Olympische Sommerspiele 2028 in Los Angeles – Dürfen diese Spiele dort stattfinden?

Helmut Digel

1936 – 2028: Einige Parallelen sind offensichtlich

 1936 fanden in Berlin die XI. Olympischen Sommerspiele statt. Spätestens bei der Eröffnungsfeier wurde dabei klar, dass sie später als die „Spiele in Nazi- Deutschland“ bezeichnet werden müssen, dass es die Spiele waren, bei denen die in der Olympischen Charta ausgewiesenen Werte des „Modernen Olympismus“ mit Füßen getreten wurden. Es waren Propagandaspiele zu Gunsten eines Diktators, der schon drei Jahre nach diesen Spielen den bislang folgenreichsten und fürchterlichsten Weltkrieg zu verantworten hatte, und bei dem zig Millionen unschuldige Menschen zu Tode kamen und geopfert wurden.

Die Gefahren, die mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele in Nazi- Deutschland verbunden gewesen sind, wurden schon frühzeitig von kritischen Zeitzeugen benannt. Der Faschismus und der damit einhergehende Rassismus der NSDAP hatte sich bereits in der Weimarer Republik abgezeichnet. In den Vereinigten Staaten gab es deshalb schon Jahre zuvor durchaus lautstarken Widerstand gegen die Durchführung der Spiele in Berlin und eine machtvolle Boykottbewegung. 1933 hätte das IOC durchaus noch die Möglichkeit gehabt, Berlin und Garmisch-Partenkirchen die Olympischen Spiele zu entziehen. 1935 war dies wohl kaum noch möglich, obwohl die „Nürnberger Gesetze“ (das „Reichsflaggengesetz“ und insbesondere das „Reichsbürgergesetz“ und das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“) das durchaus gerechtfertigt hätten. Die Olympische Charta sah hierzu allerdings keine Regel vor.

Der weit über die USA erkennbare Protest gegen die Spiele fand jedoch keine Unterstützung bei den führenden Persönlichkeiten der Olympischen Bewegung, die deshalb noch heute von Historikern und Politologen dafür kritisiert werden. Dies gilt gleichermaßen für den damaligen Präsidenten des IOC Henry de Baillet-Latour wie für seine Nachfolger J.Sigfrid Edström und Avery Brundage und leider auch für den französischen IOC- Gründer Pierre de Coubertin, der sich von den Nazis täuschen ließ.

Das „Stattfinden der Spiele“ ging ihnen über alles, selbst unter den Bedingungen einer blutigen Diktatur, begünstigt durch die eigene, extrem konservative Einstellung. Sie hassten einen „linken jüdischen Bolschewismus“ mehr als den deutschen Nationalsozialismus oder den Faschismus italienischer oder spanischer Ausprägung.

Wir schreiben heute das Jahr 2025 und 2028 sollen die Olympischen Spiele in Los Angeles stattfinden. Als die Entscheidung zu Gunsten von Los Angeles im IOC erfolgte, konnte man noch zu Recht die Vereinigten Staaten von Amerika als das Mutterland der Demokratie bezeichnen, obwohl in der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump schon erste Zweifel aufkamen. Doch damals hoffte man wohl, dass die Demokratische Partei stark genug sein würde, um die regelgerechte Ausrichtung der Spiele auf der Grundlage der Olympischen Charta zu garantieren.

Mit der erneuten Wahl des Republikaners Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 2024 haben sich die Verhältnisse in Bezug auf die Ausrichtung von Olympischen Spielen in Los Angeles radikal geändert.

Wer die ersten Monate seiner zweiten Amtszeit von innen und von außen beobachtet hat, dem wird die Frage geradezu aufgezwungen, ob es vom IOC verantwortet werden kann, dass Los Angeles im Jahr 2028 Gastgeber der nächsten Olympischen Spiele bleiben soll.

Dass sich dem IOC und allen Verantwortlichen in der Welt des Sports diese Frage stellen müsste, wird deutlich, wenn man die folgenden Beobachtungen eines vorzüglichen Kenners des Olympischen Weltsports, der schon seit langem in Los Angeles zu Hause ist, zur Kenntnis nimmt. Die Rede ist von Richelmann, der 1984 Pressechef der Spiele der XIII. Olympiade war. Seine aktuellen Beobachtungen und Erkenntnisse wurden in diesen Tagen in dem amerikanischen Magazin „The Sports Examiner“ veröffentlicht. Auszugsweise sollen diese Beobachtungen wiedergegeben werden:

LOS ANGELES IN AUFRUHR

Was ist mit Los Angeles passiert?

