Nach Tokio 2020 – Was ist zu tun? Überlegungen zur Reform des Olympischen Sports in Deutschland

Die zukünftige Entwicklung des Olympischen Sports in Deutschland wird von vielen Faktoren beeinflusst. Manchem dieser Faktoren steht man ohnmächtig gegenüber, so z.B. der demographischen Entwicklung unserer Bevölkerung. Andere können von den Verantwortlichen des Sports direkt beeinflusst werden. Unter diesen Faktoren sind vor allem fünf besonders bedeutsam:

  1. Da ist zunächst und vor allem der Faktor „Athletinnen und Athleten“.
  2. sind dies die „Trainerinnen und Trainer und deren Aus – und Weiterbildung“.
  3. sind es die “Medien“.
  4. sind es die „Funktionärinnen und Funktionäre“, die den zukünftigen Olympischen Sport maßgeblich steuern werden, und die heute die Verantwortung dafür zu tragen haben, dass der Olympische Sport seine verloren gegangene Glaubwürdigkeit auf seinem weiteren Weg in diesem Jahrtausend wieder zurückgewinnt.
  5. geht es um das Thema „Doping und Regelverstöße im Olympischen Sport“.

Diese fünf Themen stehen in einer engen Wechselbeziehung zueinander, so dass Veränderungen in dem einen Themenfeld auch Veränderungen in den anderen Feldern nach sich ziehen. So werden z.B. die künftige Berichterstattung und die Kommentare in den Massenmedien, aber auch auf den „Social-Media-Plattformen“ Einfluss auf die Athleten¹ nehmen und umgekehrt werden die Athleten auch die Entwicklung der Berichterstattung über den Olympischen Sport entscheidend mitbeeinflussen.

Entscheidungen, die getroffen werden müssen, wirken in die fünf genannten Themenbereiche gleichermaßen hinein und bleiben nicht folgenlos, so dass zukünftig eine stärkere Vernetzung bei der Lösungsfindung innerhalb der wichtigen Problembereiche des Sports anzustreben ist. Eine Vernetzung bringt eine Öffnung und einen Austausch mit sich, Intransparenz oder gar Verschleierung und unlautere Absprachen könnten dann auf diese Weise in der Zukunft des Olympischen Sports in Deutschland wesentlich seltener werden als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Eine Vernetzung und Öffnung machen jedoch zugleich eine stärkere Professionalisierung und Spezialisierung bei der Lösung von Problemen erforderlich, da die Umsetzung der Maßnahmen weitreichender und folgenreicher ist. Die Probleme, die den Olympischen Sport betreffen, müssen äußerst genau analysiert, gut durchdacht und langfristigen Lösungen zugeführt werden. Dabei werden die Lösungen nicht allein von ehrenamtlich Tätigen gefunden und getroffen werden können. Eine sinnvolle Weiterentwicklung und Steuerung des deutschen Spitzensports kann deshalb nur gelingen, wenn Experten mit unterschiedlicher Professionalität in die Lösungsfindung einbezogen werden. Vertreter aller beteiligten Institutionen (Athleten, Trainer, Funktionäre, Medienvertreter, Experten aus der Sportwissenschaft, Mediziner und Pharmakologen etc.) sind unter Offenlegung ihrer speziellen Vorstellungen und Ziele an der Problemlösung zu beteiligen, um somit die jeweils spezifischen Vorstellungen berücksichtigen zu können. Dabei darf es keine Denkverbote geben. Die Einführung eines eigenständigen Bundesministeriums für die Fragen und Belange des Hochleistungssports sollte ebenso auf den Prüfstand gestellt werden wie die von Michael Groß vorgeschlagene organisatorische Ausgliederung des Hochleistungssports aus dem DOSB. Der zukünftige Nutzen von BISP, IAT, und FES bedarf einer strengen Evaluierung, wobei auch eine Fusion dieser Einrichtungen über die Etablierung eines nationalen Forschungsinstituts zu Gunsten des Olympischen Sports zu überprüfen ist. Auch die Rückkehr zu einem eigenständigen Nationalen Olympischen Komitees kann dabei eine überprüfenswerte Überlegung sein. Nur über eine gelungene Zusammenarbeit wird ein langfristiger Erfolg möglich sein.

Die genannten fünf Faktoren sollen im Folgenden noch etwas genauer beschrieben werden.

