 werden diese Behandlungen und Betreuungen in 90 Behandlungswochen weitergeführt.
In den folgenden Jahren vergrößert sich das Team: Ab 1994 kommen die Leichtathletikkameraden Wolfgang Klein und Michael Volz dazu, Albert Hippchen, übernimmt morgens die Betreuung für den erkrankten Werner Hürter. Weitere Helfer und Unterstützer, die nie erwähnt oder genannt wurden, sind die Handballfreunde von Reinhard Peters: Heribert Klasen, Jürgen Schwarz und Franz Steißlinger.
2002 ist Joachims Mutter aus Altersgründen nicht mehr in der Lage, ihn in der Woche zu Hause allein weiter zu betreuen. Joachim zieht in eine Wohnung des „Haus der Parität“ mit „betreutem Wohnen“ in der Saarbrücker Innenstadt ein. Das hat auch zur Folge, dass das Engagement der Ehrenamtlichen zurückgefahren werden muss, um Joachims Tagesablauf in der neuen Umgebung nicht zu stören.
An den Wochenenden kehrt Joachim noch zu seiner Mutter nach Hause zurück und Reinhard Peters unterstützt Mutter und Sohn in dieser Zeit. Ende 2009 endet auch diese Zeit. Inzwischen war auch vom Verwaltungsausschuss des „Joachim Deckarm-Fonds“ bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe eine hauptamtliche Betreuerin, Nicole Rosch, engagiert worden. Sie kümmert sich fortan um die Belange von Joachim.
Mit ihrer Unterstützung lebt Joachim in einer eigenen Wohnung in Saarbrücken bis ihn 2018 schließlich sein Bruder Herbert nach Gummersbach holt, da selbst mit der Unterstützung durch Frau Rosch ein eigenständiges Leben in der bisherigen Weise nicht mehr möglich ist.

Der „Vorlass“ von Joachim Deckarm
– ein Beitrag von Hermann Lehnhoff [6]

Während meiner Arbeit im saarländischen Bildungsministerium fragte ich 2008 den damaligen Referatsleiter für Schul- und Hochschulsport und ehrenamtlichen Betreuer von Joachim Deckarm, Reinhard Peters, was irgendwann einmal mit den Erinnerungsexponaten von Joachim Deckarm geschehen soll. Ich erzählte Reinhard Peters von meiner eigenen großen Sportsammlung, die ich dem Saarländischen Sportarchiv übergeben werde und fragte ihn, ob Joachim Deckarm und seine Mutter sich dies auch vorstellen könnten. Die Nachfrage von Reinhard Peters ergab, dass sich beide spontan bereit erklärten, alle Erinnerungsstücke, die sich bei Joachim zu Hause befinden, vorerst in Kommission in das Saarländische Sportarchiv im Landesarchiv zu geben.

Reinhard Peters brachte mir nun nach und nach alle Erinnerungsstücke an meine Arbeitsstelle in Saarbrücken. Von dort wurden sie dann in das Landesarchiv gebracht, geordnet, konservatorisch bearbeitet und teilweise restauriert.

Da sich auch viele großformatige Objekte in diesem „Vorlass“ befinden (Rollstuhl, Tennis- und Tischtennisschläger, Pokale, Plaketten u.v.m.), fragte ich 2019 den Direktor des Historischen Museums Saar, Herrn Matzerath, ob er die Objekte dieses „Vorlasses“ übernehmen würde und in Kooperation mit dem Sportarchiv, das den archivarischen Bestand übernimmt (postalisch gelaufene Briefe und Ansichtskarten, Tagebücher, Fotos, Ausschnitte aus Zeitungen und Illustrierten u.ä.), betreuen würde, damit alles im Saarland verbleiben könne. Herr Matzerath sagte sofort zu und so kam letztendlich die Übergabe an das Sportarchiv und an das Historische Museum Saar zustande.

Derzeit besteht dieser „Vorlass“ aus folgenden Schriftstücken, Gegenständen und „Materialien“:

Medaillen mit Etuis (20), Medaillen ohne Etuis (18), Sport-Anstecknadeln (121), Anstecknadeln von außerhalb des Sports (19), Münzen aus Gold und Silber (2), Plaketten aus Silber, Bronze, Kupfer und anderen Materialien (8), Keramikteller, Kupferteller, Zinnteller sowie Fliesen aus Steingut und Keramik (17), Keramikkrüge mit und ohne Deckel, Keramikflaschen (6), weitere Geschenke aus Porzellan, Steingut, Gold, Silber, Bronze, Kupfer, Achat, Zinn, Stoff, Wachs, Plastik (22), Becher aus Silber und Zinn (13), Krüge aus Glas (2), Pokale aus Silber und Messing (2), Karnevalsorden (5), persönliche Utensilien aus der Zeit vor und nach dem Unfall in „Tatabanya“, darunter auch viele technische Materialien (56), original gerahmte Fotos, Urkunden und Dokumente (15), Sporturkunden von 1960 bis 1975 (121), Tagebücher von 1981 bis 2000 mit insgesamt 493 handschriftlichen Seiten (5), Schallplatten und Langspielplatten (17), Stoffwimpel (Handball 12, Fußball 1, Leichtathletik 7), rahmenlose Großfotos, aufgezogen auf Karton und Holz (5), Ausschnitte aus Zeitungen und Illustrierten (1.500), privat von Joachim Deckarm gedrehte Filme (14), Filme über ihn (13), seine Videosammlung (39), Farbdias von den Olympischen Spielen 1976 mit ihm (21), CDs (3), Startnummern von seinen Leichtathletikwettkämpfen, die zum Teil von ihm beschriftet sind (12), signierte Handballplakate (26), Sportbücher (5), Sportbroschüren (36), Sporthefte (51); außerdem 17 dicke Ordner, die Reinhard Peters angelegt hatte, mit Dokumenten, Briefen und 234 Fotografien. Außerhalb dieser Ordner gibt es noch weit über 100 an ihn gerichtete Briefe, Telegramme und Ansichtskarten, von denen viele von prominenten Persönlichkeiten stammen, sowie ein großes Konvolut z.T. signierter Fotos und weiterer unterschiedlicher Materialien (Einladungen, Teilnehmerausweise, Autogrammkarten, bekannter Handballmannschaften u. ä.).

Mit der Aufnahme all dieser Schriftstücke, Gegenstände und „Materialien“ in das Sportarchiv und das Historische Museum Saar ist sichergestellt, dass nun auch ein „öffentlicher Zugriff“ darauf gewährleistet ist und damit auch die Erinnerung an den Ausnahmesportler und großartigen Menschen Joachim Deckarm wachgehalten werden kann.

Empfang durch den Ministerpräsidenten Dr. Franz-Josef Röder in der Staatskanzlei nach der Weltmeisterschaft 1978

Letzte Bearbeitung: 20.12.2023

Literaturverzeichnis:

[1] Siehe hierzu auch: Rolf Hegen: TEAMGEIST – Die zwei Leben des Joachim Deckarm; Herausgeber: Deutscher Handballbund, Handball-Bundesliga und Stiftung Deutsche Sporthilfe, 2009, Offenbach, ISBN 978-3-939537-06-9; dieses Buch ist durch wesentliche Unterstützung durch den Verfasser dieses Gastbeitrages entstanden.
[2] A.a.O. S. 42p
[3] Vgl.  A.a.O. S. 42/44f
[4] A.a.O. S. 46
[5] Vgl.  A.a.O. S. 52/53
[6] Saarländisches Sportarchiv