Vor 25 Jahren – Olympische Spiele in Sydney

Helmut Digel

„Aussie Stories“

Die Olympischen Spiele von Sydney im Jahr 2000 waren für mich ganz besondere Spiele. Zum ersten Mal hatte ich Gelegenheit, den fernen Kontinent Australien kennenzulernen. Über Land und Leute hatte ich viel gelesen, doch nun war es für mich möglich einer interessanten Einwanderungsgesellschaft zu begegnen, wie sie es auf keinem anderen Kontinent auf der Welt gibt. Dies war in erster Linie deshalb möglich, weil ich stellvertretender Chef de Mission unserer deutschen Olympiamannschaft war, was bedeutete, dass ich bei der Eröffnungsfeier der Spiele anwesend sein konnte und dabei beim Einmarsch der Nationen einen aktiven Part an der Spitze der deutschen Mannschaft spielen durfte. Die Spiele waren aber auch deshalb etwas Besonderes, weil sie für mich schon viele Wochen vor dem eigentlichen Beginn und der Eröffnung der Spiele mit einem erfreulichen und einem weniger erfreulichen Ereignis begonnen hatten.

Etwas mehr als ein Jahr vor den Olympischen Spielen fand in Maebashi in Japan die Leichtathletik Hallenweltmeisterschaft statt. Der DLV, dessen Präsident ich damals war, hatte an dieser Hallenweltmeisterschaft mit einer relativ großen Mannschaft sehr erfolgreich teilgenommen und da dieses Ereignis in Asien stattfand, war lange zuvor bereits vereinbart worden, dass von dort aus unsere Leichtathletik Nationalmannschaft ein Jahr vor den Spielen in Sydney sich bei einem Länderkampf in Brisbane mit Australien misst und erste Erfahrungen mit dem Trainingslager sammelt, das unmittelbar vor den Spielen ein Jahr später dann bezogen werden sollte. War in Europa gerade der Winter zu Ende gegangen so herrschte in Brisbane an der Gold Coast ein spätsommerliches Klima. Beim Länderkampf konnten wir die Gastfreundschaft unseres australischen Gastgebers genießen, und die Begeisterung der Zuschauer[1] machte uns klar, dass wir uns in einem Land befinden, in dem der Sport einen hohen Stellenwert in deren Kultur einnimmt. In den Kommunen und Städten entlang der Gold Coast konnten wir einen Lebensstandard bewundern, wie er nur in wenigen Ländern auf dieser Welt angetroffen werden kann. Australien konnte auf ein Wirtschaftswachstum verweisen, das einen Wohlstand zur Folge hatte, der uns während unseres Aufenthaltes nahezu überall begegnete. Besonders eindrucksvoll war für uns ein Inselparadies entlang der Gold Coast, das mit einem besonderen Naturpark in den Wochen vor den Spielen das Trainingsquartier der deutschen Nationalmannschaft werden sollte.

Da ich in mehreren Funktionen mit den Olympischen Spielen in Sydney und mit den dort stattfindenden Leichtathletikwettkämpfen zu tun hatte – ich war zu diesem Zeitpunkt, Vizepräsident des Weltleichtathletikverbandes, Präsident des deutschen Verbandes und damit der Leiter der deutschen Delegation und Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees und damit stellvertretender Chef de Mission –  musste  ich bereits mehrere Wochen vor den Spielen   nach Australien zu reisen, um alle erforderlichen Vorbereitungen durchzuführen, für die ich damals verantwortlich gewesen bin.
Damit komme ich zu dem weniger erfreulichen Ereignis, das ich mit den Olympischen Spielen in Sydney verbinde. Die Vorbereitung der deutschen Leichtathletik Nationalmannschaft für die Olympischen Sommerspiele in Sydney wurde damals ganz wesentlich geprägt und beeinträchtigt von dem spektakulären Doping Fall „Dieter Baumann“ der zunächst vom DLV wegen einer positiven Dopingprobe von allen Wettkämpfen suspendiert wurde, jedoch vom Rechtsausschuss des Deutschen Leichtathletikverbandes für unschuldig erklärt wurde. Nachdem er damit wieder seine Startgenehmigung erhalten hatte, nahm er an nationalen und internationalen Wettkämpfen teil, was jedoch zu einer erneuten sofortigen Sperre durch die IAAF führte. Gegen diese Sperre hatte der DLV Einspruch erhoben und ein Verfahren vor dem CAS, dem Schiedsgericht des IOC, beantragt, um eine Starterlaubnis von Baumann für die Olympischen Spiele in Sydney zu erhalten. Dieter Baumann war zuvor vom Nationalen Olympischen Komitee Deutschlands für die Spiele nominiert worden und galt als qualifiziert aus der Sicht des Deutschen Leichtathletikverbandes. Er nahm deshalb auch am Trainingslager der Nationalmannschaft an der Gold Coast teil.

Ein vergleichbar schönes Trainingsparadies habe ich weder zuvor noch danach gesehen und der Aufenthalt auf der wunderbaren Insel von Ron Clarke war für alle Beteiligten ein einmaliges Erlebnis.
Die schönen Tage an der Gold Coast kamen jedoch für Baumann und für mich zu einem jähen Ende als feststand, dass der entscheidende Prozess beim CAS unmittelbar vor den Olympischen Spielen in Sydney stattfinden sollte. Eine Woche vor der Eröffnungsfeier musste deshalb auch ich nach Sydney fliegen, um gemeinsam mit unserem australischen Anwalt und mit unserem deutschen Rechtsexperten diesen für Baumann wichtigsten Prozess in seiner Sportkarriere vorzubereiten. Das Ergebnis des Prozesses ist mittlerweile längst bekannt. Baumann bekam keine Starterlaubnis und musste sofort das Athletendorf der Olympischen Spiele von Sydney verlassen und seine Heimreise antreten.

Für mich hingegen begannen wenige Tage später die eigentlichen Olympischen Spiele mit all den Verpflichtungen, die sie für mich bedeutet haben. Für mich als einem juristischen Laien war der Schuldspruch gegenüber Dieter Baumann eine große Enttäuschung, da unser australischer Anwalt ebenso wie die deutschen juristischen Experten der Ansicht waren, dass dem Verfahren ein wesentlicher Verfahrensfehler zu Grunde lag, der zu einem Freispruch hätte führen müssen. Aus der Sicht von heute muss man sagen, dass im Fall Baumann weder dessen Schuld noch Unschuld in den bislang durchgeführten Verfahren eindeutig bewiesen werden konnte. Außerhalb der sportlichen Gerichtsbarkeit hätte er wohl angesichts des Prinzips „in dubio pro reo“ freigesprochen werden müssen. In gewisser Weise ist der Fall Baumann bis heute noch immer nicht aufgeklärt.

Während meiner verbleibenden Wochen in Australien und nach Beendigung der juristischen Auseinandersetzung waren die Spiele mit ihren äußerst gelungenen sportlichen Wettbewerben, mit der eindrucksvollen Eröffnungsfeier, mit den Exkursionen in die Umgebung von Sydney für mich sehr viel mehr als nur eine bloße Kompensation. Die Begegnungen mit Athletinnen und Athleten aus aller Welt im Athletendorf, die Erfolge deutscher Athletinnen und Athleten, die Siegesfeiern im Deutschen Haus, die Exkursionen in die Umgebung von Sydney. All dies machten die Olympischen Spiele von Sydney dennoch für mich zu einem einmaligen Erlebnis.

Schon vor den Spielen hatte ich begonnen, Tagebuchnotizen zu machen.

Nach der Lektüre meiner damaligen Tagebucheintragungen in diesen Tagen bin ich zu der Entscheidung gelangt, dass diese Notizen auch heute noch eine interessante Lektüre sein könnten. Sie sollen ein Plädoyer für Olympische Spiele sein, von denen ich mir wünsche, dass sie bald wieder einmal in Deutschland stattfinden, damit unsere Gäste ähnliche Tagebuch- Notizen über Deutschland machen können, wie ich sie damals in Sydney habe schreiben dürfen.

