Zwei Jahre Anti-Doping-Gesetz für Deutschland – wurde es umgesetzt?

Anti-Doping-Gesetze sind die naheliegende Konsequenz angesichts der noch immer weltweit wachsenden Zahl der Dopingdelikte. Entsprechende Gesetze wurden in den vergangenen Jahrzehnten in fast allen Staaten verabschiedet, in denen das Sportsystem in eine offene Demokratie eingebunden ist. USA, Australien, Frankreich, Italien, Großbritannien, Österreich und Norwegen sind beispielhaft zu erwähnen. In Deutschland gab es in der Vergangenheit eine ganze Reihe weltweit beachteter Dopingskandale. Zu sprechen ist vom Tod von Birgit Dressel, dem Medikamentenmissbrauch von Kathrin Krabbe und Grit Breuer und von dem bis heute noch nicht völlig aufgeklärten Dopingskandal der mit dem Namen Dieter Baumann verbunden ist. Ulrich, Zabel, Dietz, Henn, Bölts, Aldag, Jaksche, Sinkewitz und Schumacher stehen für die Sportart Radsport, die sich nahezu vollständig dem Prinzip der Dopingmanipulation unterworfen hat. Johann Mühlegg und der Fall Evi Sachenbacher-Stehle stehen stellvertretend für die Dopingmanipulationen im Biathlon und weiteren Wintersportarten. Die Leichtathletik und der Radsport sind ohne Zweifel zwei Sportarten in denen bislang am häufigsten Dopingverstöße nachgewiesen werden konnten. Es muss jedoch angenommen werden, dass alle übrigen olympischen Sportarten ebenfalls vom Dopingproblem betroffen sind. Sportliche Fähigkeiten und sportliche Fertigkeiten lassen sich in allen Sportarten mittels Medikamenten in unerlaubter Weise fördern und steigern. Dies gilt für Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Geschicklichkeit, Konzentrationsfähigkeit, Belastungsresistenz und Regenerationsfähigkeit gleichermaßen. Angesichts dieser Lage muss es mehr als willkommen sein, dass die Bundesregierung nach einer jahrzehntelangen Diskussion endlich ein Anti-Doping-Gesetz für Deutschland durchgesetzt hat.