Karen Bass, eine Karriere-Abgeordnete der Demokraten in Kalifornien und im US-Repräsentantenhaus, wurde 2022 mit 55 zu 45 % gegen den milliardenschweren Bauunternehmer Rick Caruso zur Bürgermeisterin von Los Angeles gewählt, wobei der Schwerpunkt ihrer Wahlbotschaft und der mittlerweile erfolgten Politik auf der grassierenden Obdachlosigkeit in der ganzen Stadt lag und liegt.

Während das Problem der Obdachlosigkeit in den Griff zu bekommen war, wurde die Welt, in der Bass und Los Angeles leben, auf den Kopf gestellt:

  • November 2024: Der Republikaner Donald Trumphat die nationalen Präsidentschaftswahlen gewonnen und zusammen mit den republikanischen Mehrheiten im Kongress das „nationale politische Kalkül“ für Kalifornien und Los Angeles verändert. In beiden gibt es eine deutliche Mehrheit der demokratischen Wähler.
  • Januar 2025:Verheerende, vom Wind verwehte Waldbrände zerstörten zwischen dem 7. und 31. Januar einen Großteil des Palisades-Gebiets von Los Angeles und große Teile von Altadena, einer separaten Stadt nordöstlich der Innenstadt von L.A.
  • Mai 2025:Die finanziellen Schwierigkeiten der Stadt wurden hervorgehoben, mit einem prognostizierten Haushaltsdefizit von 1 Milliarde US-Dollar für das Haushaltsjahr 2025-26, das zu Hunderten von Entlassungen führen würde. Am 24. Juni erklärte der Stadtrat den „fiskalischen Notstand“, obwohl er ein Budget von 14,1 Milliarden US-Dollar genehmigt hatte, gegenüber 12,9 Milliarden US-Dollar für 2024-25.
  • Juni 2025:Eine Reihe von Razzien durch die US-Einwanderungs- und Zollbehörde führte zu Massendemonstrationen in der Innenstadt von Los Angeles und anderswo, die sich in Unruhen in der Innenstadt verwandelten, was zum Einsatz der kalifornischen Nationalgarde und sogar einer kleinen Anzahl von US-Marines durch die Trump-Regierung führte, um Bundeseigentum und ICE-Agenten (Immigration and Customs Enforcement) zu schützen. Zwischen dem 6. und 15. Juni nahm das Los Angeles Police Department 575 Verhaftungen vor, die meisten wegen Nichtzerstreuung und Plünderungen…

Nichts davon hatte direkte Auswirkungen auf die Arbeit des Organisationskomitees für die Olympischen und Paralympischen Spiele „LA 28“, das an der Planung beider Spiele arbeitete. Doch das Chaos rund um die Spiele ging weiter:

  • Am 14. Mai genehmigte der Stadtrat eine vierstufige, obligatorische Mindestlohnerhöhungfür Beschäftigte in Hotels innerhalb der Stadt mit 60 oder mehr Zimmern und für diejenigen, die am Los Angeles International Airport arbeiten, auf 22,50 US-Dollar pro Stunde im Juli 2025, 25,00 US-Dollar im Juli 2026, 27,50 US-Dollar im Juli 2027 und 30,00 US-Dollar im Juli 2028. Dies wurde als „Olympischer Lohn“ bezeichnet, da das Minimum von 30 US-Dollar nur zwei Wochen vor der Eröffnung der Olympischen Spiele 2028 installiert werden sollte. Dies wurde aber von Unternehmern heftig kritisiert und darauf hingewiesen, dass sich das lokale Tourismusgeschäft in LA noch nicht einmal auf das Niveau von vor der Pandemie erholt hat.
  • Am 27. Juni reichte eine Koalition aus Fluggesellschaften, Hotels, Tourismus und anderen Unternehmensgruppen mehr als 140.000 Unterschriften für eine Petition ein, um die Verordnung über den „Olympischen Lohn“ auf den Kommunalwahlzettel im Juni 2026 zu setzen. Insgesamt sind 92.998 gültige Unterschriften erforderlich und der Interims-Stadtschreiber von Los Angeles teilte mit:

„Infolge der Einreichung der Referendumspetition wird die Verordnung Nr. 188610 ausgesetzt und tritt nicht in Kraft, solange die Petition überprüft wird, um festzustellen, ob sie eine ausreichende Anzahl gültiger Wählerunterschriften enthält.“

Die Lohnerhöhung im Juli 2025 auf 27,50 US-Dollar fand also bis heute noch nicht statt. Gewerkschaftsgruppen bezeichneten die Unterschriftensammlung als ungültig und forderten, das Referendum zu verwerfen.