1. Athletinnen und Athleten

Die Olympischen Spiele stellen nach wie vor die größte sportliche Herausforderung für Athletinnen und Athleten aller Länder in ihrer Laufbahn als Spitzensportler bzw. als Spitzensportlerin dar. Aus diesem Grund müssen die Athleten und ihre sportlichen Leistungen auch zukünftig im Zentrum der Olympischen Spiele stehen. Ihre Würde und ihre interkulturelle Bildung sowie die Bedeutung ihrer sportlichen Leistungen bedürfen eines besonderen Schutzes. Bei der Durchführung der Olympischen Spiele und der weiteren Entwicklung der Olympischen Bewegung in Deutschland sind die Bedürfnisse und Interessen der Athlet*innen auch weiterhin zu respektieren und einzubeziehen. Um die spezifischen Interessen und Bedürfnisse der Athleten angemessen berücksichtigen zu können, müssen entsprechende Mitbestimmungs – und Mitgestaltungsmöglichkeiten bezüglich der Olympischen Spiele und der olympischen Bewegung initiiert bzw. verbessert und abgesichert werden. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Athleten in ihrem leistungssportlichen Handeln und in ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit eine Vorbildfunktion für die Jugend besitzen. Diese Funktion sollte den Athleten bei ihrem Handeln jederzeit bewusst sein.
Die Athleten sind ohne Zweifel die Hauptpersonen des Olympischen Spitzensports. Über Jahre hinweg richten sie ihr Leben auf sportliche Höchstleistungen hin aus und absolvieren Tag für Tag ein äußerst intensives Training, um dieses Ziel zu erreichen. In den vergangenen Jahren haben sich der organisatorische Aufwand, die Trainingsbelastung und die dazugehörige Betreuung bei den Spitzenathleten erheblich gesteigert. Die Organisation des Tagesablaufes gleicht der von Führungspersonen in wirtschaftlichen Unternehmen. Um die Athleten haben sich zahlreiche andere Akteure gruppiert, die eigentlich Zuarbeit leisten sollten aber nur allzu oft selbst die Hauptrolle spielen (wollen): Sportredakteure, die als Stars gefeiert werden; Manager, die hohe Gagen verdienen; Funktionäre, die an ihren Ämtern kleben; Firmenchefs, die mit dem positiven Image der Sportler ihre Produkte verkaufen wollen; und Politiker und Politikerinnen, die bereits den nächsten Wahlkampf vor Augen haben. Das Leben als Spitzensportler verlangt deshalb schon seit längerer Zeit wesentlich mehr als nur unter den Besten bei den Wettkämpfen zu sein. Nur wer die Rollen, die heute ein Athlet oder eine Athletin außerhalb des Wettkampfes zu meistern hat, am besten spielt, hat gute Möglichkeiten, zu den wenigen Spitzensportlern zu zählen, die Millionen Gagen verdienen können.
Die Kluft zwischen den wenigen Sportmillionären und den Sportlern, die am Existenzminimum leben, hat sich in den letzten Jahren immer weiter vergrößert. Die Rolle des Sportlers bzw. der Sportlerin ist heute eine ganz andere als noch vor 20 Jahren. Die Kommerzialisierung und Vermarktung von Sportlern und Sportmannschaften wird vermutlich ebenso weiter zunehmen wie der organisatorische Aufwand, um ganz an der Spitze zu stehen. Auch die wissenschaftliche, technische, medizinische und psychologische Betreuung wird eine immer wichtigere Rolle auf dem Weg an die Spitze spielen.
Da der Sport bzw. sportliche Erfolge nach wie vor nationalen Repräsentationszwecken dient – und folgt man der Meinung der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung auch weiterhin dienen soll – wird es zukünftig noch häufiger zu einer Einbürgerung von ausländischen Spitzenathleten kommen, was die Gefahr einer Vernachlässigung der eigenen Jugendarbeit birgt.
Wenn die deutschen Athleten jedoch langfristig im internationalen Vergleich der Olympischen Sportarten zu den fünf besten Sportnationen dieser Welt gehören wollen – dieser Anspruch ist angesichts der Bevölkerungsgröße und der wirtschaftlichen Leistung Deutschlands naheliegend – dann ist eine gute, zielgerichtete und spezifische Nachwuchsförderung von hoher Bedeutung, insbesondere wenn der aktuelle Mitgliederschwund im Kinder – und Jugendbereich und die allgemeine demographische Entwicklung gerade bei den traditionellen Sportarten betrachtet wird. Für das völlig neu zu gestaltende System des Olympischen Sports in Deutschland benötigt man deshalb ein umfassendes neues Talent-Sichtungssystem in Kooperation mit dem öffentlichen Schulwesen. Die Talentförderung muss strukturell und finanziell auf ganz neue Beine gestellt werden. Dabei muss eine sehr viel kreativere Steuerung der erkannten Talente möglich werden. Die guten Beispiele aus Australien, Großbritannien und Japan könnten hierzu ein geeignetes Vorbild sein. Die „Second Chance – Projekte“ bei der Talentförderung, wie sie in Australien und Japan längst selbstverständlich geworden sind, könnten dabei durchaus nachahmenswert sein. Daneben muss jedoch auch darauf geachtet werden, dass der jugendliche Sportler bzw. die jugendliche Sportlerin neben seinem bzw. ihrem Training frühzeitig auch auf externe Anforderungen, die ein Leben als Spitzensportler mit sich bringt wie Auftritte in den Medien, die Selbstvermarktung etc. vorbereitet wird. Es wird auch immer wichtiger werden, den jugendlichen Sportlern möglichst frühzeitig solide Beratungen und Hilfestellungen für eine Berufsausbildung neben dem Sport zu geben.

