von Helmut Digel
Vor etwas mehr als acht Jahren wurde „sport-nachgedacht.de“ (ehemals „sport-quergedacht.de“) aus einer gewissen Not heraus geboren. Wird ein Hochschullehrer¹ von heute auf morgen zu einem „Emeritus“, d.h. beendet er seine aktive Arbeit an einem wissenschaftlichen Institut einer Universität und wird zum Pensionär, so hat dies viele schöne Folgen. Doch manche Veränderung wird von den Betroffenen aber auch als eine schwierige Herausforderung erlebt. Als ich mich vor zehn Jahren im Alter von 70 Jahren für eine Beendigung meiner Tätigkeit als Direktor des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Tübingen und damit auch für eine Beendigung meiner Tätigkeit als beamteter Hochschullehrer entschieden habe, bedeutete dies vor allem, dass ich von heute auf morgen auf mich allein gestellt war. Die hilfreiche personelle Unterstützung und der ganze materielle und technische Apparat, der mir als Institutsdirektor und Universitätsprofessor zur Verfügung gestanden hat, war mit dieser Entscheidung nur noch eine schöne Erinnerung wert. Weder standen mir nun meine wissenschaftliche Assistentin und zahlreiche wissenschaftliche Hilfskräfte von morgens bis abends zur Seite noch gab es meine liebenswerte Sekretärin, die im wahrsten Sinne des Wortes immer an alles gedacht hat. Ich konnte niemand mehr zum Diktat rufen und ich konnte niemand mehr Korrekturlesen lassen. Ich konnte keine Aufträge mehr verteilen. Ich begegnete mir selbst viel mehr als „kommunikativer Analphabet“.
Hinzu kam, dass ich mich zum gleichen Zeitpunkt entschieden hatte, mich von allen internationalen Funktionen des Sports zu verabschieden, in die ich ehrenamtlich in mehreren Organisationen des Weltsports eingebunden war. Auch in ihnen konnte ich über Jahrzehnte auf einen personellen und materiellen Apparat zurückgreifen.
Für mich war somit „lernen“ angesagt. Nachhilfeunterricht hatte ich aufzusuchen und die Lehrer waren ehemalige Assistenten und Assistentinnen und vor allem meine beiden Söhne. Sie lehrten mich den Umgang mit einem Apple Computer. Sie zeigten mir, wie man mit dem Computer Texte verfassen kann, wie dieser mir bei der Korrekturarbeit behilflich sein kann und wie mein Apple Computer mir – wie ehemals meine Sekretärinnen – zum mündlichen Diktat bereitstehen kann. Seitdem entdecke ich diesen Computer nahezu täglich auf eine neue Weise und stelle immer wieder fest, wie hilflos ich mich auf dessen „Tastatur der Möglichkeiten“ bewege und wie wenig ich die digitalen Wunder, die mir mein Apple Computer bietet, nachvollziehen oder gar verstehen kann.
Meine Nachhilfelehrer eröffneten jedoch vor allem für mich als Emeritus einen Weg, meine kritischen Beobachtungen über die Entwicklung des modernen Sports fortzusetzen, so wie ich mich in den vier Jahrzehnten zuvor darum bemüht hatte. Meine Frau und unsere Söhne glaubten, dass sich ihr Vater dadurch hoffentlich noch etwas „jung halten“ könnte. Aus der Sicht von heute möchte ich ihnen gerne Recht geben.
Ein besonderes „Lebenselixier“ sollte dabei ein „online-Magazin“ werden, in dem ich mich wöchentlich mit Kommentaren, Analysen und Essays zu Wort melde.
Roman Knee, einer meiner treuen Tübinger Mitarbeiter, erschuf die technischen Grundlagen für mein neugeborenes Magazin „sport-quergedacht.de“, das mit seiner ersten Ausgabe im August 2016 erscheinen konnte.
Seitdem sind in „sport-quergedacht.de“ und nach der Umbenennung in „sport-nachgedacht.de“ 300 Essays, 160 wissenschaftliche Beiträge und mehr als 50 Gastbeiträge erschienen.
Dabei war es für mich ein Glücksfall, dass ein ehemaliger guter Bekannter, mit dem ich während meiner Hochschullehrertätigkeit an zwei hessischen Universitäten, der Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt und der Technischen Hochschule Darmstadt, in sehr angenehmer Weise über nahezu zwei Jahrzehnte habe zusammenarbeiten dürfen, sich mir gegenüber bereit erklärt hat, sich am Lektorat des Magazins ehrenamtlich zu beteiligen.
So wurde aus dem ehemaligen Chef des Sportreferates und stellvertretenden Leiter der Schulabteilung im Hessischen Kultusministerium ein Lektor im Ruhestand, der Woche für Woche vor dem Erscheinen der Beiträge und Essays diese ebenso wie jeden Gastbeitrag einem sorgfältigen Lektorat unterzogen hat und dies noch immer tut. Aus einer guten Bekanntschaft hat unsere Leidenschaft für den Sport längst eine treue Freundschaft werden lassen.
Nachdem das Magazin nahezu monatlich auf eine immer größere Resonanz gestoßen war, wurde ihm eine Galerie „Kunst und Sport“ hinzugefügt. Es wurde auch mit einer „Enzyklopädie des Sports“ begonnen. Das Magazin hat sehr schnell eine treue Leserschaft gefunden. Die vielen Rückmeldungen lassen darauf schließen, dass zu den Lesern vor allem Sportlehrer und Sportwissenschaftler gehören, dass das Magazin von Schülerinnen und Schülern höherer Gymnasialklassen gelesen wird und Studierende der Sportwissenschaft es bei ihren Examensarbeiten und Hausarbeiten gerne verwenden und daraus auch zitieren. Auch Journalisten gehören zum Leserkreis und nicht zuletzt gehören hierzu auch Sportfunktionäre, die allerdings nicht immer mit allen Beiträgen, in denen ihre Entscheidungen gelegentlich kritisch untersucht und beleuchtet werden, sehr glücklich sein konnten und können.