Zwei Jahre vor den Spielen

Australien – wahrhaft ein olympischer Gastgeber

Gesellschaft und Staat in Australien können nur auf eine relativ junge Geschichte verweisen. Doch diese Geschichte ist die Geschichte einer lebendigen Demokratie, zu deren Kultur und Tradition vor allem der Sport gehört[2]. Sport ist in Australien der unverzichtbare und für alle gesellschaftlichen Gruppen bedeutungsvolle

Lebensinhalt, den niemand in diesem Lande missen möchte. Vielfältige Erscheinungsformen prägen den Sport, und manches erscheint hierbei dem europäischen Beobachter fremd. Dies zeigt sich vor allem bei den Sportaktivitäten selbst: Cricket, Rugby und manch andere, eigenständige australische Sportart fasziniert jährlich Millionen von Sportreibenden und Zuschauern. Aber auch der Fußballsport ist in den vergangenen Jahren immer populärer geworden, Rudern und Radfahren werden als olympische Sportarten immer beliebter. 1999 waren in ca. 30.000 Sportvereinen über 6,5 Millionen Mitglieder organisiert und die Zunahmen der vergangenen Jahre ließen einen weiteren Anstieg der Mitgliederzahlen bis zu den Olympischen Spielen 2000 vermuten. Darüber hinaus lassen sich Freizeitsportstätten in jeder noch so kleinen australischen Gemeinde finden und exzellente Trainings- und Wettkampfanlagen für jene Athletinnen und Athleten, die den langen Weg zum olympischen Erfolg gehen wollen, stehen in allen großen Städten zur Verfügung.

Der besondere Stellenwert des Sports in der australischen Bevölkerung lässt sich auch mit Hilfe einiger statistischer Daten eindrucksvoll belegen: So trieben im Jahr 1997 annähernd ein Drittel der Erwachsenen in Australien, d.h. 4,7 Millionen Personen, regelmäßig Sport. Bei den 5- bis 14jährigen waren es sogar 61% dieser Altersgruppe, die außerhalb des Sportunterrichts an den Schulen eine sportliche Tätigkeit ausübten. Somit kann es nicht erstaunen, dass die australischen Haushalteim Jahr 1997 insgesamt 5,9 Billionen $ – dies entspricht 13,3% der jährlichen Ausgaben – für den Sport und die Erholung aufwendeten und 1995 ca. 830.000 Ehrenamtliche 105 Millionen Stunden im Bereich des Sports tätig waren. Auch der Besuch von Sportveranstaltungen übt eine hohe Anziehungskraft auf die Bevölkerung des australischen Kontinents aus: Im Jahr 1995 besuchten 6,25 Millionen Australier eine oder mehrere Sportveranstaltung als Zuschauer.

Sowohl die Regierung Australiens als auch die Landesregierungen unterstützen nachhaltig die Sportentwicklung des Kontinents mit einem finanziellen und personellen Aufwand, der seinesgleichen sucht. So betrugen die finanziellen Aufwendungen des Commonwealth, des Staates und der Landesregierungen für den Sport und die Erholung im Jahr 1996 insgesamt 2,4 Billionen $. Zwischen den Jahren 1997 und 2000 investierte allein die staatliche Regierung Australiens 404 Millionen $ in den Bereich des Sports. Der Sportsektor erreichte mit 11,8 Billionen $ einen Anteil von 2,2% am australischen Bruttoinlandsprodukt und rangiert hiermit im Bereich der Automobilindustrie und deutlich vor der Bekleidungs- und Textilindustrie.

Diese Zahlen machen es deutlich: Australien ist eine Sportnation, die bestens vorbereitet ist, ein vorbildlicher Gastgeber für Olympische Spiele zu sein. Eine Informationsreise, die den damaligen Leistungssportdirektor Ebeling und mich als NOK-Vizepräsident nach Sydney, Canberra und Brisbane führte, war geeigneter Anlass, um sich über den Stand der Vorbereitungen der australischen Gastgeber kundig zu machen. Fast sämtliche olympischen Sportstätten waren bereits erstellt und können in ihrer modernen Architektur bewundert werden. Der Bau des Athletendorfes ist voll im Gange und schon heute kann man erkennen, dass der Olympiapark und das Athletendorf eine vergleichbare Einheit bilden werden, wie dies zuletzt bei den Olympischen Spielen 1972 in München zu beobachten war. Während unseres Aufenthaltes hatte das Olympiastadion bereits eine erste Bewährungsprobe zu bestehen. Mehr als 100.000 Zuschauer besuchten aus Anlass der Stadioneröffnung ein Rugbyspiel. Alles funktionierte dabei beispielhaft und vorbildlich. Dies gilt vor allem für die Organisation der An- und Abfahrt der Zuschauer und für die Sicherheitsvorkehrungen. Sicherlich ist auch die Olympiastadt Sydney für die Dauer der olympischen Wettkämpfe mit täglichen Verkehrsproblemen konfrontiert gewesen, aber durch den Ausbau der gesamten Verkehrsinfrastruktur und dem früh sich in der Endausbauphase befindenden Transportsystems kann man berechtigt die Hoffnung haben, dass die gewiss nicht ausbleibenden Verkehrsprobleme nicht die Dimensionen von Atlanta 1996 erreichen werden.

Trotz der vielfältigen Baumaßnahmen, dem sukzessiven Ausbau des Straßennetzes, der Errichtung neuer Hotelkomplexe und Sportanlagen wurde vom Organisationskomitee der Olympischen Spiele 2000 der Versuch unternommen, den ökologischen Interessen der Einwohner Sydneys in jeder erdenklichen Weise Rechnung zu tragen. Dabei genoss – zumindest aus der Sicht eines Beobachters – das Organisationskomitee der Olympischen Spiele 2000, das sich durch höchste Professionalität in seiner Arbeit auszeichnete, die volle Unterstützung nahezu der gesamten australischen Bevölkerung. Sydney selbst fiebert den Olympischen Spielen entgegen. Man konnte sich bereits jetzt sehr gut vorstellen, welch schöne Atmosphäre während der Spiele in Sydney herrschen würde.

Vor den Spielen und während der Spiele

Goldküste – ein einziges Trainingslager

Die Goldküste Australiens wurde zur zweiten olympischen Hauptstadt. In diesen Tagen trainieren dort Athleten aus mehr als 20 Ländern. Neben Dänemark, Schweden, Japan, Trinidad, Marokko, Großbritannien, USA, Belgien und Kanada trainieren auch viele deutsche Athleten an diesem schönen Küstenstreifen Australiens, der vor allem von einem Wetter beglückt ist, wie man es sich in Deutschland nur wünschen mag. Aber auch die Trainingsstätten sind exzellent und vor allem ist die Gastfreundschaft in Queensland etwas ganz Besonderes. Nahezu jeder Wunsch der Athleten wird erfüllt, die Gastgeber sind Experten, sie kennen die Probleme von Spitzenathleten, wissen um ihre Bedürfnisse. Es werden auch Wettkämpfe organisiert, so dass noch die letzten Leistungstests möglich sind. Kleine Länderkämpfe mit ausgewählten Disziplinen finden statt, und die Bürger Queenslands sind dabei begeisterte Zuschauer.

Pazifisches Trainingslager

Der fünfte Kontinent hat viele Attraktionen aufzuweisen. Eine ganz besondere ist seine einmalige Tierwelt. Nicht zuletzt auch dank der Vögel, der Reptilien und der Wallabys ist das Trainingslager der DLV-Nationalmannschaft an der Goldküste etwas ganz Besonderes. Läuft man morgens im Wald, so wird man vom Vogelgezwitscher begleitet, auf dem Wurfplatz, wo der Hammer oder der Diskus hinaus in die Dünen des Pazifischen Ozeans geworfen wird, stehen kleine Kängurus und begleiten Karsten Kobs oder Lars Riedel bei ihrem Training, und führen drollige Zweikämpfe vor. Doch wenn man sich ihnen nähert, sind sie wieselflink hinter einem Busch verschwunden. Trifft sich unsere 4 x 400m-Staffel nach anstrengendem Tagespensum zu einer Kaffeerunde am Swimmingpool, so sind neugierige Kängurus erneut dabei, denn sie erhoffen sich einige Happen. Fische sind wie selbstverständlich jeden Tag auf dem Speiseplan und Meeresfrüchte gehören zu den besonderen Genüssen, wenngleich nicht alle Athleten sie zu schätzen wissen. Ob Trainer, Athlet oder Funktionär, wir sind fast täglich bemüht, mit unserem Fotoapparat einen besonderen Schnappschuss zu machen. Doch meist kommt man zu spät, das Motiv hat sich in den tropischen Regenwald zurückgezogen und das Warten muss erneut beginnen. All diese Tiere, die die Nationalmannschaft bei ihrem Aufenthalt auf „South Stradbroke Island“ begleiten, haben etwas ganz Unbeabsichtigtes erreicht. Sie machen das Training leichter, sie geben den anstrengenden Tagen vor den Olympischen Spielen einen besonderen Sinn und uns industriell zivilisierten Großstadtbürgern bringen sie eine Natur vor Augen, über die wir alle zu Recht staunen dürfen.