2. Trainerinnen und Trainer und deren Aus- und Weiterbildung

Das Trainer -und Trainerrinnenproblem im Deutschen Olympischen Sport kommt einer unendlichen Geschichte gleich. Seit Jahrzehnten wird sowohl das Nachwuchsproblem ebenso wie das Besoldungsproblem der Trainer beklagt, ohne dass angemessene Lösungen in Sicht wären. Immer häufiger scheint auch ein Aus -und Weiterbildungsproblem bei den deutschen Trainerrinnen und Trainer zu bestehen. Im internationalen Vergleich ist die Kooperation der Trainerrinnen und Trainer mit Wissenschaftlern, die in ihrer Arbeit auf die Belange des Hochleistungssports ausgerichtet sind, meist unzureichend. Oft ist eine solche Zusammenarbeit von den Verantwortlichen in einigen Olympischen Sportarten noch nicht einmal erwünscht. Nach wie vor ist auch in einigen Olympischen Sportarten das Berufsbild von Trainern ungeklärt und von einer angemessenen Besoldungsstruktur kann nicht gesprochen werden. Werden in einigen Sportarten wie zum Beispiel im Fußball oder im Handball die Trainer*innen oft viel zu schnell wegen eines aktuell als „schwierig“ eingeschätzten Leistungsstands aus ihren Ämtern entlassen, so ist in den meisten Olympischen Sportarten jedoch genau das Gegenteil der Fall. Trainer verbleiben oft Jahrzehntelang in ihren Ämtern, obwohl bereits über viele Jahre Misserfolge in den Disziplinen zu beklagen sind, in denen diese Trainer Verantwortung tragen. Arbeitsverträge mit Trainern sollten deshalb grundsätzlich Zeitverträge sein, wobei sich dadurch für sie Risiken ergeben wie sie am Arbeitsmarkt auch für andere Berufe üblich sind. Will man dennoch den Trainerberuf, der gleichzeitig auch an höhere Qualifikationen zu binden ist, attraktiv für junge Menschen machen, so sind gut durchdachte finanzielle Belohnungssysteme notwendig und Mechanismen für eine tragfähige Karriereplanung von Trainern neu zu etablieren.
Zwei weitere Maßnahmen scheinen dabei dringend notwendig zu sein. Zunächst sollte der DOSB eine Kampagne initiieren, mit der neue Nachwuchstrainer für die Olympischen Sportarten gewonnen werden können. Hierbei sollten Trainer, die in jüngster Zeit besonders erfolgreich gewesen sind, in eine Werbekampagne eingebunden werden, bei der vor Ort, d.h. in größeren Städten und in Zusammenarbeit mit den für die Olympischen Sportarten wichtigen Turn- und Sportvereinen der Beruf des Trainers und der Trainerin als ein attraktiver Zukunftsberuf vorgestellt wird.

Die zweite Maßnahme sollte die Aus – und Weiterbildung der Trainer zum Ziel haben. Für die in den Olympischen Sportarten tätigen Trainer muss es dabei zur Pflicht werden, dass sie in jedem Jahr eine mindestens zweiwöchige Weiterbildungsakademie besuchen, in der sie über die relevanten Forschungserkenntnisse in ihrer jeweiligen Sportart informiert werden und bei der ein Erfahrungsaustausch über Trainings – und Wettkampfmethodik mit anderen Sportarten möglich ist. Durch die Trainerweiterbildungsinitiativen muss auch gesichert werden, dass Trainerinnen und Trainer sich ganzjährig über eine gesicherte Internetplattform u.a. über Trainingsmethoden, Wettkampfsteuerung und über die Betreuung ihrer Athletinnen und Athleten austauschen können und mit den relevanten wissenschaftlichen Informationen zu ihrer täglichen Trainingsarbeit versorgt werden. Der vom DOSB und von einigen Fachverbänden initiierte Aufbau von „Wissenscommunities im Sport“ ist hierbei ein wichtiger erster Schritt.
Schließlich sollten auch die bestehenden organisatorischen Trainerstrukturen in den Olympischen Fachverbänden auf den Prüfstand gestellt werden. Dabei ist in einigen Sportarten zu prüfen, ob es die meist überall anzutreffende Position eines Bundestrainers bzw. einer Bundestrainerin überhaupt bedarf. Vielmehr scheint es so zu sein, dass für die zukünftige erfolgreiche Entwicklung des Olympischen Sport es vor allem darum gehen muss, dass man genügend gute Heimtrainer findet, die täglich mit dem Athleten oder der Athletin und mit ganzen Gruppen von Athleten arbeiten und sie auf die Wettkämpfe vorbereiten. Deren Arbeit zu steuern, ist vorrangig eine Managementaufgabe, wozu in den meisten Fällen kein Bundestrainer bzw. keine Bundestrainerin benötigt wird.

3. Medien

Das Thema Medien ist in zweifacher Weise bei der zukünftigen Sportentwicklung zu beachten. Zum einen geht es um die weitere Entwicklung der so genannten „neuen Medien“ und darum, ob und wie diese Medien im Sport eingesetzt und besser genutzt werden können. Das Ziel ist dabei eine Optimierung der Informationsvermittlung, die zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Athletinnen und Athleten führt. In den letzten Jahren gab es einige technologische Neuerungen, die im sportlichen Training und Wettkampf im Hochleistungssport eingesetzt wurden. Zu nennen ist zum Beispiel das „interaktive Videosystem“, das auf der Kombination von Video – Technik und Computerelektronik basiert. Da die Leistungsdichte im Spitzensport immer enger wird, wird dem Medieneinsatz im Training und im Wettkampf eine immer wichtigere Rolle hinsichtlich der Leistungsoptimierung und somit zugunsten des entscheidenden Vorsprungs vor der Konkurrenz zuerkannt. Neue Kommunikationstechnologien ermöglichen eine globale weltweite Vernetzung sportbezogener Daten und einen schnellen Informationsaustausch. Die Internet-Kommunikation und die Möglichkeit zu Videokonferenzen können für die Kommunikation von Athletinnen und Athleten mit ihren nationalen Verbänden, mit dem DOSB, mit ihren Trainern und Trainerinnen, mit Funktionären und mit anderen Athleten und Athletinnen insofern von Vorteil sein, dass ein schneller Austausch möglich ist und alle Verantwortlichen die Informationen via Internet gleichzeitig erhalten. Auf alle relevanten Fragen kann interaktiv sofort geantwortet werden. Die Nutzung des Internets kann somit als Werkzeug zur Ökonomisierung und Erleichterung der Arbeit und der Kommunikation betrachtet werden. Um diesen Nutzen zu sichern, sind alle Athleten ebenso wie alle Trainer, die sich auf Olympische Spiele vorbereiten, mit den modernsten Technologien auszustatten. Das „Home office“, wie es während der Corona – Pandemie populär geworden ist, muss zu einer ständigen Einrichtung aller am olympischen Hochleistungssport Beteiligten werden.

