Dan Lorang – Der Sportexperte im Hintergrund

Industrielle Ingenieursarbeit¹ und Hochleistungssport weisen viele gemeinsame Merkmale auf. Beide sind äußerst komplexe Phänomene und in beiden Bereichen ist man ständig bemüht, innovativ zu sein, um bessere Leistungen hervorzubringen. Eigentlich kann es deshalb auch nicht überraschen, dass für einen Vordiplomsstudenten des Bauingenieurwesens der Hochleistungssport zu seiner besonderen Leidenschaft werden konnte und sogar der berufliche Wechsel in verantwortliche Positionen in verschiedenen Bereichen des deutschen Spitzensports durchaus naheliegend war. Zu sprechen und an dieser Stelle auch über ihn zu schreiben ist von Dan Lorang, dem heutigen wissenschaftlichen Leiter des weltberühmten Radsport Teams „BORA hansgrohe“, das seinen Sitz in Raubling in Oberbayern hat. Dan Lorang ist ohne Zweifel eine der interessantesten Persönlichkeiten im internationalen Radsport und auf dem Bürgermeisteramt von Unterwössen scheint nicht nur der Bürgermeister mit seiner persönlichen Mitarbeiterin zu Recht besonders stolz darauf zu sein, dass Dan seit sieben Jahren mit seiner Familie in Unterwössen lebt. Der Stolz ist vor allem darauf ausgerichtet, dass es ja keine Selbstverständlichkeit ist, dass ein Bürger aus Unterwössen bei den weltweit wichtigsten Radsportereignissen wie der Tour de France oder dem Giro d’ Italia im Hintergrund die Fäden für ein ganzes Team in seiner Hand zusammenhält, das nicht nur in Bayern, sondern weit über Deutschland hinaus sich einen Namen gemacht hat.

Dan bei einem seiner Coaching- Vorträge

Dan Lorang – geboren am 17. August 1979 in Luxemburg – gehört heute zu den erfolgreichsten deutschen Trainern im Triathlon und im Radsport. “Dan Lorang – das ist im Ausdauersport ein Name mit einem Ruf wie Donnerhall. Er ist ein erfolgreicher Individual- und Teamcoach im Weltklassesektor des Triathlons und ist auch im Profiradsport als absolute Koryphäe bekannt“. So liest sich ein Auszug zu seiner Biografie im Internet. Sein Weg in diese beiden Sportarten und vor allem sein Weg bis in die Führungsmannschaft des Teams „BORA – hansgrohe“ führte über viele Stationen. Als Jugendlicher spielte er mit großer Begeisterung Fußball. Eine Knieverletzung zwang ihn dazu auf den Radsport umzusteigen. Parallel trainierte er regelmäßig in verschiedenen Fitnessstudios und setzte sich mit den Trainingsmethoden auseinander, die dort beim Training von Bodybuildern zur Anwendung kommen. Nach dem Abitur begann Dan im Jahr 1998 in München ein Bauingenieurstudium, das er nach seinem Vordiplom jedoch frühzeitig beendete und durch ein Studium der Sportwissenschaft ersetzte. Während des Ingenieursstudiums arbeitete er in einem Architekturbüro, wo er bewunderte, wie sein damaliger Chef die komplexen Strukturen eines architektonisch konstruierten Gebäudes zu steuern wusste und mit großer Leidenschaft seiner „Berufung“ nachging. Dabei hat er sich sehr früh für trainings- und ernährungswissenschaftliche und sportmedizinische Fragen interessiert und neben seinem Studium war er als Tutor bereits am Lehrstuhl für Sportmedizin von Professor Martin Halle (Medizinische Universitätsklinik – Klinikum  rechts der Isar) tätig. Nach seinem Abschluss als Diplomsportwissenschaftler mit Schwerpunkt Hochleistungssport hat Dan die Verbindung zu diesem Lehrstuhl bis heute aufrechterhalten und ist auf diese Weise immer auch in die neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse der Sportmedizin eingebunden. Von höchstem Interesse ist dabei für ihn noch immer die Frage wie der menschliche Körper auf Training reagiert. Während seines Studiums lernte er die Triathletin Anne Haug kennen, die am Anfang ihrer Karriere stand. Anne war auf der Suche nach einem Trainer und in Dan sah sie sehr schnell die willkommene Lösung ihres Problems. Die Erfolge von Anne Haug gaben den beiden Recht. Mit Dan als Trainer hat Anne Haug nicht nur den Ironman in Hawaii gewonnen, sondern wurde zu einer der erfolgreichsten internationalen Triathletinnen. Dan belegte bereits während seines Studiums Trainerkurse bei der Deutschen Triathlon Union und Kontakte zum professionellen Radsport knüpfte er nach seinem Studium dadurch, dass er in Basel in der so genannten „Crossklinik“ des Schweizer Rad- Teams „Cervelo“ arbeitete und für deren Rennfahrer die sportwissenschaftliche Begleitung ausübte. Zeitweise versuchte er sich auch mit einer eigenen Firma namens TCC (Training Concepts & Coaching), wobei er kommerzielle Coaching- und Trainingsleistungen in verschiedenen Sportarten anbot. Sein damaliges hauptberufliches Ziel war die Position eines Bundestrainers „Triathlon“, das allerdings nur in weiter Ferne existierte. Nach seiner einjährigen Tätigkeit in der Schweiz ging es allerdings dann sehr schnell. Er wurde 2011 vom baden-württembergischen Triathlon- Verband zu deren Landestrainer berufen.  Neun Monate später bereits wurde er von der Deutschen Triathlon Union an den Olympiastützpunkt in Saarbrücken verpflichtet, um die Nachwuchsmannschaft der DTU zu trainieren. Von dieser Position war es nicht mehr weit zur Position des Bundestrainers. In Saarbrücken begann auch die Zusammenarbeit mit Jan Frodeno, dem späteren Ironman Sieger und Gewinner der ersten deutschen Goldmedaille im Triathlon. Gemeinsam mit ihm prägte Dan die internationale Triathlon-Szene bis in die heutigen Tage.

