Vorbild Ehrenamt und der DOH

Ein Gastbeitrag von Rüdiger Nickel.

Unsere Gesellschaft, unser Sport lebt vom Ehrenamt. Ehrenamt ist Vorbild. Zeig mir, wie Dein Ehrenamt ausgebildet ist, und ich sage Dir, wie sozial, wie humanitär Deine Gesellschaft ist. Der Sport ist dabei wichtiges Betätigungsfeld für Ehrenamtlichkeit, ohne sie ist der Sport nicht denkbar.

Ehrenamtlichkeit hat Vorbildcharakter. Ehrenamt ist zu hegen und pflegen. Ehrenamt ist auch zu würdigen. Ehrenamtler werden auch oft als die „Helden im Verborgenen“ bezeichnet. Und das zu recht. Sie sind die Klammer, der Kitt gesellschaftlichen, sozialen, aber auch sportlichen Engagements.

Die „Helden im Verborgenen“ werden deswegen zu Recht immer wieder gewürdigt, weil ihr Engagement vorbildlich ist. Da gibt es verbale Würdigungen über ein Dankeschön zum Jahresende oder am Ende eines Ehrenamtsengagements. Da gibt es aber auch Ehrungen mit Geschenken und Preisen bis hin zum Bundesverdienstkreuz. Das Bundesverdienstkreuz, wie es in seiner verkürzten Terminologie heißt – der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland – ist die einzige allgemeine Verdienstauszeichnung der Bundesrepublik Deutschland. Es wird für besonderes Engagement auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem, geistigem oder ehrenamtlichem Gebiet verliehen.

Gewürdigt werden die Ehrenamtlichen aber auch mit Preisen und Auszeichnungen. Die jüngst zurückgetretene Vorsitzende des Dopingopfer-Hilfevereins, Prof. Ines Geipel, wurde – neben ihrer Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande im Jahre 2011 – beispielsweise u.a. mit dem Antiquaria-Preis für Buchkultur, mit dem DJK-Ethik-Preis des Sports und mit dem Goldenen Band der Sportpresse ausgezeichnet. Alles Würdigungen für ihr vorbildliches Engagement.

Ehrenamtliches Engagement stellt aber auch einen wirtschaftlichen Faktor dar, ohne den der Sport ärmer wäre, ärmer im wahrsten Sinne des Wortes. Ehrenamtliches Engagement erspart z.B. den Sportorganisationen enorme Summen an Finanzaufwand für hauptamtliche Kräfte. Nicht nur, dass ehrenamtliches Engagement viel Erfahrung, viel Fachlichkeit, viel Persönlichkeit in den Sport bringt. Jeder Ehrenamtler bringt dem „eigentlichen Sport“ zusätzliche Mittel, nämlich die ersparten Mittel für eine hauptamtliche Kraft, die stattdessen die vom Ehrenamtler geleistete Arbeit erbringen müsste. Ehrenamtliche Tätigkeit ist daher „Sponsoring des Sports“ auf hohem Niveau.

Solche Vorbilder braucht der Sport, von solchen Vorbildern lebt er. Und deswegen werden diese Vorbilder auch gewürdigt.

Ein ehrenamtliches Engagement verlangt vom Ehrenamtlichen viele Opfer. Persönliche Opfer, familiäre Opfer, Zeitkontingentsopfer, aber auch berufliche und finanzielle Opfer. Als Freiberufler, der im Sport rund ein Vierteljahrhundert Ehrenamtstätigkeit eingebracht hat, weiß ich ein Lied davon zu singen. Der Verzicht eines Freiberuflers zugunsten eines sportehrenamtlichen Engagements ist sofort in der Geldbörse spürbar. Als Umsatzeinbuße, als Gewinnverzicht. Das nimmt jeder Ehrenamtler in Kauf, wird er doch für seine Tätigkeit in anderer Weise belohnt, zwar nicht finanziell, sondern durch interessante Möglichkeiten bei seiner Lebensgestaltung. Ehrenamtstätigkeit ist Altruismus, nicht Egoismus, auch wenn sie persönliche Bedürfnisse auch zu befriedigen in der Lage ist, nur nicht die materiellen, finanziellen.

