Sport im Fernsehen – ein deutsches Sprachproblem

Ein kritischer Blick auf die mentalen Bilder und Diskurse, die aus dem Sportgeschehen erwachsen, hat sich seit es den modernen Sport gibt immer als notwendig erwiesen. Noch vor wenigen Jahrzehnten sahen es Germanisten¹, Linguisten, Sprach – und Kulturwissenschaftler im weitesten Sinne als eine ihrer wichtigen Aufgaben an, die Sportsprache in ihrem Wandel zu beobachten. In diesen Tagen ist dies eher nur sehr selten der Fall, wenngleich vermehrt Anlass hierzu gegeben ist. Auch heute ist die Sprache ein sehr schnelllebiges Medium der Kommunikation und es bietet sich deshalb geradezu an, den sprachlichen Wandel, die „Metaphorisierungsprozesse“, Wortbildungen und Neologismen einmal in den Blick zu nehmen und diese kritisch zu hinterfragen. Auch ein immer häufiger politisch motivierter Umgang mit fremdsprachlichen Einflüssen in die Sportsprache ist dabei diskussionswürdig, so z.B. der Einfluss der USA auf die Entwicklung der nationalen Sportsprachen.
Mit dem Begriff der „Sportsprache“ bezeichnet man eine verbale Kommunikationsform auf deren Grundlage eine Verständigung innerhalb des Sachgebiets „Sport“ stattfindet bzw. mit der über das Phänomen „Sport“ reflektiert wird. In der Germanistik wird die „Sportsprache“ den Sondersprachen zugeordnet, zu der auch die „Gaunersprache“, die „Schülersprache“, die „Juristensprache“, die „Pilotensprache“ und noch viele weitere Berufssprachen gehören. Man könnte sie aber auch in die Gruppe der Fachsprachen einordnen, zu der beispielsweise die „Wissenschaftssprache“, die „Medizinersprache“, die „Bergleutesprache“ und die „Seemannssprache“ gehören. Wirft man einen etwas genaueren Blick auf das Phänomen des Sprachgebrauchs im Sport, so erkennt man allerdings sehr schnell, dass man eigentlich von verschiedenen Sportsprachen sprechen muss, denn in der Welt des Sports gibt es ein äußerst verschachteltes Kommunikationssystem. Der Sprachgebrauch von Reportern im Fernsehen bei Live- Übertragungen eines Fußballspiels unterscheidet sich vom Sprachgebrauch der Rundfunkreporter, die dasselbe Spiel übertragen. Die Sportsprache bei Sportsendungen des Fernsehens ist eine andere als die Sportsprache in der Tageszeitung. Das Sprechen im Sport unterscheidet sich vom Sprechen über Sport, wobei beides einem ständigen Wandel unterliegen kann. Die Halbzeit- Kommunikation in Mannschaftssportarten in der Kabine hat sich in den letzten Jahrzehnten ebenso verändert wie die Kommunikation des Trainers mit seiner Mannschaft während des Spiels, was vor allem dann sichtbar wird, wenn die Zuschauer bei Auszeiten diese Kommunikation im Fernsehen mitansehen und mitanhören können.