Ron Clark

Ron Clark hat in seinem Leben immer etwas Besonderes vollbracht. War er über viele Jahre einer der schnellsten Läufer der Welt, sammelte Siege am laufenden Band, so hat er sich nach Beendigung seiner beispiellosen Läuferkarriere neue anspruchsvolle Ziele gesetzt. Auch manches dieser Ziele hat er auf eindrucksvolle Weise erreichen können. „Couran Cove Island Resort“ nennt sich sein Werk, das er dank der Unterstützung eines millionenschweren Finanziers in seiner Heimat hat erschaffen können. Ein ökologisches Paradies ist dabei entstanden, das Urlaubsort, Trainingsstätte, Ausbildungsplatz und Reservat für zu schützende Gattungen der australischen Fauna in einem ist. Sein „Eco-Tourism“-Projekt hat mittlerweile nahezu sämtliche Awards gewonnen, die auf diesem Sektor zu erreichen sind. Ron Clark ist nach wie vor der Leichtathletik auf das engste verbunden. Was lag näher, als internationale Leichtathleten zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele auf seine Insel, auf „South Stradbroke Island“ an der Goldküste, einzuladen. Die Nationalmannschaft des DLV ist gerne dieser Einladung gefolgt und bereitet sich nun unter paradiesischen Bedingungen auf die Wettkämpfe in Sydney vor. Hervorragend ausgestattete Ferienhäuser, beste Verpflegung, ein Wurfplatz in einer Düne am Meer, eine 150m-Tartanbahn, Laufstrecken unterschiedlicher Länge, modern ausgestattete Fitness-Zentren, Krafträume, Spielfelder für Volleyball und Basketball sowie Tennisanlagen – all dies ist auf der kleinen Insel anzutreffen. Fährt man 30 Minuten mit dem Boot, so steht dem DLV aber auch ein erst in diesen Tagen eröffnetes neues Leichtathletik-Stadion zur Verfügung, das seinesgleichen in Deutschland vergeblich sucht.

How do you going?

Australien ist eine multikulturelle Gesellschaft und wird auch heute noch von vielfältigen europäischen Einflüssen geprägt. Britische Einflüsse sind dabei nach wie vor dominant. Dennoch haben die Australier ihren eigenen Way of Life gefunden, der sehr viel mehr mit amerikanischen Gewohnheiten gemein hat. „How do you going? How are you today?“ sind die Redeweisen, mit denen die Australier offen auf jeden Gast zugehen, mit denen vor allem Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit zum Ausdruck gebracht werden. Die weißen Australier sprechen vom „easy way of living“, und beobachtet man deren Lebensfreude, ist man dabei, wie sie Feste feiern, so spricht einiges dafür, dass in Australien leichter zu leben ist als auf jedem anderen Kontinent dieser Erde. Wenn man mehr als 300 Tage im Jahr Sonnenschein aufzuweisen hat wie der Bundesstaat Queensland, wenn alles wächst, was den Menschen die Schöpfung ermöglicht hat, wenn man nicht von Umweltverschmutzung, Verkehrsstau und Alltagsstress spricht, so kann diese positive Lebenseinstellung kaum noch überraschend sein. Als Deutscher, der mit 84 Millionen deutschen Bürgern auf engstem Raum zusammenleben muss, für den ist die Weite des Landes, die Offenheit der Menschen, die Schönheit der Natur wie ein kleines Wunder.

Smoking not allowed

Für Nichtraucher ist Australien ein kleines Paradies. Ist man jedoch Raucher, so muss man das öffentliche Rauchverbot, das nahezu an allen öffentlichen Orten anzutreffen ist, als Diskriminierung empfinden. Nach 16 Stunden Rauchverbot während des Fluges erreicht ein Fluggast, der starker Raucher ist, den Flughafen in Melbourne und es wird bereits vor der Landung darauf hingewiesen, dass man stolz ist, dass der internationale Flughafen von Melbourne ein Nichtraucherflughafen ist. Es gibt weder eine Raucherecke noch ein Raucherzimmer, Rauchen ist streng verboten, und die Strafen sind entsprechend empfindlich. Auch viele Restaurants weisen darauf hin, dass Rauchen verboten ist und sie haben daraus längst eine eigene Promotion-Konzeption entwickelt. Ökologischer Tourismus ist in Australien angesagt und auch dies bedeutet, dass nahezu überall Rauchverbot besteht.

Starke Männer

Vergleicht man Australien mit Südamerika, so könnte man von einer Macho-Gesellschaft sprechen. Muskelbepackte Männer, groß gewachsen, sind auffällige Erscheinungen, wenn man die australische Bevölkerung beobachtet. Die Leibesfülle lässt auf eine Frontier-Mentalität schließen, die ganz offensichtlich erforderlich war, um das Land zu erobern. Heute ist die Leibesfülle aber auch Ausdruck einer intensiven Festkultur, bei der die Männer eine dominante Rolle spielen. Der Bierkonsum ist überdurchschnittlich hoch und die „Jugs of Beer“ werden von den „starken Männern“ ohne Probleme „ex“ getrunken. Dabei muss man wissen, dass ein „Jug“ 1,12 L fasst. Biertrinken ist längst zum australischen Ritual geworden.

„Four ex“ oder  „ One Bagster“, das sind die festen Termini, die man auch als Fremder sehr schnell sich anzueignen hat, wenn man in einer Bar seinen Durst stillen möchte. Die Australier trinken ihr Bier in der Regel aus der Dose, wenn es kein Fassbier gibt. Die Gläser müssen eisgekühlt sein und längst hat man Styropor als Kühlmanschette entdeckt und die Bierkühlmanschetten zu einem Superrenner des Merchandising gemacht. Bier trinken, Lieder singen, Karaoke-Wettbewerbe, Kraftakte der Männer, Kraftkonkurrenz, dies alles prägt das alltägliche Leben in den Pubs oder die Feste an den Stränden.

„Australian Rules“

Gewiss blickt in diesen Tagen ganz Australien auf Sydney. Der olympische Sport wird für 14 Tage im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Doch für die Australier ist der olympische Sport nicht ihr eigentlicher Sport. Allenfalls Schwimmen kann die Qualität eines Nationalsports aufweisen. Der eigentliche Sport, das ist Australian Football oder auch Australien Rules genannt, das ist die Rugby Union und die Rugby League, die jeweils ihre eigenen Regelsysteme aufzuweisen haben. Das Grand Final in der Rugby Union, das Grand Final im Australian Football fasziniert nicht nur mehr als 90.000 Zuschauer in den letzten Augusttagen jedes Jahres, sondern erreicht Einschaltquoten, wie man sie in Europa nur bei Fußballweltmeisterschaften kennt. Australien Rules ist dabei besonders kennzeichnend für australische Mentalitäten. Das, was in Amerika eingepackt in gepolsterte Uniformen und Helme als American Football stattfindet, das machen die Australier hemdsärmelig in kurzen Hosen. Ein Spiel geprägt von männlicher Härte, von unglaublichem Kampf und von einem in faszinierende Fanlager geteiltes Publikum. Liest man den Sportteil der Tageszeitungen, so wird die Dominanz der australischen Sportarten überdeutlich sichtbar. Dreiviertel aller Sportnachrichten beziehen sich auf die Nationalsportarten Rugby, Australian Rules und Cricket.

Aufmerksamkeit kann Tennis und Schwimmen erreichen, alle übrigen Sportarten sind nachgeordnet.

Preissteigerungen

Australien ist eine offene, demokratische Gesellschaft. Deshalb wird alles, was sich in diesen Tagen in und um Sydney herum ereignet, von einer aufmerksamen Presse begleitet. Wo immer Verfehlungen zu beobachten sind, werden sie öffentlich angeprangert. Dazu gehören auch die unsäglichen Preissteigerungen, wie sie schon immer bei Olympischen Spielen üblich gewesen sind. Plötzlich möchten sich Privatleute bereichern, indem sie ihre Villen, ihre Appartements oder ihre Wohnungen zu unverschämten Preisen vermieten. In den Einkaufsläden steigen die Preise bei jenen Produkten, von denen man annimmt, dass sie Touristen kaufen könnten, ins unermessliche. Doch gibt es auch das Gegenteil. Mancher Preis muss gesenkt werden, um einem Produkt eine gewisse Attraktivität noch zukommen zu lassen.

