Helmut Digel

Die Enteignung des Skilaufs – der „FIS-Weltcup“ als ästhetischer Sündenfall

Schon als Kind hat mich das Skifahren begeistert und auch in meinem neunten Lebensjahrzehnt hat der Genuss des alpinen Skisports und die Freude daran einen besonderen Platz in meinem Leben. Der schöne Winter 2024/25 und die in meiner Wohnnachbarschaft anzutreffenden Ski-Gebiete, – die Winkelmoos Alm, die Steinplatte, die Berge von Sankt Johann, die Kitzbüheler Berge – mit ihren außergewöhnlich gut präparierten technisch beschneiten Pisten haben mir in diesem Winter bereits mehr als 30 Skitage ermöglicht. Sie beginnen immer früh am Morgen, so dass ich bei meiner ersten Abfahrt oft noch ganz allein auf der Piste bin und enden bereits nach 2 Stunden. Denn immer dann, wenn zu viele Skifahrer[1] und Snowboarder auf der Piste sind, dann sollte man als Ü-80 Skifahrer um seine Sicherheit besorgt sein und zum Ende des Skitags eher eine schöne Alm aufsuchen, als dass man zu hohe Risiken auf der Piste eingeht. Eine Einkehr in eine der Almen, ein Cappuccino oder ein alkoholfreies Weißbier und vor allem der Tratsch und Klatsch mit Freunden, die einen begleiten, mit vielen Gleichaltrigen und Gleichgesinnten Skiläuferinnen und Skiläufern sind dann die beste Alternative, bevor man sich auf den Nachhauseweg macht, um nach dem Mittagessen seinen „hart verdienten“ Mittagsschlaf zu genießen.

Zu meiner Begeisterung für den Skilauf gehört auch mein Interesse am alpinen Rennsport und so bin ich, wann immer es zeitlich möglich ist, auch ein treuer Fernsehzuschauer von jedem FIS-Weltcuprennen der Frauen und der Männer. Ein Abfahrtslauf fasziniert mich dabei ebenso wie ein Super-G Rennen und ein Riesenslalom. Vor allem faszinieren mich die meist äußerst spannenden zweiten Läufe eines Slaloms.

Schon als Kind und als Jugendlicher hat mich die Ästhetik des alpinen Skilaufs fasziniert und in der nun über mehrere Jahrzehnte andauernden Karriere auf Skiern waren es früher vor allem die Parallelschwünge, das Scherumsteigen, der Jet-Schwung, die Adaptation einer Buckelpiste. Heute ist es das Carving und nicht zuletzt das „Wedeln“, wie man einst die an der Form eines Slaloms orientierte Bewegungsform nannte, die mir auf unberührten Schneefeldern unvergessliche Naturerlebnisse in den deutschen, schweizer, französischen und italienischen Alpen beschert haben. Als ich in meiner beruflichen Tätigkeit die Skiausbildung von zukünftigen Sportlehrern zu verantworten hatte, war es immer mein Ziel, den Studierenden diese besondere Ästhetik des Skilaufs erfahrbar zu machen, so dass sie selbst ihr „Oeuvre“, ihr „Kunstwerk im Schnee“ bewundern konnten. Die ästhetische Figuration des Slaloms ist für mich das Alleinstellungsmerkmal des Skisports, die ihn auch als ein besonderes Kulturgut auszeichnet. Für einen Skiläufer gibt es nicht schöneres als seine eigenen Schwunggirlanden in einem jungfräulichen Schneehang zu bewundern.

Mein Interesse am alpinen Skisport zeigte sich auch schon sehr früh bei Fernsehübertragungen von Weltcuprennen. Rennläufer wie Gustav Thöni, Toni Sailer, Karl Schranz, Willy Bogner, Luk Leitner waren in meiner Jugend meine „Skihelden“. Heute bin ich von den Leistungen einer Mikkaela Shiffrin, Sofia Goggia, Lindsey Vonn und Lena Dürr beeindruckt. In der Zeit dazwischen wüsste ich eine ganze Liste von herausragenden „Künstlern auf Skiern“ zu benennen, die mich mit ihrer Technik, ihrer Eleganz, ihrer Akrobatik, ihrem Mut und auch mit ihrer Fairness über Jahrzehnte begeistert haben. Es fallen mir Namen wie Rosie Mittermeier, Katja Seizinger, Marcel Hirscher, Pirmin Zurbrüggen, Franz Klammer, Bernhard Russi, Ingemar Stenmark und Alberto Tomba und viele andere mehr ein. In jungen Jahren haben mich die Olympischen Winterspiele in Innsbruck fasziniert. Später durfte ich sogar selbst bei den Spielen in Salt Lake City als Mitverantwortlicher für das deutsche Olympia Team anwesend sein.