Der zweite Aspekt des Themenbereichs „Medien“ zeigt sich über die Massenmedien und deren Berichterstattung über Sport in Print-und audiovisuellen Medien sowie im Internet. Die Medienlandschaft in Deutschland und weltweit war in den vergangenen Jahren weitreichenden Entwicklungen und Veränderungen unterworfen. Durch die steigende Anzahl an Fernsehsendungen, Hörfunkprogrammen, Publikumszeitschriften und “Social – Media- Plattformen“ hat sich die Berichterstattung über Sport in erheblichem Maße erhöht. Die Sportberichterstattung stellt in allen Massenmedien einen sehr wichtigen Bestandteil des Verkaufs- und Strategiekonzepts der Verantwortlichen dar, zumal insbesondere in der TV -Berichterstattung mit Sport höchste Einschaltquoten erreicht werden. Die Sportberichterstattung im Fernsehen hat sich seit der Einführung des dualen Rundfunksystems sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die Präsentationsformen erheblich verändert – gerade im privaten Fernsehen spielt Sport, bzw. spielen einige ausgewählte Sportarten und Sportler eine wichtige Rolle als Unterhaltungsfaktor.
In Deutschland sind derzeit rund 65 deutschsprachige Programme zu empfangen. Gesendet wird meist rund um die Uhr. Im Zuge der Digitalisierung werden zukünftig noch wesentlich mehr Programme zu empfangen sein. Durch diese steigende Anzahl an Sendungen hat sich auch die Berichterstattung über den Sport erhöht. Die Sendezeit ist seit der Einführung des privaten Fernsehens im Jahr 1984 von 3,3 auf 47,3 Stunden täglich angestiegen was vor allem auf die Spartenkanäle von „Eurosport“ und „Sport eins“ und der Etablierung des Bezahlsenders „Sky“ zurückzuführen ist. Seit der Einführung des privaten Fernsehens ist die Sportberichterstattung immer mehr durch die jeweils aktuell gültige Senderechtesituation gesteuert. Wer die Rechte an einem Ereignis erworben hat, der kann senden. Dies führte jedoch nicht dazu, dass in den verschiedenen Sendern über unterschiedliche Sportarten und Ereignisse berichtet wurde, sondern es kam zu einer starken Konkurrenz um die Sportrechte einiger weniger Sportereignisse. Die Kosten für die Erstübertragungsrechte sind durch diesen Konkurrenzkampf der Sender erheblich gestiegen und haben zumindest in einigen Sportarten im letzten Jahrzehnt eine Grenze erreicht. Viele Sender können ihre hohen Kosten für die Übertragungsrechte, zum Beispiel für die Fußballbundesliga oder für die Champions League, nicht mehr refinanzieren. Haben die Sender keine Erstrechte an der Übertragung bestimmter Ereignisse, so erwerben sie häufig Zweitrechte und berichten über das gleiche Ereignis zeitlich versetzt. Durch die Programmausweitung kommt es jedoch nicht zu einer größeren Vielfalt, sondern vielfach lediglich zu einer Verdoppelung von Informationen. Es wird „mehr von demselben“ gesendet. Diese Problematik wurde bereits in den achtziger Jahren thematisiert, sie hat sich jedoch bis heute noch erheblich verstärkt. In der nahen Zukunft könnte sich durch eine weitere Zunahme von Sendern dieser Trend noch beschleunigen. Es wird vermutlich deshalb auch weiter dabeibleiben, dass die meisten Fernsehsender ihre Berichterstattung über wenige medienattraktive Sportarten und Sportler beibehalten oder sogar noch ausweiten. Sind Sportarten nicht „medienattraktiv“, so werden sie noch mehr vernachlässigt als dies schon heute der Fall ist.
Die Sportberichterstattung im Fernsehen verfolgt in erster Linie kommerzielle Ziele, gleichgültig, ob es sich um öffentlich-rechtliches oder privates Fernsehen handelt. Es geht um Einschaltquoten und darum, Zuschauer an die Sender zu binden. Die Sportberichterstattung hat hierbei vorwiegend eine ökonomische Funktion. Dies trifft auch für die Printmedien zu, denen es in erster Linie um eine Leserbindung geht. Erst an zweiter Stelle stehen die Unterhaltung, Information und Aufklärung der Rezipienten und die Darstellung der Vielfältigkeit und Komplexität des Sports.
Wirtschaft, Medien und Sport stehen dabei in einem Abhängigkeitsverhältnis, das immer enger wird und es besteht die Gefahr, dass die Eigenständigkeit der jeweiligen Systeme verloren geht. Im Sinne der Popularisierungsspirale „je mehr Medien – (Fernseh-) Präsenz umso mehr Popularität, je mehr Popularität umso mehr Medien – (Fernseh-) Präsenz und damit umso mehr Geld“, kam es in den vergangenen Jahren in verschiedenen Sportarten zur Veränderung von Sportregeln, um die Sportart „fernsehergerechter“ zu machen. Beim Tischtennis wurde z.B. die Zählweise und die Ballgröße verändert, im Volleyball wurde ebenfalls die Zählweise verändert und die Tie – Break Regel bei Satzgleichheit eingeführt. Es wurden Startzeiten den besten Sendezeiten angepasst, das Fernsehen bestimmt, welche Trikots zu tragen sind und wie lang bzw. kurz die Sporthosen der Athletinnen sein müssen, um ein optisch ideales Bild der Sportlerin transportieren zu können. Diejenigen Sportlerinnen, die diesem gewünschten Bild am besten entsprechen, erhalten die meisten Einladungen in Fernsehsendungen, erreichen höchste Popularität, sind damit am besten zu vermarkten und erzielen die höchsten Einnahmen. Von dieser Entwicklung profitiert nur ein geringer Teil der Spitzensportler und nur ganz wenige Sportarten, während der größte Teil ausgeschlossen bleibt. Die neuesten Entwicklungen zeigen, dass auch innerhalb einer Sportart, zum Beispiel beim Fußball, die Differenz bezogen auf finanzielle Ressourcen immer größer wird. Wie sich bei den Diskussionen um die Vermarktungsrechte der Fußball Bundesliga deutlich gezeigt hat, haben die großen Vereine, die professionell wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden, kein Interesse an einem Solidarausgleich mit den kleinen Vereinen. Dies birgt für die zukünftige Sportentwicklung und dabei besonders für „Randsportarten“ bzw. für Sportarten mit wenig Medienpräsenz existenzielle Gefahren.