Die meisten Sachverhalte, die bei einer vergleichenden Beobachtung in Bezug auf den sprachlichen Wandel festgestellt werden können, sind problemlos und dass der Sport mit seiner Kommunikation schon immer ein „Metaphernspender“ für den allgemeinen Sprachgebrauch gewesen ist, kann möglicherweise auch als wünschenswert bezeichnet werden. Die entscheidende Frage bei der Beurteilung und Einordnung des Wandels sollte sich allerdings darauf beziehen, inwiefern die aktuell zu beobachtenden Kommunikationsmuster in den unterschiedlichsten sportsprachlichen Welten jenen Kommunikationsmaximen genügen, die von wissenschaftlichen Kommunikationsexperten für eine gelingende und gelungene Kommunikation als notwendig erachtet werden. Für die aktuell beobachtbare Sportsprache heißt das, dass sie darauf hin zu überprüfen ist, ob sie den Maximen der „Verständlichkeit“, „der Wahrhaftigkeit“, „der Klarheit“, der „Objektivität“ und der „Relevanz“ des Gesagten genügt.
Beobachtungen, die wir in jüngster Zeit bei Übertragungen von Sportveranstaltungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen machen mussten, legen diesbezüglich allerdings Zweifel nahe.
Dies gilt vor allem für die Kommunikationsmaxime der „Verständlichkeit“, gegen die in den letzten Jahren immer häufiger im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verstoßen wird. Dies konnte und kann bei vielen Nachrichtensendungen beobachtet werden. Die Berichterstattung über die Corona- Pandemie bei der ARD und im ZDF stellte dabei einen besonderen Höhepunkt dar. Die Kommunikation über den terroristischen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist ein weiteres Beispiel, bei dem die Maximen der „Wahrhaftigkeit“ und „Objektivität“, aber auch die Prinzipien der „Verständlichkeit“ und „Relevanz“ oft gar nicht oder nur sehr unzureichend beachtet werden.
Wie in jüngster Zeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen über Sport gesprochen wird, soll an einem Beispiel erläutert werden. Die folgenden Sprachgebrauchs- Zitate wurden während der Übertragungen der „German Championships“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als Zuschauer beim Sehen und Hören mitgeschrieben.

„Schöne Location-wunderschöne Location – Super Location“, „geiles Event“, „Signature Trick“, „Form-Check“, „Mixed Team Compound“, „Super- Sportsonntag“, „Bouldern“, „super schön gecatched“, „BMX-der winning sport“, „Speed- Klettern“, „Timo Bolls Come- back“, „Breaking“, „erste Halbfinal-Battle“, “foot-work“,“freezes“,“Power-Moverin“, „zwei Runden best of three“, „und die Judges entscheiden“, „sie hat noch power“, „mein Level aufstocken, um im Ranking nach oben zu kommen“, „Bartelsmeier hat nicht ganz so performed wie er es sich gewünscht hat“, „Air-max“, „der zweite Run“, „cooler Weltrekord“, „hier ist eine Megastimmung“, „die Finals“, „der B-Boy hat gecrashed und ist bei seinem Move gescheitert“, “was für eine Crew“,“Steps und Moves“.
„Der hat so ein kleines Smile im Gesicht“, „die deutsche Meisterin schießt noch einmal in die Stratosphäre“, „ein Zauberball von Timo Boll“, „mit Spin spielen“, „Timos Nervenstärke ist legendär“, 5000 m in 13: 35:65 unfassbar, unglaublich“, „was für eine furiose Rennsensation“, „Mit seinem super guten Freund teilt er sich eine Wohnung“, „absolut unfassbar was die (Mihambo) für einen Wettkampf abliefert“, „noch einer, der hier super performed hat“.

Im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (RSTV) ist der Programm- Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens festgelegt. Er besteht darin, dass die Sender umfassend und ausgewogen Informationen, Bildung, Kultur und Unterhaltung anbieten sollen. Dass dies in deutscher Sprache erfolgen soll, wird nicht eigens in diesem Vertrag erwähnt. Doch darf man als Gebührenzahler des öffentlich-rechtlichen Fernsehens annehmen, dass dies für die Verantwortlichen eine Selbstverständlichkeit sein sollte und die den Staatsvertrag zu verantwortenden Politiker von dieser Selbstverständlichkeit auch ausgegangen sind.