Die Argumente, die die Bundesregierung für ihr neues Gesetz vorgelegt hat sind stichhaltig. Mit dem Gesetz soll die NADA unterstützt und gestärkt werden. Bestehende Probleme des Datenschutzes sollen durch dieses Gesetz besser gelöst werden. Insbesondere soll mit dem neuen Gesetz die Sportgerichtsbarkeit gestärkt werden. Es kommt zu einem offenen Bekenntnis zur Schiedsgerichtsbarkeit des Sports. Es wird aber auch zum Ausdruck gebracht, dass die Schiedsverfahren zu verbessern sind. Insbesondere das Berufungsverfahren der Schiedsrichter muss sich durch eine größere Unabhängigkeit und Transparenz auszeichnen. Im Mittelpunkt des neuen Gesetzes steht jedoch der dopende Athlet, der die Prinzipien des Fair Plays und der Chancengerechtigkeit durch seinen Betrug grundlegend in Frage stellt. Der wirtschaftliche Schaden der dadurch entsteht, der Wirtschaftsbetrug also, bildet eine weitere Legitimation für dieses Gesetz. Nicht nur der betrügende Athlet ist jedoch von dem Gesetz betroffen. Die Strafen für Hehler und Hintermänner werden durch das neue Gesetz erheblich verschärft. Das Anti-Doping-Gesetz wurde darüber hinaus durch ein Gesetz gegen den Wettspielbetrug und gegen die Spielmanipulation im Sport ergänzt. Auf diese Weise gewährt der Staat mit zwei wichtigen Gesetzen dem organisierten Sport einen erheblich verbesserten Schutz. Für den in freiwilligen Vereinigungen organisierten Sport wäre somit kaum etwas naheliegender, als dass der DOSB mit seinen Verbänden, mit seinen Trainerinnen und Trainern und nicht zuletzt mit seinen Athletinnen und Athleten das neue Anti-Doping-Gesetz begrüßt. Dies ist jedoch bis heute auf eine glaubwürdige Weise noch immer nicht der Fall. Nur wenige Verbände des Deutschen Olympischen Sports haben sich dezidiert für das neue Anti-Doping-Gesetz ausgesprochen. Die Führung des DOSB hatte über viele Jahre ein Gesetz grundsätzlich abgelehnt. In jüngster Zeit hat der DOSB mit seiner Führung ein Anti-Doping-Gesetz wohl begrüßt. Das vorgelegte Gesetz wird jedoch in seinen wichtigsten Inhalten nach wie vor abgelehnt. Kurz vor Verabschiedung des Gesetzes hatten sich weitere Kritiker zu Wort gemeldet. Zwei prominente Athleten hatten sich mit einem Landesbeauftragten für Datenschutz und zwei Rechtsanwälten zusammengeschlossen. In einem 15-seitigen Brief an die Bundesregierung hatten sie ihre Bedenken gegenüber dem Gesetz vorgetragen. Die Grünen-Politikerin Künast betrachtete das Gesetz als eine ungerechtfertigte Ausweitung des Strafrechts. In einem Gastkommentar der FAZ sollte der organisierte Sport ihrer Meinung nach das Problem aus eigener Kraft lösen, ohne allerdings darauf einzugehen warum dies dem Sport in den vergangen Jahrzehnten nicht gelungen ist und wie es ihm in der Zukunft auf der Grundlage dieser Position gelingen könnte. DOSB Präsident Hörmann drohte in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung mit Sammelklagen und forderte Änderungen an dem Anti-Doping-Gesetz, ohne dass erkennbar war, welche konkreten Änderungen damit gemeint sind. Zuvor hatte sich bereits die Athletenkommission mit einer kritischen Stellungnahme an die Bundesregierung gewandt. Und wie es bei juristischen Debatten üblich ist, haben sich auch eine Reihe weiterer Juristen gegen das Anti-Doping-Gesetz ausgesprochen. Teilweise wurden dabei beachtenswerte Vorschläge zu einer Verbesserung der bestehenden Gesetzesvorlage gemacht. Dem Gesetzgeber ist deshalb zu empfehlen, die bislang erfolgte Diskussion genau zu analysieren und über geeignete Veränderungen in einem späteren Verfahren nachzudenken. Irritierend an dieser Diskussion gegen das Anti-Doping-Gesetz ist allerdings, dass einige Diskutanten behaupten, dass der Gesetzgeber nunmehr im Eilverfahren ein neues Gesetz verabschiedet habe, ohne dass man sich ausreichend an der Diskussion hätte beteiligen können. Der Autor dieses Beitrages hat als Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes bereits im Jahr 1993 vom Bundesminister des Inneren verlangt, er möge ein Anti-Doping-Gesetz verabschieden, weil dem Sport mit seinen eigenen Mitteln der Sportgerichtsbarkeit im Kampf gegen Doping aus naheliegenden Gründen nur ein sehr begrenzter Erfolg möglich sein wird. Seit 1993 wurde nunmehr über mehr als zwei Jahrzehnte über den Sinn und Unsinn des neuen Anti-Doping-Gesetzes diskutiert – mehrere juristische Fachorgane können dies eindrucksvoll belegen. Jeder der von einem Anti-Doping-Gesetz betroffen ist konnte sich an dieser Diskussion beteiligen und insbesondere wäre es jedem möglich gewesen eigene Entwürfe eines tragfähigen Gesetzes einzubringen. Der organisierte Sport, das heißt der DOSB, sah sich jedoch nicht in der Lage mit einem von ihm erwünschten Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes die Diskussion zu bereichern. Lediglich die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg haben mit eigenen Vorschlägen die entscheidenden Schritte veranlasst, damit bundesweit ein tragfähiges Anti-Doping-Gesetz verabschiedet werden konnte.