Wenn ich auf meine Erfahrungen und Erlebnisse in acht Jahrzehnten zurückblicken soll, die mir der alpine Skisport ermöglichte, so muss ich eine große Dankbarkeit empfinden. Vieles, was für mich selbstverständlich war, ist heute infrage gestellt und die Beantwortung der Frage wie, von wem und wo zukünftig Skilaufen stattfinden wird, ist in diesen Tagen schwieriger denn je geworden. Der Klimawandel sollte von niemand geleugnet werden. Die Möglichkeiten zum Skilaufen werden zumindest in den europäischen Alpen zukünftig rückläufig sein. Jeder Schneesport und insbesondere das alpine Skilaufen setzt zukünftig enorme finanzielle Aufwendungen voraus, wird deshalb auch immer teurer werden und es besteht die Gefahr, dass diese schöne Sportart nur noch die Angelegenheit von einer vermögenden Minderheit sein kann.

Die Zukunft des alpinen Skilaufs muss neu gedacht werden. Die Sportart wird zukünftig grundlegend an eine technische Schneeproduktion gebunden sein, die jedoch in vieler Hinsicht – anders als vielfach angenommen – durchaus zukunftsfähig ist. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes und des angemessenen Umgangs mit dem Klimawandel gibt es heute bereits zahlreiche vorbildhafte Skianlagen, die in jeder Hinsicht ökologisch zukunftsfähig sind. Dies gilt für die erforderliche Wasserwirtschaft gleichermaßen wie für die notwendige Energieerzeugung. Technische Schneeproduktion wird mittlerweile selbst bei Rettungsmaßnahmen zum Erhalt der Gletscher in den europäischen Alpen als Lösungsinstrument diskutiert.

Ungelöst ist allenfalls das Problem der erforderlichen massenhaften Anreise der Gäste in die Skigebiete, die mit ihrem heutigen Lösungsangebot allerdings ökologisch inakzeptabel ist. Doch sollten hier in Bezug auf die Verantwortung für dieses Problem die dafür politisch Verantwortlichen präzise benannt werden. Denn eine Konsum- und Massengesellschaft wird sich auch zukünftig durch eine von ihr erwünschte Mobilität auszeichnen, die nicht zuletzt aus den zu Recht vorhandenen Freizeitbedürfnissen unserer Bürgerinnen und Bürger resultiert. Ganz gleich – ob Skifahrer, Tourengeher, Radfahrer, Wanderer oder Museums und Theaterbesucher – sie alle sind von einem Ort zu einem anderen zu transportieren, und dazu benötigt man angemessene Verkehrswege und öffentliche Verkehrsmittel. Es ist endlich an der Zeit, dass hier die klare staatliche Verantwortung beim Namen genannt wird, die für die Lösung unseres Verkehrsproblems verantwortlich ist und leider über mehrere Jahrzehnte versagt hat.

Meines Erachtens ist die von mir gesuchte und erwünschte Ästhetik des alpinen Skilaufens heute sehr viel weniger durch die Skianlagen gefährdet, die notwendigerweise ständig einer Modernisierung bedürfen. Die in den meisten Skianlagen durch fachkundiges Personal bestens präparierten Pisten ermöglichen nach wie vor außergewöhnlich schöne und oft auch sehr ästhetische Skierlebnisse unter nahezu sämtlichen Witterungsbedingungen.

Aus meiner Sicht ist es hingegen der alpine Rennsport der FIS, die Weltcuprennen und Weltmeisterschaften, die sich in ihrer Dauer und in ihrem Angebot ständig noch verlängern bzw. erweitern, bei der die besondere Ästhetik des Skilaufs infrage gestellt wird.

Sonntag, 16. 3. 2025 Liveübertragung des Weltcupslaloms der Männer in Hafjell, Norwegen im ORF von 9:30 Uhr bis 14:00 Uhr.

