Mit anderen Sport treiben – fremde Kulturen verstehen

„Sport ist mehr“. Mehr als was? Sport ist mehr als ein 1:0 beim Fußball, mehr als Boris Becker, mehr als Trimm-Trab und mehr als Zeugnisturnen; mehr als Auf- und Abstieg, mehr als Gagen in Millionenhöhe und mehr als dressierte Kinder im Leistungssport. Ich möchte eine weitere Antwort hinzufügen: Sport ist mehr als Sport in Deutschland, in Europa, in den USA und der UdSSR. Vom Sport in Afrika, in Asien und in Lateinamerika – oder, etwas ungenauer, aber einfacher ausgedrückt – vom Sport in der Dritten Welt soll die Rede sein. Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, dass Sport auch gegenseitige Verständigung, gegenseitiges Lernen, Kommunikation zwischen Kulturen und freudvolle Begegnungen und Erfahrungen mit Menschen aus einer uns fremden Welt sein kann. Leider ist die Begegnung des Sports aus der Ersten Welt mit dem der Dritten Welt bis heute noch viel zu oft durch Bevormundung, Besserwisserei, imperiales Gehabe oder gar neokoloniale Großmannssucht geprägt. Dies abzubauen soll Anliegen der folgenden Überlegungen sein.

Handball ist nicht gleich Handball

Vor mehr als vierzig Jahren war es mir vergönnt, zum ersten Mal im Auftrag des Nationalen Olympischen Komitees der Bundesrepublik Deutschland nach Afrika zu reisen, um afrikanische Sportlehrer, Trainer und solche, die es werden wollten, in die Geheimnisse des modernen Handballspiels einzuführen. Vor meiner Ausreise hatte ich damals mindestens zwei grundsätzliche Annahmen akzeptiert. Ich glaubte, gemeinsam mit meinem Auftraggeber, dass es für Afrikaner sinnvoll sein könnte, in der Schule und in der Freizeit Handball spielen zu können. Zum anderen glaubte ich, dass man Handball in Afrika zumindest ähnlich wie in Europa unterrichten könne und man aus diesem Grunde als europäischer Handballlehrer solch einen Auftrag guten Gewissens übernehmen könne. Dass beide Annahmen nur sehr begrenzt berechtigt sind, musste ich bei meinem ersten Einsatz als so genannter Sportexperte während eines Fortbildungslehrgangs für afrikanische Sportlehrer in Togo und während eines Auswahllehrgangs in Ghana schnell und vor allem auch leibhaftig erfahren.

Handball in Afrika – so war meine Vorstellung – ist Handball unter weniger idealen Bedingungen. Es würden gute Spielanlagen fehlen und zu wenig Bälle zur Verfügung stehen. Beim Anblick des Handballstadions in Lomé (Togo) kamen solche Vorstellungen schnell ins Wanken. Unter geradezu idealen Bedingungen stand mir für meine Lehrgangsarbeit ein Handballstadion mit regulärem Spielfeld, befestigten Toren und einem farblich abgehobenen Spielfeld aus Asphalt zur Verfügung. Auf der überdachten Tribüne war genügend Platz und auch die entsprechende Ruhe zu finden, um die theoretischen Lehrveranstaltungen durchzuführen. So sah es in Togo, einem der kleinsten afrikanischen Staaten, mit den Bedingungen für das Handballspielen aus.

In Ghana, nur wenige hunderte Kilometer entfernt, aber auch in einigen Heimatländern meiner Lehrgangsteilnehmer, so in Benin, Niger oder Mali, ließen sich hingegen weder ein Stadion für Handball noch ein reguläres Handballfeld finden. Sandplätze oder Parkplätze in den Städten sind Mangelware, in der Schule wird mit improvisierten Sportgeräten gearbeitet, Sportschuhe sind für Schüler und Sporttreibende unerschwinglich, und Tore bestehen allenfalls aus zwei Pfosten. Bereits die äußeren Bedingungen für das Handballspielen machten also deutlich, dass es den afrikanischen Handball nicht gibt, dass Handball in Bourkina Faso und Benin, in Ländern, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung an Unterernährung leidet, etwas anderes ist als Handball an der Elfenbeinküste oder in Togo, dass der Handball in Tunesien und Ägypten, das dort wiederum ungleich weiterentwickelt ist als alle übrigen schwarzafrikanischen Staaten. Nicht zuletzt war dabei die je verschiedene Kolonialgeschichte der einzelnen afrikanischen Staaten von Einfluss für die Entwicklung des Handballspiels.