Aber die Verordnung könnte am 2. Juni 2026 zur Abstimmung kommen, was einen hässlichen Showdown zwischen Gewerkschaften und Unternehmen verspricht, und zwar im selben Wahlgang, in dem die Vorwahlen für das Bürgermeisteramt stattfinden werden. Bass ist bereits eine erklärte Kandidatin; Caruso könnte auch wieder kandidieren, hat sich aber noch nicht verpflichtet.

Zu allem Überfluss heizt die Bundesregierung in Los Angeles die ohnehin bereits vergiftete Atmosphäre noch an:

Am 26. Juni schickte US-Verkehrsminister Sean Duffy einen scharfen Brief an Bass bezüglich der ICE-Proteste und Unruhen, bei denen die Menschen keinen Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln hatten, da die Bahnhöfe aufgrund der Gewalt geschlossen wurden. Enthalten in diesem Schreiben war Folgendes:

„Die schwache Führung, die Sie in diesen kritischen Zeiten gezeigt haben, weckt kein Vertrauen in Ihre Fähigkeit, eine der größten Städte des Landes zu vertreten, da sie Gastgeber eines der größten Ereignisse der Welt sind, der FIFA- Fußball-Weltmeisterschaft 2026 und der Olympischen Sommerspiele 2028, zu denen Millionen aus der ganzen Welt in Los Angeles erwartet werden. Aufgrund Ihrer langsamen Maßnahmen zur Niederschlagung der Unruhen ist das Verkehrsministerium zutiefst besorgt über Ihre Fähigkeit, die Sicherheit der Pendler zu gewährleisten und die für die Spiele in LA erforderliche Transportlogistik zu bewältigen.“

Am Montag schaltete sich das US-Justizministerium ein:

„Heute hat das Justizministerium eine Klage gegen die Stadt Los Angeles, Kalifornien, die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, und den Stadtrat von Los Angeles wegen der Politik eingereicht, die Los Angeles kurz nach der Wiederwahl von Präsident Donald J. Trump erlassen hat, um die Durchsetzung der Einwanderungsgesetze durch die Bundesregierung zu beeinträchtigen.

„Nicht nur, dass die ‚Sanctuary City‘-Politik von Los Angeles nach Bundesrecht illegal ist, sondern, wie in der Klage behauptet, hat die Weigerung von Los Angeles, mit den Einwanderungsbehörden des Bundes zusammenzuarbeiten, zu der jüngsten Gesetzlosigkeit, den Ausschreitungen, Plünderungen und dem Vandalismus beigetragen, die so schwerwiegend waren, dass die Bundesregierung die kalifornische Nationalgarde und die US-Marines einsetzen musste, um das Chaos zu unterdrücken.“

Dies folgte allerdings auf ähnliche Aktionen gegen „Zufluchtsgesetze“ in New York und New Jersey und hat überhaupt nichts mit den Spielen 2028 zu tun. Und keine dieser Aktionen, Katastrophen, Klagen und mehr wäre für The Sports Examiner berichtenswert, wenn sie nicht in der olympischen Gastgeberstadt für die Spiele der XXXIV. Olympiade im Jahr 2028 stattfinden würden.

Aber sie finden genau dort und in diesen Tagen statt.

Die neue Präsidentin des Internationalen Olympischen Komitees, Kirsty Coventry (ZIM), wurde letzte Woche auf ihrer Pressekonferenz zur Situation in L.A. befragt und verwies auf das Engagement, das das IOC wiederholt von allen Regierungsebenen für den Erfolg der Spiele erhalten hat.

Ist dies ausreichend?  Wohin geht das alles?

Als jemand, der die meiste Zeit seines Lebens in Los Angeles verbracht hat, waren die Turbulenzen des letzten Jahrzehnts und insbesondere der Schaden, den die hart auferlegten Bedingungen der Covid-19-Pandemie verursacht haben, deprimierend.

