„Enhanced Games“ – Bullshit-Games

Helmut Digel

Das angekündigte Projekt

„Dummheit“ und „Geldgier“ sind die wohl am weitest verbreiteten Eigenschaften und Laster dieser Tage. Beide lassen sich nahezu in jedem gesellschaftlichen Teilsystem auffinden. Ganz besonders davon ist das System des Sports betroffen.
Nächstes Jahr soll es also so weit sein und es gibt wohl kaum einen anderen Ort, der besser zu diesen beiden Merkmalen passt wie Las Vegas. Denn dort sollen die ersten „Enhanced Games“ stattfinden. Damit sind Spiele gemeint, bei denen Doping gleichsam absichtlich freigegeben ist, d.h. jede medikamentöse Unterstützung der sportlichen Höchstleistung wird ausdrücklich den Athletinnen und Athleten erlaubt. Die Wettkämpfe sollen vom 21. bis 24. Mai auf dem Hotel- und Casinogelände »Resorts World« ausgetragen werden. Dem Größenwahn der Veranstalter geschuldet findet diese absurde Veranstaltung am Wochenende des US-Feiertages „Memorial Day“ statt. Ausgedacht hat sich diese Idee ein geldgieriger Multimillionär. Es ist eine Idee, die wohl kaum dümmer sein kann als alles, was sich bislang in der Welt des Hochleistungssports ereignet hat. Und in dieser Welt hat es bereits schon sehr viele Dummheiten gegeben.

Geprägt wird diese Idee von der in der Welt des Sports mittlerweile unermesslich gewordenen Geldgier und so kann es auch kaum überraschen, dass sich bereits Geschäftsleute aus dem Umfeld des sowohl geldgierigen als auch an Eitelkeit wohl kaum zu übertreffenden Präsidenten der Vereinigten Staaten bereit erklärt haben, diese unsäglichen „Enhanced Games“ zu finanzieren. Der Sohn von Donald Trump ist also ebenso dabei, wie einer seiner Chefberater. Vermutlich wird sich auch noch Herr Musk für ein Sponsorship überreden lassen. Donald Trump Jr., ältester Sohn des US-Präsidenten, ist Partner beim Fonds 1789 Capital, der als einer der wichtigsten Unterstützer des Projekts gilt. „Tech-Milliardär“ Peter Thiel ist einer der Investoren und laut Veranstalter D’Souza ein »enger Berater«. Der deutsche Milliardär Christian Angermaier ist mit Begründer der Organisation. Trump Jr. begründete sein Engagement folgendermaßen: „Die Enhanced Games repräsentieren die Zukunft – echter Wettbewerb, echte Freiheit und echte Rekorde, die gebrochen werden. Hier geht es um Exzellenz, Innovation und amerikanische Dominanz auf der Weltbühne – etwas, worum es bei der MAGA-Bewegung geht“.  Ein weiterer Investor ist der saudische Prinz Khaled Bin Alwaleed  Al Saul.

Ebenso wenig überraschend ist es, dass der Veranstalter dieser Spiele bereits auch einige ältere Athleten[1]gefunden hat, die kurz vor ihrem Karriere-Ende stehen und deren Einnahmequellen am Versiegen sind. Sie haben sich gerne bereit erklärt, sich bei diesen Spielen auf eine letzte Dollar-Jagd zu begeben. Der Australier James Magnussen, Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2012 und 2016, hatte als erster Athlet seine Zusage gegeben. Auch die Schwimmer Kristian Golomeew, vierfacher griechischer Olympiateilnehmer, Andrij Howorow (Ukraine) und Josif Miladinow (Bulgarien) werden an den Start gehen. Die Antritts- und Preisgelder sowie die Prämien für bestimmte Rekorde übertreffen alles, was bisher in den dargebotenen Sportarten da gewesen ist. Pro Event werden 500.000 US-Dollar ausgeschüttet, 250.000 Dollar bekommt der Sieger, der Rest des Preisgeldes wird auf das Teilnehmerfeld verteilt. Wird ein Weltrekord im 100-Meter-Sprint oder über 50 Meter im Schwimmen gebrochen, wird das mit einem Bonus von einer Million US-Dollar vergütet.