Sydney im Sonntagsgewand

Sydney hat sich zu den Olympischen Spielen fein herausgeputzt. Viele Straßen wurden erneuert, einige wurden neu gebaut, Hausfassaden wurden verschönt. Eine Stadt, die ohnehin viele für die schönste der Welt halten, hat sich chic gemacht, um die Bewunderung ihrer Gäste hervorzurufen. Dabei sollte möglichst niemand stören, schon gar nicht Obdachlose. Deshalb hat die Polizei von Sydney im Vorfeld der Olympischen Spiele die Kontrollen verschärft. Wer auch immer keinen festen Wohnsitz aufweist, wird aus der Stadt verwiesen. SOCOG, das Organisationskomitee, ist dabei behilflich und finanziert gar die Bustickets. Ein Obdachloser wird dabei folgendermaßen zitiert: „Entweder wäre ich hier geblieben und hätte auf die Cops gewartet, oder ich wäre selbst gegangen, also habe ich mich entschieden, selbst zu gehen. Die Polizei stellt einen vor die Alternative, wenn Du nicht weggehst, wirst Du eingesperrt.“ Es kann nicht überraschen, dass andere Bundesstaaten sich darüber ärgern, denn offensichtlich sind Brisbane und Queensland plötzlich von einer Zuwanderung von Obdachlosen betroffen, wie es bislang niemals zuvor der Fall war. Soziale Probleme, das zeigt dieser „Obdachlosentransfer“, lassen sich nicht mit Bustickets und nicht mit Polizeikontrollen lösen. Ein Glück, dass sie in einer offenen Gesellschaft auch nicht verdeckt werden können. Einmal mehr wird einem deutlich, wie notwendig eine freie Presse ist.

Cathy Freeman

Cathy Freeman ist in diesen Tagen ohne Zweifel der Leichtathletikstar Australiens. Nach fantastischen Leistungen bei ihren verschiedenen Starts in Europa wurde sie am Flughafen in Melbourne willkommen geheißen. Es gibt kaum eine Athletin oder einen Athleten, der so sicherer Favorit für eine australische Goldmedaille ist wie Cathy Freeman. Nicht allen Australiern fällt es allerdings leicht, sich mit Cathy Freeman zu identifizieren. Sie ist eine moderne junge Frau, doch sie ist eine Aborigine, und sie setzt sich deshalb trotz ihrer großen Erfolge, trotz ihrer Popularität oder möglicherweise auch gerade wegen ihrer Erfolge und ihrer Popularität für die Interessen der australischen Aborigines ein. Aus ihrer Sicht werden sie nach wie vor in vielen Bereichen der Gesellschaft diskriminiert, benachteiligt und objektiv betrachtet befindet sich die große Mehrheit der Aborigines an der untersten Stufe der sozialen Leiter Australiens.

Cathy Freeman weist, wo immer sie die Gelegenheit hat, auf diese Ungleichheit hin, bringt ihre Forderungen zum Ausdruck und ist damit zu einer Sprecherin der Ureinwohner Australiens geworden. Ein Olympiasieg von Cathy Freeman hätte eine enorme integrative Bedeutung für Australien. Cathy Freeman ist bereit, ihre Identität als Eingeborene in die von allen gewünschte australische Identität einzubringen.

Nachdem Mohammed Ali das Olympische Feuer in Atlanta entzündete, ist die Frage nach dem Verbleib von Cathy Freeman für viele Australier die wohl interessanteste. Ihr Aufenthaltsort wird geheim gehalten, nachdem sie ihren letzten 400-m-Lauf bei der Golden League in Brüssel mit Bravour gemeistert hatte. Es wird wohl erwartet, dass sie sich irgendwo in Queensland auf die Spiele vorbereitet. Aber weder bei  Offiziellen noch aus ihrem eigenen Lager gibt es genauere Informationen.

Koalas und Kängurus

Europäer wissen in der Regel nur wenig über die australische Geschichte, über australische Politik und auch australische Musik und Literatur ist den meisten Europäern nicht oder nur wenig bekannt. Eines wissen jedoch alle: dass es in Australien Kängurus und Koalas gibt. Ist man jedoch Gast in Australien, so wird dieses Wissen sehr schnell relativiert. Das erste angebliche Känguru, das man entdeckt und natürlich auch sofort versucht hat zu fotografieren, ist ein Wallaby. Wallabys, kleine Kängurus also, sind überall anzutreffen, wo Menschen mit der freien Natur in Berührung kommen. Die großen Kängurus hingegen sieht man sehr selten. Mancher Tourist muss nach einem mehrwöchigen Aufenthalt abreisen, ohne dass er überhaupt ein Känguru zu Gesicht bekommen hat. Die Koalas sind nicht die lieben Kuscheltiere, wie man sie sich in deutschen Spielzeugläden vorstellt. Sie sind so gut wie gar nicht zu beobachten, denn sie schlafen tagsüber und werden nur nachts aktiv. Sie gelten als sehr scheu und als äußerst aggressiv. Es sind wohl auch kaum gut riechende Tiere. Australien kann dennoch stolz auf seine interessante und schöne Fauna sein. Eine Vielfalt von Vögeln, bewundernswerte Dingos, Krokodile, und seltene Schlangen sind in den unzähligen Naturparks anzutreffen.

Australien, das ist vor allem Natur, oft unberührte Natur, so wie in den Regenwäldern. Australien, das sind auch Wälder, Steppen, Wüste, Gebirge und unzählige wunderbare einsame Inseln, die sich durch eine einmalige Schönheit auszeichnen.

„Political Correctness“

Jedes Land hat seine Maßstäbe für Political Correctness. In Australien, bei aller Problematik der eigenen Politik gegenüber den Aborigines, wird Rassismus besonders scharf verurteilt. Angesichts der multikulturellen Gesellschaft, durch die sich Australien auszeichnet, ist dies naheliegend.

Australien ist ähnlich wie die Vereinigten Staaten ein „melting pot“. Die jüngsten Zuwanderungsströme aus Asien und insbesondere aus der ehemaligen Sowjetunion haben diesen „melting pot“ beinahe zum Kochen gebracht. Doch kaum ein anderes Land hat sich die Verschiedenartigkeit der Ethnien so zu Nutze gemacht, wie dies Australien tut. Deshalb ist man über rassistische Äußerungen mehr empört als in vielen anderen Nationen. In den Tagen vor den Olympischen Spielen wurde das einmal mehr deutlich. Der australische Weltklasse-Weitspringer Jai Taurima hat sich einer Äußerung schuldig gemacht, die in Australien von niemand akzeptiert wird. In seiner Dummheit hat er darauf hingewiesen, dass schwarze Weitspringer, insbesondere jene aus den Vereinigten Staaten, in Sydney keine Chance hätten, denn sie seien „Dribbler“ und bei kaltem Wetter wären sie unfähig, sportliche Spitzenleistungen zu erbringen. Diese Äußerung hat die Empörung der gesamten Presse hervorgerufen. Selbst OK-Chef John Coates mischte sich ein, die Sportministerin verlangte eine Entschuldigung, und die beste Antwort gaben dabei die amerikanischen Athleten selbst. Denn in einem Vorbereitungswettkampf in Brisbane schlugen die beiden Amerikaner ihren australischen Herausforderer auf sportliche Weise, indem sie ihn mit 8,34 m klar distanzierten. Und im Weitsprungfinale, wo mit dem Deutschen Kofi Prah auch ein schwarzer Athlet im Finale war, wurde das Problem endgültig ad acta gelegt. Es gewann der Kubaner Ivan Petroso.

Finanzielle Gewinner

Wie bei allen früheren Olympischen Spielen gibt es Verlierer und Gewinner. Finanziell, so viel scheint sicher zu sein, werden die Olympischen Spiele von Australien für manches australische Unternehmen zum Big Business. Queensland, ein Bundesstaat um ein Mehrfaches größer als Deutschland, angrenzend an Neusüdwales, dort wo die Olympischen Spiele stattfinden, profitiert als Nachbarstaat in vielfältiger Weise von den Olympischen Spielen.

Nicht nur bereiten sich fast alle Nationen an der Goldküste auf die Olympischen Spiele vor, bringen auf diese Weise Devisen in das Land, haben neue Sportstätten entstehen lassen und damit eine zukünftige Infrastruktur ermöglicht, auch in sehr direkter Weise wird der Staat von Queensland von den Olympischen Spielen profitieren.