Es ist jetzt klar, dass die Trump-Regierung Kalifornien – und Los Angeles – zu einem ihrer Hauptziele rechtlicher und politischer Initiativen gemacht hat, und dies wird sich im Laufe der Zeit fortsetzen. In diesem Sinne sind die Spiele 2028 wohl noch ziemlich weit entfernt. Doch der Secret Service ist in Abstimmung mit den örtlichen Strafverfolgungsbehörden bereits an der langfristigen Sicherheitsplanung für die Veranstaltung beteiligt.

Aber der Duffy-Brief muss als ein Hinweis gesehen werden, dass Bereiche der Spiele, die in die Zuständigkeit der öffentlichen Behörden fallen, besser von der Bundesregierung geplant, verwaltet, koordiniert oder sogar gehandhabt werden könnten und nicht von denen, die eigentlich gemäß der Vergabe- und Durchführungsregeln des IOC in Südkalifornien dafür zuständig sind.

Doch niemand sagt noch etwas.

Da Trump selbst gesagt hat, dass die Bundesregierung alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um den Erfolg der Spiele 2028 zu gewährleisten, wäre es unklug, daran zu zweifeln, dass ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen eingebracht werden … aber auf eine Art und Weise und zu einer Zeit, die die Trump-Regierung wählt.

Die Organisatoren von LA 28 sind derzeit davon noch nicht direkt betroffen; aber sie werden es spätestens im Jahr 2027 sein, denn Wirtschaft, Arbeiter, die City und die Trump-Regierung geraten weiterhin in Konflikt, ohne dass ein Ende in Sicht ist.

Wie sagte Ingenieur Montgomery Scott in Star Trek IV: „Die Heimreise“ zu Dr. Gillian Taylor: „Halte dich fest, Lassie. Von hier aus wird es holprig.“

Schlussfolgerungen

Heute sehen wir nahezu täglich in unseren deutschen Massenmedien Bilder aus Los Angeles wie Menschen von vermummten Sicherheitsleuten auf offener Straße wie tollwütige Hunde eingesammelt werden. Trump brüstet sich genüsslich vor der Kamera, dass diese „bösen Menschen“, die angeblich keine Arbeitsgenehmigung haben, in KZ ähnlichen Lagern in Florida zwischen Sümpfen und Krokodilen eingekerkert sind, damit er sie danach – oftmals getrennt von ihren Kindern – nach irgendwohin deportieren kann. Trumps politischer und kultureller „Bildersturm“ nimmt bereits ein Ausmaß an, das in vielerlei Hinsicht an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern muss.

Die Wissenschaftsfeindlichkeit hat unter Trump in den Vereinigten Staaten ein Ausmaß erreicht, das die gesamte „scientific community“ überall in der Welt betrifft. Die Freiheit von Lehre und Forschung ist an immer mehr Hochschulen in den Vereinigten Staaten gefährdet. Das propagierte Gesellschaftsmodell seiner mit ihm befreundeten Hightech Milliardäre stellt alle bislang existierenden Menschenbilder infrage und lässt für die Werte des moderne Olympismus keinen Raum. Trump maßt sich an, die Frage wer an Olympischen Spielen in Los Angeles teilnehmen darf, nur von ihm selbst entschieden werden kann. Allein schon deshalb stellt sich uns die Frage, ob das IOC gut beraten war, als es die Spiele 2017 erneut an Los Angeles vergeben hat. Immerhin muss dabei darauf hingewiesen werden, dass bereits zu diesem Zeitpunkt, die Vereinigten Staaten von einem Narzissten namens Trump regiert wurde, der sein politisches Handeln als ein launisches Spiel, als ein Teil der amerikanischen Unterhaltungsindustrie inszenierte.

Angesichts der ersten Amtszeit von Trump und vor allem mit Blick auf seine zweite Amtszeit muss meines Erachtens die Frage ernsthaft diskutiert werden, ob die Spiele wirklich beim Gastgeber Los Angeles bleiben können, da die Gefahr besteht, dass Trump ähnlich wie Hitler die Spiele für seine Selbstdarstellung nutzt. Wenn dadurch lgelich dessn  Narzismus befriedigt wird, so kann man darüber schmunzeln. Es könnte jedoch sein, dass dieser Narzismus auf dem Rücken der Athleteninen und Athleten ausgetragen wird, die sich für die Spiele qualifiziert haben und unter Missachtung der Olympischen Charta erfolgt. Einige Länder meint Trump bereits heute von einer Einreise in die USA zu den Olympischen Spielen ausschließen zu müssen. Hinzukommt das geldgierige Spiel des Trump- Clans, das Perelman in seinen Beobachtungen über Los Angeles beschreibt. Die Olympischen Spiele sind für Trump sowie die gesamte Trumpsche Politik lediglich ein „Deal“, bei dem es aus ökonomischer Sicht Gewinner und Verlierer geben muss.