Alle Athleten, die bislang ihre Teilnahme zugesagt haben, kommen aus dem Schwimmsport und sind in Nationalen Sportfachverbänden zu Hause, die sich in der Vergangenheit durch auffällig viele Dopingfälle einen Namen gemacht haben.

Christian Golomeev zeigte vor wenigen Wochen bei einem Show Event, gesponsert von den “Enhanced Games“, wie man sich diese Wettkämpfe vorstellen muss. Er brach den 50 m Freistilweltrekord mit einer Zeit von 20,89 Sekunden und war dabei 0,02 Sekunden schneller als der offizielle Weltrekord, geführt vom Internationalen Schwimmverband. Er trug dabei ein „Jake Body Skin“ Anzug, der seit 2010 verboten ist und zur Vorbereitung nahm er zwei Monate lang „Performance Enhancing Drugs“ ein. Vier Tage sollen diese „Bullshit Games“ – wie man sie eigentlich benennen müsste – dauern, und im Mittelpunkt stehen Wettbewerbe in den Sportarten Leichtathletik, Schwimmen und Gewichtheben. In Las Vegas wollen die Macher hierfür neue Schwimmbecken und Laufstrecken bauen, um im Schwimmen Wettkämpfe über 50 und 100 Meter Freistil sowie 50 und 100 Meter Schmetterling veranstalten zu können. In der Leichtathletik werden 100 Meter gelaufen, ebenso wie 100 und 110 Meter Hürden. Dazu kommen drei Kategorien im Gewichtheben. Immerhin wird dabei von den Veranstaltern konzidiert, dass das Ganze unter medizinischer Aufsicht stattfinden soll.  Den Athleten sollen vor dem Wettkampf klinische Screenings mit Bluttests und EKDs angeboten werden.

Es ist kein Zufall, dass sich der Veranstalter genau jene Sportarten ausgesucht hat, die sich schon seit langem als Doping verseuchte Sportarten erwiesen haben, bei denen die Zuschauer nie ganz sicher sind, ob die erbrachten Leistungen auf faire Weise erbracht wurden oder ob die Athleten ihre Erfolge einer medikamentösen Unterstützung verdanken. Vor diesem Hintergrund können die „Schöpfer“ dieser Spiele für sich in Anspruch nehmen, dass sie die Athleten von einer „Geisel“ befreien. Es ist die Geisel der Dopingkontrolle und es sind das IOC und die WADA, die damit gleich mit an den Pranger gestellt werden sollen. Ihnen wollen die Herren Milliardäre den Kampf ansagen. Sie sehen sich als Förderer einer wissenschaftlich gesteuerten „neuen Welt des Hochleistungssports“.

Für den Ideengeber und Mitveranstalter Aaron D`Souza sind die Olympischen Spiele „ein Abbild der Vergangenheit“. „Sie haben ihre Wurzeln im antiken Griechenland, und sie haben dieses amateurhafte, natürliche Ethos, das von einer Gruppe europäischer Aristokraten geleitet wird“. Die »Enhanced Games« seien hingegen der Gegenentwurf dazu. Die Veranstaltung werde von »Kapitalisten geleitet, die an die Zukunft glauben, die an Wissenschaft und Technologie glauben«.

Kritik der WADA, USADA und des WADA-Athletenrats

Nach der protzigen „Einführung“ der dopingerlaubten „Enhanced Games“ am 23. Mai 2025 in Las Vegas verschwendete die Welt-Anti-Doping-Agentur keine Zeit, um das Ereignis bereits am nächsten Tag in scharfen Worten zu verurteilen:

„Die WADA verurteilt die Enhanced Games als gefährliches und unverantwortliches Konzept. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Sportlerinnen und Sportler haben für die WADA oberste Priorität. Es liegt auf der Hand, dass diese Veranstaltung diese gefährden würde, da sie versucht, den Gebrauch starker Substanzen und Methoden durch Sportler zu Unterhaltungs- und Marketingzwecken zu fördern. Im Laufe der Jahre gab es viele Beispiele von Sportlern, die durch den Konsum verbotener Substanzen und Methoden unter schwerwiegenden Langzeitnebenwirkungen litten. Einige sind gestorben“.