 Die Slalomstrecke ist nach Auffassung des ORF Ski -Experten Sikora mittelschwer. Etwas mehr als 70 Tore sind zu durchfahren. Es muss von einer Laufzeit von unter 2 Minuten ausgegangen werden. Im ersten Durchgang sind 70 Weltklasse-Athleten am Start, von denen sich die 30 besten für den zweiten Durchgang und somit für das Finale qualifizieren können. Von den Organisatoren wurde die Piste bestens präpariert. Im Zielbereich sind die notwendigen Zuschauertribünen aufgebaut, und das erforderliche technische Equipment ist überall dort, wo man es braucht. Ein Starthaus mit den notwendigen Aufwärmmöglichkeiten für die Athleten steht in bester Qualität zur Verfügung. Die für die Präparierung der Skier verantwortlichen Techniker haben ihnen zugewiesene Arbeitsplätze. Der Zielbereich weist die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zur Absicherung der Zuschauer auf. Im Zielbereich ist auch ein „Thronbereich“ aufgebaut, auf dem der jeweils „Führende“ zu sitzen hat, damit er zum „Spannungsaufbau“ bei der Life-Übertragung immer auch rechtzeitig eingeblendet werden kann.

Eigentlich ist alles so wie es in den vergangenen 70 Jahren – seit ich den alpinen Rennsport verfolge – schon immer gewesen ist. Und doch sieht heute alles ganz anders aus, als es in der Frühzeit der alpinen Skirennen ausgesehen hat. Wer die Möglichkeit hat, einen Schwarz-Weißfilm von früheren Weltmeisterschaften zu sehen, wer Toni Sailers Slalomkünste bewunderte, wer die Abfahrten von der „Streif“ eines Karl Schranz in seinen besten Jahren gesehen hat, der wird den Unterschied von damals zu heute ganz schnell entdecken.

Der alpine Weltcup von Hafjell in Norwegen an dem Sonntag, von dem hier die Rede ist, war wie alle heutigen FIS-Weltcups und FIS-Weltmeisterschaften des alpinen Skisports in erster Linie ein Medienspektakel. Es fand – wie heute üblich –ein doppelter Weltcup auf zwei verschiedenen Bühnen statt. Auf der einen Bühne streiten sich die besten Slalomläufer der Welt um den von Ihnen angestrebten Sieg.

Auf der anderen Bühne findet ein Wettstreit der Werbeindustrie statt, wobei es ausschließlich darum geht, die Zuschauer in ihrer visuellen Aufmerksamkeit auf ein Logo zu lenken, für das das Marketing- Management des jeweiligen Konsumguts in einem nahezu unermesslichen Konsumgütermarkt verantwortlich zeichnet.

„Harreiter, Kälbling, Raiffeisen, Sunrise, DNB, HH, Schöffel, Bogner, A1, Visa, BKW, ESF, WGV, Würth, 5G, Stiefel, Red Bull, Happy Getränk, Fusalp, Colmar, Descente, Infina, Gesswein, Eisbär, Kronen- Zeitung, Reusch, Rossignol, Stöckli, Nordica, Head, Völkel, Blizzard, Fischer, van Deer, Atomic, Oakley, Audi, Ruch, Benger, Hauser, Zgong, Vikersund, Tirol, Sankt Anton, Kärnten, Sölden, vier Ländereck, Leki, Uvex, TTI, Limo Ski Wasser, Hall Gruppen, Ochsner Sport, Ski Austria, Swiss, Vredestein, Generali, Marlene, KPMG, Longines, Ziener, ÖBB, Sparkasse, Fussel, Billa, Nor Engros“.

„Branding“, so lautet der Fachbegriff der Marketingexperten für jenes, was während des Weltcups von Hafjell in Norwegen mehr als 2 Stunden passiert und bei dem die hier aufgeführten 65 „Marken“ die zentrale Rolle spielen. Für das Branding von Marken benötigt man Raum und möglichst gut sichtbare Flächen. Die Flächen können statisch oder beweglich sein. Dafür gibt es bei einem Freiluftsportereignis nahezu ideale Bedingungen und die Anzahl der Flächen, die für Werbung – oder sollte man es als Schleichwerbung bezeichnen? – zur Verfügung stehen, scheint nahezu unendlich zu sein. Oben am Berg gibt es das Starthaus, unten die Ziel Arena. Dazwischen ist es der gesamte Hang, auf dem das Rennen stattfindet. Manche Standorte sind dabei für Werbeflächen besonders attraktiv. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Preise. Das Starthaus eignet sich ganz besonders für die Präsentation der Hauptsponsoren, die man heute als „Partner“ bezeichnet. Gleiches gilt für die Zielbrücke. Auf Bannern und Banden können die Logos von einer Vielzahl von Partnern zur Darstellung gebracht werden. Sie können traditionell gefertigt sein. Sie können aber auch digitale Botschaften am laufenden Band übermitteln. Auch virtuelle Botschaften sind möglich, wenn unterschiedliche Kaufmärkte zu bedienen sind. Entscheidend ist, dass man die jeweiligen Logos der Wirtschaftspartner sehen kann, wobei es vor allem darauf ankommt, dass sie vor, während und nach dem Rennen bei der Liveübertragung im Fernsehen sichtbar sind.

