Ein Nachruf auf eine besondere Persönlichkeit des deutschen Sports

Unser Freund, Sportwissenschaftler, Trainer, Spitzenathlet und sorgender Ehemann Henner Misersky ist tot. Er hatte sein Leben dem Sport gewidmet, dem Fair Play, der Würde des Sports und den von ihm trainierten Sportlern. Er war ein außergewöhnlicher Mensch: engagiert für den Sport, seinen Sportschülern, der Gesellschaft und seiner Arbeit in der TH Ilmenau zugewandt. Er war immer bescheiden, aufmerksam seinen Mitmenschen gegenüber, ehrlich und geradlinig im Handeln. Er wuchs in Jena auf, in einer sportbegeisterten Stadt mit großem Ruf und großen Namen in der internationalen Welt des Sports. Hier lief Henner seine ersten Runden auf den Aschenbahnen im „Paradies“ oder auf dem „Forst“.
In seiner glanzvollen Laufbahn in der Leichtathletik wurde er 1965 Vizemeister und 1966 und 1971 Dritter der DDR- Meisterschaften auf der 3000 m Hindernis-Strecke.
Der Sport kann die wichtigsten Eigenschaften eines Menschen formen: Wille, Ausdauer und Beharrlichkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit.

Nach einer Lehre als Zahntechniker in Halle und Läuferjahren beim SC Chemie Halle-Leuna kehrte Henner Misersky, unterdessen verheiratet mit der 800m DDR-Meisterin von 1961, Ilse Schönemann, nach Jena zurück, lief beim SC Motor im Abbe-Stadion und studierte Sportwissenschaften, die er in der Regelzeit trotz Hochleistungssport abschloss.

Seine Ehrlichkeit und Beharrlichkeit sowie seine vielfältigen Kontakte mit sportlichen Kontrahenten von „drüben“ und wahrscheinlich auch die Verwandtschaft seiner Frau mit Dr. Danz (DLV-Ehrenpräsident), stellten eine Hürde für Starts im NSW (Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet) dar. Trotz einer Bestzeit von 8:38,6 sek. über 3000m Hindernis, für die 60-ziger Jahre beachtlich, waren ihm EM, WM und Olympia verwehrt.

„Nur Nullen haben keine Ecken und Kanten“

Als Ski-Langlauftrainer bei einem Wintersport-Klub im Thüringer Wald hatte Henner zum ersten Mal mit dem „Doping-Programm“ im Leistungssport der DDR Kontakt bekommen, das er nach Aufklärung durch eine verwandte Ärztin für seine Tochter Antje und auch generell ablehnte.

Nach der politischen Wende 1990 gehörte Misersky folgerichtig zu den Enthusiasten und Optimisten, die an eine faire und ehrliche sowie sachgerechte Aufarbeitung des Dopings in Ost und West glaubten. Er engagierte sich als exzellenter Kenner der Leistungssportszene in der DDR und Sporthistoriker mit einem erstaunlichen Fachwissen durch die Bekanntschaft mit Prof. Werner Franke im Doping-Opfer-Hilfe Verein. Dabei prangerte er aus einer kritischen Sicht die Fehler und Dysbalancen bei der Doping-Aufarbeitung im gesamtdeutschen Sport an.                                                   Sein sportmedizinischer Mentor Prof. Scheibe aus Jena führte  in einem Vortrag im Landtag von M/V am 10.9.2015 folgendes aus: „Der Kampf gegen das Doping darf sich nicht auf einen Kampf gegen den Sport der ehemaligen DDR beschränken.Er muss bundesweit und weltweit geführt werden“. Da durch die politisch-motivierte “Aufarbeitung“ des DDR-Sportes infolge einer Vorgabe des zu erwartenden Endresultats der Sport in der DDR verzerrt und unwissenschaftlich deformiert wurde und da die Lügen und „Erfindungen“ zum DDR-Leistungssport immer dreister und dümmer wurden, geriet der Sportwissenschaftler, frühere Leistungssportler und begeisterte Freizeit- und Alterssportler auf dem Rennsteig und der Ski-Loipe in Widerspruch zu der Vorsitzenden des DOH e.V. Geipel und trat, wie noch eine Reihe weiterer prominenter Mitglieder, aus dem Verein aus. Die Auseinandersetzungen eskalierten bis hin zu einem Gerichtsverfahren. Durch das „egomanische Wirken einzelner Mitglieder, durch die ungerechtfertigte Ausweitung des Opferbegriffes und die oberflächliche Prüfung der Anspruchsberechtigung (Zwang, unwissentliche Gabe und schwere gesundheitliche Folgen) geriet die Arbeit des Vereins unter Geipel aus dem Ruder und wurde zu einer historischen Fehlleistung mit schweren Schäden für den deutschen Sport (vgl. hierzu den Beitrag von Rüdiger Nickel in „sport- nachgedacht.de“). Henner Misersky kam zu dem Schluss: „Ich kenne keinen gesellschaftlichen Bereich außer dem ehemaligen Spitzensport der DDR, der nach der Wiedervereinigung derart unerträglich mit absurden Übertreibungen, lückenhaft und unausgewogen in denunziatorischer Absicht von „Aufklärern“ ohne Zeitzeugen-Erfahrung und ohne sporthistorische- und sportfachliche Kompetenz, dargestellt wird“.

Mit dem Dossier: „Blackbox-Doping-Opferhilfe – wie Politik und Öffentlichkeit mit fragwürdigen Zahlen getäuscht werden“, haben Prof. Franke, Claudia Lepping, Henner Misersky und Prof. Treutlein einen wichtigen Anstoß gegeben, sich endlich fachlich kompetent, vor allem wissenschaftlich mit dem Problem des DOH-Konstruktes „flächendeckendes Zwangsdoping mit katastrophalen gesundheitlichen Folgen“ zu beschäftigen.

Wenn in den Medien die Nachrufe fast ausschließlich seinen Kampf gegen das Doping im DDR-Leistungssport für erwähnenswert halten, ist das nicht einmal die halbe Wahrheit.  Sein Credo: „Die Wahrheit ist nicht gut oder böse, sie ist einfach nur wahr“(Rabindranat Tagore) brachte Henner Misersky durch die Korrektur des Narrativs vom „flächendeckenden Zwangsdoping mit katastrophalen gesundheitlichen Folgen“ wüste Attacken, Drohungen und Denunziationen von Geipel undderen Apologeten ein. Mit der erprobten Praxis unüberprüfbarer Beschuldigungen, Vermutungen, Indiskretionen, manipulierten „Aktenfunden“ und Unterstellungen sollte die Redlichkeit in Frage gestellt werden.

Helmut Digel, ehemaliger Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und Vizepräsident des Nationalen olympischen Komitees der BRD über Henner Misersky:

„Das ausgeprägte politische Bewusstsein für gesellschaftliche Probleme, seine außergewöhnliche Allgemeinbildung, seine gute sportfachliche Ausbildung als Sportpädagoge und Trainer, sein besonderes enzyklopädisches Wissen über sportliche Höchstleistungen und deren Entwicklung in nahezu allen Sportarten, seine Erfahrungen im internationalen Sport, seine Neugier für alle neueren Entwicklungen in der Welt des Sportes und nicht zuletzt seine Unnachgiebigkeit in Fragen der Gerechtigkeit, kennzeichnen diese besondere Persönlichkeit.“ („sport-nachgedacht.de“ vom 2.5.2023)

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