 „Dies ist ein Bereich, der alle Anti-Doping-Organisationen und Regierungen auf der ganzen Welt vereinen sollte, nicht zuletzt in den USA, wo die Veranstaltung jetzt stattfinden soll. Wir laden alle unsere Partner für sauberen Sport, einschließlich der Athleten, ein, sich uns anzuschließen und dieses Ereignis zu verurteilen, unabhängig von seinen wohlhabenden und einflussreichen Unterstützern“.

 „Die WADA warnt Athleten und Betreuer, die an Sportarten teilnehmen möchten, die durch den Welt-Anti-Doping-Code (Code) geregelt sind, dass sie bei einer Teilnahme an den Enhanced Games Gefahr laufen, Verstöße gegen die Anti-Doping-Bestimmungen des Codes zu begehen. Sie würden auch ihren Ruf aufs Spiel setzen, da sie riskieren würden, für immer mit Doping in Verbindung gebracht zu werden“.

 Um es klar zu sagen: Die WADA wird die Anti-Doping-Organisationen ermutigen, beteiligte Athleten vor, während und nach dieser Veranstaltung zu testen, um die Integrität des legitimen Sports zu schützen. Die WADA wird auch eng mit ihrem Athletenrat zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Athleten umfassend über die Risiken informiert sind“.

 „Die WADA fordert auch alle Regierungen und Strafverfolgungsbehörden auf, zu prüfen, ob Athleten, die zugeben, leistungssteigernde Medikamente eingenommen zu haben – oder die Ärzte, die diese Substanzen liefern oder verabreichen – möglicherweise gegen Strafgesetze oder Berufsregeln verstoßen, sei es in ihren eigenen Ländern oder wo auch immer die Veranstaltung stattfindet.“

 Die nationale Antidoping-Agentur USADA der Vereinigten Staaten, also jenes Landes in dem die ersten „Enhanced Games“ stattfinden sollen, hatte schon eine Woche vor der Ankündigung des neuen Events eine ganz Seite mit Warnungen vor den „Enhanced Games“ auf ihrer Website veröffentlicht. In Bezug auf den Sündenfall „Enhanced Games“ stehen ganz offensichtlich die WADA und ihr unerbittlicher Kritiker, die US-Anti-Doping-Agentur USADA und dessen Chef Travis Tygart zweifellos auf der gleichen Seite. USADA-Chef Travis Tygart sagte:

„Während diejenigen, die hinter den Enhanced Games stehen, vielleicht versuchen, schnelles Geld zu machen, würde dieser Gewinn auf Kosten von Kindern auf der ganzen Welt gehen, die denken, dass sie dopen müssen, um ihre Träume zu verfolgen“.

„Wir wünschten uns sehr, dass diese Investition in die Athleten getätigt würden, die derzeit auf wahrhaftige und sichere Weise trainieren und an fairen Wettkämpfen teilnehmen. Sie sind die Vorbilder, die diese Welt so dringend braucht, und sie sind diejenigen, die unsere Unterstützung verdienen – nicht irgendeine gefährliche Clown Show, die Profit über Prinzipien stellt.“

Der WADA-Athletenrat meldete sich ebenfalls mit folgenden Äußerungen zu Wort und sprach sich dabei ebenfalls entschieden gegen die „Enhanced Games“ aus:

„Wir möchten zu Protokoll geben, dass die AC entschieden gegen die Enhanced Games und jede Veranstaltung ist, die den Einsatz von leistungssteigernden Substanzen und Methoden fördert. Diese Spiele stellen ein gefährliches Konzept dar, das jahrzehntelange medizinische Beweise und die gelebten Erfahrungen von Athleten, die durch Doping geschädigt wurden, ignoriert“.

Die „Enhanced Games“ – das kann mit diesen Zitaten gezeigt werden – könnten sich somit zu einem wünschenswerten Erfolg einer an einem glaubwürdigen Anti- Dopingkampf interessierten Gemeinschaft erweisen, die in jüngster Zeit sich eher durch Fehler und Schwächen ausgezeichnet hat. Es könnte damit auch ein wichtiger Weg der Zusammenarbeit zwischen der WADA und der USADA aufgezeigt werden, der für die Weiterentwicklung des internationalen Anti-Dopingkampfes zwingend erwartet werden muss.