Das Internet stellt wohl als moderne Kommunikationstechnologie für die Verbreitung von Sportberichterstattung für viele Sportarten eine wichtige Chance dar und es ist ganz gewiss ein sehr interessantes Medium, da hierbei einerseits eine sehr hohe Aktualität gewährleistet werden kann und andererseits können Merkmale der Printmedien mit den Merkmalen der audiovisuellen Berichterstattung miteinander verknüpft werden. In der Kombination von Schrift, Ton und bewegten Bildern kann das Internet ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Berichterstattung über den Sport eröffnen, zumal im Internet bereits seit längerer Zeit ein hoch attraktiver Markt für Werbung entstanden ist. Gleichwohl muss angemerkt werden, dass das Internet trotz einer rasanten Steigerung der Nutzerzahlen in erster Linie ein Medium für meist jüngere, “internetaffine“ Gruppen in unserer Gesellschaft geworden ist und einige Gruppen dabei eher außen vor geblieben sind, so zum Beispiel ältere Menschen und sozial benachteiligte Personen. Ein Ziel der Informationsverbreitung und Berichterstattung über den Sport mithilfe des Internets müsste deshalb sein, dass vor allem eine bessere Systematisierung dieser Berichterstattung angestrebt wird. Derzeit ist die Internet – Sportberichterstattung sehr willkürlich und ungeordnet. Für viele Olympische Sportarten sind jedoch die „Streaming Dienste“ des Internets ohne Zweifel eine große Chance für Ihre zukünftige Entwicklung. Sie müssen dringend genutzt werden und der DOSB sollte mobile Beratungsdienste den Olympischen Fachverbänden anbieten, damit diese eine sehr hohe Streamingqualität bei der Übertragung ihrer Sportereignisse erreichen können.

Für die zukünftige Entwicklung des Olympischen Sports in Deutschland wird es auch wichtig sein, die Eigenständigkeit des Sports und die Hoheit über die Regeln der Sportarten, die den Charakter der jeweiligen Sportart prägen, zu erhalten. Die Symbiose „Sportorganisation – Medien – Wirtschaft – Athlet“ musst ganz gewiss verstärkt werden. Aber dabei kommt es darauf an, dass jeder Bereich seine spezifischen Merkmale erhalten kann. Im System „Sport“ muss selbstständig geklärt werden, welche Rolle der DOSB, die Olympischen Verbände und welche Rolle die Athleten im Mediensystem spielen, bzw. welche Funktion die Berichterstattung in den Medien für die zukünftige Sportentwicklung überhaupt erfüllen soll. Meines Erachtens bedarf es einer stärkeren Selbstkontrolle, bzw. einer gesellschaftspolitisch legitimierten Begründung der Sportberichterstattung. Derzeit wird die Sportberichterstattung eher von den Senderechteinhabern und von aktuellen Ereignissen bestimmt als dass sie auf einer langfristigen systematischen Planung beruht.
Die zukünftige Sportberichterstattung über den Olympischen Sport wird auch ganz wesentlich von den professionellen Akteuren in den Massenmedien selbst geprägt werden. Durch die ökonomischen und technologischen Entwicklungen in den Massenmedien selbst haben sich die Anforderungen an den Beruf des Sportjournalisten erheblich verändert. Die Verschmelzung von Arbeitshandlungen („Redaktroniker“) hat dazu geführt, dass immer weniger Zeit für Recherchen aufgewendet werden und es immer schwieriger wird, dass es zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit der Informationsflut kommt, die nicht zuletzt durch die ständige Vermehrung der sportlichen Wettkämpfe entstanden ist. Die neuen Abhängigkeiten des Sportjournalismus von Kommerzialisierung und Professionalisierung sowie die „Umwertung der Werte des Sports“ durch das duale System der audiovisuellen Medien verlangen die Anpassung der Grundsätze und ethischen Normen im Sportjournalismus.
In Bezug auf die Berichterstattung über die Olympischen Spiele selbst ist vom DOSB und den Olympischen Fachverbänden in ihrem verbindlich einzurichtenden Dialog mit den Olympischen Berichterstattern anzustreben, dass alle bei den Olympischen Spielen dargebotenen Sportarten bei der Berichterstattung berücksichtigt werden. Dabei sollten die Medien den Rezipienten ein Bild der Olympischen Spiele vermitteln, das den wesentlichen Aspekten der Veranstaltung und der Wettkämpfe gerecht wird, und nicht die reine Inszenierung, Personalisierung, Skandalisierung, Sensationalisierung und Nebenschauplätze des Geschehens in den Vordergrund rückt.