Dan mit seinen beiden „Ironman Hawaii“ Siegern

2016 trennten sich ihre Wege insofern als Dan Lorang die Entscheidung traf, sich von der DTU zu trennen. Es entstand der Kontakt zum Team „BORA hansgrohe“, bei welchem ihm der Teamchef Ralph Denk sein Vertrauen aussprach. Dan begann mit der Betreuung von 8 Profiradsportlern des Teams und gehört mittlerweile zur Leitung des Teams „BORA hansgrohe“.

Dan instruiert seine Rennfahrer

 

Dem dreiköpfigen Führungsgremium gehört er bis heute gemeinsam mit Ralph Denk und Rolf Aldag an. Die Betreuung seiner Triathlon- Schützlinge Frodeno und Haug hat er aber niemals aufgegeben und für eine ganze Reihe weiterer Triathleten ist er in seiner „Steuerungszentrale Unterwössen“ ein begehrter Ansprechpartner, wenn es um Fragen der Trainingssteuerung und um trainings- und ernährungswissenschaftliche Fragen im weitesten Sinne geht. Die Faszination der Sportart Triathlon hat ihn also bis heute nicht losgelassen. Für ihn ist es noch immer eine besondere Herausforderung, Triathlon nicht als eine Addition von drei Sportarten (Schwimmen, Radfahren und Laufen) zu verstehen, sondern sie als eine eigenständige Sportart zu betrachten und die Belastungssteuerung bei der Ausübung dieser Sportart in der Hand eines Trainers zu sehen, der die Komplexität der Anforderungen, denen der Athlet gewachsen sein muss, versteht und zu steuern weiß. In jüngster Zeit ist noch eine weitere Sportart hinzugekommen, die für jemand, der im Achental wohnt, geradezu nahe liegend ist. Dan betreut seit drei Jahren Hanna Kebinger, eine der besten deutschen Nachwuchsbiathletinnen. Hierbei arbeitet er auf das engste mit Kristian Mehringer, dem „Biathlon- Bundestrainer der Frauen“ zusammen, der nur wenige Kilometer von Dan Lorangs Haus in Unterwössen entfernt in Schleching wohnt.
Dans „Headquarter“ ist in Unterwössen, wo er mit seiner Frau, seinem Sohn und einem Hund lebt, mit dem er gemeinsam, wann immer es seine Zeit es ihm erlaubt, Läufe oder Mountainbike Touren durchs Achental und auf die umliegenden Berge macht. Seine Frau stammt aus Landsberg am Lech und teilt mit ihm die Begeisterung für das Achental und die umliegende Bergwelt. Sein inzwischen zehnjähriger Sohn unterscheidet sich von seinem Vater durch ein ganz anderes Talent: Er spielt Flöte und Gitarre und singt auch im Chor und seine musische Begabung ist ganz offensichtlich.