D´Souzas „Frankenstein-Philosophie“

Den von den Kritikern der „Enhanced Games“ vorgetragenen Argumente stehen die „Philosophie“ und die Argumentation der Befürworter dieser Spiele entgegen. D`SOUZA sieht sich als Förderer einer wissenschaftlichen Forschung, die sich das Ziel gesetzt hat „Super Menschen“ zu schaffen.

Die „Enhanced Games““, gegründet von einem australischen „Freischaffenden“ namens D‘ Souza, sehen sich dezidiert als eine Alternative zu den „korrupten Olympischen Spielen“. Diese „Enhanced Games“ werden von ihrem Begründer als „wissenschaftliche Spiele“ verstanden, weil D´Souza die Auffassung vertritt, dass sie wissenschaftliche Humanität erzeugen und sie deshalb auch dazu beitragen können, dass der Sport fairer und besser wird. Wer bei diesen Spielen mitmacht, bekämpft seiner Meinung nach die Korruption und unterstützt die Wissenschaft. Durch diese Spiele soll auch die olympische Ausbeutung der Athleten überwunden werden. Die Neugründung dieser Spiele wird damit begründet, dass man sich derzeit an einem Scheitelpunkt der geschichtlichen Menschheitsentwicklung befindet und der Sport deshalb dringend Hilfe benötigt. Jeder wird deshalb aufgefordert sich der „Enhanced Revolution“ anzuschließen.

Die Idee vom „Superman“ knüpft an Nietzsches Vorstellung vom „Übermenschen“ an, die nicht zuletzt unter vielen Trump Anhängern in jüngster Zeit in den Vereinigten Staaten eine außergewöhnliche Wiederbelebung erfährt. Bereits in den 1930-er Jahren wurde der „Übermensch“ als Comicfigur „Superman“ gepflegt und zu einem weltweiten US- Symbol als „Exponent der freien Welt“ aufgewertet. „Superman“ und „Supergirl“ erleben in diesen Tagen in den USA eine Renaissance und passen in das Weltbild des US- Präsidenten. Dabei muss bei D`Souzas Projektziel von der Entwicklung von „Supermenschen“ immer mitgedacht werden, dass bei dem „Hyperanthropos“ von Nietzsche immer auch die Idee vom „Untermenschen“ implizit mitgedacht werden muss. Der Weg über den Rassismus zur Eugenik dürfte dabei sehr nahe liegend und sehr kurz sein.

Aron D´Souza ist ein an der Universität Oxford ausgebildeter australischer Rechtsanwalt, Unternehmer und Publizist und der „Guardian“ meint, dass er sich nunmehr beworben hat, um „Victor Frankenstein des Weltsports“ zu werden. D´Souza plant in der Tat mit seinen „Enhanced Games“ einen sportlichen Wettbewerb ohne Dopingkontrollen, bei dem die Athletinnen und Athleten aufgefordert sind, sich aller nur denkbaren wissenschaftlichen Hilfe zu bedienen, die von Wissenschaftlern bereitgestellt werden können. Er meint, dass seine Aversion gegen die bestehenden Olympischen Spiele bereits im Kindesalter bei ihm begonnen habe und er dabei erkannte, dass das System, das den Spielen zu Grunde liegt „ever-broken“, d.h. völlig untauglich sei.

Auf der Website der „Enhanced Games“ ist deshalb D´Souzas Polemik vor allem auf die Olympischen Spiele ausgerichtet. Es gibt eine „Hall of Shame“, angeführt von IOC- Präsident Thomas Bach, gefolgt vom Präsidenten der WADA. Außerdem wird bereits eine Weltrekord Liste von „Enhanced World Records“ geführt. Sie enthält sämtliche des Dopings überführte und deshalb annullierte Weltrekorde in den verschiedensten Disziplinen und Lance Armstrong wird dabei als ein großer Held gefeiert. Seine „Enhanced Games“ sieht er wie ein „traditionelles Silicon Valley Start-up Projekt“, in das er zunächst sein eigenes Geld investierte und nun ganz offensichtlich auch finanzstarke Investoren gefunden hat.