Merkmale der Andersartigkeit

Dass Sporttreiben in Afrika, Asien oder Lateinamerika etwas anderes ist als Sporttreiben in England, Österreich oder Deutschland, hängt in erster Linie mit den schwierigen Rahmenbedingungen zusammen, unter denen der Sport in der Dritten Welt meist auszuüben ist. Mein erster Trainingstag in Togo hatte einen Wasserverlust meines Körpers zur Folge, wie er in Europa allenfalls beim „Abkochen“ von Ringern zugunsten einer niedrigeren Gewichtsklasse zu beobachten ist. Lediglich zwischen sechs und neuen Uhr und zwischen 17 und 19 Uhr war praktische Trainingsarbeit möglich. Die Sonne mit ihrer brütenden Hitze und die Dämmerung, die sehr schnell in schwarze Nacht übergeht, die oft nur durch Kerzenschein und offene Feuer zu erhellen ist – dies war der Rahmen, in dem ich mich selbst und mein Lehrgangskonzept habe einpassen müssen. Handballspielen und Trainieren unter tropischen Bedingungen, bei 38 Grad im Schatten, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit, kann nur mit Schwerstarbeit im Hochbau bei hochsommerlichen Temperaturen in einer Großstadt der Bundesrepublik verglichen werden. Trainingsintensität und Trainingsumfang haben sich diesen äußeren Bedingungen unterzuordnen und schon aus diesem Grunde werden die Leistungsfähigkeit und das Spielniveau von Athleten und Mannschaften aus den Tropen nur in einem begrenzten Umfang so zu entwickeln und zu steigern sein, wie es in Europa üblich ist. Die Gesundheits- und Ernährungssituation der Bevölkerung hat ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung des Handballspiels.

Spieler, denen nicht selten über längere Zeiträume die nötigsten Grundnahrungsmittel fehlen, können an einem regelmäßigen, belastungsintensiven Trainingsbetrieb nicht teilnehmen. Es stellt sich hier sogar die Frage, ob es unter solchen Bedingungen überhaupt sinnvoll ist, die Entwicklung eines Systems für Leistungssport zu fördern, wenn gleichzeitig die Sportler durch die sportlichen Belastungen ihre Gesundheit in noch nicht übersehbarer Weise gefährden. Unabhängig davon, welche Antwort auf diese Frage gefunden wird, sind mit dem Hinweis auf Klima und Ernährung zwei Faktoren genannt, die die Sensibilität der europäischen Sportexperten herausfordern, wollen sie wirklich Partner für Athleten der Dritten Welt sein. Die beiden Faktoren lassen aber auch bereits ahnen, aus welchem Grunde Sport in der Dritten Welt sich immer ganz wesentlich vom Sport in unserem Kulturkreis unterscheiden wird.

Dass der Sport sich in den Ländern der Dritten Welt relativ eigenständig entwickelt, hängt vor allem damit zusammen, dass die Menschen, die ihn betreiben, einer anderen Kultur, einer anderen Lebenswelt und damit auch einer anderen Gesellschaft angehören. Ethnische Unterschiede sind dabei ebenso bedeutsam wie religiöse. Basketball in Nigeria ist vor diesem Hintergrund etwas anderes als Basketball in Malaysia. Islamischer Glaube beeinflusst die Einstellung zur Körperlichkeit und damit zum Sporttreiben in anderer Weise als Buddhismus oder Hinduismus. Sozialerfahrungen, erworben in der Großfamilie, in einer auf Subsistenzwirtschaft angelegten agrarischen Produktion, eröffnen einen anderen Zugang zum Sport als ein Leben im Großstadtghetto ohne formelle Bildung, ohne familiäre Aufsicht und ohne Perspektiven. Dass der Sport in den Ländern der Dritten Welt sich anders als bei uns entwickelt, hängt aber auch damit zusammen, dass Menschen in anderen Gesellschaften und Kulturen nicht notwendig denselben Sinn im Leben suchen, wie es zum Beispiel für Deutsche üblich ist.