4. Doping und Regelverstöße im Olympischen Sport

Das Thema „Doping“ hat dem Spitzensport Ende der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts eine schwere, wenn nicht sogar die schwerste Legitimationskrise in der Nachkriegszeit zugefügt. Die Zuschreibung von überwiegend positiven Werten, die durch den Sport vermittelt werden, hat darunter in der Öffentlichkeit erheblich gelitten. Es muss sich nun einmal mehr zeigen, ob die verantwortlichen Funktionäre es schaffen werden, einen Weg aus dieser Krise heraus zu finden. Der Sport steht durch den – sämtliche olympische Sportarten umfassenden – Dopingbetrug in der Öffentlichkeit äußerst unglaubwürdig da. Diese Unglaubwürdigkeit wird noch durch die vielen Korruptionsaffären in den Sportorganisationen verstärkt. Die Mahnungen für einen sauberen Sport, die anspruchsvollen moralischen und ethischen Werte, die der Sport zur Darstellung bringen möchte, und die von Verantwortlichen des Sports behauptete besondere Bedeutung des Sports für Bildung und Erziehung, wirken in diesem Kontext unehrlich und aufgesetzt.
Das Dopingproblem hängt eng mit anderen gesellschaftlichen Entwicklungen und mit der allgemeinen Sportentwicklung zusammen. Es kann nicht unabhängig von der Medienentwicklung, der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports und dem noch weiter zunehmenden Gefälle zwischen armen und reichen Sportnationen, Verbänden und Sportarten selbst gesehen werden.
Dem DOSB muss auch in der Zukunft hinsichtlich der Mitarbeit bei der Lösung der Dopingproblematik eine zentrale Rolle zukommen. Neben den Korruptionsfällen in den Sportorganisationen ist das Dopingproblem sicherlich das dringendste Problem, das zu lösen ist, will der Sport seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Es kommt darauf an, ein weltumspannendes Kontroll – und Entscheidungsnetzwerk einzurichten, um allen Nationen und in allen Sportverbänden und Sportarten Chancengleichheit für alle sauberen Athletinnen und Athleten zu gewährleisten. Ausnahmen, Sonderregelungen und fragwürdige Entlastungskonzepte, die nicht nachvollziehbar sind, und nicht offengelegt werden, gefährden langfristig ernst gemeinte Problemlösungen. Was heute vielfach als Lösung ausgegeben wird, ist in Wirklichkeit nur eine Pseudolösung, die an der Oberfläche nur der Rehabilitation der jeweiligen Sportart dient, das Problem aber nicht wirklich an den Wurzeln und über dessen Ursachen bekämpft. Es gilt deshalb, klare Regelungen und Sanktionen festzulegen und diese mit staatlicher Unterstützung gegen betrügende Athletinnen, Athleten, Betreuer und Funktionäre durchzusetzen, die des Dopings beziehungsweise der Beteiligung am Missbrauch überführt wurden.
Für den DOSB ergibt sich zur Lösung des Dopingproblems die Notwendigkeit, mit den Spitzenverbänden, mit den Athletinnen und Athleten, mit Rechtsexperten und kompetenten Medizinern zu kooperieren. Es besteht nach wie vor ein erheblicher Handlungs- und Aufklärungsbedarf. Zudem muss verhindert werden, dass der medizinische Fortschritt von einigen Sportlern zur Vertuschung von Medikamentenmissbrauch genutzt wird und deshalb die Dopingbekämpfer meist nur noch reagieren können. Neue medizinische Erkenntnisse müssten zukünftig sehr viel schneller im Kampf gegen Doping eingesetzt werden als dies derzeit der Fall ist. Auch die Frage, wo Substitution aufhört und wo Doping anfängt, ist gemeinsam mit den Athletinnen und Athleten zu klären und sollte sich nicht nur auf juristische und medizinische Sachverhalte beziehen.
Das Dopingproblem ist immer auch und vor allem ein ethisches Problem. Deshalb ist eine bessere Verständigung zwischen Funktionären und Athletinnen und Athleten notwendig, bei der beide Seiten aus ihrer jeweils spezifischen Sichtweise ernsthaft an der Lösung des Dopingproblems zusammenarbeiten. Der finanzielle Aufwand, der für einen erfolgreichen Anti- Dopingkampf nötig ist, wird auch in der weiteren Zukunft sehr groß sein. Dabei sollte auch eine völlig neue Umverteilung der Kosten in Angriff genommen werden. Hierbei müssen auch Überlegungen erlaubt sein, prozentuale Anteile bei hohen Preis – und Antrittsgeldern und Sponsoringeinnahmen von Athletinnen und Athleten in das Anti-Dopingbudget zu integrieren.
Das Dopingproblem wird nicht zuletzt durch das Sportsystem selbst und dabei u.a.  auch durch den ständigen Steigerungsimperativ, durch das Messen und Vergleichen der Leistung an früheren Rekorden mit bedingt. In vielen Sportarten müsste deshalb noch einmal die Frage nach dem Sinn von Rekorden neu diskutiert werden. Teilweise müssten neue Rekordmarken gesetzt werden. Es wird dabei immer wichtiger werden, dass bei der Darstellung von sportlichen Leistungen der Prozesscharakter der Wettkämpfe im Mittelpunkt stehen müsste und der Berichterstattung über Rekorde eher eine nachgeordnete Bedeutung zukommt. Hierbei müssen auch die Medien ihren Teil dazu beitragen, indem sie nicht bei jedem Wettbewerb olympische Rekorde oder Weltrekorde einblenden und das Ergebnis mit früheren Leistungen vergleichen. Sie sollten viel mehr auf die aktuell erbrachte Leistung fokussiert sein und der Frage, wie diese Leistung vom Athleten bzw. der Athletin erbracht wurde, sollte eine sehr viel größere Aufmerksamkeit zukommen.