An der jüngsten Diskussion gegen das Anti-Doping-Gesetz der Bundesregierung fällt auf, dass einmal mehr gebetsmühlenartig Argumente gegen ein Anti-Doping-Gesetz vorgetragen wurden, die sich in allen bereits vorausgegangen Diskussionen als nicht tragfähig erwiesen haben, beziehungsweise in eindeutiger Weise widerlegt werden konnten. Wer den Gesetzestext genau liest muss erkennen, dass ein sauberer Athlet durch dieses Gesetz eine umfassende Unterstützung bei der Durchführung seiner sportlichen Wettkämpfe erhält. Bedroht durch dieses Gesetz ist nicht der saubere, sondern der betrügende Athlet. Die Behauptung, dass die Athleten Angst vor der Besitzstrafbarkeit haben kann allenfalls für Betrüger gelten. Dem sauberen Athleten wird durch dieses Gesetz ein weitaus besserer Schutz gewährt als dies bislang der Fall ist.

Auch von einer Gefährdung der Sportgerichtsbarkeit kann nicht die Rede sein. Vielmehr wird genau diese durch das neue Gesetz gestärkt und in ihrer Bedeutung in ganz entschiedener Weise anerkannt. Für einen kompetenten Anti-Doping-Kampf ist es auch wünschenswert, dass die NADA durch das Gesetz gestärkt wird – genau dies ist nun der Fall. Wer wie einige Bundestagsabgeordnete glaubt, die Prinzipien des Fair Plays und der Chancengerechtigkeit seien keine schützenswerten Kulturgüter, die deshalb auch keinen strafrechtlichen Schutz verdienen, dem sei nahegelegt, dass er sein Bild von einer ethisch relevanten Zivilgesellschaft auf den Prüfstand stellt. Wer sich angesichts der Realität des Hochleistungssport von heute lediglich auf das Argument der Gesundheit stützt und dieses in die Privatsphäre der Athleten verabschiedet, der setzt sich absichtsvoll oder unbeabsichtigt dem Vorwurf der Heuchelei aus. Wer mit Sammelklagen droht, dem sei gesagt, dass gegen ein Gesetz jener klagen kann, der gegen das Gesetz verstoßen hat. Auf die Klage gedopter Athleten gegen das neue Anti-Doping-Gesetz darf man gespannt sein.

Nicht jede Kritik am Anti-Doping-Gesetz zeichnet sich jedoch durch sachliche Unkenntnis aus. Die Vorschläge zur Kronzeugenregelung sind prüfenswert. Die Fragen zum Datenschutz stellen sich schon seit längerer Zeit. Die Beeinträchtigung der Privatsphäre der Athleten wurde in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert, ohne dass dadurch die Aufklärungsquote entscheidend erhöht wurde. Neue Gesetze haben nicht notwendigerweise präventive Erfolge aufzuweisen – wie überhaupt die Präventionsfrage im Anti-Doping-Kampf ungelöst ist. Noch vieles ist zu tun. Das neue Anti-Doping-Gesetz muss umgesetzt werden, bedarf unterstützender Strukturen und es kommt vor allem darauf an, dass es akzeptiert wird. Die Notwendigkeit eines Anti-Doping-Gesetzes kann dadurch jedoch nicht in Frage gestellt werden.

Das Anti-Doping-Gesetz (18.12.2015) ist nun bereits zwei Jahre in Kraft. Seine Wirkung ist noch nicht zu erkennen. Vielmehr besteht die mehrfach angemahnte Gefahr, dass es ähnlich wirkungslos bleibt wie die zuvor durchgeführten Reparaturen am Arzneimittelgesetz. Ohne aktive Ermittlungen, ohne verdeckte Recherchen, ohne eine entsprechend ausgebildete Polizei und ohne aktive Staatsanwaltschaften bleibt alles beim Alten. Dabei mangelt es nicht nur an Geld und Personal, ein aktiver politischer Wille zur Umsetzung des Gesetzes ist bis heute noch nicht zu erkennen.

letzte Überarbeitung: 04.12.2017

Erstveröffentlichung: Das Anti-Doping-Gesetz für Deutschland – eine dringende Notwendigkeit. Olympisches Feuer, Heft 02/2015, S. 28-29. (Originalfassung)