Es wird von einer Summe von 50 Millionen Australischen Dollars gesprochen, die allein der Staat dabei verdient. Allein 40 Millionen Dollar werden die Einnahmen verschiedener Unternehmen sein. 1,7 Millionen verdient eine Firma allein dafür, dass sie 400 Pinienbäume für den Olympischen Boulevard zur Verfügung stellt. 5 Millionen werden mit Sporttaschen, Sportgetränken und Sportflaschen verdient. 430 Millionen sind für die Ställe an ein Unternehmen in Queensland zu bezahlen, die im olympischen Reiterzentrum aufgebaut wurden. Die Stahlindustrie Queenslands profitiert mit 10 Millionen, weil sie Produkte für die Küchen im Olympiastadion zur Verfügung gestellt hat. Allein 5 Millionen verdient eine Firma, die die vielfältigen Wegweiser an den olympischen Sportstätten aufgestellt hat. 1 Million wird durch den Verkauf von Sportkleidung verdient und 550.000 verdient eine Firma, die die Parkbänke in den olympischen Anlagen aufstellte.

Couran Cove

South Stradbroke Island ist ein kleines Naturwunder. Nur wenige Kilometer von Surfers‘ Paradise, dem Touristenzentrum der Goldküste entfernt, ist eine der zahlreichen Sandinseln entstanden, die sich durch eine tropische Vegetation, durch einen kleinen Regenwald und durch eine Fauna auszeichnet, die man nur selten in der Welt antreffen kann. Zu einem Nationalen Naturpark wurde die Insel erhoben. Doch gleichzeitig wurde es möglich gemacht, dass auf dieser Insel ein Feriendomizil entstehen konnte, das seinesgleichen sucht. Ökotourismus ist in Australien ein besonderes Gütemerkmal und es gibt wohl kaum ein Hotel in Australien, das diesem Gütemerkmal so entschieden entspricht, wie dies für Couran Cove gilt. Doch das Besondere von Couran Cove ist, dass es gleichzeitig Sportanlagen aufweist, die den höchsten Ansprüchen, auch von Weltklasseathleten, entsprechen. Mitten im Urwald befindet sich eine 150 m lange Tartanstrecke für das Sprinttraining, hinter den Dünen mit dem Blick auf den Pazifik wurde ein Wurfplatz angelegt, der den Hammerwerfern, den Speerwerfern und den Diskuswerfern genügt.

Krafträume mit bester Ausstattung sind versteckt in kleine Waldnischen eingebaut, Tennisplätze, Basketballfelder und ein olympisches Schwimmbecken gehören ebenfalls dazu. Dies alles geht zurück auf die Idee eines ehemaligen Weltklasseathleten. Ron Clark, der langjährige Inhaber des 5000-m-Weltrekords, eine der großen Lauflegenden Australiens, konnte sich mit der Unterstützung eines Investors einen Traum erfüllen. Als Direktor dieser Ferienanlage konnte er eine Sportbegeisterung mit seinem ökologischen Engagement in einer Weise verbinden, wie dies wohl nur wenigen Menschen ermöglicht wird. Die deutsche Leichtathletik-Nationalmannschaft wird ihren Aufenthalt in Couran Cove gewiss noch lange in Erinnerung behalten. Selten gab es einen gelungeneren Ort als Couran Cove, um eine Olympiamannschaft auf das wichtigste Ereignis eines Athleten vorzubereiten.

Stadion ohne Rasen

Nahezu jeden Tag wird darüber berichtet. Canberra, die Hauptstadt ist Austragungsort des olympischen Fußballturniers. Es hat wohl ein Stadion, doch in dem Stadion gibt es keinen Rasen. In Australien werden längst darüber Witze gemacht. Durch die intensive Benutzung des Stadions während der gerade zu Ende gegangen Football-Saison war der Rasen unbespielbar geworden. Ein neuer Rasen musste also her, und dieser sollte möglichst einem olympischen Fußballturnier standhalten. Alles Mögliche wurde versprochen, die Politik hat sich eingeschaltet, damit der Rasen rechtzeitig benutzbar  sein wird, ob er allerdings auch den Belastungen des Soccers standhalten wird, das ist nicht nur für Rasenexperten eine offene Frage.

Es wurde gar die Frage diskutiert, ob man die Spiele, die in Canberra vorgesehen sind, an einen anderen Ort verlegt. Doch SOCOG hat zu Gunsten von Canberra entschieden, nachdem die Regierung 1 Mio. australische Dollar bewilligt hat, um einen neuen Rasen möglichst schnell in das Stadion zu verlegen. Ein neues Pflanzsystem wird dabei zur Anwendung kommen. 10 cm dicke Rasenrollen werden auf dem frei gelegten Fußballfeld ausgerollt. Nun streiten sich die Experten, ob dieser Rasen internationalen Standards genügen wird, wie sie vor allem von der FIFA noch zu prüfen sind. Die Drohung steht nach wie vor im Raum, dass die Spiele von Canberra an eine andere australische Stadt vergeben werden.

Dopingkontrollen

Die nationale Anti-Doping-Agentur Australiens gehört ohne Zweifel zu den besten in der Welt. In den vergangenen Jahren wurden die finanziellen Investitionen zu Gunsten eines engagierten Anti Dopingkampfes enorm gesteigert, und das technische Know- how, das bei den Kontrollen selbst zur Anwendung kommt, ist mittlerweile beispielhaft geworden. Dies bekommen nun auch viele ausländische Athleten zu spüren. In den Trainingslagern tauchen plötzlich Kontrolleure auf. Athleten werden kontrolliert, für die bis zu diesem Zeitpunkt Trainingskontrollen etwas völlig Unbekanntes gewesen sind, da sie aus Ländern kommen, in denen keine eigenständigen Kontrollsysteme bestehen und die Athleten auch von internationalen Kontrollagenturen nicht erreicht werden. „Random pre-game screening program“ nennt sich das Ganze, deshalb wurden Briefe an alle Nationalen Olympischen Komitees versandt, um die Gäste darauf vorzubereiten, dass in Zufallsstichproben auch ihre Athleten enthalten sein könnten. Die Athleten müssen sich diesen Tests unterwerfen, ganz gleich, ob sie im Olympischen Dorf wohnen, oder ob sie sich in Trainingslagern auf die Spiele vorbereiten.

Fackellauf durch Australien

Der 86. Tag des Fackellaufes liegt hinter uns. Nach Neusüdwales ging diese Etappe und wie jeden Tag war eine Distanz von ca. 340 km zu bewältigen. Begleitet von faszinierten australischen Bürgerinnen und Bürgern, war wie an allen früheren Tagen die Aufmerksamkeit den drei ausgewählten Personen zu widmen. Es handelt sich dabei um Menschen, die seit vielen Jahren für ihre Gemeinden ehrenamtlich tätig sind und sich auch durch sportliche Erfolge ausgezeichnet haben. Am 86. Tag war Larry Town der zweite Läufer. Er wird als „inspirational Aboriginal“ bezeichnet, der sehr engagiert für seine Gemeinde arbeitet. An seiner Seite lief Gail Neali, die immerhin eine Goldmedaille in München 1972 im Schwimmen gewonnen hat. Beide sollten stellvertretend den 86. Tag des Fackellaufes zu einem besonderen Tag werden lassen.

„Full body suits“

Neue Technologien haben schon immer bei Olympischen Spielen eine besondere Rolle gespielt. In Australien, was ist naheliegender, wird das Schwimmen eine ganz besondere Rolle dabei spielen. „Full body lycra swimming suits“ sind die Geheimwaffe, die gleich von zwei Herstellern den Athleten zur Verfügung gestellt werden. Und die Leichtathleten machen es den Schwimmern nach. Sie wollen mit aerodynamischen „US designed suits“ Medaillenplätze erringen. Fünf unterschiedliche Sorten von Lycra und Mash enthalten angeblich diese Anzüge. Mit Spannung wird die Frage diskutiert, ob Cathy Freeman den neuen Anzug bei ihren Läufen im Olympiastadion Syndeys tragen wird. Längst kennen wir die Antwort. Nicht zuletzt ihrem „Rennanzug“ hat sie es zu verdanken, dass sie zum Topstar der Spiele von Sydney aufsteigen konnte.