5. Funktionäre

Das wohl wichtigste Problem, das es bei der dringend anstehenden Reform des Olympischen Sports in Deutschland zu lösen gilt, wurde und wird noch immer von den in den vergangenen Jahrzehnten und bis heute noch tätigen Sportfunktionären hervorvorgerufen. Dabei weist dieses Problem sehr viele Facetten auf. Die vielen Korruptionsfälle der letzten Jahre in Funktionärskreisen der Olympischen Verbände haben die dort handelnden Funktionäre in erster Linie selbst zu verantworten. Die noch immer fortschreitende Kommerzialisierung ihrer Sportarten hat dazu geführt, dass immer mehr Sportfunktionäre sich in der Gefahr befinden, sich selbst an den neuen kommerziellen Möglichkeiten ihrer Sportart zu bereichern. Die Idee der ehrenamtlichen Führung sportlicher Fachverbände wurde dabei ein erheblicher Schaden zugefügt. Es sind nun wohl neue Anforderungen zur „Good Governance“ und zu einer angemessenen Rechtstreue und Regelkonformität („Compliance“) auf den Weg gebracht worden. Doch vieles besteht dabei lediglich auf dem Papier und hat die Funktionärspraxis bislang nur wenig verändert.

Den völlig unzureichenden Anti-Dopingkampf haben ebenfalls die Funktionäre zu verantworten, wobei einige von ihnen dabei wohl auch intellektuell überfordert sind. Andere hingegen verleugnen nach wie vor das Dopingproblem oder vertreten die Ansicht, dass man den Dopingbetrug nicht verhindern kann und deshalb mit ihm leben muss.

Das ungelöste „Good Governance“-Problem und der unzureichende Anti-Dopingkampf hängen aufs engste mit einer weiteren Problematik der Funktionäre zusammen, wie sie sich in den deutschen Olympischen Fachverbänden des Öfteren zeigt. Die Frage, über welche Kompetenz ein Funktionär in einem Olympischen Sportfachverband verfügen muss, ist bis heute nahezu ungeklärt. Man sollte die Sportverbände gerade zu warnen, sich zukünftig auch weiterhin aktiver Politiker zu bedienen, wenn sie ihre Führungspositionen zu besetzen haben. In Bezug auf Fragen des Hochleistungssports haben sich die meisten Politiker in vieler Hinsicht als inkompetent erwiesen. Sie sind oft – eher etwas großzügig ausgedrückt – gutgläubig und naiv und haben nicht selten lediglich ihre eigene politische Karriere im Blick. Die unzureichende fachliche Kompetenz vieler Funktionäre in den Olympischen Sportverbänden hat dazu geführt, dass die Frage über die Bedeutung und den Sinn des Hochleistungssports für die deutsche Gesellschaft in der Vergangenheit meist gar nicht gestellt und schon gar nicht beantwortet wurde. Dabei wäre ein Konsens über die gesellschaftspolitischen Zielsetzungen des Olympischen Sports in der deutschen Gesellschaft dringend notwendig, will man auch zukünftig die staatliche Finanzierung des Olympischen Hochleistungssports sichern. Die Zweifel, die vom Steuerzahler diesbezüglich geäußert werden, haben in jüngster Zeit immer mehr zugenommen. Die Bedenken gegenüber dem modernen Olympismus und gegenüber den Olympischen Spielen haben bei den gescheiterten Bewerbungen deutscher Städte um Olympische Spiele bereits einen ersten Höhepunkt erreicht und wurden während der Olympischen Spiele in Tokio 2020 in den vergangenen Wochen zum Teil noch einmal überboten. Die Frage nach der Bedeutung des Hochleistungssports für unsere Gesellschaft stellt sich deshalb heute dringender denn je. Der moderne Olympismus und die Olympischen Spiele müssen heute als bedeutsame Kulturgüter dringender denn je auf offensive Weise verteidigt werden. Hierzu ist jedoch eine olympische Kompetenz vonnöten, über die heute nur ganz wenige Funktionäre noch verfügen. Auch müssen die olympischen Ringe als Symbol der Olympischen Spiele sehr viel intensiver in den deutschen Sportalltag in den Jahren zwischen den Spielen integriert werden als dies bislang der Fall war. Italien gibt in diesem Zusammenhang einen Weg vor, den man in Deutschland durchaus auch bestreiten sollte. Das Olympische Symbol kann man in Italien nahezu an jeder Sportstätte bewundern, während in Deutschland in den Jahren zwischen den Olympischen Spielen die Olympischen Ringe nahezu unsichtbar und damit wirkungslos bleiben.