Im Sport zeigen sich solche Unterschiede in vielfältiger Weise. Warum spielen in Malaysia, einem Land, in dem 55 Prozent Malaien, 34 Prozent Chinesen und zehn Prozent Inder wohnen, Inder eher Hockey, warum sind sie nicht selten die erfolgreicheren Leichtathleten? Chinesen hingegen treffen sich meist beim Basketball, beim Tischtennis und beim Badminton, während die Malaien in diesem Vielvölkerstaat eher Fußball spielen, dem Radfahren und den Kampfsportarten zugetan sind. Warum marschieren Schulklassen, Banken, Betriebe in Indonesien auf öffentlichen Straßen in farbenträchtigen Uniformen, tragen dabei Wettkämpfe aus und haben sich in einem nationalen Sportverband organisiert? Warum finden in Südostasien bei den Asienspielen Sepak-Takraw-Meisterschaften statt? Warum wird die Nutzung von Sportstätten in einigen saudi-arabischen Ländern so organisiert, dass niemals Frauen und Männer gemeinsam in den Sportanlagen anwesend sind? Entwickelt sich der Sport in islamischen Ländern je nach vorherrschendem Glaubensbekenntnis unterschiedlich? Ist Sporttreiben für Sunniten ebenso akzeptabel wie für Schiiten? Solche und ähnliche Fragen stellen sich, wenn man die Vielfalt des Sports in der Dritten Welt, wie sie sich heute beobachten lässt, etwas genauer betrachtet und sie mit dem Sport in unserer Kultur vergleicht. Dabei ist es wichtig, dass man in seinem Vergleich davon ausgeht, dass nicht alles so sein muss, wie es in Europa üblich ist. Tut man dies, so lässt sich mit einer solchen Einstellung nicht nur den Partnern in der Dritten Welt angemessener helfen und die Begegnung zwischen dem Sport der Ersten Welt und dem Sport der Dritten Welt kann zu einer besonderen Form der interkulturellen Kommunikation werden.