Schon bei der ersten Pressekonferenz vor zwei Jahren, bei der D`Souza seine „bahnbrechenden“ Ideen der Weltöffentlichkeit präsentierte, konnte er auf Athleten verweisen, die ihn dabei unterstützen. So der südafrikanische Goldmedaillen Schwimmer Roland Schoemann, der olympische Halbfinalteilnehmer im Schwimmen Brett Fraser von den Cayman Islands und Christina Smith, die kanadische olympische Bobsport- Athletin unterstützen das Projekt. Smith sagte bei einer Pressekonferenz, dass es für sie „ein Glücksfall sei, einer Organisation anzugehören, die nicht die Athleten ausbeutet“.

In derselben Pressekonferenz wies D´Souza daraufhin, dass er selbst weder Alkohol noch Kaffee trinkt und dass sein Körper sein Tempel sei („my body is my temple“). Die „Enhanced Games“ werden nach seiner Meinung völlig neue „Science-enhanced Heroes“ hervorbringen. Die Einnahme von Medikamenten und Drogen sollten seiner Meinung nach die individuelle Entscheidung eines jeden Menschen sein: „My Body, my Choice, your Body, your Choice. Individuals who are adults, with free and informed consent, should be able to do to their bodies what they wish“.

Keine Regierung, kein paternalistischer Sportverband soll die Entscheidung für die sporttreibenden Individuen treffen, was bei deren Sporttreiben erlaubt, und was verboten ist.

D´Souza ist zuversichtlich, dass er seine Ziele erreichen wird. Er ist selbst schwul und erinnert sich deshalb an die Anfänge der LGBGT- Bewegung und deren mittlerweile nachweisbare weltweiten Erfolge. Vor 50 Jahren war diese Bewegung noch stigmatisiert, marginalisiert und illegal. Heute stellt sie eine „Revolution für die Menschheit“ dar, so D´Souza.

Werden die wohl eloquent vorgetragenen, aber dennoch äußerst abstrusen und irrsinnigen Ideen von D´Souza in die Tat umgesetzt, so schließt das „Selbstbestimmungsrecht des Athleten“ das Recht mit ein, sich selbst zu Tode zu spritzen. Der Hochleistungssport wird eine Angelegenheit von Monstern und Zwergen, von „Hybriden zwischen Menschen und Maschine“ sein. Wir haben von „sportlichen Cyborgs“ zu sprechen. Der „Sportkörper“ wird dabei das Bild sein, das sich moderne Wissenschaft und Technologie von ihm machen: „Eine Experimentieranstalt auf zwei Beinen“, so der Schweizer Philosoph Eduard Kaeser. Die Grenze zwischen „Eigenleistung“ und „Fremdleistung“ wird dabei aufgehoben.

Ganz gleich welcher Wissenschaftsethik sich ein Wissenschaftler verpflichtet fühlt, es wird wohl keine Ethikkommission einer Universität geben, die in einer Demokratie zu Hause ist, die dem Wissenschaftsprojekt „Enhanced Games“ von Herrn D`Souza eine Erlaubnis erteilen würde. Auch sämtliche mir bekannten Religionen mit ihren ethischen Prinzipien sprechen sich in aller Entschiedenheit gegen jegliche künstliche Selbstoptimierung des Menschen ohne ärtzlichen Befund aus. Ganz gleich ob Christ, Moslem, Jude, Buddhist oder Hinduist, für jeden gläubigen Athleten beziehungsweise Athletin verbietet sich die Teilnahme an den „Enhanced Games“, wenn sich diese den „Super- Menschen“ zum Ziel gesetzt haben. Aber auch für jeden Atheisten verbietet sich eine Teilnahme, wenn Vernunft, Verstand und Moral (also nicht Dummheit und/oder Geldgier) Grundlage seines Handelns sind.