In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass man die sog. „Olympische Erziehung“ im öffentlichen Schulwesen nahezu völlig aus dem Auge verloren hat, nachdem sie noch vor wenigen Jahren vom damaligen NOK auf sehr erfolgreiche Weise in die Didaktik des Schulsports integriert werden konnte. Gleiches gilt für den wichtigen Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“. Bei ihm wurden über Jahrzehnte die Ideen des Olympischen Sports von Kindern und Jugendlichen auf eine interessante und motivierende Weise erfahren. Leider wurde auch dieser Wettbewerb von vielen Olympischen Fachverbänden in seiner wichtigen Bedeutung für die Weiterentwicklung des Olympischen Sports nicht erkannt, und in jüngster Zeit wurden in unnötiger Weise auch noch einige Wettkampfformate infrage gestellt, die sich durchaus bewährt haben. Hinzukommt, dass auch die Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG) in den vergangenen Jahrzehnten einen enormen Bedeutungsverlust aufzuweisen hat, vom DOSB kaum noch Unterstützung erhalten hat und das für den Olympismus in Deutschland äußerst wichtige Print – Magazin „Olympisches Feuer“ mittlerweile eingestellt wurde.
Für den Olympischen Sport in Deutschland scheint eine völlig neue Rekrutierungsoffensive für zukünftige Funktionäre und Funktionärinnen in den Olympischen Sportarten und in der Dachorganisation des Olympischen Sports dringend notwendig zu sein. Hierzu werden vermutlich auch einige Initiativen und ein gewisser Druck von außen benötigt, so zum Beispiel von dem für den Olympischen Sport in der Bundesregierung zuständigen Ministerium, der Wirtschaft und den Massenmedien. Notwendig wird es aber auch sein, dass für die einzelnen Führungspositionen in den Olympischen Sportarten und im DOSB Qualifikationsprofile erstellt werden, an die man sich bei der Ernennung, bzw. bei der Wahl der entsprechenden Funktionäre zu halten hat. Ähnlich wie bei den Trainern muss die Amtsdauer von Funktionären auf einen vorweg definierten Zeitraum begrenzt werden und es könnte auch über Belohnungssysteme für besonders erfolgreiche Funktionäre und Funktionärinnen nachgedacht werden.
Mit der Veränderung der Funktionärsstrukturen muss schließlich auch eine Veränderung der organisatorischen Strukturen des olympischen Sports einhergehen. Organisatorische Veränderungen wie sie vom Sportsystem Großbritanniens und Australiens erfolgreich umgesetzt wurden, könnten dabei ein gutes Vorbild sein. Die Frage, welches Verhältnis zwischen zentraler Steuerung und föderaler und lokaler Umsetzung und Verantwortung im deutschen Olympischen Sport bestehen soll, bedarf ebenfalls einer erneuten Überprüfung. Das japanische Zentralinstitut zur Sportförderung NAASH, INSEP in Frankreich, UK Sports, Australiens ASC und CONI in Italien haben einmal mehr gezeigt, dass man mit einer guten Vorbereitung der Athleten bei den Olympischen Spielen erstaunliche Erfolge erzielen kann. Italien zeigt uns darüber hinaus, dass es durchaus eine Solidarität zwischen den Olympischen Sportverbänden geben kann. Ein Solidaritätsfond, in den die finanziell starken Verbände, wie z.B. der italienische Fußballverband zu Gunsten der Förderung jener Olympischen Verbände einzahlen, die über weniger Einnahmen verfügen, könnte durchaus auch für Deutschland ein nachahmenswertes Modell sein.

Schlussbemerkungen

Die hier skizzierten Vorschläge zu einer dringend notwendigen Reform des Olympischen Sports in Deutschland können nur den Charakter eines Angebots haben, das jedoch dringend einer weiteren Ausarbeitung bedarf. Vorzuschlagen ist deshalb ein „Runder Tisch“ des Olympischen Hochleistungssports, bei dem sich alle „Stakeholder“ dieses besonderen Kulturguts treffen und nach einem Austausch von Vorschlägen, auf der Grundlage einer offen vorgetragenen Kritik, auf zukünftige Maßnahmen verpflichten, die im Interesse der Athleten dringend zu ergreifen sind.

¹ Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.

Letzte Bearbeitung: 12.August 2021