Zur Situation des Trainerberufs in Deutschland

Fragt man erfolgreiche Athleten, wem sie ihren Erfolg in erster Linie zu verdanken haben, so sind die Antworten nahezu übereinstimmend. Am Anfang und an erster Stelle des sportlichen Erfolges stehen die Angehörigen, an zweiter Stelle steht ohne jegliche Konkurrenz die bedeutsamste Funktionsrolle im System des Hochleistungs­sports, die Rolle des Trainers. Die Trainer, darüber sind sich alle Experten einig, sind das unverzichtbare Fundament sportlicher Höchstleistungen. Gewiss gibt es einige Athleten, die auch ohne Hilfe eines Trainers erfolgreich sein können. Dies gilt insbe­sondere für erfahrene Athleten, die nicht selten auf eine Trainerbetreuung gegen En­de ihrer Karriere verzichten. Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass sie alles, was sie sind, letztlich und in erster Linie ihren Trainern zu verdanken haben.

Betrachten wir diese herausragende Rolle des Trainers im Funktionsgefüge des Hochleistungssports etwas genauer und vergleichen wir sie mit der Bedeutung, die dem Beruf des Trainers in der Arbeitswelt unserer Gesellschaft zukommt, so ist eine problematische Diskrepanz im System des Hochleistungssports unübersehbar. Das Berufsbild der Trainer ist unklar, ihre quasi-beruflichen Tätigkeiten sind äußerst ris­kant, die Honorierung der erbrachten Leistung ist nicht selten ungerecht und die Zu­kunft dieses Berufes ist höchst ungesichert. Innerhalb der Trainerschaft gibt es nur wenig Solidarität. Soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit kennzeichnet die sozia­len Beziehungen der Trainer. Millionenverträge auf der Grundlage bescheidener fachlicher Kompetenz konkurrieren mit niedrigen Honorarverträgen – trotz umfassen­der wissenschaftlicher und fachpraktischer Ausbildung. Die Ausbildung zum Trainer­beruf ist unter fachlichen Gesichtspunkten qualitativ so gut wie gar nicht abgesichert. Eine wirkliche akademische Anerkennung des Berufs des Trainers gibt es nicht und von einer systematischen Fortbildung kann schon gar nicht die Rede sein. Fragt man, welche deutschen Trainer international in einen fachlichen Dialog eingebunden sind, wieviel Trainer regelmäßig internationale Fachorgane zu den fachlichen Prob­lemen ihrer Sportart lesen, welche Trainer trainingswissenschaftliche, biomechani­sche und sportmedizinische Basisliteratur zu den jeweiligen Anforderungsprofilen ihrer Sportart zur Kenntnis nehmen und welche Trainer internationale Trainerkon­gresse besuchen bzw. regelmäßig in nationale Fortbildungsprogramme eingebunden sind, so wird man sehr schnell erkennen, dass dabei nur von einer verschwindend kleinen Minderheit die Rede sein kann.

Angesichts dieser Sachverhalte kann es einen eigentlich kaum überraschen, dass bei Schulabsolventen und Abiturienten der Trainerberuf nicht zu ihren Zukunftserwar­tungen gehört. Fragt man Sportstudierende an deutschen Universitäten, so ist der Berufswunsch des Trainers so gut wie nicht existent.

Diese skizzenhafte Analyse zur aktuellen Situation des Trainerberufs könnte fortge­setzt werden. Sie müsste gewiss auch differenzierter sein. Dennoch kann das Urteil schon vorweggenommen werden. Die Situation des Trainerberufes in Deutschland ist äußerst kritisch geworden. In nahezu allen olympischen Sportverbänden existiert ein Trainerproblem, dessen Lösung dringend geworden ist. Der deutsche Sport ist in Bezug auf den Trainerberuf in eine Krise geraten. Wege aus der Krise sind dringend erwünscht.

Wer hierzu einen geeigneten Beitrag leisten möchte, der hat sich vor allem und zu­erst ein umfassendes Bild über das quantitative und qualitative Ausmaß der Krise des Trainerberufes zu verschaffen. Klarheit ist dabei vor allem von Nöten über den Begriff und die Tätigkeiten, die mit dem Gebrauch des Wortes Trainer gemeint sind. Klarheit benötigen wir auch in Bezug auf die Ungleichheiten, die innerhalb des Trai­nerberufs zu beobachten sind. Die finanziellen Verhältnisse der Trainer sind offen zu legen. Ebenso sind die sozialen Probleme zu benennen, die sie zu meistern haben. Auch die psychischen Probleme, die heute mit dem Trainerberuf häufig verknüpft sind, die zu erheblichen Belastungen und nicht selten zu Krankheiten führen, müssen klar benannt sein. Es müssen auch die Kommunikationsprobleme, die zwischen den Betroffenen, ihren Arbeitgebern, ihren Verbänden und ihren übergeordneten Instituti­onen bestehen, offen angesprochen werden.

Hat man sich des Problems versichert, ist man sich des Ausmaßes der Krise be­wusst, weiß man wovon man redet, so ist es möglich, zu den angemessenen Lösun­gen zu kommen. Auch dabei ist Offenheit und Ehrlichkeit von Nöten. Die Probleme dürfen nicht verniedlicht werden. Es dürfen nicht falsche Prioritäten gesetzt werden. Vor allem darf man nicht in den üblichen Trott verfallen, in dem lediglich Kommissio­nen gebildet werden und damit die Probleme auf die lange Bank geschoben werden. Wir benötigen auch keine Resolutionen, die folgenlos sind und die letztlich zu einer dauernden Vertagung der Schwierigkeiten führen. Kurz gesagt: Das Problem darf nicht auf dem Rücken der Betroffenen selbst ausgetragen werden. Die wünschens­werten Lösungen liegen dabei durchaus auf der Hand.

