Gastbeitrag
Interview mit Christian Raffer vom Deutschen Institut für Urbanistik über die neueste Sportstätten-Analyse
JW: Sie haben eine Studie im Auftrag der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Situation bei den Sportstätten geleitet, bei der Sie im vorigen Herbst insgesamt 307 Städte, Gemeinden und Landkreise befragten. Wie sehr hat Sie das Resultat schockiert?
Besonders schockiert war ich nicht. Wir wissen schon länger, dass der Zustand der kommunalen Sportstätten nicht gut ist und sich schleichend immer weiter verschlechtert. Viele der Sportstätten stammen aus den Zeiten des „Goldenen Planes“ in den 60er und 70er Jahren, sind entsprechend gealtert und in einem Zustand, der häufig nicht mehr tragbar ist.
JW: Immerhin gibt es nun eine aktuelle Bestandaufnahme – sehr im Unterschied zum Schulsport, wo vor allem die Länder sich seit Jahren um eine ehrliche Analyse fürchten. Welches sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse?
Besorgniserregend scheint mir, dass eine von vier Kommunen angab, den Unterhalt von kommunalen Sportstätten in den letzten fünf Jahren nicht mehr geschafft zu haben. Das heißt, selbst kleinere Reparaturen bedeuten oft einen Kraftakt. Fast 60 Prozent der befragten Städte, Gemeinden und Landkreise gaben an, dass der Investitionsrückstand bei ihren Sporthallen „gravierend“ oder „nennenswert“ ist. Bei Hallenbädern sagten das sogar 62 Prozent. Die praktischen Folgen davon sind drastisch. Ohne Sanierung müssten in den kommenden drei Jahren voraussichtlich 16 Prozent der Freibäder, 15 Prozent der Eissporthallen und 14 Prozent der Hallenbäder schließen. Rund 40 Prozent der befragten Kommunen mussten schon jetzt einzelne Sportangebote wegen des baulichen Zustands der Sportanlagen reduzieren. Und angesichts der aktuellen finanziellen Lage befürchten rund 36 Prozent der Kommunen, künftig das Sportangebot einschränken zu müssen.
JW: Wo hakt es am meisten?
Wir sind ziemlich in die Tiefe gegangen und haben festgestellt, dass neben den Gebäudehüllen vor allem die sanitären und technischen Anlagen in die Jahre gekommen sind, nicht zu reden vom energetischen Zustand der Sportanlagen nach heutigen Maßstäben.
JW: Nach dem Gesetz sind die Städte und Gemeinden gemeinsam mit den jeweiligen Bundesländern für die allermeisten der bundesweit rund 231.000 Sportstätten verantwortlich. Wie sollen sie es richten?
Klar ist, dass die Kommunen damit überfordert sind, diesen immensen Investitionsrückstau abzubauen. Das betrifft außerdem nicht nur Sportstätten, sondern zugleich andere Bereiche der öffentlichen kommunalen Infrastruktur. Klar ist, dass sich der Bund finanziell beteiligen muss. In welcher Form diese Unterstützung den Bürgermeistern und Ortsvorstehern am liebsten wäre, auch das haben wir abgefragt. Drei von vier Kommunen würden es für sinnvoll halten, dank Bundeshilfen die finanzielle Grundsituation vor Ort zu verbessern. Das würde die Kommunen in die Lage versetzen, die Sanierung und Instandsetzung ihrer Sportstätten aus dem eigenen Haushalt zu bestreiten. Dieser Lösungsansatz wird in den Städten und Gemeinden im Vergleich zum Ruf nach einem neuen speziellen Sportsanierungs-Programm vom Bund klar favorisiert. Ihre Grund-Finanzen zu verbessern, das hieße, den Kommunen auf unbürokratische Weise neue Handlungsspielräume zu eröffnen. Dagegen werden Förderprogramme des Bundes mit oft komplizierten und langwierigen Anträgen eher als zweite Wahl angesehen.
JW: Am 11. November 2024 hat die bundesdeutsche Sektion des Verbandes für Sportstätten und Freizeitanlagen (IAKS) unter dem Hashtag #unserSportraum eine Petition gestartet. Stimmen sollen gesammelt werden, um die Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu animieren, sich für die Sportstätten ins Zeug zu legen und vor allem, um endlich genug Geld bereitzustellen. Was kann so etwas bringen?
So einen Vorstoß halte ich für sinnvoll, um die Aufmerksamkeit auf ein derart wichtiges Thema zu lenken. Es geht hier um weit mehr als nur um Sport und die sportliche Betätigung von vielen Millionen Menschen. Es ist nicht so, dass dieses Gesamt-Gefüge an Sportstätten vor dem Kollaps steht, aber es wird schleichend immer schlechter. Als Wissenschaftler geht es mir vor allem darum, diesen sich verschlechternden Zustand möglichst genau abzubilden.
Interview: Andreas Müller
Zur Person
Dr. Christian Raffer (43) ist am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin als wissenschaftlicher Projektleiter im Forschungsbereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen tätig. Der Volkswirt leitete die Sportstätten-Studie im Auftrag der KfW
Erstveröffentlicht in der Jungen Welt