Perelman weist ebenfalls daraufhin, dass die Verantwortlichen in den Sportorganisationen der Vereinigten Staaten derzeit alle hierzu nur noch schweigen und dass man davon ausgehen muss, dass das IOC selbst 2028 in Los Angeles sportpolitisch nichts zu sagen hat. Die politische Inanspruchnahme der Spiele 1984 in Los Angeles durch die republikanische Regierung war hierzu vergleichsweise harmlos. Damals war Reagan auch nicht bereit, Sicherheitsgarantien abzugeben. Dies war schließlich den Sowjets – neben 18 weiteren Länder – zu viel an Provokation und bot ihnen die Gelegenheit zu einer Retourkutsche zu dem Boykott der Spiele 1980 in Moskau durch die USA und 48 weiteren NOKs. Am Ende konnten die Spiele noch einigermaßen sicher als „Boykottspiele“ über die Bühne gehen, die jedoch einen erheblichen sportlichen Qualitätsverlust in Kauf nehmen mussten.

Aus der Sicht von heute ist selbst diese Sicherheit, die das IOC für die Durchführung seiner Spiele in L.A. erwarten muss, nicht gegeben. Vielmehr ist es höchste Zeit, dass das IOC die mit der Vergabe der Spiele verbundenen Probleme beim Namen nennt.

Boykott vielleicht – Proteste ganz sicher

In meinen mehr als 60 Jahren, in denen ich mich mit den sportpolitischen Problemen des Weltsports direkt und indirekt auseinandergesetzt habe, war ich ein entschiedener Gegner jeglicher Boykottmaßnahmen in der Welt des Sports. Insbesondere deshalb, weil die Boykotte immer auf dem Rücken der Athletinnen und Athleten ausgetragen werden, die sich über Jahre auf diese sportlichen Höhepunkte vorbereitet haben und durch Boykotte nun darum betrogen werden.

Die derzeit erkennbare Analogie zu den Verhältnissen des Weltsports vor den Spielen 1936 legt mir jedoch zumindest nahe, darüber nachzudenken, ob es nicht doch Ausnahmesituationen gibt, in denen der Sportboykott das geeignete Instrument ist, wenn die übergeordnete staatliche Politik nicht in der Lage ist, bzw. es erst gar nicht will, die für das demokratische Gemeinwesen erkennbaren Gefahren abzuweisen. Zumindest scheint es mir angebracht zu sein, dass man über verschiedene Maßnahmen nachzudenken hat, um der Welt zu zeigen, dass man mit den derzeitigen Verhältnissen, die die Ausführung der nächsten Olympischen Spiele in Los Angeles 2028 begleiten, nicht einverstanden ist.

Es gibt mehrere Möglichkeiten des Protests. Dies gilt für die nationalen Sportorganisationen gleichermaßen wie für die internationalen und für das IOC. In der Olympischen Charta gibt es die Regeln 36.2 (Olympic Host Contract), die die Verantwortlichkeiten beschreibt und die es nicht ausschließt, einer Gastgeberstadt die Spiele auch wieder zu entziehen, wenn die Regeln eklatant verletzt werden. Das derzeit überall zu beobachtende Schweigen ist keine Option. Wer den Mund hält und wegschaut, macht sich mitschuldig!

Von einem mündigen Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland, das heute leider nur noch Teil des DOSB bzw. mit diesem nahezu identisch ist und dessen Ehrenmitglied ich noch immer bin, darf man erwarten, dass es eine Position in Bezug auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles bezieht und dabei die Olympische Charta in den Mittelpunkt seiner Handlungen stellt.

Es muss aber auch gefragt werden, wo die Stimmen der Medienschaffenden bleiben, die ansonsten bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit dabei sind, Anklagen zu formulieren.

Letzte Bearbeitung: 15. Juli 2025

Themenzuordnung: Olympische Spiele