„Nation too lazy to move“

So lautete die Überschrift in der australischen Tageszeitung „The Courrier Mail“. Das australische Institut für Gesundheit und Wohlfahrt hat die australische Bevölkerung auf ihr Fitnessverhalten hin untersucht. Und ähnlich wie in Europa wird von diesem Institut die australische Konsumgesellschaft beklagt, die den Menschen viele Lebensgenüsse ermöglicht, die aber auch gleichzeitig Gefahren für Gesundheit und Wohlbefinden mit sich bringen. Dabei sind die erhobenen Daten, vergleicht man sie mit europäischen Verhältnissen, keineswegs alarmierend. Gleichwohl waren es 1997 noch 71,6 % der Männer, die sich ausreichend sportlich betätigt haben, so sind es gemäß des Fitnessbarometers von Australien im Jahr 1999 nur noch 65,6 % gewesen. Besonders alarmierend – so wird darauf hingewiesen – ist die Entwicklung bei den Frauen. 1997 waren es 67,1 %, 1999 sind es nur noch 57,4%, die dem erhofften Gütemaßstab entsprechen. Am meisten neigt die Altersgruppe der 30-44jährigen zum Faulenzen. Hier sind Einbußen von mehr als 12 % zu verzeichnen, aber auch Hochschulabsolventen neigen immer mehr zur Bewegungsabstinenz. So ist die Zahl derjenigen, die in der vergangenen Woche keinerlei sportliche Übungen aufzuweisen haben, von 6,2 % auf 10,9 % in dem Untersuchungszeitraum von 2 Jahren gestiegen. Eine ähnliche Steigerung ist nur bei den 30-44jährigen zu beobachten

Mediale Rekordsucht

Nicht nur die Sportler streiten um Medaillen. Wie bei allen Olympischen Spielen der Vergangenheit versuchen auch die Berichterstatter über die Spiele sich gegenseitig zu überbieten. Australien hat dabei einiges zu bieten.

Die Fernsehübertragungen aus Sydney werden die besten sein, die jemals angeboten wurden. Kameras werden überall platziert sein, und einige Nationen haben die Wahl zwischen 3 Kanälen, wobei eine Non-stop Olympia Berichterstattung angeboten wird. Daneben gibt es aber noch eine andere Revolution, die nicht so häufig „besungen“ wird, da sie lediglich die Presse betrifft. Ein Team von New Limited hat eine Weltpremiere aufzuweisen mit einer Technologie, die es möglich macht, dass vier Ausgaben einer 32-seitigen Sondertageszeitung zentral herausgegeben werden. Sie wird digital in Australien an 7 Orte übermittelt und wird dort jeweils auch lokalen und regionalen Interessen genügen.

Ab dem 15. September bis zur Abschlussfeier wird diese Zeitschrift, die sich „The Olympian“ nennt, täglich erscheinen. Sie wird im Daily Telegraph in Neusüdwales, im Herald Sun in Victoria, im Courrier Mail in Queensland, im Advertiser in South Australia, im Mercury in Tasmania und in den Northern Territory News eine ständige Beilage sein. Sie wird auch in der Sunday Times in Perth erscheinen. Die tägliche Ausgabe wird in einer Auflage von 1,5 Mio. erscheinen. Die Sonntagausgabe wird den Gipfel von 2,7 Mio erreichen, sodass insgesamt 12 Mio Kopien pro Woche ausgeliefert werden. Dies alles ist möglich mit einem Web-Server, der fünf TB an Informationen aufweist (5 Mio Megabites) und damit die Reichweite von 100.000 Laptops übersteigt.

Albert Leblanc aus Kanada

Nur wenige Athleten erreichen, wenn sie sehr erfolgreich sind, eine dreimalige Teilnahme bei Olympischen Spielen. Noch weniger haben es viermal geschafft. Albert Leblanc ist zum 10. Mal bei Olympischen Spielen dabei. Er hat dabei noch nie eine Eintrittskarte gekauft, auch nicht für seine Übernachtungen wollte er bezahlen. Er ist auch nicht IOC-Mitglied, sondern er liebt nur die Herausforderung. Herr Leblanc, in Québec in Kanada lebend, ist mit seinem Fahrrad nach Sydney gekommen, und er ist sich sicher, dass er einmal mehr Schlagzeilen macht. Zum 10. Mal besucht er Olympische Spiele und immer ist es ihm gelungen, Menschen zu finden, die ihm eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten und ihm sein Essen finanziert haben.

Mittlerweile ist er in unserer Mediengesellschaft natürlich auch zu einem Medienstar geworden. Eine kanadische Fernsehstation hat ihm Tickets für die Opening und Closing Ceremony angeboten. Und frech, wie er ist, antwortet er dem australischen Reporter auf dessen Frage, wie er denn dies nun alles meistere: „In a way I am testing the hospitality of the Australian people“. Auf seinem Fahrrad ist zu lesen, dass die Welt das Museum Gottes ist.

Ambush Marketing

Schmarotzer gibt es nicht nur in der Flora und Fauna des südamerikanischen oder afrikanischen Regenwaldes. Sie sind immer häufiger auch bei Olympischen Spielen anzutreffen. Gemeint sind aus der Sicht von Marketingexperten dabei jene Firmen, die von dem medialen Wert der Olympischen Spiele profitieren, ohne für ihre mediale Präsenz die entsprechenden Gegenleistungen zu erbringen.

Den Weltmeistertitel im „Ambush Marketing“ hat aus australischer Sicht „Quantas“, die weltweit bekannte australische Fluglinie, gewinnen können. 38% kennen Qantas bei einem entsprechenden „recall test“, doch Qantas hatte nicht den Status eines offiziellen olympischen Sponsors. Die australische Fluggesellschaft schaltete eine gezielte Werbekampagne mit Bezug zu den Spielen. Ein Beispiel war die Werbung mit einem Foto der australischen Läuferin Cathy Freeman und dem Slogan „Sydney 2000, Olympic Games and the New Millennium.“

Ein asiatischer Konkurrent ist wohl der offizielle olympische Sponsor, doch er erreicht nur einen Wert von 34%. Nicht anders geht es Telstra und Ansett Australia, die gerade mal 24% als offizielle Sponsoren aufweisen. Für den Titel offizieller Sponsor musste sehr viel Geld aufgewendet werden. Die Commonwealth Bank ist hingegen nicht Sponsor und kann immerhin auf einen 22%igen recall-Wert verweisen. Die Rangliste der offiziellen Sponsoren wird von McDonalds angeführt. Immerhin erinnern sich 57% daran, dass McDonalds offizieller olympischer Sponsor ist. Coca-Cola kann einen Erinnerungswert von 52% erreichen, hingegen müssen IBM und das amerikanische Unternehmen Holden unzufrieden sein. IBM ist nur mit 15% vertreten, Holden kann kaum etwas mehr aufweisen.

Premium Tickets

Die Eintrittskarten für die sogenannten A-Class Tickets für Turnen, Wasserball, Fußball und Beach-Volleyball sind sehr begehrt. 455 australische Dollar kosten sie, und sie werden verkauft wie warme Semmeln. Die Einstellung zu den Olympischen Spielen, das zeigt sich in den Verkaufsstatistiken, ist in der australischen Bevölkerung zunehmend positiver geworden. Die Untersuchungen weisen Queensland als jenen Bundesstaat auf, der am positivsten über die Olympischen Spiele denkt. Immerhin 86% der Sydney-Sider wollen in ihrer Stadt bleiben. Allerdings scheinen sich dabei die reichen von den armen Stadtbewohnern zu unterscheiden. Die reichen Bürger Sydneys möchten lieber die Stadt verlassen, und davon will allein die Hälfte „overseas“ reisen. Vor allem die Reichen sollen es auch sein, die ihre Häuser zu teuren Preisen weitervermieten, und manche sprechen hier von einer Preistreiberei, die an Unverschämtheit nicht zu überbieten ist. Vermögen sind in Australien ganz offensichtlich ähnlich ungleich verteilt, wie dies auch in den meisten Ländern der westlichen Welt angetroffen werden kann.

Weltrekord in Sydney Harbour

Bei den Olympischen Spielen darf aus der Sicht des Gastgebers jeder etwas Besonderes sein und jeder originelle Beitrag zum Gelingen der Spiele ist erwünscht.

Einen ganz eigenen Weltrekord hat der Hafen von Sydney geplant.

Das Feuerwerk, das aus Anlass der Abschlussfeier der Olympischen Spiele stattfinden wird, wird 8000 Boote im Hafen von Sydney versammeln. Dies ist nach Aussage der Wasserpolizei ein Weltrekord, der seinesgleichen sucht. Allenfalls New York wird vergleichbare Chancen haben, doch dort hat es vielleicht einmal 500 oder 600 große Schiffe gegeben, aber nirgendwo auf der Welt wird es 8000 kleine Boote geben, die sich zu solch einem Anlass versammeln. Dies ist natürlich nicht ganz ungefährlich, denn in Australien wird viel getrunken, und jedes Boot wirft seinen Anker, und mancher Anker wird sich mit dem Anker des Nachbarbootes ohne böse Absicht „verbrüdern“. Auch darauf ist man vorbereitet, denn immerhin hat es ein vergleichbares Ereignis in Sydney bereits gegeben. Aus Anlass der Jahrtausendfeier vor wenigen Monaten wurden 6000 Boote gezählt und dies soll nun, so wie es bei einem Weltrekordversuch üblich ist, noch einmal übertroffen werden.