Betrachten wir die beispielhaft hier erwähnten sprachlichen Äußerungen in Sportsendungen des öffentlich- rechtlichen Fernsehens, so scheint es diese Selbstverständlichkeit nicht mehr zu geben. Denn vorstehende Beispiele weisen auf einen Gebrauch von Anglizismen hin, deren Bedeutung selbst für manchen Zuschauer, der über eine ausreichende englische Sprachkompetenz verfügt, unklar ist und deren Anwendung als nicht geeignet erscheint. In Deutschland verfügen 92,1 % über einen allgemeinbildenden Schulabschluss. 28,6 % haben dabei einen Haupt- bzw. Volksschulabschluss aufzuweisen, 6,5 % weisen den Abschluss einer polytechnischen Oberschule (Schulform in der ehemaligen DDR) nach, 23,5 % einen mittleren Abschluss und 33,5 % die Fachhochschul– /Hochschulreife. 4 % werden in der deutschen Bildungsstatistik ohne einen allgemeinbildenden Schulabschluss ausgewiesen. Berücksichtigen wir, dass in der DDR „Russisch“ als erste Fremdsprache gelehrt wurde und „Englisch“ nur als eine Sprache unter mehreren als Zweitsprache gewählt werden konnte, muss man davon ausgehen, dass mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung während ihrer schulischen Bildung keine hinreichende Unterrichtung in englischer Sprache erfahren hat.
Gemäß einer Statistik des statistischen Bundesamtes haben 75 % der deutschen Bevölkerung über 50 Jahre geringe oder keine englischen Sprachkenntnisse. Bei der Gruppe der 40 bis 50-jährigen sind es circa 30 % und selbst bei den Personen im Alter von 20-29 Jahren sind es lediglich 31 %, die ihre Englischkenntnisse als sehr gut einschätzen.
Im Sinne eines Pre- Tests wurde einigen Freunden- und Bekannten die oben angeführte Beispielsliste von Anglizismen mit der Bitte vorgelegt, ehrlich mitzuteilen, ob sie die Bedeutung der dort dargestellten Anglizismen und Wortkombinationen kennen und ob sie diese verstehen, wenn Sportreporter diese Formulierungen bei ihren Reportagen verwenden. Die große Mehrheit der Befragten gab freimütig zu, dass sie die meisten dieser Anglizismen nicht verstehen und nahezu alle bekundeten ihren Ärger und ihr Befremden, die sie diesbezüglich empfinden. Sie wiesen auch darauf hin, dass es unerträglich sei, wie bei der Sportberichterstattung ständig der Begriff „historisch“ und „historisch einmalig“ nahezu bei jeder Beschreibung von besonderen Leistungen von Athletinnen und Athleten verwendet wird. Alles was im Sport geschieht ist „spektakulär“, „unglaublich“, „sensationell“, „einmalig“ und die Sprache der Kommentatoren und Reporter gleicht einer Aneinanderreihung von Superlativen und mitunter oft auch eher dümmlichen Metaphern, ohne dass die Verantwortlichen merken, dass der Sport dadurch zum bloßen Spektakel verkommt, das er meist ohnehin schon auf diese Weise geworden ist.
Die hier gemachten Beobachtungen und die erwähnten qualitativen Befunde deuten darauf hin, dass sich viele Zuschauerinnen und Zuschauer von Sportsendungen des Fernsehens mit Kommentaren und Reportagen abfinden, die sie oft nur teilweise oder auch gar nicht verstehen. Mut zur „Gegenwehr“ lässt sich dabei jedoch nicht erkennen. Dies liegt daran, dass viele glauben, dass man sich in der Öffentlichkeit dafür schämen muss, wenn man bestimmte Anglizismen nicht versteht und sie deshalb auch annehmen, dass ein Nachfragen und eine Bitte um einen verständlicheren Sprachgebrauch nicht erwünscht seien.

„Wenn ihr etwas nicht versteht, so müsst ihr fragen. Nur wer fragt, lernt etwas dazu. Klug ist der, der die richtigen Fragen stellt“. Seit es in der Geschichte der Menschheit „Lehrer- Schüler- Situationen“ gibt, haben gute Pädagogen ihre Schüler in dieser oder in einer ähnlichen Form darauf hingewiesen, wie notwendig es ist, dass man sich „wehrt“, wenn man etwas nicht verstanden hat. Diesen Mut zur öffentlichen Gegenwehr gibt es in Bezug auf den unsinnigen Gebrauch von zahlreichen Anglizismen in der sprachlichen Kommunikation der Sportberichterstattung so gut wie gar nicht. Diese „Wut“ wird allenfalls an Stammtischen artikuliert. Auf diese Weise lässt man über sich ergehen, dass mit der deutschen Sprache nicht nur im Bereich des Sports ein „Schindluder“ getrieben wird, das seinesgleichen sucht.