Doch in den „MAGA-USA“ wird jetzt nicht nur dies anders sein. Wer Harvard, und damit die Freiheit von Lehre und Forschung infrage stellt, wer ein Gesundheitsministerium von dümmlichen Laien führen lässt und wer den Petersdom als Schaubühne für narzisstische Privat-Interessen   missbraucht, für den scheinen die „Enhanced Games“ bestens zu passen. Selbst ethische Prinzipien der Wissenschaft sind vor dem Hintergrund der „Make-America-Great-Again“ Philosophie“ des US-Präsidenten bedeutungslos., Das IOC wäre deshalb gut beraten, wenn es bereits heute darüber nachdenkt, wie es verhindert werden kann, dass die nächsten Spiele in Los Angeles im Jahr 2028 von einem US- Präsidenten eröffnet werden, der mit seiner „Techno-Klientel“ sämtliche ethische Prinzipien des modernen Olympismus infrage stellt.

Exkurs: „Enhancement“ – ein von den Wissenschaften weitgehend ungeklärtes ethisches Problem.

Unter wissenschaftsethischen Gesichtspunkten muss darauf hingewiesen werden, dass das schon seit langem stattfindende „Enhancement Projekt“, bei dem wir Menschen die Zielgruppe sind, immer mehr ungeklärte ethische und moralische Fragen aufwirft. Das „Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften“ nennt hinsichtlich der Eigenschaften oder Funktionen, auf deren VerbesserungEnhancememt-Massnahmen abzielen, die folgenden vier Bereiche:

  1. Enhancement der physischen Leistungsfähigkeit (Doping im Breiten- und Leistungssport),
  2. Enhancement des äußeren Erscheinungsbilds (Ästhetische Medizin)
  3. Enhancement kognitiver Fähigkeiten oder emotionaler Zustände (Neuroenhancement)
  4. Enhancement mittels genetischer Methoden (Genetisches Enhancement)

In Bezug auf dem vierten Bereich weist das Zentrum darauf hin, dass dieser Enhancementbereich mittels gentechnischer Methoden theoretisch auf die drei erstgenannten Funktionen abzielen kann. „Sollte das menschliche Genom eines Tages komplett verstanden und ein möglichst sicherer Schluss von einem Genotyp auf einen Phänotyp möglich sein, könnten sowohl äußere Merkmale als auch Tendenzen für psychische Eigenschaften durch genetische Eingriffe verändert bzw. bestimmt werden“.

Nach Auffassung des Zentrums können nicht alle Zielsetzungen des Enhancements mit den vier genannten Kategorien erfasst werden. „Einen Sonderbereich bilden beispielsweise Bemühungen, das menschliche Altern zu verlangsamen oder ganz aufzuhalten. Anti-Aging-Maßnahmen betreffen Zielfunktionen aus allen oben erwähnten Bereichen, weil es nicht nur darum geht, gesund älter zu werden, sondern dabei möglichst auch noch länger gut auszusehen und geistig fit zu bleiben. Ein anderer Sonderfall ist der des moralischen Enhancements, womit Versuche gemeint sind, das moralische Verhalten der Menschen zu verbessern“.

Die ethischen Erwägungen zur Bewertung des Enhancements beginnen meist bei den damit verbundenen, aber teils noch ungeklärten Fragen gesundheitlicher Risiken und Nebenwirkungen. Weitergehende ethische Überlegungen zielen auf Abgrenzungsfragen von Natürlichkeit und Unnatürlichkeit. Ferner wird „Enhancement“ als eine Herausforderung des ärztlichen Ethos diskutiert und es werden Fragen aufgeworfen in Bezug auf die personale Identität und Persönlichkeit der davon betroffenen Menschen. Auch die Möglichkeit, der Bedrohung von „Gerechtigkeit“ und Fragen bezüglich der „Autonomie“ und „Authentizität“ sind Inhalte des schon seit längerer Zeit stattfindenden Diskurs über die Akzeptanz einzelner Maßnahmen zum „Enhancement der Menschheit“.

Viele der in diesem Diskurs diskutierten ethischen Fragen werden kontrovers beantwortet oder sind noch gar nicht ausreichend geklärt. Doch aus all diesen Diskussionen geht eindeutig hervor, dass Athletinnen und Athleten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei ihren sportlichen Wettkämpfen nicht als „Laborratten“ missbraucht werden dürfen und die Athletinnen und Athleten Risiken unterworfen werden, die weder von den Athleten selbst noch von den experimentierenden Wissenschaftlern verantwortet werden können.