Ein ausführlicher Bericht in der Zeitschrift „Die Woche“ verweist jedoch auf eine ganz andere Art der Würdigung eines Ehrenamts. Dort wird, wenn der Leser dem folgen kann, ein Vorbild ganz anderer Art vorgestellt: Es ist die Rede von der geplanten Honorierung des ehrenamtlichen Engagements von Prof. Ines Geipel, der bisherigen und zwischenzeitlich zurückgetretenen Vorsitzenden des Dopingopfer-Hilfevereins (DOH), einer gemeinnützigen Einrichtung, die sich im besonderen Maße um Dopingopfer kümmert und ihnen, unter Anwendung des Dopingopfer-Hilfegesetzes (DOHG), zu Entschädigungen verhilft, wenn sie durch Doping gegen ihren Willen oder ohne ihr Wissen körperlichen Schaden genommen haben. Diese Organisation kann wohl auch bei der Anerkennung als „staatlich anerkanntes Dopingopfer“, wohl ein besonderer Anerkennungszweig, von dem ich bislang nichts wusste, eine besondere Hilfe sein. Diese Anerkennung ist auch Ines Geipel zuteil geworden, die unter dem Titel „staatlich anerkanntes Dopingopfer“ in offiziellen Dokumenten ihres Vereins firmiert.

In der Zeitschrift „Die Woche“ ist von einem Vorstandsbeschluss des DOH zu lesen, nach dem der damals noch amtierenden Vorsitzenden eine Honorierung von 20.000 € zuerkannt und ihr damit ein verbriefter Rechtsanspruch hierauf verschafft wird, was immerhin gleichzeitig eine rechtsgültige Verbindlichkeit zulasten des Vereins bedeutet, die jederzeit von der Berechtigten geltend gemacht werden kann. Dies wäre somit eine lastende Verbindlichkeit, egal, ob sie bislang geltend gemacht und ausgezahlt worden ist oder nicht. Vorsitzende dieses Vorstandes, der diese Honorierung ausgesprochen hat, ist die Honorierte selbst, Prof. Ines Geipel. Juristisch nennt man das „Insichgeschäft“.

Finanzielle Honorierung für einen ehrenamtlichen Vorsitzenden? Wie verträgt sich das mit allgemeinem Vereinsrecht, mit der Satzung dieses Vereins, in der es heißt: „Der Verein ist selbstlos tätig. Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßige Vergütung begünstigt werden. Die Vereinsämter sind Ehrenämter; Aufwandsentschädigungen, die sich für die Arbeit des Vereins als notwendig erweisen, sind nach Beschluss des Vorstands möglich.

Begründet wird dieser Honorierungsbeschluss laut Presseveröffentlichung in „Die Woche“ vom 22./23.12.2018 wie folgt: „Der Vorstand einigte sich darauf, dass Ines Geipel für ihr Engagement und für ihre harte Arbeit in den vergangenen drei Jahren ein Honorar von 20.000 Euro erhalten wird. Erst einmal erhält Ines Geipel 5.000 Euro, der Rest wird in weiteren Abschlägen gezahlt.“ Gefällt haben diesen Beschluss nach dieser Presseveröffentlichung die stellvertretende Vorsitzende, die Schatzmeisterin, die Schriftführerin – und eben die so Honorierte selbst. Jährlich 6.666 Euro für ehrenamtliche Tätigkeit, und das bei dieser Vereinssatzung, die klare Vorschriften für die Verwendung von Vereinsgeldern hat? Ein Beschluss übrigens, der wohl von Kassenprüfern unbeanstandet – vielleicht sogar unbemerkt – blieb und dessentwegen der Vorstand von den Mitgliedern entlastet wurde.

Da entsteht schon erheblicher Erklärungsbedarf, Erklärungsbedarf gegenüber den Mitgliedern und, wegen der Gemeinnützigkeit, auch gegenüber dem Finanzamt, der Allgemeinheit.

Ehrenamt lohnt sich also offenbar doch und wird nicht nur mit Dankes- und Lobesworten, mit Preisen oder Titeln honoriert. Aber es wird sicherlich auch mit dem Titel honoriert werden müssen, „dem Ehrenamt den Bärendienst des Jahres“ erwiesen zu haben. Ehrenamt als Vorbild für andere? Ehrenamt, das sogar mal als ins Grundgesetz als Verfassungsziel aufzunehmen angedacht war.