Als Werbeträger besonders geeignet sind alle Personen, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit bei einem Skirennen stehen. In aller erster Linie sind es die Athleten und Athletinnen, die Trainer und Trainerinnen, das technische Personal, die Funktionäre der FIS, die Angehörigen von Athleten und die Fan- Gemeinden einzelner Rennläufer. Für manche Zuschauer im Fernsehen sind vor allem die Ski der Rennläufer von Interesse. Deshalb kann es nicht überraschen, dass der Präsentation der Marken der Skihersteller eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im österreichischen Fernsehen wird dabei – wie bei der Übertragung von Formel 1 Rennen – sogar die Skimarke des jeweiligen Rennläufers benannt, wenn er sich auf der Strecke befindet. Der Start, das Rennen selbst, die Einfahrt in das Ziel bis hin zur Siegerehrung sind dabei weitere wichtige Werbeorte.

Man könnte annehmen, dass die Körper der Athletinnen und Athleten nur eine begrenzte Fläche bereitstellen können, auf denen während eines Wettkampfes Werbung stattfindet. Doch diese Annahme ist wohl kaum noch haltbar. Beim modernen Skisportathleten gibt es wohl keinen Platz auf seinem Körper, auf dem nicht ein Logo eines Werbepartners platziert werden könnte. Der Kopf mit dem Helm oder mit der Baseballmütze, die Brust, die Arme und die Beine eignen sich ebenso wie der Skistiefel für eine Einzel-Vermarktung. Weil beim Rennen selbst eine von der FIS vorgegebene Anzahl an Logos auf dem Rennanzug nur erlaubt ist, tragen die Rennläufer vor und nach den Rennen eine „Überkleidung“, auf der die vorgegebene Zahl an erlaubten Werbelogos massiv überschritten werden kann. In dieser Situation gelten andere Werberichtlinien als beim Rennen selbst. Wo die Kleidung und das Material nicht ausreichen wird immer häufiger auch die eigene Haut als Werbefläche offeriert. Werbetattoos auf Armen und anderen Körperteilen und vor allem im Gesicht sind deshalb bei diesem Weltcup in Hafjell, obwohl es dort noch kalter Winter ist, ebenfalls anzutreffen.

Eine ideale Werbefläche bilden auch die Körper jener Menschen, die für die Fernsehübertragung verantwortlich zeichnen. Dürfen offensichtlich die Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Liveübertragung im Fernsehen auf ihrer Kleidung nur eine begrenzte Anzahl von Werbe-Logos aufweisen, so haben die eingeladenen Experten, die das Rennen mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen kommentieren sollen, nahezu freie Hand für jede beliebige Bewerbung mit ihrer Sportkleidung. Gleiches gilt für die Testfahrer, die vor Beginn des eigentlichen Rennens die Piste abfahren und die Schwierigkeiten und Gefahren der Strecke erläutern. Die Rolle der „Sportexperten“ hat sich dabei immer mehr zur Rolle von „Testimonials“ verwandelt. Ihre Tendenz zur Selbstdarstellung im Interesse ihrer Auftraggeber ist dabei unübersehbar. Manche Expertin verwechselt dabei auch die Mixed Zone mit einer Modenschau. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen müsste eigentlich nach wie vor „Product Placement“ verboten sein, weil auf diese Weise der Beitragszahler eine Werbung mit zu finanzieren hat, die sich gemäß den Statuten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens verbietet. In der sog. Mixed Zone hält dies jedoch niemand ab, demonstrativ Produkte zur Schau zu stellen, wenn Reporter Athleten interviewen.

Obgleich das Ereignis im öffentlich-rechtlichen Fernsehen live übertragen wird, scheut man auch dort schon seit längerer Zeit nicht mehr zurück, mit den Veranstaltern so genannte Werbepausen auszuhandeln, in denen dann die Sender selbst sich mit ihrer Werbung und Programmvorschau präsentieren können. So kamen bei der Übertragung von Hafjell die österreichische Bahn ÖBB, die österreichische Sparkasse und die beiden Wirtschaftsunternehmen Fussel und Billa auf ihre Kosten.