Aus der Sicht eines Hochschullehrer, der während seiner aktiven Zeit mehr als 20 Bücher veröffentlicht hat, in vielen Fachzeitschriften publizierte und dabei immer wieder die Erfahrung gemacht hat, dass mit sportwissenschaftlichen Analysen nur eine begrenzte Leserschaft zu erreichen ist – die Auflagen meiner Bücher haben in der Regel die Zahl 500 nicht überschreiten können – fällt mein Vergleich mit der Resonanz des „online Magazins“ geradezu positiv aus. Allein die Tatsache, dass mancher Beitrag mehrere 10.000 Aufrufe erreichen konnte, lässt sich aus meiner Sicht als ein besonderer Erfolg des Magazins bezeichnen.
Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Aufrufstatistiken wiedergeben, die für das Magazin berechnet wurden.
Für mich ist es erfreulich, dass sehr viele Themenbereiche, von denen ich selbst annehme, dass sie für die Entwicklung des modernen Sports von größter Relevanz sind, auch eine entsprechende Resonanz bei den Lesern gefunden haben. Dies gilt für die Frage der „Menschenrechte“ im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen gleichermaßen wie für die Fragen, die den „Schulsport“ betreffen. Auch scheint für viele es wichtig zu sein, sich dessen zu versichern, was man unter „Sport“ versteht und die beiden Beiträge zur „Bedeutung der Regeln im Sport“ können mit ihren vielen Aufrufen hierzu ein Zeugnis ablegen.
Erfreulich ist auch, dass von einem großen Interesse auszugehen ist, wenn eher nicht immer im Rampenlicht stehende Sportarten in ihrer jeweils besonderen Qualität beobachtet und analysiert werden.
Der weltweit anzutreffende „Dopingbetrug im Hochleistungssport“ ist von grundlegender Relevanz und die in dem Magazin veröffentlichten Beiträge zu diesem Thema haben ganz offensichtlich eine interessierte Leserschaft gefunden.
Dieses thematische Interesse spiegelt sich auch in den Gastbeiträgen wider. Der Beitrag „Neue körperliche Grundbildung: können und verstehen“ wurde allein 2169-mal aufgerufen. „Das Täter- Opfer- Syndrom beim Dopingbetrug“ nimm die zweite Stelle im Ranking der aufgerufenen Beiträge ein. Interessant ist auch, dass Walter Jens Beitrag „Auf den Tod eines Fußballspielers“ 1483 Aufrufe aufweisen kann.
Die Galerie “Kunst und Sport“ weist 7008 Besucher auf, wobei ganz offensichtlich die „Malerei“ das größte Interesse gefunden hat. Dass die Abteilung „Karikaturen“ an zweiter Stelle folgt, lässt erkennen, dass mit dem Magazin auch mancher Besucher zum Schmunzeln oder gar zum Lachen gebracht wurde. Die „Fotokunst“ hat ebenfalls ihre Betrachter gefunden. Gleiches gilt für die Abteilungen „Olympische Fackeln“, „olympische Plakate“, „Skulpturen“ und „Sportplakate“.
Leider wurden zwei Bereiche des Magazins nicht fortgeführt, obgleich sie auf ein großes Interesse gestoßen sind. Die „Enzyklopädie des Sports“ hat mit nahezu 3000 Aufrufen auf einen Bedarf aufmerksam gemacht, den die Organisationen des Sports und die Institutionen der Sportwissenschaft dringend befriedigen müssten. Auch die Tatsache, dass das „China Journal“ 1223-mal aufgerufen wurde, aber leider nach wenigen Jahren nicht weiter ergänzt werden konnte, macht deutlich, dass es durchaus ein Interesse gibt, sich mit fremden Sportkulturen etwas genauer auseinanderzusetzen.
Für den Herausgeber des Magazins und für den Autor von über 600 Essays und Beiträgen stellt sich nach dessen Überschreitung des achten Lebensjahrzehnts die Frage, wie lange das Magazin fortgeführt werden soll und ob die Ausrichtung des Magazins in der bestehenden Form auch zukünftig noch Sinn macht. Nach Rücksprache mit Freunden und nach familiärer Beratung bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass in den nächsten Jahren das Magazin nur noch in einem monatlichen Rhythmus weitergeführt werden kann. Es ist deshalb beabsichtigt, ab dem Jahr 2025 nur noch jeweils einen Essay oder Beitrag pro Monat zu veröffentlichen, wobei jedoch jederzeit in dem Zeitraum dazwischen Analysen und Essays erscheinen können, wenn sie in Inhalt und Form dem bisherigen Qualitätsstandard des Magazins genügen. Das Magazin soll in gewisser Weise noch etwas „offener“ werden als es bislang der Fall war, ohne dass es in Struktur und Form grundlegend verändert werden sollte. Die Besucher des Magazins sind eingeladen, ihre Meinung zum Magazin und/oder zu einzelnen Beiträgen und Essays per E-Mail an den Herausgeber zu übermitteln. Wer immer mit einem Gastbeitrag das Magazin bereichern möchte, ist hierzu herzlich eingeladen.
¹ Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.