Im Sport kann man von anderen Kulturen lernen

In der Ausbildung deutscher Sportstudenten, die für das Handballspiel nicht selten weniger Talent und Begeisterung als ihre afrikanischen Kommilitonen mitbringen, hat es sich bewährt, zur Überprüfung der Frage, ob die Sportstudenten die Spielidee des Handballspiels verstanden haben, sie mit einer besonderen Aufgabenstellung zu konfrontieren. Sie haben das Handballspiel pantomimisch zu spielen; dabei leitete ich das Spiel als Schiedsrichter, alle üblichen Handballregeln haben Gültigkeit. Den Spielern steht lediglich kein Ball zur Verfügung. Im Vergleich zum Handballspiel mit Ball musste ich dabei sehr oft die Beobachtung machen, dass vor allem spielstarke Mannschaften nahezu unfähig sind, Handball pantomimisch zu spielen. Spätestens nach einer Minute wissen sie nicht mehr, wer im Ballbesitz ist. Plötzlich sind zwei oder drei Bälle im Spiel und keiner der Spieler weiß noch, was er zu tun hat. Beim oben erwähnten Handballlehrgang in Togo hatte ich den afrikanischen Kollegen dieselbe Aufgabe gestellt, das Ergebnis war jedoch ein anderes. Handball pantomimisch – von afrikanischen Spielern gespielt – unterschied sich vom deutschen Spiel ganz wesentlich. Ausgelassene Freude und viel Gelächter kennzeichneten das Spiel, das mehr als zehn Minuten dauerte. Eine Mannschaft spielte gegen die andere auf zwei Tore, auf einem regulären Spielfeld und nie wurde der Ball verloren. Wenn ein Angriffsspieler eine Finte vorgab, so verteidigte der Abwehrspieler mit den entsprechenden Bewegungsmustern. Wenn ein Angreifer auf das Tor warf, so versuchte der Torwart, den Ball zu fangen. Das pantomimische Handballspiel der afrikanischen Handballspieler stellte sich mir als ein perfektes nichtsprachliches System der Kommunikation dar. Haben Afrikaner eine spezielle Fähigkeit für Pantomime? Unterscheidet sich die Spielidee von Afrikanern von der Idee des Spielens in Europa? Wollen Europäer gewinnen, möchte jeder Spieler im europäischen Spiel in erster Linie ein Tor erzielen, während Afrikaner in erster Linie spielen möchten? Ist das Spiel dort weniger wettbewerbsorientiert, mehr kooperativ, auf Solidarität angelegt? Was ist der Zweck des afrikanischen Spiels? Was ist der Grund, dass Afrikaner ohne Ball taktisch spielen können, während sie mit Ball eher zum Einzelspiel, zum Alleingang und weniger zur Kooperation neigen? Der Stuttgarter Verhaltensforscher Nitschke hat eine wichtige Beobachtung in diesem Zusammenhang gemacht: In den meisten europäischen Sportarten wird die Aufmerksamkeit des Sportlers auf ein Ziel gerichtet, das außerhalb seines Körpers liegt. So ist zum Beispiel beim Hochsprung eine Latte möglichst hoch zu überspringen. In den meisten nichteuropäischen Bewegungskulturen richtet sich hingegen die Aufmerksamkeit des Übenden auf den eigenen Körper. Es kommt zur Erfahrung des Leibes von innen heraus, wie in den Formen des traditionellen Judos, aber auch in vielen afrikanischen Tänzen. Beim Judo steht nicht das Prinzip des Überbietens im Zentrum der Bemühungen. Die Erfahrung des Nachgebens und Umlenkens sind die besonderen Merkmale dieser asiatischen Kampfsportart. In nichteuropäischen Bewegungsmustern können Menschen offensichtlich andere Erfahrungen als im Sport machen. Können solche Erfahrungen auch Europäern nützen? Indische Yoga-Übungen, asiatischer Kampfsport und afrikanische Tänze scheinen Beleg genug dafür zu sein. Doch machen Europäer dabei auch die gleichen Erfahrungen wie Chinesen, Schwarze oder Inder? Viele Fragen stellen sich. Sie scheinen wert, dass man sie diskutiert.

Unsere Werte müssen nicht die der Partner sein

Das nächste Beispiel handelt ebenfalls vom Handballspielen. Von Togo mehr als 10.000km entfernt, in Padang, auf der Insel Sumatra, stand Handballspielen auf dem Lehrgangsprogramm. Indonesische Nachwuchsdozenten spielten zum Abschluss eines anstrengenden Vorlesungstages gemeinsam mit drei deutschen Kollegen Hallenhandball. In das Spiel waren sie von einem deutschen Sportexperten kurz zuvor eingewiesen worden. Die Dozenten hatten an dem Spiel Interesse gefunden und waren auch bereit, gleichsam als erste indonesische Handballmannschaft an einem freien Nachmittag einen geregelten Trainingsbetrieb durchzuführen. Die Spielweise war in erster Linie von den ihnen bekannten Bewegungsmustern des Basketballs geprägt. Für akrobatische Würfe zeigten die Spieler aber ein ähnliches Talent wie ihre afrikanischen Kollegen. Das Spiel selbst stellte sich den anwesenden Europäern, die den Sport, beruflich bedingt, immer auch mit pädagogischen Zielen verknüpfen, in vieler Hinsicht als problematisch dar. Passierte in dem Handballspiel der Indonesier einem Spieler ein Missgeschick, so war Schadenfreude die übliche Reaktion. Im Angriff versuchten die Spieler, einmal in Ballbesitz gekommen, möglichst im Alleingang ein Tor zu erzielen. Selbst aus völlig hoffnungslosen Positionen wurde auf das Tor geworfen. Das europädagogisch belastete Urteil für solches Spiel lautet: unfair, unsozial. Soziales Lernen wäre demnach das Gebot der Stunde für solche Spieler.

