Zur Bedeutung Asiens für die Entwicklung der modernen Olympischen Spiele Teil II

Helmut Digel

ZUR BEDEUTUNG CHINAS

Chinas Bedeutung für die Entwicklung der modernen Olympischen Spiele erstreckt sich über verschiedene Aspekte, von der Teilnahme bis zur Austragung und der Förderung des olympischen Geistes.

Bereits vor der Gründung der Volksrepublik China hat es ein Chinesisches Olympisches Komitee gegeben und 1932 nahm der Chinese Liu Chang Chung zum ersten Mal bei den Leichtathletikwettkämpfen der Olympischen Spiele von Los Angeles 1932 teil. Bei den Olympischen Spielen 1936 waren 54 Chinesen am Start. Nach der Gründung der Volksrepublik China kam es 1952 zur Gründung des Nationalen Olympischen Komitees der Volksrepublik und in Helsinki bei den Olympischen Spielen 1952 nahm der Schwimmer Wu Chuanyu als erster olympische Sportler der VR China an Olympischen Spielen teil. Zwischen 1956 und 1980 verzichtete die Volksrepublik aus politischen Gründen auf einer Teilnahme bei den Olympischen Spielen. Nach einer politischen Verständigung zwischen der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten („Pingpong -Politik“) kehrte China 1980 in die olympische Familie zurück und spielt seitdem im modernen Olympismus eine herausragende Rolle. China ist neben den USA seit vielen Jahren der bedeutendste Teilnehmer an den Olympischen Spielen. Die chinesischen Athleten haben eine beeindruckende Leistungsbilanz und haben in einer Vielzahl von Sportarten Medaillen gewonnen. Bis heute hat China 100 Medaillen bei Olympischen Spielen aufzuweisen, davon 48 Gold-, 22 Silber- und 30 Bronzemedaillen. In zwei Sportarten ist China die führende olympische Nation: Im Tischtennis weist die Volksrepublik 53 Medaillen auf, davon 28 Gold-, 17 Silber-, acht Bronzemedaillen. Im Badminton zeigt uns die Bilanz 41 Medaillen, davon 18 Gold-, 8 Silber- und 15 Bronzemedaillen. Im Wasserspringen, Gewichtheben, Schießen und Taekwondo liegt die Volksrepublik im weltweiten Nationenvergleich auf dem zweiten Platz. Allein im Gerätturnen gewann China 73 Medaillen, im Turmspringen 40. Den ersten Olympischen Sieg bei Winterspielen erreichte YangYang im Shorttrack 2002 in Salt Lake City.
Diese Erfolge haben dazu beigetragen, Chinas Ansehen im globalen Sport zu stärken und die Wertschätzung für den Sport im Land zu fördern. Sie haben es aber auch ermöglicht, dass China heute in Aalen Führungsgremien des Weltsports mit Sitz und Stimme vertreten ist und erheblich an internationalem sportpolitischem Einfluss gewonnen hat.
Die Austragung der Olympischen Spiele 2008 in Peking markierte einen historischen Moment in der Geschichte der modernen Olympischen Bewegung. Die Spiele waren nicht nur die ersten in China, sondern auch die bis dato größten und aufwändigsten Olympischen Spiele aller Zeiten. Die Organisation der Spiele war ein technologisches und logistisches Meisterwerk und zeigte Chinas Fähigkeit zur Ausrichtung internationaler Großveranstaltungen.
China hatte bereits zuvor erhebliche Anstrengungen unternommen, um den Sport auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern. Dies umfasst die Entwicklung moderner Sportinfrastruktur, die Förderung von Sportprogrammen in Schulen und Gemeinden sowie die Unterstützung von Athleten und Sportorganisationen. Verantwortung hierfür liegt bei der Zentralen Staatlichen Sportverwaltung, die einem Sportministerium entspricht, und die weisungsgebunden dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt ist. Deren Bemühungen haben dazu beigetragen, die Leistungsfähigkeit chinesischer Athleten zu stärken und das Interesse am Sport im ganzen Land zu steigern.
Die Olympischen Spiele 2008 in Peking waren nicht nur ein sportliches Ereignis, sondern auch eine Gelegenheit für China, seine reiche Kultur und Geschichte der Welt zu präsentieren. Die Eröffnungs- und Abschlussfeiern sowie die verschiedenen kulturellen Programme während der Spiele zeigten die Vielfalt und den Reichtum der chinesischen Kultur und trugen zur Förderung des interkulturellen Dialogs bei.

China hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch vermehrt dafür eingesetzt, die olympischen Werte wie Fairplay, Solidarität und Völkerverständigung zu fördern. Durch die Unterstützung von Bildungs- und Kulturaustauschprogrammen sowie die Organisation von Sportveranstaltungen und -initiativen, die diese Werte betonen, trägt China zur Stärkung der globalen olympischen Bewegung bei. Besonders eindrucksvoll sind dabei die in mehreren chinesischen Städten errichteten Olympische Museen und die olympische Akademie Chinas. Coubertins Theorie des modernen Olympismus ist wichtiger Studieninhalt an den mehr als 100 Sportuniversitäten Chinas. Führend sind das „Advanced Institute of Olympic Studies“ das 1994 an der Sportuniversität in Peking eingerichtet wurde, das „Beijing Institut for International Olympic Studies“, das an der Capital University 2019 entstand, das  im Jahr 2000 gegründete „Humanistic Olympic Studies Center“ an der Renmin Universität of China, das „Institut für Olympic Art“ (2021)der Tsinghua University, das „Insitut of Olympic Studies and Research“ der Shanghai University of Sport (2021), das „Olympic Studies Centre“ der Nantong University (2014), das „Olympic Art and Design Research Center“ der Central Akademie of Fine Arts (2004) und das „Olympic Studies Centre“ des Harbin Institute of Technology (2022).
Insgesamt hat China eine bedeutende Rolle in der Entwicklung und Förderung der modernen Olympischen Spiele gespielt. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass heute China allein über drei persönliche Mitglieder mit Sitz und Stimme im Entscheidungsgremium des IOC verfügt. Durch seine Teilnahme an Spielen, durch die Austragung mehrerer Spiele und durch die Förderung des Sports und der olympischen Werte hat China dazu beigetragen, den Geist des Sports und der Völkerverständigung zu fördern und die Olympischen Spiele zu einem Symbol der universellen Menschlichkeit zu machen.

Zur Bedeutung Südkoreas

Das Nationale Olympische Komitee Koreas wurde 1946 gegründet und seit 1948 nahm Südkorea – mit Ausnahme der Spiele 1980 in Moskau – an allen Olympischen Spielen teil. Auch alle bislang ausgetragenen Olympischen Jugendspiele wurden von Athletinnen und Athleten aus Südkorea besucht.
1988 wurden die ersten Olympischen Sommerspiele in Südkorea in dessen Hauptstadt Seoul ausgetragen. In Pyeongchang fanden 2018 die ersten südkoreanischen Winterspiele statt. Ein olympisches Debüt gab Südkorea 1948 bei den Winterspielen durch die beiden Eisschnellläufer Choi Yong – jin und Lee Hyo – chang am 31. Januar 1948.
Allerdings muss erwähnt werden, dass bei den Olympischen Sommerspielen 1936 bereits zwei koreanische Marathonläufer am Start waren, die jedoch damals für Japan starten mussten, da zu dieser Zeit Korea noch eine Kolonie des Japanischen Kaiserreiches gewesen ist. Son Kitei wurde Olympiasieger und Nam Sung gewann die Bronzemedaille. Beide bemühten sich, bei der Olympischen Siegerehrung der japanischen Flagge keine Ehre zu erweisen.
Der erste Medaillengewinner Südkoreas war der Gewichtheber Kim Seong-jip, der 1948 die erste Bronzemedaille erringen konnte. Den ersten Olympiasieg schaffte der Freistilringer Yang Jeon – mo 1976. Die Frauennationalmannschaft im Volleyball gewann die erste Frauen Mannschaftsmedaille 1976 und Seo Hyang-soon wurde 1984 die erste südkoreanische Olympiasiegerin im Bogenschießen.