  • Zu allererst und vor allem muss begriffen werden, dass das Problem zunächst vor­rangig und grundlegend über neue finanzielle Investitionen zu bearbeiten ist. Es müssen Mittel bereitgestellt werden, die dezidiert zu Gunsten der Trainer bewirt­schaftet werden dürfen. Es muss zu einer Umverteilung der Mittel im System des Hochleistungssports kommen. Es muss eine Selbstverständlichkeit werden, dass die Leistungen der Trainer in vergleichbarer Weise angemessen honoriert werden, wie dies für Athleten, Manager, Funktionäre und weitere Beteiligte im System des Hoch­leistungssports die Regel ist.
  • Zum Zweiten bedarf es einer klaren Definition der Profession des Trainers. Das Be­rufsbild des Trainers ist im gesellschaftlichen Gefüge der Berufe einzuordnen, zu bewerten und gemäß dieser Bewertung einer gesellschaftlichen Wertschätzung zu­zuführen. Dabei bedarf es einer offenen Auseinandersetzung. Der Beruf des Trainers muss mit anderen Berufen verglichen werden und es muss die Frage nach der an­gemessenen und gerechten Bewertung gestellt sein. Auf der Grundlage dieser be­wertenden Einordnung gehe ich davon aus, dass der Trainerberuf als akademischer Beruf zu definieren ist, der in seiner Dotierung den akademischen Berufen gleichzu­stellen ist. Er hat sich neben dem Beruf des Sportpädagogen zu etablieren und er sollte in gleicherweise professionell organisiert sein.
  • Drittens sollte man sich einig sein, dass ein derartiger Trainerberuf eine Ausbildung an Hochschulen erforderlich macht, die sich durch eine Symbiose von wissenschaft­licher Fundierung und intensiver Praxisnähe auszeichnet.
  • Viertens benötigt der Trainerberuf Einübungsphasen, Probehandeln, Lernen am Vor­bild, Sammeln von praktischer Erfahrung und Initiationsriten, die in den Beruf führen.
  • Fünftens bedarf es im Berufsfeld der Trainer einer inneren Differenzierung; es bedarf der Konkurrenz zwischen Trainern. Ein Trainer-Adward-System ist dabei unverzicht­bar.
  • Sechstens gehört dazu, dass Trainer, die sich diesem Wettbewerb stellen wollen, eine qualifizierte Möglichkeit zur Weiterbildung erhalten, dass sie eingebunden wer­den in die internationale Kommunikation des Hochleistungssports, dass sie dafür of­fen sind, mittels der erfolgreichen Modellen der Gegner zu lernen.
  • Siebtens gehört zu diesen anzustrebenden Lösungswegen auch ein offener mündi­ger Athlet, der die Rolle der Trainer zu schätzen weiß, und der sich selbst für die Be­lange der Trainer einsetzt bis hin zur Überprüfung der finanziellen Beteiligungsmög­lichkeiten, die Trainern zu gewähren sind.
  • Achtens müssen die Sportverbände lernen, dass Trainer ihre eigenen Interessen ver­treten müssen und dabei auch ihre eigenen Interessen zu schützen haben. Gewerk­schaftliche Vereinigungen von Trainern sollten deshalb nicht als ein Störfaktor oder als ein den Sport gefährdendes Element bewertet werden. Die Standesinteressensvertretung muss vielmehr zu einer Selbstverständlichkeit werden.

Bei allen hier skizzenhaften angebotenen Lösungen muss gesehen werden, dass dies nur Vorschläge sind. Sie können durch bessere ersetzt und ergänzt werden, die auch ganz anders sein können. Es gibt gewiss Alternativen und es lohnt sich, in ei­nen Ideen Wettbewerb einzutreten. Das Trainerproblem ist keineswegs nationaler Art. Viele der Hochleistungssportnationen beklagen in vergleichbarer Weise das Nach­wuchsproblem und diskutieren in gleicher Weise über neue Möglichkeiten des Trai­nerberufes, so wie wir es in diesen Tagen in Deutschland tun. Deswegen lohnt es sich, über den Zaun hinauszublicken. Es lohnt sich, nach den Lösungsvorschlägen der Konkurrenten zu fragen und man muss auch bereit sein, von fremden Kulturen zu lernen, will man den zukünftigen Herausforderungen im Hochleistungssport gewach­sen sein. Eines wird dabei allerdings auch in der weiteren Zukunft eine Selbstver­ständlichkeit für den Trainerberuf bleiben. Der Beruf des Trainers ist an die sportliche Spitzenleistung gebunden. Er ist so riskant wie die Karriere des Athleten. Bei ständi­gem Misserfolg ist der Beruf des Trainers in Frage gestellt. Bei andauerndem Erfolg lernt man die Sonnenseite des Hochleistungssports erkennen, die Täler des Misser­folges bleiben einem guten Trainer jedoch in der Regel nicht erspart. Dennoch kann dieser Beruf attraktiv, interessant und schön sein. Dazu bedarf es jedoch eines neu­en Berufsbildes und der Beruf des Trainers benötigt auch ein neues Image in Deutschland. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten.

letzte Überarbeitung: 20.04.2020