Sowohl die Analyse als auch die Schlussfolgerung ist aber mehr als vorschnell, aus der Sicht der indonesischen Kollegen sogar falsch. Als ich sie nach dem Spiel auf meine Beobachtungen hinwies, waren die indonesischen Kollegen über meine Sorgen verwundert. Sie sahen in ihren Handlungen kein Problem und auch der Alleingang oder der angeblich unfaire Wurf über den Scheitel des Torwarts wurde keineswegs so bewertet, wie es für uns als Europäer üblich ist. Was ist daraus zu lernen? Gewiss wäre es falsch, wenn daraus gefolgert würde, dass alles relativ, alles so oder so sein kann und letztlich universelle Verbindlichkeiten nicht existieren. Was jedoch zu lernen ist, dass in anderen Kulturen andere Normen und Werte gelten und damit auch in einer uns fremden Sport- und Bewegungskultur nicht notwendig jene Normen und Werte gelten müssen, die wir für richtig halten. Dies scheint mir eine lohnenswerte Schlussfolgerung aus diesem Erlebnis zu sein.

Sie gilt nicht nur für die interkulturelle Begegnung im Sport. Was im Sport wünschenswert ist, ist nicht weniger im politischen Umgang mit der Dritten Welt in gleicher Weise geboten, was abschließend mit einigen bemerkenswerten Ausführungen des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker verdeutlicht werden soll:

„Wenn wir den Menschen in den Entwicklungsländern nur Geld und technische Hilfsmittel bringen, werden sie es genauso passiv entgegennehmen wie heute die Not und Abhängigkeit. Wenn wir kommen, um sie religiös zu bekehren, dann werden sie es nicht verstehen. Wenn wir aber lernen, dass zum Beispiel in ihrem Koran die ethischen Antriebe und Ratschläge bis hin zur Familienplanung enthalten sind, können wir sie besser unterstützen, selbst aktiv zu werden und sich dabei unserer Hilfsmittel zu bedienen. Hier beginnt Entwicklungszusammenarbeit zum wechselseitigen Geben und Nehmen zu werden. Unsere eigene Kultur hat sich im Laufe der Zeit immer stärker vom Denken bestimmen lassen und ist zu einer Art wissenschaftlich-technischer Zivilisation geworden. Nach und nach hat dieses Denken alle ihm fremden Elemente ausgeschieden und mündet konsequenterweise im Computer. Von daher bestimmen sich die meisten unserer Bedürfnisse und Ziele. Wir fühlen uns in dieser Entwicklung anderen Kulturen überlegen. Diese anderen Kulturen aber haben andere Maßstäbe. Für sie ist nicht das Gesetz von Ursache und Wirkung maßgebend. Sie bringen keine rechten Winkel hervor. Sie haben ein anderes Verhältnis zu Zeit und Raum, zu lebenden und verstorbenen Ahnen, zum Wesen des Todes. Sie denken an Kräfte und Mächte, die mit dem Falsch-Richtig-Test nicht zu erfassen sind, die wir zu unserem eigenen Unglück oft nicht sehen und die doch ein Verhältnis zur Natur, zum Rang und Wert eines Menschen, zur Ethik des Zusammenlebend erschließen, das wahrhaft menschenwürdig ist. Und jedes Wertmuster, das menschliche Würde ermöglicht, ist „richtig“, ist lebensspendend“ (Richard von Weizsäcker, in: Der Spiegel, 2/1986).