Mittlerweile war Südkorea vor allem im Schießen, Bogenschießen und im Eisschnelllauf sehr erfolgreich. Der erfolgreichste Olympionike ist der Sportschütze Ying Yung- oh, der viermal Olympiasieger wurde und zwei Silbermedaillen gewann. Die erfolgreichste Bogenschützin ist Kim Soo -nyung, die viermal Gold und jeweils einmal eine Silber- und Bronzemedaille gewonnen hat. Die Shorttrackerin Chun Lee – kyun ist Südkoreas erfolgreichste Wintersportlerin, da sie viermal Gold und einmal Bronze bei Olympischen Spielen gewonnen hat.
Die erste Olympiamannschaft Südkoreas im Jahr 1948 umfasste 50 Athleten. In Tokio waren es bereits 154 Sportler. Bei den Spielen in Seoul 1988 starteten 401 südkoreanische Athletinnen und Athleten. Die erfolgreichsten Spiele waren für Südkorea die Heimspiele im Jahr 1988 mit 33 Medaillen. Gleiches gilt für die heimischen Winterspiele, bei denen die südkoreanischen Teilnehmer 17 Medaillen erringen konnten. Im Bogenschießen, im Taekwondo, im Judo und im Shorttrack nimmt Südkorea eine führende Rolle bei Olympischen Spielen ein. Bogenschießen weist die Bilanz von 23 Gold-,9 Silber und 7 Bronzemedaillen auf. Im Taekwondo kann Südkorea 12 Gold-, 2 Silber und 5 Bronzemedaillen aufweisen; nur im Judo wurden mit 43 mehr Medaillen gewonnen. Im Shorttrack gewannen südkoreanische Athletinnen und Athleten 24 Gold-, 13 Silber- und 11 Bronzemedaillen.

Angesichts dieser erfolgreichen Präsenz kann es kaum überraschen, dass Südkorea mittlerweile auch zwei Mitglieder im Führungsgremium des IOC aufweist.
Für das Nationale Olympische Komitee Südkoreas bedeutete das Nationale Olympische Komitee seines kommunistischen Nachbarlandes Nordkorea eine ständige Herausforderung. Die Oympischen Sommerspiele 1988 in Seoul wurden von Nordkorea boykottiert. Bei den Sommerspielen 2000 in Sydney liefen nord- und südkoreanische Athletinnen und Athleten bei der Eröffnungsfeier erstmals gemeinsam unter einer speziell erstellten koreanischen Vereinigungsflagge ein. Bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und Turin 2006 wurde dies wiederholt. Pyeongchang war in diesem Zusammenhang ein ganz besonderes Ereignis: Im Eishockey der Frauen wurde ein gemeinsames Team aus Süd und Nordkorea mit 35 Spielerinnen gebildet.
In Südkorea wird an mehreren Universitäten die „Theorie des modernen Olympismus“ gelehrt. Von zentraler Bedeutung ist das 2019 gegründete „Korean Institut for Olympic Studies“(KIOS) an der „Korea National Sport University“ (KNSU), die von der FISU als beste Sport- Universität ausgezeichnet wurde. An der „Kangwon National University“ gibt es seit 2016 ebenfalls ein „Olympic Studies Center“.