Betrachtet man ergänzend zu diesen Beobachtungen noch den leider noch immer bestehenden Sachverhalt, dass sich in vielen sportsprachlichen Äußerungen der Massenmedien weitgehend unbewusst und wohl auch unreflektiert Begrifflichkeiten aus der Militärsprache verfestigt haben: „Offensive“, „Nahkampf“, „unter Dauerbeschuss stehen“, „bombardieren“, „Granate“, „Kampf“, „Kämpfer“, „Kampfmaschine“, „Schuss“, „schießen“, „Treffer“, „Angriff“, „Sturm“, „den Gegner überrollen“, „alle Kräfte mobilisieren“ und „durch alle Ligen marschieren“, so würde man sich wünschen, dass die heute aktiven Sportjournalisten in den deutschen Massenmedien sich einmal wieder ihrer Selbstverpflichtung erinnern, die sie sich vor Jahren in ihren Leitlinien zur deutschen Sportberichterstattung gegeben haben. Eine Reform dieser Leitlinien ist allerdings dringend geboten und man muss sich schon seit längerer Zeit fragen, wann endlich der Verband der Deutschen Sportjournalisten (VdS) sich dieser wichtigen Aufgabe wieder einmal annimmt.
Eine geradezu martialische Steigerung erfuhr diese Aufzählung bei der Fußball-WM in Katar durch den damaligen Bundestrainer Hansi Flick, der vor dem für das Weiterkommen entscheidenden Spiel seiner Mannschaft gegen Costa Rica wie folgt zitiert wird: „Es sind Krieger auf dem Platz, die mit Herz spielen“.² Dies ist eine angesichts des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine ungeheuerliche Feststellung, die hoffentlich bezüglich des „Spielverhaltens“ von Fußballmannschaften künftig keine Wirkung bis in die Spielklassen der F-Jugend entfaltet.
Die Sportsprache ist – das zeigt dieses Beispiel – somit durchaus auch in der Lage, die Ungeheuerlichkeiten, Grausamkeiten und Brutalitäten von Kriegen zu verharmlosen.

Kontrastierend hierzu kann aber auch festgestellt werden, dass Sportjournalisten bei ihren Reportagen und Berichten durchaus auch sprachliche Anleihen aus Bereichen machen, die unter ethisch – moralische Aspekten völlig unbedenklich  und z.T. sogar durchaus „phantasievoll“ sind, wie zum z.B. solche aus der Technik („auf Touren kommen“, „Schalt-(Umschalt-)Stationen“, mit einem „stotternden Motor“ das Spiel verlieren, …) oder auch aus dem Bereich des Theaters, (da geht auch einmal ein Spiel „über die Bühne“, das „Ensemble“ wird vom „Regisseur“ zum Sieg geführt und immer wieder einmal überraschen „Debütanten“, …).
All diese Metaphern, ganz gleich aus welchem außersportlichen Lebensbereich sie entnommen sind, wecken als „Bilder-Sprache“ bei den Zuhörern und Lesern zugleich Assoziationen, die gewollt sind. Sie sind ein journalistisches Stilmittel, um dem „Gegenstand“ Sport, durch gelegentliche sprachliche Überhöhung zusätzlich Aufmerksamkeit und damit auch Bedeutsamkeit zu verleihen.
Das alles entbindet Journalisten, Reporter und Moderatoren allerdings nicht, sich gerade auch ihrer sprachlichen Verantwortung gegenüber dem Sport, den Sportlerinnen und Sportlern und gegenüber ihrer „Kundschaft“, den Zuschauern, Hörern und Lesern, stets bewusst zu sein!

Letzte Bearbeitung: 6. Dezember 2023

¹ Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.

² Zitiert nach „Wiesbadener Kurier“ vom 20. November 2022, „WM-EXTRA“, S. 1