Bei einer Zentral Vermarktung durch die FIS hat diese vor jedem Weltcuprennen schon immer alles äußerst präzise festgelegt, was vor, während und nach einem Weltcupereignis auf dem Event-Gelände des nationalen Gastgebers stattfinden kann und darf. Was die Werbung betrifft, ist dabei in den FIS-Werberichtlinien alles geregelt: Anzahl und Größe der Logos, die auf dem Körper des Athleten erlaubt sind; Produktkategorien, für die auf dem Helm, den Skiern, den Stöcken und den Skischuhen geworben werden darf; das Design des Starthauses mit der dort erlaubten Werbung ist festgelegt. Gleiches gilt für die Zielarena und die Banden- und Bannerwerbung, die elektronisch gesteuert sein muss.

Die FIS unterscheidet in Werbung am Mann, Werbung auf den Sportgeräten und des notwendigen Materials, internationale und nationale Werberechte, Werberechte zugunsten der Gastgeber, Werbung für Tourismusregionen, Zeitnehmer- und Messtechnikwerbung. Sie legt auch fest, wie die Athleten vor dem Rennen visuell präsentiert werden, mit welchen Mess- und Zeitdaten ihre Läufe begleitet werden, wie die Laufwege der Athleten nach Ende des Rennens durch die Mixed-Zone der Internationalen Medien zu gestalten sind und in welcher Reihenfolge die übertragenden Fernsehersender dabei zum Zug gekommen. Ein Weltcuprennen wie das von Hafjell im März dieses Jahres ist ganz offensichtlich in eine Bürokratie eingebettet, wie sie von Staatsbeamten wohl kaum besser erfunden werden könnte.

Aus der Sicht der FIS und der beteiligten Verbände, aus der Sicht der Rennläufer und vermutlich auch aus der Sicht der großen Mehrheit der Zuschauer war das Rennen von Hafjell, kurz vor dem Saisonfinale, bei strahlendem Sonnenschein, ein großer Erfolg. Das Rennen war spannend und mit Loic Meillard hat es einen verdienten Sieger gegeben. Und die beiden großen Ski-Nationen Norwegen und Schweiz konnten einmal mehr ihre Dominanz in der Weltcupsaison 2024/25 unterstreichen. Vermutlich waren auch die 65 beteiligten Unternehmen mit dem „Auftritt“ ihrer Logos zufrieden. Genug Werbebotschaften konnten durch eine geschickte Führung der Kamera und durch die heute bereits übliche Steigerung durch Drohnenaufnahmen ausgesendet werden. Auch mir hat die Live-Übertragung des österreichischen Fernsehens von dem norwegischen Weltcup gefallen. Die Leistungen der Athleten waren bewundernswert. Die Slalom Künste wurden in Wort und Bild exzellent in Szene gesetzt. Man konnte bei einigen Athleten, die Eleganz ihrer Schwünge bewundern, die von Leichtigkeit geprägt waren. Die besten haben den Schnee nahezu nur „gestreichelt“, andere mussten sich mit Krafteinsatz bemühen, die Tore rechtzeitig anzusteuern.

Doch als eine Person, die den alpinen Rennsport nunmehr über sieben Jahrzehnte aktiv beobachtet und ihm gegenüber sein Interesse bekundet hat, bleibt dennoch ein großes Unbehagen zurück. Betrachtet man aus einer anderen Perspektive als aus der bloßen sportlichen Leistungsperspektive das übertragene Ereignis, so hat sich der Weltcup im alpinen Skisport zu einer „ästhetischen Katastrophe“ entwickelt. Neben dem sportlichen Wettkampf findet eine „Werbeschlacht“ statt, die einen „Werbefriedhof“ hinter sich zurücklässt.

Von einer „Ästhetik des Skisports“ kann dabei – was das Gesamtbild des Events betrifft – ganz gewiss nicht die Rede sein. Ob unter werbetheoretischen Gesichtspunkten eine derartige „Logo Schlacht“ wie die von Hafjell und wie sie leider   bei jedem anderen großen Sportereignis in diesen Tagen stattfindet, sinnvoll und zielorientiert ist, muss von den dafür zuständigen Wissenschaften beantwortet werden, die bei ihrer Antwortsuche hoffentlich nicht selbst Werbeinteressen unterliegen.