Zur Bedeutung Indiens

Norman Pritchard nahm wohl als erster indischer Athlet bei den Olympischen Sommerspielen 1900 in Paris teil und gewann dabei im 200 m Lauf und über 200 m Hindernis jeweils eine Silbermedaille. Großbritannien hat diese Leistungen als britische Erfolge bilanziert. Das IOC hat Pritchard jedoch als Inder betrachtet und führt dessen Medaillenerfolge bis heute als erste indische Erfolge bei Olympischen Spielen. Das NOK Indiens wurde jedoch erst 1927 gegründet und seitdem haben indische Athleten und Athletinnen nahezu an sämtlichen Olympischen Sommerspielen teilgenommen. Im Jahr 2012 wurde das indische NOK jedoch vom IOC wegen unerlaubter Einmischung durch die Politik suspendiert. Danach konnten indische Athleten nur noch als „unabhängige olympische Teilnehmer“ antreten. Doch bereits zu Beginn des Jahres 2014 wurde die Suspendierung aufgehoben.
Zur ersten offiziellen indischen Olympia Mannschaft gehörten vorrangig Leichtathleten und Ringer. Der Freistilringer Randhir Shindes erreichte im Weltergewicht den vierten Platz. 1924 war Indien erstmals im olympischen Tennisturnier vertreten. Seit 1928 schrieben herausragende Athletinnen und Athleten vor allem die indischen Hockey- Nationalmannschaften olympische Geschichte. Mit einem drei zu null Sieg gegen Niederlande sorgte das indische Team für den ersten Olympiasieg Indiens. Dieser Erfolg wurde 1932 verteidigt und 1936 gelang der Hockey- Mannschaft der dritte Olympiasieg in Folge. Die Spieler Richard James Allen und Dhyan Chand waren die einzigen Spieler, die dreimal Olympiasieger in einem olympischen Hockey Turnier wurden. Beim Endspiel in Berlin 1936 besiegte Indien Deutschland mit acht zu eins und musste dabei den einzigen Gegentreffer des Turniers hinnehmen.
Bei den Olympischen Spielen in London 1948 Uhr traten erstmals indische Teilnehmer auch in den Sportarten Wasserball, Boxen und Fußball an. Den größten Erfolg bei diesen Spielen stellte einmal mehr der Gewinn der Goldmedaille im Olympischen Hockey Turnier dar. Bei den Spielen 1952 in Helsinki konnte Indien zum ersten Mal in seiner olympischen Geschichte mit dem Freistilringer Khasaba Jadhavasa eine Bronzemedaille im Bantamgewicht gewinnen.
Bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne konnte Indien zum sechsten Mal in Folge die Goldmedaille im Hockeyturnier gewinnen und im Olympischen Fußballturnier verlor Indien das Spiel um Bronze mit 0:3 gegen Bulgarien.
1960 verlor Indien das Endspiel beim Olympischen Hockeyturnier mit 0:1 gegen seinen Erzrivalen Pakistan. Gute Finalplatzierungen in der Leichtathletik waren eine kleine Entschädigung für diese Enttäuschung. 1980 konnte die indische Hockeynationalmannschaft ihre insgesamt achte Goldmedaille gewinnen. Bei den Spielen 1984. 1988 und 1992 blieb Indien ohne Medaillen. Nach zwölf Jahren Pause gab es 1996 den ersten  Medaillengewinn im Tennis durch Leander Paes, der im Halbfinale gegen Andre Agassi verlor, jedoch das Spiel um Bronze gegen den Brasilianer Fernando Meligeni gewinnen konnte. In Peking 2008 konnte nach 28 Jahren wieder ein Olympiasieg gefeiert werden. Es war zugleich der erste Olympiasieg eines Individualsportlers. Abhinav Bindra gewann die Goldmedaille mit dem Luftgewehr. Bei den Spielen 2012 gewann Indien zwei Silber- und vier Bronzemedaillen im Ringen und im Schießen. Erwähnenswert ist auch der Erfolg von P. V. Sindhu, die die Silbermedaille im Dameneinzel des Badmintonturniers von Rio de Janeiro gewann.
Bei Olympischen Winterspielen haben immer wieder einzelne Athletinnen Athleten aus Indien teilgenommen. Sie wurden meist vom Publikum gefeiert, da sie eher eine Außenseiterrolle einzunehmen hatten.
Eine besondere Erwähnung verdient auch die Teilnahme von indischen Künstlern am Olympischen Kunstwettbewerb 1948 im Bereich der Malerei ebenso wie die Auszeichnung von sieben Sherpas für ihre Leistungen mit dem Prix Olympique d`Alpinisme im Rahmen der Olympischen Winterspiele 1924 in Chamonix.

Ausblick

Insgesamt hat Asien einen enormen Beitrag zur Entwicklung der modernen Olympischen Spiele geleistet. Von der Teilnahme an den Spielen bis hin zur Austragung und Förderung verschiedener Sportarten hat Asien die Vielfalt und den Reichtum des olympischen Geistes auf die Weltbühne gebracht. Die Bedeutung Asiens für die Olympischen Spiele wird auch in Zukunft weiterwachsen, Asien wird eine treibende Kraft für den globalen Sport bleiben. Die wachsende Wirtschaftskraft und die verbesserten Infrastrukturen zugunsten des Sports in vielen asiatischen Ländern tragen dazu bei, dass immer mehr asiatische Nationen erhebliche finanzielle Ressourcen in den Sport investieren. Programme zur Talententwicklung und Sportförderung werden die Wettbewerbsfähigkeit asiatischer Athletinnen und Athleten weiter erhöhen.
In den internationalen Sportorganisationen, insbesondere im IOC, wird Asien weiterhin eine starke Rolle spielen, was die Entscheidungsfindung und die Weiterentwicklung der zukünftigen Olympischen Spiele beeinflusst. Die immer größere Bedeutung der asiatischen Wirtschaftsmächte China, Japan, Indien, Südkorea, aber auch mehrerer anderer asiatischer Märkte, so zum Beispiel in Indonesien, Singapur, Thailand und Malaysia, legen die Vermutung nahe, dass auch die Sponsoringmöglichkeiten des Weltsports sich immer stärker auf Asien fokussieren werden und auch asiatische Medienrechte zur Finanzierung des Weltsports noch sehr viel bedeutsamer werden als sie es bereits heute sind.
Asien hat sich von einem gelegentlichen Gastgeber und Teilnehmer zu einem zentralen Akteur der modernen Olympischen Spiele entwickelt.

Letzte Bearbeitung: 23. 6. 2024