Familie Lorang

Von Unterwössen aus ist Dan Lorang ständig in der ganzen Welt unterwegs, wo auch immer er mit seiner Expertise erwünscht und gefordert ist. Der Computer und die elektronischen Medien sind seine wichtigsten Werkzeuge. Von Unterwössen aus steuert er die Profiradsportler des „BORA hansgrohe“- Teams“ und dessen vierköpfiges Trainerteam, seine Triathleten und Biathleten. Er veranlasst die notwendigen sportmedizinischen, trainingswisswissenschaftlichen und biomechanischen Tests, wertet Daten zur Sauerstoffsättigung, Herzfrequenzdaten, Wattleistungen und weitere „Powerdaten“ aus, schreibt die erforderlichen Trainingspläne und koordiniert die Hintergrundarbeit mit seinen Kollegen Ralph Denk und Rolf Aldag bei regelmäßigen Meetings in Raubling. Raubling ist der Ort, an dem einer der beiden Namensgeber des Teams zu Hause ist. „BORA- Lüftungstechnik“ ist ein deutscher Hersteller von Kücheneinbaugeräten mit Hauptsitz in Raubling und einer Nebenstelle in Niederndorf in Österreich. Das Rad- Team hat seine Zentrale auf dem Firmengelände dieses Unternehmens. Der zweite Namensgeber und Sponsor des Teams ist „Hansgrohe“, ein deutscher Hersteller von sanitärtechnischen Produkten mit Hauptsitz in Schiltach im Schwarzwald.

Ralph Denk ist dabei der eigentliche Gründer des Teams und der Chef des gesamten Teams. Er trägt die ökonomische und juristische Gesamtverantwortung. Dan Lorang weiß seine große Erfahrung als ehemaliger Radrennfahrer und Unternehmer zu schätzen. Ganz offensichtlich führt er mit ruhiger Hand das Team, ist bereit auch zuzuhören und dazu zu lernen und er kennt die finanziellen Risiken, die es im Berufsradrennsport gibt. Aldag ist der erfahrene sportliche Leiter, der als Radrennfahrer zehnmal an der Tour de France teilgenommen hat und nach seiner Karriere mehrere Rennteams erfolgreich leitete, bevor er 2022 zum Team „Bora-hansgrohe“ wechselte. Er ist u.a. für die Steuerung der Einsätze der Rennfahrer auf den verschiedenen Veranstaltungen der World Tour des internationalen Radsportverbandes UCI verantwortlich und begleitet die Fahrer im Begleitfahrzeug über eine Funkverbindung während der Rennen.
Ein ferngesteuertes Training wie es mittlerweile für Dan Lorang üblich geworden ist, zeigt  natürlich auch Probleme auf. Er erkennt z.B. den großen Nachteil seiner Zusammenarbeit mit einer Athletin wie zum Beispiel Anne Haug. Sie schreiben sich, telefonieren und skypen zwar und Dan kann aus den Rückmeldungen einiges herauslesen. Die Radsportathleten laden nach ihrem Training ihre Daten hoch, so dass Dan jede Wattzahl, jeden Kilometer und jeden Pulsschlag sehen kann. Auf der Grundlage dieser Daten gibt er seinen Athleten den Trainingsplan, der zu absolvieren ist und der von diesen auch meist erfüllt wird.
Der Profi- Radsport ist längst zu einem „Ganzjahres- Sport“ geworden, bei dem dessen erste „World Tour“ im Januar in Australien beginnt und im Oktober in China endet. Das Rad Team BORA hansgrohe ist dabei verpflichtet, bei jedem World Tour-Ereignis mit einer Mannschaft dabei zu sein. Das Rennfahrerteam selbst ist international besetzt und die Fahrer kommen aus verschieden Nationen der Welt und die Zusammensetzung des Teams wechselt nahezu jährlich. Das gesamte Team ist so gut wie nie gemeinsam an einem Ort. Mit Ausnahme von zwei Treffen, dem „Teamcamp Ötztal“ und einem Trainingslager im Dezember sehen sich die Rennfahrer das ganze Jahr nicht.