Folgt man dem Bericht in der „Die Woche“, so kommt es allerdings noch schlimmer. Diese beschlossene Honorierung macht nach Angaben des Vereins fast ein Viertel des Jahresetats von 30.000 € aus. Zum Zeitpunkt, als diese Honorierung der Vorsitzenden zugesagt und verbindlich durch Beschluss zugesichert worden ist, war ein von einem Spender avisiertes Geld, auf das „Die Woche“ verweist, noch gar nicht eingetroffen. So wird im oben zitierten Presseorgan die Honorierte wie folgt zitiert: „Der Verein hatte das Geld nicht“. So ähnelt der DOH einem Kaufmann, der Schulden eingeht, obwohl er kein Geld hat. Dass diese Höhe der Schuld einer zugesagten Spende eines großen deutschen Unternehmers in zufälligerweise derselben Höhe, nämlich von 20.000 Euro, beträgt, sei ergänzend hinzugefügt.

Ines Geipel kommentiert dies jüngst in „Die Woche“ folgendermaßen: „Es (das Honorar über 20.000 Euro für ihr Engagement und für ihre harte Arbeit in den vergangenen drei Jahren) war eine symbolische Geste des Vorstands (also auch von mir selbst mir gegenüber). Ich hatte enorm viel gearbeitet…….. Es war immer klar, dass es zu keiner Auszahlung kommen würde. Der Verein hatte das Geld nicht, und ich hätte es nicht angenommen.“ Da wird also die Anerkennung, wenn das Zitat stimmt, im selben Atemzug wieder zurückgenommen.

Wem soll da eigentlich Anerkennung, Lob, eine Geste vorgemacht werden? Selbst wenn Ines Geipel dieses ihr rechtsverbindlich zugesagte Geld nicht in Anspruch genommen hätte, bliebe der Anspruch hierauf bestehen, wäre im Erbfall sogar als offene Forderung vererbt worden. Denn „nicht angenommen“ bedeutet keinesfalls einen „Verzicht“.

Ehrenamtler sind u.a. die Stützen des deutschen Sports. Sie sind Vorbilder und setzen auch wichtige finanzielle und personelle Ressourcen frei für das, was uns wichtig ist. Das soll auch so bleiben. Denn sie sind Vorbilder in der Gesellschaft, sind die „stillen Helden“. Wer sich auf Kosten dieser „stillen Helden“ „still bedient“, dient nicht als Vorbild, allenfalls ist dies ein Anlass für kritisches Hinterfragen und Recherchieren, von wem auch immer. Der neue Vorsitzende des DOH, Rechtsanwalt Michael Lehner, führte jüngst in einer Pressemitteilung aus, dass er den DOH „nun wieder in ruhigeres Fahrwasser führen“ möchte. Dies ist sicherlich notwendig. Doch dazu gehört wohl auch, dass sich Menschen an Ehrenamtlichen ein Vorbild nehmen können und sich selbst ebenfalls ehrenamtlich engagieren wollen, ohne dass sie dabei ein finanzielles Honorar erwarten.


Über den Autor.
Rüdiger Nickel (73), Hanau, aktiver Mittelstreckler und deutscher Juniorenmeister, später Jugendwart, ab 1989 Anti-Doping-Beauftragter und schließlich als Sportwart und Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Leichtathletik-Verbandes in mehreren Positionen bis 2004 ehrenamtlich tätig. Aufgrund der Übernahme sportpolitischer Verantwortung für das schlechte Abschneiden bei den Weltmeisterschaften 2003 und den Olympischen Spielen 2004 in Athen trat er von sämtlichen leistungssportlichen Verbandsfunktionen zurück. Als einer der ersten Anti-Doping-Beauftragten eines Sportfachverbandes begleitete und gestaltete er – unter seinem Verbandspräsidenten Prof. Dr. Helmut Digel, dessen Wegbegleiter er zusammen mit dem DLV-Vizepräsidenten Theo Rous er war – die Zeit der Wende, insbesondere der Zusammenführung zweier Leistungssportsysteme mit der Integration von Athleten, Trainern und Funktionären. Seine hauptberufliche Tätigkeit als Jurist – Rechtsanwalt und Notar in eigener Familienkanzlei – kam ihm insbesondere im Kampf gegen Doping zustatten. Der gebürtige Berliner lebt nach wie vor in Hanau und ist dort beruflich in seiner Rechtsanwalts- und Notarkanzlei tätig.