Arm und Reich

Chancengleichheit ist einer der erstrebenswertesten olympischen Werte. Doch längst wissen es alle: die Chancen sind auch bei Olympischen Wettkämpfen ungleich verteilt. Reiche Nationen dominieren über arme. Das jeweilige Bruttosozialprodukt entscheidet mit über Sieg und Niederlage. Nirgendwo wird dies so deutlich, wie bei den Vorbereitungen auf Olympia. In diesen Tagen ist das Nationalteam der Radfahrer aus Litauen in Queensland angekommen. Sie werden bei den Rennen auf der Grundlage der gleichen Regeln ihre Wettkämpfe mit ihren Gegnern austragen. Vergleicht man ihre Bedingungen mit denen der Engländer, die in der gleichen Stadt ihre Vorbereitungen durchführen, so kann man jedoch den Unterschied zwischen arm und reich auf deutliche Weise erkennen. Die litauischen Athleten befinden sich wohl in der Weltrangliste unter den besten 10 Nationen. Dennoch haben sie sich in einem kleinen Motel in Mainly West in Brisbane einen Raum zu dritt zu teilen. Es ist eine 77 $ per night Absteige. Jeden Morgen besorgen sie sich ihr Frühstück und nach dem Frühstück fahren sie selbst mit einem Mietwagen zum Training nach „Chandler“. Das Lunch findet in einem Shopping Centre statt und ihre Fahrräder mussten sie selbst im Flugzeug als Begleitgepäck transportieren. Ganz anders geht es bei den Engländern zu: sie wohnen im Radisson Resort, einem Viersternehotel, ihnen wird ein Menü serviert, bei dem jeder Wunsch der Athleten erfüllt wird, alles überprüft vom Chef des Radisson Hotels und von einem englischen Ernährungswissenschaftler.

Natürlich werden sie zu ihren Trainingseinheiten mit einem eigenen Bus chauffiert. Sie werden begleitet von einem Team von Ärzten, Physiotherapeuten und weiterem Hilfspersonal. Der Transport der Fahrräder war selbstverständlich eine Angelegenheit, die mit staatlicher Unterstützung erfolgte. Eines haben die Athleten aus Litauen jedoch den Engländern voraus, sie kommen direkt mit den Bürgern von Brisbane in Kontakt und können deren Gastfreundschaft genießen. Und abgeschrieben sollten diese Athleten ebenfalls nicht werden. Sie haben durchaus ihre Chancen.

Die „Aussies“

Über „Aussies“ wurde viel geschrieben und manches Vorurteil ist wohl auch kaum aus der Welt zu schaffen. In jedem Reiseführer wird immer darauf hingewiesen, dass die Aussies doch meist nur eines im Sinn haben, nämlich den Sport. Ist dies ein Vorurteil?

Gewiss. Auch „Aussies“ sind an Wissenschaft, Bildung, Kunst, Literatur und Musik interessiert. Und lokale Politik spielt allenthalben eine Rolle. Dies wird vor allem in den Nachrichten ebenso wie in der Presseberichterstattung deutlich. Man ist auf seinen eigenen Kontinent orientiert. Wer will dies den Aussies übelnehmen. Was wissen die Europäer schon von Australien, warum sollen Aussies mehr von Europa wissen als wir umgekehrt von ihnen? Doch der Sport spielt in der Tat eine ganz besondere Rolle. Dies wird allenthalben deutlich. Im Fernsehen zeigt es sich, wenn man die Wochenprogramme genauer analysiert. Jeder Sender weist sich durch umfangreiche Sportsendungen aus, und zwei Sender zeigen ständig Sport. Rugby und Football stehen dabei im Mittelpunkt, aber auch Autorennen, Motorradrennen, Tennis und Schwimmen können hohe Aufmerksamkeit erreichen. Das Wetten auf Pferde, aber auch auf Hunde, spielt in der Berichterstattung eine wichtige Rolle. Die TV-Programme und deren Einschaltquoten verraten also einiges über die Aussies, so wie dies auch in Deutschland der Fall ist. Die Bürgerinnen und Bürger Australiens sind vor allem an Fernsehserien interessiert, Fernsehserien mit Klamauk und viel Spaß sind sehr beliebt. Aber auch Zeitschriften zur Gartenarbeit sind en vogue.

„Sucking on the Chardonay“

Australien, das ist immer wieder zu erkennen, ist eine offene Gesellschaft, mit Kritik hält man nicht hinter dem Berg. Graham Richardson, ein australischer Gewerkschaftsfunktionär hat entsprechende Signale gesetzt. Er hat alle Politiker vor dem „Sucking on the Chardonnay“ gewarnt, womit er meint, dass die Politiker vorsichtig sein sollten, wenn sie in ihren Suiten während der Olympischen Spiele „Sucking on the Chardonnay“ betreiben. Damit hat er ein heikles Thema auf die Tagesordnung gebracht. Welche Gastfreundschaft ist sinnvoll und erwünscht, was können Gäste akzeptieren? Wann und wo sollten sie bestimmten Prinzipien folgen? Deswegen hat selbst Premierminister John Howard in diese Diskussion eingegriffen und seinen Ministern empfohlen, Einladungen mit kostenlosen Reisen und Unterbringung zu den Olympischen Spielen nicht zu akzeptieren. Lediglich die Annahme von freien Eintrittskarten sei erlaubt. Richardson, der während der Spiele auch der Bürgermeister des Olympischen Dorfes ist, meint hierzu, dass er dies wohl akzeptieren müsse, doch wirft er die Frage auf, was wohl passieren würde, wenn das gesamte Parlament bei der Eröffnungsfeier anwesend ist und in der großen Suite am Chardonnay nippt und danach zum Fünfsternehotel nach Downtown Sydney fährt. Für ihn sei dies dann eine öffentliche Beleidigung.

Sport und Religion

Einmal mehr werden auch in Sydney israelische Athleten für Schlagzeilen sorgen. Wird Israel seinen Athleten die Teilnahme bei der Abschlussfeier verbieten, weil diese auf den Heiligen Tag von Rosch Ha-Schana, dem jüdischen neuen Jahr fallen wird? Werden die israelischen Athleten einen Tag zuvor, dem ersten Tag der beiden heiligen Tage an den Wettkämpfen teilnehmen dürfen? Dabei geht es um echte Medaillenchancen, die israelische Athletinnen und Athleten vor allem im Kajak und im Stabhochsprung haben. Schon in der Vergangenheit mussten jüdische Athleten auf Wettkämpfe verzichten. Jom Kippur, der Fastentag, und Rosh Harshana und die zwei Erinnerungstage für die Opfer des Holocausts haben eine derart dominante Bedeutung, dass Israels Minister für Wissenschaft, Kultur und Sport, Shuki Dekel, die Auffassung vertritt, dass man an solchen Feiertagen die Religion über den Sport zu setzen hat. Das olympische Komitee Israels ist da allerdings etwas anderer Auffassung. Sie möchte ihren Athletinnen und Athleten die einmalige Chance zur Teilnahme an den olympischen Wettkämpfen nicht nehmen. Ephraim Finger meint, dass die Teilnahme deshalb zu akzeptieren sei, weil es sich um eine internationale Veranstaltung handele, auf die die gesamte Menschheit blickt. Aber Cephulon Orlef, ein Mitglied der nationalen religiösen Partei ist hier ganz anderer Auffassung. Er meint, dass man aus erzieherischen und aus kulturellen Gründen keine Ausnahme machen darf. Es ist jedoch nicht nur die jüdische Religion, die dann das aktive Ausüben von Sport an bestimmten Tagen in der Woche verbietet. Auch in den christlichen Religionen gibt es das Gebot der Sonntagsheiligung und so waren über mehr als ein Jahrhundert Sportveranstaltungen, insbesondere am Sonntagvormittag, verboten. Säkularisierungsprozesse sind mittlerweile jedoch weltweit zu beobachten. Sie haben den Sport zu einem Freizeit- und Unterhaltungsphänomen werden lassen, auf den die große Mehrheit sieben Tage in der Woche nicht verzichten möchte.