Im Gespräch mit einem Rennfahrer des „Bora ansgrohe“ Teams

Das gesamte „Bora-hansgrohe“ Team besteht aus 110 Mitarbeitern, wozu 30 Rennfahrer und auch sechs ständig beschäftigte Mechaniker und mehrere Physiotherapeuten- Teams gehören. Die Mechaniker sind vor allem für das „Setup“ der Rennräder verantwortlich, was vor allem beim Zeitfahren von großer Bedeutung sein kann. Computer Simulationen gehören dabei zu deren täglichem Geschäft. Von besonderer Bedeutung für die Rennfahrer ist das fünfköpfige Ärzteteam, angeführt von Prof. Dr. Helge Riepenhof, einem der erfahrensten Orthopäden Deutschlands, der u. a. auch die ärztliche Betreuung aller Red Bull Athleten und Athletinnen leitet. Die Radmontage erfolgt in einer Werkstatt in Neubeuren und der Rennradausstatter ist mit dem amerikanischen Unternehmen „Specialized“ einer der führenden Radhersteller der Welt. Er ist gleichzeitig auch der dritte Sponsor des Teams. Da die UCI bei der Vermarktung der World Tour und beim Verkauf der Fernsehlizenzen für deren Übertragung die Radrennteams nicht beteiligt, sind diese unter finanziellen Gesichtspunkten vor allem auf die Unterstützung durch Sponsoren und auf Einnahmen durch Merchandising angewiesen.
In jeder Saison werden dabei in der Regel drei verschiedene Rennteams betreut, die teilweise sogar gleichzeitig bei verschiedenen Mehr- Tagesrennen und Ein- Tagesrennen am Start sein können. Von „BORA hansgrohe“ erhält jeder ein von der UCI vorgeschriebenes Grundgehalt von mindestens 60.000 Euro, das je nach Erfolgen in den vergangenen Jahren unterschiedlich hoch sein kann. Während einer Tour ist das Team bemüht, möglichst viele Prämien und Preisgelder einzufahren. Bei der jüngsten Tour de France waren dabei die Tage im Gelben Trikot, das Jai Hindley tragen durfte, und die beiden Etappensiege die besten Einnahmequellen des Teams „Bora hansgrohe“. Beim dem letztjährigen Giro d´ Italia konnte das „Bora hansgrohe“ Team mit Jai Hindley sogar den Gesamtsieg erreichen. Sämtliche Einnahmen während einer Tour werden dabei zu Gunsten der beteiligten Rennfahrer zu gleichen Teilen ausgeschüttet. Die Haupteinnahmequelle für die Radteams sind aber die Sponsorengelder. Sie repräsentieren 98% der Gesamteinnahmen eines Teams.

Dan Lorang ist sich durchaus bewusst, dass er als Sportwissenschaftler einen Beruf in einer Unterhaltungsindustrie ausübt, die sich „Berufsradsport“ nennt. Nicht nur bei der Tour de France kann dieser Sport Millionen von Zuschauern durch die faszinierenden Leistungen der Radrennfahrer an sich binden und dabei auch die Zuschauer bestens unterhalten. Die hohen Einschaltquoten der letzten Tour de France können dies eindrucksvoll bestätigen. Dan sieht dabei aber auch die Risiken, die bei der Ausübung der Sportarten, die ihn aus trainingswissenschaftlicher Sicht schon seit vielen Jahren faszinieren, ohne Zweifel existieren. Die drei Sportarten haben in der Vergangenheit unzählige Fälle des Doping- Missbrauchs aufzuweisen und leider kann ein Dopingmissbrauch auch bei den aktuellen und den bevorstehenden sportlichen Großereignissen in diesen Sportarten, aber auch bei den in einem Jahr in Paris stattfindenden Olympischen Spielen 2024 nicht ausgeschlossen werden. Dan erkennt die Gratwanderung auf der sich viele Radsport- Teams befinden und er weiß, dass bei einigen Athletinnen und Athleten die Auffassung existiert, dass alles was nicht verboten erlaubt ist und deshalb auch angewendet werden darf. Er sieht auch die Gefahr, dass in einigen Sportarten die Athleten immer häufiger zum „Objekt“ pharmakologischer und trainingswissenschaftlicher Experimente werden. Sie können nur noch bedingt selbst bestimmen über das, was mit ihrem Körper geschieht.

Am Vereinsheim in seiner Heimat Unterwössen

Angesichts dieser Situation bleibt nur zu hoffen, dass Dan Lorang mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Team „Bora-Hansgrohe“ und mit seinen Athletinnen und Athleten im Triathlon und im Biathlon einen verantwortungsvollen Weg auch in der weiteren Zukunft finden, um diese Athletinnen und Athleten auf ihrem Weg zu ihren sportlichen Zielen zu begleiten. Seine vor sieben Jahren gefundene neue Heimat mit ihrer schönen und interessanten Natur in Unterwössen und im Achental kann dabei ganz sicher eine hilfreiche Unterstützung sein.

Letzte Bearbeitung: 6.8.2023

¹ Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.