Totalitarismus im Hochleistungssport

In Beziehung auf den von mir in zahlreichen Essays in „sport-nachgedacht.de“ beschriebenen und angedeuteten ethisch-moralischen Verfall des Weltsports scheint hingegen wenig oder gar keine Hoffnung angebracht zu sein, dass sich diese irrsinnigen Spiele verhindern lassen. Die weltweite „Totalisierung des Hochleistungssports“ schreitet immer schneller voran. Die Ankündigung, dass im nächsten Jahr die sog. „Enhanced Games“ stattfinden sollen, ist dabei nur ein Symptom unter vielen. Die geschwommenen, gelaufenen oder gefahrenen Zeiten und Geschwindigkeiten bei Schwimmweltmeisterschaften des Internationalen Schwimmverbands (FIS), bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften und  Diamond League Meetings von World Athletics (WA), bei den „Grand Tours“ des Weltradsportverbandes (UCI) weisen darauf hin, dass die trainingswissenschaftlichen, medizinischen, pharmazeutischen und biomechanischen Interventionen im Hochleistungssport, dass das „höher, schneller, weiter“ zumindest aus der Sicht der meisten Protagonisten des gesellschaftlichen Systems “Hochleistungssport“ grenzenlos sind. Selbst tragische Todesfälle, die durch Stürze im professionellen Radrennsport zu beklagen waren, haben daran wohl kaum etwas geändert. Vergleichbare Warnsignale hat es in den vergangenen Jahren in mehreren Sportarten schon mehrfach gegeben. Doch die Verantwortlichen der sportlichen Großveranstaltungen gingen dabei immer sofort wieder zur Planung der nächsten Großveranstaltung über, wenn sie sich sicher sein konnten, dass das kurzfristige massenmediale Aufbegehren schnell wieder zu einem Stillstand gekommen ist. Sie können sich sicher sein, dass ihr sportliches Unterhaltungsevent, als „Spektakel“, „Exzess“ oder gar als „Bullshit-Event“ in Las Vegas veranstaltet, auch zukünftig von Zuschauermassen besucht wird.

Ein Hochleistungssport, der von „Enhancement“ geprägt ist, findet nicht zum ersten Mal im Jahr 2026 in Las Vegas statt. Er findet vielmehr schon seit Jahrzehnten in allen Olympischen Sportarten und bei fast allen internationalen Sportgroßereignissen statt. Ein kostenintensiver aber doch sehr häufig unglaubwürdiger Anti-Dopingkampf der internationalen Sportorganisationen, der kaum oder gar keine Erfolge aufzuweisen hat, hat allenfalls den Charakter eines Alibis. Auf diese Weise begünstigt er die Möglichkeit, dass solch ein Wahnsinn wie die „Bullshit Games“ von Las Vegas im nächsten Jahr stattfinden könnte.

Gäbe es einen Konsens über die ethisch und moralisch erwünschten Werte, die den Hochleistungssport auszeichnen sollten, so wären diese Gefahren zumindest beherrschbar. Von diesem Konsens sind jedoch alle Beteiligten – Athleten, Trainer, Sportfunktionäre, Wissenschaftler, Veranstalter, Sponsoren, Politiker etc. – weiter entfernt denn je. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Projekt „Enhanced Games“ auch im Jahr 2026 noch einmal als eine „Luftblase“ einiger Größenwahnsinniger erweist und der Veranstalter nicht genügend Athleten finden wird, die sich an diesen völlig unnötigen „Bullshit Games“ beteiligen werden. Schon vor drei Jahren hat sich D`Souza als großer „Sprücheklopfer“ dargestellt und Dinge und Termine für das „Event“ angekündigt, die es bis heute nicht gegeben hat. Ich hoffe deshalb auf mündige Athletinnen und Athleten, dass dank deren Boykott dies einmal mehr der Fall sein wird.

Weitere hilfreiche und weiterführende Ausführungen zur „Enhancement -Problematik“ finden sich unter: Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (2025): Im Blickpunkt: Enhancement. URL https://www.drze.de/de/forschung-publikationen/im-blickpunkt/enhancement [Zugriffsdatum]

Letzte Bearbeitung: 31. Mai 2025

Themenzuordnung: Sportentwicklung

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird gelegentlich auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.