Volkssport Schwimmen

Ohne Zweifel sind Rugby und Football, aber auch Pferderennen echte Volkssportarten in Australien. Bei den olympischen Disziplinen kann dieses Qualitätsmerkmal vor allem das Schwimmen aufweisen. Ehemalige Olympiasieger des Schwimmens sind glitzernde Persönlichkeiten in Australien. Es kann deshalb kaum überraschen, dass das Schwimmen die höchste Aufmerksamkeit bei den Olympischen Spielen in Australien erreichen kann. Vieles ist dabei in diesen Tagen über das australische Schwimmen geschrieben worden. Talbot ist der Chefcoach der australischen Schwimmnationalmannschaft. Manches „kleine Geheimnis“ wurde von ihm gegenüber der Öffentlichkeit gelüftet. Es zeigte sich dabei, dass in mancher Weise auch Schwimmen unterhaltsam ist. Man konnte z.B. lesen, dass Ian Thorps, das große Schwimmidol Australiens, im Trainingslager und später dann auch im Olympischen Dorf das Zimmer mit Michael Klim teilen wird. Susy O Neil hingegen teilt ihr Zimmer gemeinsam mit Elly Oberton. Im Trainingslager beginnt der Tag mit einem gemeinsamen Frühstück. Danach dauert die erste Trainingseinheit bis 10.30 Uhr. Ab 11.00 Uhr hat man Gewichte gehoben, im Bus werden Früchte, Joghurt und Gesundheitsriegel den Athleten angeboten. Ab 14.00 Uhr ist Mittagsruhe, um 15.30 Uhr beginnt das Nachmittagsschwimmen, das mit einem Dinner belohnt wird, indem ausreichend Pasta zur Verfügung steht. 17.30 findet die Mannschaftsbesprechung statt, aber auch Einzelgespräche werden durchgeführt. Ab 20.00 Uhr werden Spiele angeboten, um 21.00 Uhr ist Bettruhe. Die Antwort auf die Frage, wie man sich als Schwimmer am besten die Haare rasiert, ist ebenfalls eine Nachricht wert. „Shaving“, so nennt man dies, ist offensichtlich eine unverzichtbare Bedingung für Olympische Höchstleistungen. Der Grund ist einfach: Es geht dabei um die höchst möglich erreichbare Geschwindigkeit des männlichen Schwimmers.

Michael George Klim erklärt es: „Je weniger Haare man auf dem Körper hat, desto schneller schwimmt man im Wasser“. Selbst mit seinem neuen „Fast Skin Suit“ wird sich Michael Climm vor den Wettkämpfen in Sydney einer Totalrasur unterwerfen. „Shaving“ ist eine Erfindung des australischen Schwimmsports. J. Hendrix war es, der im 100-m-Freistil die Goldmedaille gewonnen hatte. Er folgte einer Empfehlung seines Vaters, der selbst an Rennbootwettbewerben teilgenommen hatte. Da dieser vor jedem Rennen sein Boot polierte, meinte er, dass sein Sohn dasselbe mit seinem Körper tun solle. Hendrix folgte dieser Idee, seitdem scheint „Shaving“ eine Wunderdroge des Schwimmens zu sein, wie das Haarwaschmittel „Doping für die Haare“ von Alpecin für Glatzköpfige.

Olympisches Praktikum

Olympische Spiele können auf vielfältige Weise nützlich sein. Am offensichtlichsten ist es, wenn mit ihnen Geld verdient wird. Nicht zuletzt deshalb stoßen die olympischen Spiele bei den Medien und bei den Sponsoren auf größtes Interesse. Bei den Olympischen Spielen können aber auch wichtige Erfahrungen gemacht werden. Manches kann von den Beteiligten dabei ge- und erlernt werden. Dies gilt für Athleten, Trainer und Funktionäre gleichermaßen. Von den Olympischen Spielen in Sydney werden aber auch 600 Studenten aus Universitäten Neusüdwales profitieren, denn sie sind Teil der größten Fernsehshow der Welt, die jemals stattgefunden hat. Studenten arbeiten für die olympischen Fernsehsender aus aller Welt und haben dabei die Aufgabe, als sogenannte „Liaison-Assistants“ mit Kommentatoren-Teams, mit internationalen Medien, mit Redakteuren, Kamera-Teams, Ton-Assistenten und sonstigen Experten zusammenzuarbeiten. Die meisten der sogenannten „Interns“ haben die Studiengänge „Kommunikation“, „Multimedia“, „Publizistik“ oder „Journalismus“ an ihren Universitäten gewählt. Einige kommen auch aus sportökonomischen Studiengängen. Aber auch Studenten der Theaterwissenschaften, Designstudenten und Studenten der Elektrotechnik sind unter den „Interns“ anzutreffen. Die Einbindung von Studenten in die Olympische Fernsehproduktion hat seit 1992 in Barcelona eine Tradition. Nicht jeder Student, der an diesem Programm teilnehmen wollte, wurde dabei akzeptiert. Sie wurden nach einer Reihe von Trainingsworkshops und Einzelinterviews gezielt ausgewählt und dann noch in einer Sondermaßnahme so vorbereitet, dass man möglichst sicher sein kann, dass sie auch von ihrer Tätigkeit bei den Olympischen Spielen für ihr Studium profitieren werden. Die Multimediaindustrie hat sich dabei als äußerst kooperativ erwiesen. Sie eröffnet den Studenten wertvolle Erfahrungen, die für ihre zukünftigen Arbeitsmöglichkeiten sehr bedeutsam sein werden.

Familienereignis: 800 m Frauen

Wer das 800-m-Finale der Frauen in Sydney gewinnen wird, ist eine offene Frage. Aus deutscher Sicht wäre es eine Sensation, wenn Claudia Gesell das Finale erreichen könnte. Favoritin könnte Maria Mutola aus Mozambique sein. Für Schlagzeilen wird jedoch auch das amerikanische Familienduell sorgen. Die drei Starterinnen aus den USA weisen eine einmalige familiäre Beziehung auf. Eine davon hat etwas ganz Besonderes vollbracht. J. Clark-Dix hatte zwei Autounfälle, ist 38 Jahre alt und konnte sich dennoch bei den US-Trials für Sydney qualifizieren. Im September 1998 war Clark-Dix mit ihrem Auto bei einem schweren Unfall mit einem amerikanischen Truck zusammengestoßen. Eine Rückenverletzung und mehrere Muskelrisse waren die Folge. 9 Monate später holte sie das Pech erneut ein. Ein weiterer Autounfall verhinderte ihre Teilnahme an den Trials für die Leichtathletik Weltmeisterschaft in Sevilla 1999. Sie hat aber nicht aufgegeben und bei den Trials 2000 hat sie es geschafft. Sie wird damit am gleichen Wettkampf teilnehmen wie ihre jüngere Schwester Hazel und ihre Schwägerin J. Miles-Clark. Alle drei Frauen werden von JJ Clark trainiert. Naheliegend, dass auch er Teil der Familie ist. Er ist der Gatte von Miles-Clark, der Bruder von Joetta und Hazel.

Schlussbemerkungen

Meine Erinnerungen an Sidney 2000 lassen mich mit einer gewissen Wehmut zurück. Zum einen ärgere ich mich, dass ich bei allen Spielen danach nicht in vergleichbarer Weise die Gastgeber mit Tagebucheintragungen beehrt habe, wie dies bei den Spielen in Sydney der Fall war. Zum anderen fürchte ich, dass es mir nicht mehr vergönnt sein wird, die erfolgreiche Ausrichtung von Olympischen Spielen in Deutschland zu erleben da bereits heute zu erkennen ist, dass der DOSB sich des Weges nicht sicher ist, den er dafür zu gehen hat. Doch ein Trost bleibt dabei: Ganz gleich wo 2036, 2040 und 2044 die Spiele stattfinden – ob in Indien, im arabischen Raum, in einer europäischen Hauptstadt, in Afrika oder hoffentlich doch noch in Deutschland – die Spiele werden es wert sein, dass man über sie Tagebucheintragungen macht.

Letzte Bearbeitung: 14.10.2025

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird gelegentlich auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.

[2] Bei Interesse: Interessante, ältere Literatur zum Sport in Australien:

  • „The principal amusement of the Australians are outdoor sports of one kind or another.“

(R. Twopenny, 1883)

  • „In every city and town … are to be seen … children … and men … playing as if their life depended on their success.“ (W. F. Mossison, 1890)
  • „The love of sport is an abiding influence on the Australian character … In their leisure they play and play hard.“ (J. A. Allan, 1945)