Aus der Sicht des Laien fragt man sich, was die Werbeindustrie mit den anwesenden Zuschauern und den Fernsehzuschauern zu Hause mit ihrem „Werbesalat“ erreichen wollen, der mittlerweile bei jedem Ereignis des internationalen Hochleistungssports offeriert wird. Viele der zur Darstellung gebrachten Marken sind völlig unbekannt. Sie in ihrer Existenz bekannt zu machen, mag ein berechtigtes Ziel sein. Doch wenn man weiß, dass die sichtbaren Worte Namen für ein bestimmtes Produkt sein sollen, dann weiß man noch lange nicht, welches Produkt mit diesen Namen am Markt angeboten wird.  Wenn die große Mehrheit der Zuschauer, die ihm offerierten 65 „Marken“ bereits kennt, so kann das Zuschauerbewusstsein um diese Marken vermutlich gesteigert werden. Ihr Bekanntheitsgrad kann möglicherweise stabilisiert werden.

Fragt man die Zuschauer von Hafjell einen Tag, eine Woche oder einen Monat nach dem Weltcup-Ereignis nach den Marken, die ihnen in Hafjell vorgeführt wurden, so nimmt deren Erinnerungsvermögen rapide ab. Es werden auch Marken genannt, die gar nicht bei diesem Weltcuprennen anwesend waren. Die Antwort auf die Frage, ob auf der Grundlage von derartiger Werbung ein Produkt am Markt stabilisiert wird, es – seit es bekannt geworden ist – vielleicht sogar häufiger verkauft wird als zuvor, oder ob es möglicherweise nur deshalb nun vermehrt gekauft wird, weil sich gerade die Wirtschaft  in einem Aufschwung befindet, wird von Marketing- Wissenschaftlern nach wie vor äußerst unbefriedigend beantwortet. Auffällig ist ja, dass während einer Wirtschaftskrise trotz intensiver Marken -Werbung für bestimmte Produkte rückläufige Verkaufszahlen zu verzeichnen sind.

Vielleicht wird ja mit der Werbung im Sport etwas ganz anderes beabsichtigt. Das Unbewusste so glauben einige Psychologen zu wissen – soll dabei angesprochen werden und bestimmte neuronale Systeme in unserem Gehirn sollen dabei ausschlaggebend für manchen Kaufwunsch und für manche Kaufentscheidung sein, die wir zu einem späteren Zeitpunkt treffen.

Als jemand, der mit seinen Gebühren auch die Sportübertragungen des Fernsehens mitfinanziert, möchte ich mich allerdings entschieden verwehren, wenn ich beim Schauen von Sportsendungen des Fernsehens zum Versuchsobjekt von pseudopsychologischen Projekten werde. Ich habe niemand mein Einverständnis gegeben, dass ich für solche Vorhaben als Proband zu Verfügung stehe.

All die hier aufgeworfenen Fragen und Probleme des Sportmarketings mögen für die Werbeindustrie von Bedeutung und von Interesse sein. Für mich, der beim Betrachten eines Slaloms auch die Schönheit des Skilaufs erfahren möchte, der sein Interesse auf die sportlichen Höchstleistungen der Athletinnen und Athleten ausgerichtet hat, der von der Spannung erfasst werden möchte, die deren  Wettkämpfe ausstrahlen, der auch die Schwierigkeiten einer Rennstrecke mit wahrnehmen möchte und dabei auch mit den Athleten mitfühlen und mitleiden will, für den ist die „Werbeschlacht“ um das Skiereignis herum lediglich ein Ärgernis, auf das ich gerne verzichten würde.

Die Meinung eines Sportfans, der mittlerweile über 80 Jahre alt geworden ist, dessen ist sich dieser Fan durchaus bewusst, hat in der kurzlebigen Werbe- und Unterhaltungswelt keine Bedeutung.

Doch auch für den modernen Skilauf kann eine Lebensweisheit bedeutsam sein, die dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass manchmal „weniger auch mehr sein kann“, und manche unersättliche Geldgier auch selbstzerstörerische Merkmale aufweist. Und in Bezug auf wichtige Lebensweisheiten können möglicherweise alte Menschen durchaus noch eine Hilfe sein.

Letzte Bearbeitung: 23. März 2025

Themenzuordnung: Sportmarketing, Ästhetik des Sports

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird gelegentlich auf „gendergerechte“ Sprachformen – männlich weiblich, divers – verzichtet. Bei allen Bezeichnungen, die personenbezogen sind, meint die gewählte Formulierung i.d.R. alle Geschlechter, auch wenn überwiegend die männliche Form steht.